Protocol of the Session on September 8, 2010

(Abg. Hey)

begreifen, Sie sind hier nicht mehr an einem Lehrstuhl, wo das Leben in losen Blattsammlungen stattfindet, sondern Sie sind hier im realen Leben, und Sie haben es hier mit Partnern zu tun wie mir, die das nicht durchgehen lassen. Aber wenn Sie das nicht mal packen, dann ist klar, dann kann es auch nichts werden. Wir brauchen eine Reform bei den Landkreisen. Jetzt wird immer diskutiert - auch DIE GRÜNEN - sie wollen acht Landkreise. Ich sage es noch einmal deutlich, wir wollen keine größeren Landkreise, wir wollen andere Strukturen in dieser Ebene - Regionalkreise, weil auch die Landkreise in der jetzigen Struktur und Finanzierung zumindest demokratieferner Raum sind. 80 Prozent der Aufgaben des Landkreises unterliegen nicht der demokratischen Kontrolle und Steuerung des Kreistages, sondern das macht der Landrat selbst. Ich sage Ihnen, solange nicht DIE LINKE die Mehrzahl der Landräte stellt, haben wir was dagegen.

(Unruhe FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann, wenn wir das haben, können wir mal anders diskutieren. Solange das nicht der Fall ist, müssen Sie sich dieser Kritik stellen. Bei den gemeindlichen Ebenen wollen Sie die Verwaltungsgemeinschaften jetzt angehen, die kleineren, das ist vernünftig. Aber warum gehen Sie nicht das Problem der erfüllenden Gemeinden an, das ist das Hauptproblem? Herr Fiedler war ja mal ehrlich, er hat gesagt, dass nun die 5.000-Einwohnergrenze aus dem Gesetz herausgefallen ist - jetzt wollen sie es wieder hineinnehmen - war Ihrem Fehler zu verdanken. Willkommen im Klub, bisher haben Sie immer so getan, als wenn der politische Irrtum nicht zu Ihrer Biografie gehört. Ich habe schon immer behauptet, Sie irren sich hier mehrfach am Tage und sollten dazu stehen. Jetzt haben Sie einen guten Anfang gemacht. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Für die FDP-Fraktion hat sich der Abgeordnete Bergner zu Wort gemeldet.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, der zweite Aufguss bei Grünem Tee ist durchaus eine feine Sache. Der vierte oder fünfte Aufguss bei roten Anträgen hingegen muss wirklich nicht begeistern. Worin der besondere Anlass für eine Aktuelle Stunde besteht, wenn zweifelsohne respektable Persönlichkeiten auf Nebenfragen eine Meinung äußern, sei dahingestellt. Ich meine, es wäre an dieser Stelle, auch wenn wir inhaltlich eine andere Auffassung haben, ein normaler Antrag das angemessenere Mittel. Gleichwohl, meine Damen und

Herren, wird der Inhalt, Herr Kollege Kuschel, vom ständigen Wiederholen nicht besser.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Aber es stimmt trotzdem.)

Es hat noch niemand den Beweis angetreten, dass große Strukturen automatisch effizienter sind. Wenn wir uns mal die aktuelle Pressemitteilung hernehmen vom Landkreistag, die heute veröffentlicht worden ist mit dieser Karte, dann sehen wir, dass die Größe allein mit Sicherheit nicht das Kriterium für Effizienz

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wir wollen andere.)

sein kann. Warum legen Sie denn keine belastbare Evaluation der Erfahrungen aus Sachsen-Anhalt oder Sachsen vor? Warum ignorieren Sie die Aussagen des Landkreistags, der Größen über 2.000 km² als problematisch ansieht? Viel wichtiger, als über Kreisgrößen nachzudenken, ist es doch, eine Aufgabenreform ins Auge zu fassen.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Hat er gesagt.)

Die Aufgaben zu ändern - und damit, Herr Kollege Hey, sind wir bei dem dritten Weg -, ist meiner festen Überzeugung nach eindeutig der bessere Weg. Herr Kollege Hey, wenn Sie Hamburg ansprechen; 2030 wird es immer noch einen wesentlichen Unterschied zwischen Hamburg und Thüringen geben, der liegt darin, dass Thüringen ein Flächenland ist; es verbietet sich an dieser Stelle Äpfel und Birnen zu vergleichen.

(Beifall FDP)

Da kommen wir auf das Thema Bürgernähe. Es ist nun einmal so, je größer die Strukturen sind, desto entfernter sind die Strukturen auch von den Bürgern. Es hat ganz eindeutig, meine Damen und Herren, auch etwas damit zu tun, wie sich Menschen in der politischen Partizipation wiederfinden, wie Menschen Teilhabe äußern. Da können wir Gemeinden nehmen; ich erlebe es tagtäglich,

(Beifall FDP)

dass in kleinen Gemeinden die Räume voll sind mit Besuchern, wo sich die Menschen engagieren, wo die Menschen dabei sind, und schon, wenn die Gemeinden etwas größer sind, sind die Besucherränge - das kann ich auch von der eigenen kleinen Stadt sagen - leider deutlich weniger besucht als bei den kleinen. Deswegen meinen wir, Menschen vor Ort wissen besser, was sie voranbringt, als das Entscheidungen vom grünen Tisch in Erfurt aus erledigen können. Die Menschen vor Ort wissen viel besser, wie sie zu effizienten Strukturen kommen können, wie sie ihre Gemeinden nach vorne bringen können, und deswegen sagen wir auch Ja zu

(Abg. Kuschel)

freiwilligen Zusammenschlüssen - selbstverständlich, wenn die Menschen vor Ort erkannt haben, sie wollen es, dann soll es so sein -,

(Beifall FDP)

aber bitte Nein zum Überstülpen von oben rein, zum Zwang von oben. Denn es hat die Praxis bewiesen, dass das nicht funktioniert. Deswegen sind wir der Meinung, dass in den Fällen interkommunale Zusammenarbeit allemal besser ist als Zwang. Es ist allemal besser, wenn sich Gemeinden, wenn sich Landkreise darüber verständigen können, auf welcher Basis sie miteinander Aufgaben erfüllen wollen und das Ganze auch noch effektiv erfüllen wollen, als von oben überzustülpen, was nicht übergestülpt werden kann, weil es nicht funktionieren wird, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Wir meinen, es bringt an dieser Stelle nichts, alle paar Wochen immer wieder dasselbe Thema aufzurufen. Wir meinen, die Menschen vor Ort sind intelligent genug, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und zu wissen, was sie wollen. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Fiedler zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich, dass die Landesregierung in der ersten Reihe noch von den zwei - ich weiß gar nicht, ob es zwei Verfassungsminister gibt - hier vertreten ist, das ist schon mal beruhigend.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Aber im Innenausschuss ist er heimgegangen.)

Ich rede nicht über die zweite Reihe, die ist mir lieb und teuer, aber die erste ist die erste Reihe.

Ich könnte es mir ganz einfach machen und jetzt hier vorn sagen, ich nehme mal den Antrag

(Unruhe FDP)

- ruhig Blut, mir jetzt nicht Redezeit wegnehmen Haltung der Landesregierung zu aktuellen Forderungen aus Politik, Wissenschaft etc. Haltung der Landesregierung - wer fragt denn uns überhaupt? Es geht um die Haltung der Landesregierung.

(Beifall FDP)

Mir ist nicht bekannt, dass sich die Haltung der Landesregierung verändert hätte. Ich kenne keine Veränderung, meine Damen und Herren, da kann man das noch zig Mal aufrufen. Herr Kollege Kuschel, auch wenn Sie heute Geburtstag haben, ich habe

sogar geklopft, aber Sie haben vorhin von der losen Blattsammlung gesprochen - es gibt noch gebundene Blattsammlungen, die manch einer am Hacken hat, das wissen Sie, das muss ich Ihnen nicht extra erklären. Meine Damen und Herren, mir ist nichts bekannt, dass etwas anderes von der Landesregierung da ist.

Sie wissen, dass wir uns schon einmal unterhalten haben, dass wir noch Handlungsbedarf sehen mit den 3.000, 5.000, die unterschritten sind. Ich muss Ihnen sagen, ob das ein Redaktionsversehen ist oder nicht. Ich sage jedenfalls für mich, ich habe bei der letzten Reform leider Gottes nicht bemerkt, dass da ein Jurist irgendeinen Halbsatz herausgestrichen hat und damit die 5.000er-Grenze gefallen ist. Ich habe es nicht bemerkt, ich bin mir nicht zu schade, das hier zu wiederholen,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wir haben es gemerkt.)

sonst hätten wir nämlich das ganze Dilemma überhaupt nicht und könnten das Ganze vernünftig an der Praxis abhandeln. Es geht einfach nur darum, wenn welche gesunken sind auf 2.200 bei einer Einheitsgemeinde oder auf 3.900 bei einer Verwaltungsgemeinschaft, dass uns die Praxis das zeigt und wir da handeln sollten. Ich sage bewusst „sollten“. Sollten wir uns nicht einig werden in dieser Koalition, dann können Sie noch lange hin- und herreden, es gibt einen Koalitionsvertrag, in dem steht ganz klar, dass der Innenminister zum Jahresende ein Gutachten in Auftrag gibt. Nach dem Gutachten können wir uns weiter unterhalten oder es gelingen uns praktikable Dinge. Ich habe mit Aufmerksamkeit gehört, dass der Vizeministerpräsident Christoph Matschie hier selbst Eisenach ins Rollen gebracht hat. Ich habe auch von dem Pult hier aus schon einmal deutlich gemacht, es sollten denen endlich die Instrumentarien gezeigt werden, ob das Suhl ist, ob das Eisenach ist oder andere Städte, die kein Geld mehr haben, da müssen mal die entsprechenden Sanktionen kommen. Dafür ist immer noch die Exekutive da. Da muss man nicht jedes Mal gleich ein Gesetz machen.

(Beifall CDU, DIE LINKE)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich der Abgeordnete Adams zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform - schon ein textliches, ich will nicht Ungetüm sagen, aber ein großer Artikel für eine Aktuelle Stunde. Wir haben das Thema schon mehrfach auch in Aktuellen Stunden bearbeitet, alle Kollegin

(Abg. Bergner)

nen und Kollegen fast aller Fraktionen sind darauf eingegangen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen eine solche Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform.

(Beifall DIE LINKE)

Der demographische Wandel und die Finanznot in diesem Land zwingen uns dazu. Ich kann gar nicht verstehen, dass gerade die Abgeordneten der CDU, teilweise auch der SPD davor vollkommen die Augen verschließen.

(Beifall DIE LINKE)

In dieser Reform werden die Kreisgrößen zur Disposition oder auf dem Prüfstand stehen. Und auch da, glaube ich, kann niemand, der sich vernünftig dem Thema nähert, etwas dagegen sagen. Wir müssen Größen dabei beachten, dass wir nicht bürgerfern werden, aber, liebe FDP, wir müssen natürlich auch darauf achten, dass wir nicht mehr Verwaltung in der Fläche vorhalten als überhaupt dann effektiv für den Bürger arbeiten kann.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Deswegen die Aufgabenreform.)

Es kommt im Wesentlichen auf die Aufgaben an, aber das sagt ja auch der Titel „Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform“ relativ deutlich. Deshalb habe ich Ihren Einwurf an der Stelle gar nicht verstanden.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Ich erkläre es gerne noch mal.)