Protocol of the Session on September 9, 2010

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Zum Glück gibt es jetzt Bananen.)

Sind wir schon so weit?

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ist eine rhetorische Frage, meine lieben Kollegen von der CDU. Die Landesregierung muss mir diese Frage nicht beantworten.

(Unruhe CDU)

Liebe Kollegen von der CDU, das Thema ist leider so ernst, dass ich die Späße mit den Bananen wirklich unterlassen würde.

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Dann soll- ten Sie solche Späße nicht einbringen.)

„45 Mrd. € könnten die Atombetreiber zusätzlich einstreichen“ war eine der Zwischenüberschriften. Gedacht war an die zusätzlichen Einnahmen bei einer Laufzeitverlängerung von 8 Jahren. Inzwischen wurden 12 Jahre beschlossen. Circa 1 Mio. € zusätzlich pro Tag und Atomkraftwerk bedeuten nun ca. 67 Mrd. € zusätzliche Einnahmen. Das alles ohne Beachtung von Preissteigerungen, die mit Sicherheit über die Laufzeit gerechnet erheblich sein werden. Das Öko-Institut Freiburg geht davon aus, dass etwa 120 Mrd. € zusätzliche Einnahmen entstehen unter Beachtung dieser Preissteigerung. Diese Zahlen muss man nicht unbedingt ins Feld führen, wie ich meine. Es reicht, wenn wir bei der

„Wirtschaftswoche“ bleiben, um das Wesen des Vorgangs sichtbar zu machen. Denn selbst wenn man nur von 67 Mrd. € ausgeht und die ausgehandelte Brennelementesteuer von ca. 14 Mrd. € und die Förderung erneuerbarer Energien von 15 Mrd. € abzieht, bleibt eine riesige zusätzliche Einnahme von 38 Mrd. €. Wie gesagt, das ist die untere Grenze, wenn man die Dinge ganz wohlwollend betrachtet.

Wie sagte doch Karl Marx so schön zum Thema Kapital? 300 Prozent Gewinn und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf die Gefahr des Galgens.

(Beifall DIE LINKE)

Dabei muss man die Brennelementesteuer noch einmal gesondert betrachten. Wie es aussieht, sollen diese 14 Mrd. € offensichtlich steuerlich geltend gemacht werden können, wie es so schön heißt. Das ist nun wirklich ein Geniestreich der Regierung. Erst tut man, als ob man die Konzerne belasten will und dann gibt man durch die Hintertür gleich wieder milde Gaben zulasten der Kommunen und der Staatskasse. Da kann ich nur sagen: Welch eine Farce, das Ganze grenzt an Täuschung der Öffentlichkeit.

Meine Damen und Herren, besonders bedauerlich ist, dass sich diese Laufzeitverlängerungen gegen den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien richtet und damit gegen den Klimaschutz, gegen den Schutz der Natur und gegen den Schutz unserer Lebensgrundlage. Die Energiekonzerne behaupten, die Atomenergie sei eine Brückentechnologie - Herr Worm behauptet das übrigens auch bis die regenerativen Energien in ausreichendem Maße zur Verfügung stünden. In Wirklichkeit verhindert Atomkraft mit ihrem unflexiblen Grundlastverhalten den zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien. Angeblich können die erneuerbaren Energien die Versorgungssicherheit noch nicht gewährleisten, wie Herr Worm ebenfalls ausführte, aber schon vor mehr als zehn Jahren hat der Träger des Alternativen Nobelpreises, Dr. Hermann Scheer, nachgewiesen, dass über regenerative Energien eine vollständige Absicherung unserer Energieversorgung gewährleistet werden kann. In seinem Buch „Die solare Weltwirtschaft“ hat er dies überzeugend nachgewiesen. Gleichzeitig ist die Laufzeitverlängerung auch dahin gehend zu kritisieren, dass die kommunalen Energieversorger in übelste Verlegenheit kommen, was die Refinanzierung ihrer Investitionen anbelangt. Man hat sich auf den Atomkompromiss von Rot-Grün verlassen und muss heute feststellen, dass man langfristig mit einem verfälschten, den tatsächlichen Aufwendungen hohnsprechenden Atomenergiepreis konkurrieren muss. In die Atomindustrie sind ca. 165 Mrd. € Fördermittel geflossen: 45 Mrd. € durch die Bundesregierung direkt und der größere Rest über EURA

TOM - die europäische Förderung. Viele Atomkraftwerke sind als Bundesforschungszentren gebaut. Unter all diesen Bedingungen kann man natürlich vermeintlich und scheinbar sehr billig Strom produzieren. Die Benachteiligung von Stadtwerken und ähnlichen Institutionen durch falsche Niedrigpreise und eine Nichtauslastung ihrer Anlagen ist so nicht hinnehmbar.

Meine Damen und Herren, wenn ich an die jüngste Regierungsvereinbarung denke, schwindet bei mir die Hoffnung, dass rechtzeitig eine zukunftsfähige Energiewirtschaft in Deutschland installiert wird. Wie soll unter der Regie der vier großen Energiekonzerne von einem zentralen Energiesystem in ein dezentrales System umgesteuert werden, wenn man gerade erst jetzt das veraltete zentrale System zementiert hat? Wie sollen unter diesen Bedingungen der Umbau und Ausbau der Energienetze erfolgen - angepasst an die Erfordernisse der erneuerbaren Energien? Im Grunde genommen erwarten wir von den Energiekonzernen, dass sie sich selbst abschaffen. Ich denke, das ist und bleibt eine große Illusion. Deshalb fordern wir als LINKE, im Gegensatz zu anderen in diesem Hause, dass im Rahmen der Energiewende die Rückführung der Energienetze an öffentliche, demokratisch kontrollierte Körperschaften erfolgt.

(Beifall DIE LINKE)

Wir fordern gleichzeitig, einen Planungsprozess einzuleiten, wie man 700 bis 800 Mrd. Kilowattstunden Strom - das ist der in naher Zukunft zu erwartende Stromverbrauch - unter welchen Bedingungen, mit welchem Energiemix regenerativ erzeugen kann.

Gestatten Sie mir zum Schluss noch ein kleines Gedankenexperiment, meine Damen und Herren, um zu zeigen, was es bedeutet, wenn die regenerative Energie ausgebremst wird. Im Durchschnitt verbraucht ein Bundesbürger für etwa 2.500 € Energie im Jahr. Da wir ja nun - und da besteht ja fast Konsens im Hause - dafür sind, dass diese Energie perspektivisch dezentral erzeugt werden soll, nehmen wir mal an, eine Gemeinde von 2.000 Einwohnern würde all ihre Energie dezentral vor Ort bei sich erzeugen. Das würde bedeuten, in dieser Kommune würde jährlich eine Wertschöpfung von sage und schreibe 5 Mio. € entstehen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das heißt nicht, dass ich mit diesen 5 Mio. € die Probleme in diesen Kommunen wie auch immer und überall lösen kann. Aber das ist eine beachtliche Summe und sie wäre im Grunde genommen der Kristallisationspunkt für weitere regionale Wirtschaftskreisläufe, die wir bei uns in Thüringen so dringend brauchten. Das Faszinierende an all dem ist, dass sich jeder einbringen kann, Wertschöpfung

zu generieren. Mit der aufkommenden Elektromobilität wäre die Faszination noch größer, wenn man vor Ort sein Fahrzeug mit selbst erzeugtem billigen Strom betanken, sprich laden kann.

Meine Damen und Herren, ich bitte im Namen meiner Fraktion um Zustimmung zu unserem Antrag und zu unserem Änderungsantrag. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen herzlichen Dank, Herr Hellmann. Es hat sich noch einmal zu Wort gemeldet der Abgeordnete Weber für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, jetzt habe ich einen Zettel dabei, und zwar eine aktuelle Meldung aus SPIEGEL ONLINE, auf der ersten Seite. Da wird zitiert aus dem Geheimvertrag der Regierung mit den Energieriesen und ich zitiere: „Der Geheimvertrag zwischen Regierung und Energieriesen

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das ist eine Falschmeldung.)

enthält mehr Schutzklauseln als bisher bekannt.“ Nach SPIEGEL ONLINE-Informationen sichern sich die Konzerne darin gegen eine höhere Brennelementesteuer ab, und zwar in § 4 und gegen einen Regierungswechsel.

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ausgaben für Sicherheit werden auf einen Maximalbetrag begrenzt. In dem Abkommen heißt es, sichert die Regierung den Konzernen zu, dass die vereinbarten Beiträge für den Ausbau erneuerbarer Energien, die sie im Gegenzug für die Laufzeitverlängerung zahlen müssen, sinken, wenn insgesamt oder für einzelne Atomkraftwerke die Bestimmung zur Laufzeitverlängerung verkürzt, verändert, unwirksam oder aufgehoben wird. Also wenn das stimmt, was in SPIEGEL ONLINE steht, dann ist das ein Skandal. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen herzlichen Dank, Herr Weber. Ich frage, gibt es weitere Wortmeldungen? Das ist nicht der Fall. Dann habe ich jetzt gehört, dass dieser Antrag überwiesen werden soll an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit und außerdem an den Ausschuss für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz. Für welchen Ausschuss wird die

Federführung beantragt? Das beschließen wir danach.

Dann stimmen wir zunächst über die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit ab. Wer dieser Überweisung so zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Vielen herzlichen Dank, dass es die Zustimmung aller Fraktionen gibt. Gibt es Gegenstimmen? 1 Gegenstimme aus der FDP-Fraktion. Enthaltungen? Keine Enthaltung. Damit wurde die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit beschlossen.

Wir kommen jetzt zu dem Antrag auf Überweisung an den Ausschuss für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz. Wer auch dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Vielen herzlichen Dank, das sind wiederum Abgeordnete aus allen Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? Nein, das ist nicht der Fall. Gibt es Enthaltungen? Bei einzelnen Enthaltungen aus der CDU-Fraktion ist damit auch dieser Überweisung zugestimmt.

Ich frage jetzt nach der Federführung. Herr Blechschmidt.

Ich würde federführend den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit beantragen.

Gut, dann stimmen wir jetzt über die Federführung des Ausschusses für Wirtschaft, Technologie und Arbeit zu diesem Antrag ab. Wer der Federführung in diesem vorgeschlagenen Verfahren so zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Vielen herzlichen Dank. Das ist Zustimmung aus allen Fraktionen. Gegenstimmen? Gibt es keine. Enthaltungen? Gibt es auch nicht. Damit ist die Federführung somit einstimmig beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5

Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Bibliotheksgesetzes Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 5/1406 ERSTE BERATUNG

Ich frage, wünscht die Fraktion DIE LINKE das Wort zur Begründung? Ja, das ist der Fall, dann hat jetzt Frau Dr. Birgit Klaubert das Wort für die Einbringung zum ersten Änderungsgesetz.

(Abg. Hellmann)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, einige Worte zur Begründung des Gesetzentwurfs möchte ich hier einführend an alle Fraktionen richten, und zwar haben wir damals, die Oppositionsfraktionen SPD und DIE LINKE, im Herbst des Jahres 2007 einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur Sicherung der Bibliotheken, sprich das Thüringer Bibliotheksgesetz, in den Thüringer Landtag eingebracht. Kurz danach, zur Wiedereröffnung der Anna Amalia Bibliothek hielt der damalige Bundespräsident Köhler eine beeindruckende Rede, in der er von der Kraft und der Notwendigkeit der Bibliotheken in Deutschland sprach. Die CDU kündigte damals großspurig an, ein Bibliotheksgesetz von einmaliger Wirkung in Deutschland in den parlamentarischen Gang zu bringen. Im Sommer 2008 wurde von der damaligen Parlamentsmehrheit im Landtag ein Bibliotheksgesetz verabschiedet, welches von meinem Kollegen Döring wie folgt gekennzeichnet wurde - ich zitiere, Frau Präsidentin: „Meine Damen und Herren, in der Anhörung ist auch deutlich geworden, dass ein Thüringer Bibliotheksgesetz natürlich Bedeutung für ganz Deutschland, und das nicht nur für Bibliotheken, sondern auch für andere Kultureinrichtungen, die ähnliche Problemlagen haben, haben wird. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben im Schweinsgalopp, das wurde schon gesagt, den Gesetzentwurf durchgezogen, ohne die eindeutigen ich habe sie ja noch einmal benannt - Ergebnisse der Anhörung im Ansatz zu reflektieren.“ Dann sagt der Herr Kollege Döring noch: „Unser gemeinsames Ziel, Bibliotheken auf eine besser gesicherte Basis festzustellen, ist damit klar verfehlt und der von Ihnen forcierte Modellcharakter des Gesetzes lässt sich für mich in zwei Worte fassen: So nicht! Was Sie als Meilenstein in der deutschen Bibliotheksgeschichte bezeichnen, könnte sich als Mühlstein am Hals der Bibliotheken in Thüringen entpuppen.

(Beifall DIE LINKE)

Anspruch und Wirklichkeit liegen hier Welten auseinander. Ihr Gesetz trägt in keiner Weise zum Erhalt der Bibliotheken bei und die Bürgerinnen und Bürger in Thüringen haben ein solches Gesetz nicht verdient.“ Das alles wurde vom Kollegen Döring damals gesagt. Ich habe wenig hinzuzufügen, als dass dieser Umstand heute noch besteht und wir diesen Bibliotheksgesetzentwurf so verändern, dass er unseren Ansprüchen von damals auch Genüge trägt, und zwar insbesondere in vier Punkten:

1. die Pflichtaufgabe für die Bibliotheken zu sichern und den Zugang aller zu Bibliotheken in der Fläche auch zu realisieren,

2. das Aufgabenspektrum der öffentlichen Bibliotheken zu beschreiben, einschließlich der Beratung und Unterstützung durch die Landesfachstelle,

3. die besondere Bedeutung der Bibliotheken als Bildungseinrichtungen in Kooperation von Schule und Bibliothek zu verdeutlichen und

4. die Verantwortung des Landes für die Mitfinanzierung dieser Aufgabe auch zu realisieren.

Nicht mehr und nicht weniger hatte die SPD damals mit uns gefordert. Unter einer rot-roten Regierung wäre ein solches Gesetz schon lange Wirklichkeit. Sie haben jetzt die Chance, vernünftig zu werden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke, Frau Abgeordnete. Wir treten in die Aussprache ein und ich rufe auf als Erste die Abgeordnete Rothe-Beinlich von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.