Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Erste spricht zu diesem Gesetzentwurf seitens der Fraktion der SPD die Abgeordnete Dagmar Künast.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, denken Sie doch einfach mal daran, wie schwer es ist oder jedem von uns fällt, sich in einer fremden Umgebung, einer unbekannten Stadt, unübersichtlichen Gebäuden oder großen Einkaufszentren zu orientieren, und dabei stehen uns alle Sinne zur Verfügung. Wie schwer ist es also für einen sehbehinderten oder blinden Menschen, sich im Alltag zurechtzufinden, selbst an ihm bekannten Orten. Das können wir uns damit ein wenig vorstellen. Um als Blinder oder Sehbehinderter am täglichen Leben teilnehmen zu können, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in den Urlaub zu fahren oder einkaufen zu gehen, sind verschiedenste Hilfsmittel und Un
terstützung notwendig. Dazu gehören Assistenzleistungen wie Vorlesen, Hilfe bei Einkäufen, Begleitung bei Arztbesuchen, Behördengängen oder kulturellen Veranstaltungen.
Der Erwerb von Hilfsmitteln, die in der Regel teure Sonderanfertigungen sind, von Büchern in Blindenschrift, die das Vielfache eines Buches in Normalschrift kosten, soll durch die Zahlung ebenfalls erleichtert und ermöglicht werden. Das gezahlte Blindengeld dient als Ausgleich dieser Mehrausgaben ein kleiner Ausgleich sicherlich. Das Blindengeld ist aber kein Almosen und kein Geschenk, es ist notwendig, um blinden und sehbehinderten Menschen die Alltagsbewältigung zu erleichtern. Nur so können sie ein gleichberechtigtes Leben führen, nur durch Teilnahme am Leben kann Vereinsamung verhindert werden.
Es war deshalb ein Fehler, das Blindengeld im Jahr 2006 faktisch abzuschaffen. Glücklicherweise wurde es nach heftigen Protesten der Betroffenen und der Opposition, zu der damals auch meine Partei gehörte, wieder eingeführt. Die nun stattfindende Erhöhung des Landesblindengeldes um 50 € pro Monat ist eine deutliche Erhöhung und, ich denke, nicht nur eine symbolische. Wenngleich wir uns und das gilt auch ganz persönlich für mich - eine noch deutlichere Erhöhung gewünscht hätten, so möchte ich doch darauf hinweisen, dass das Haushaltsgebot der Stunde Sparen ist.
Auf Bundes-, Länder- und Kommunalebene werden Sparpotenziale ausgelotet und nicht selten trifft es diejenigen, die ohnehin auch schon auf Unterstützung angewiesen sind. Wenn man dies im Hinterkopf behält, so ist die Erhöhung des Blindengeldes um 50 € doch eine deutliche Anerkennung der Lage der blinden und sehbehinderten Menschen in unserem Land. Sie ist Ausdruck unseres Bemühens, deren Lage, soweit es geht, zu verbessern. Denn daran, wie eine Gesellschaft mit denjenigen umgeht, die Hilfestellung benötigen, misst sich eine Gesellschaft. Macht eine Gesellschaft ihre Hilfebedürftigen zu Bittstellern und Almosenempfängern oder erkennt sie deren besondere Situation an und unterstützt sie, so weit es geht, bei der Bewältigung der Nachteile? Wir hier in Thüringen tun das Zweite.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz etwas zum Änderungsantrag der SPD und CDU sagen. Der zum Gesetzentwurf vorliegende Änderungsantrag dient dazu, das Blindengeldgesetz an europäische Normen anzupassen. Die tatsächlichen Fallzahlen für Thüringen sind bisher im einstelligen Bereich, aber auch hier ist es unser Ziel, blinden und sehbehinderten Menschen die Hilfestellungen zu geben, die sie benötigen, wenn sie außerhalb Deutschlands oder ihres anderen europäischen Heimatlandes tätig sein wollen. Auch sie sollen im Ausland arbeiten können, so wie jeder an
dere Europäer dies auch kann. Am Geld sollte es in diesem Moment nicht scheitern. Deshalb bitte ich Sie, dem Änderungsantrag zuzustimmen. Es gilt zugleich auch, den Gesetzentwurf mit über die Bühne zu bringen und das heute. Sonst müssten wir in ein paar Monaten das Gesetz noch einmal aufmachen.
Am Ende noch ein kleiner Hinweis: Derzeit können Sie eine Ausstellung im Gang des Landtags besuchen. Sie trägt den Titel „Andere Augen - eine Ausstellung über das Sehen“ und zeigt in Fotografien das Leben und Arbeiten zweier Blinder aus Norwegen. Hier lässt sich sehr gut erkennen, was blinde und sehbehinderte Menschen mit der richtigen Hilfestellung zu leisten im Stande sind und dass sie ein Leben führen können, indem sie ihre Talente nutzen und sich ihre Wünsche erfüllen können. Es werden auch Bücher in Blindenschrift gezeigt. Auch diese sind sehr interessant und sehenswert. Also schauen Sie sich die Ausstellung ruhig einmal in Ruhe an.
Meine Damen und Herren, mit der Erhöhung des Blindengeldes in Thüringen wollen wir das Leben der Blinden und Sehbehinderten in unserem Freistaat um ein weiteres Stück erleichtern und sie bei der Erfüllung ihrer Wünsche und dem Nutzen ihrer Talente unterstützen. Wir erfüllen damit eine weitere Zusage des Koalitionsvertrags. Um eine finanzielle Schlechterstellung zu vermeiden, ist in dem Änderungsantrag der CDU und SPD nochmals explizit festgeschrieben, dass das Gesetz mit Wirkung vom 1. Juli in Kraft tritt. Das Landesblindengeld wird also auch für den bereits verstrichenen Zeitraum, bis dieses Gesetz hier beschlossen wird, rückwirkend gezahlt werden. Ich bitte Sie deshalb, dem Gesetzentwurf mit dem dazugehörigen Änderungsantrag der SPD und CDU zuzustimmen. Danke.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Siegesmund von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße heute ganz besonders herzlich die Besuchergruppe des Blinden- und Sehbehindertenverbandes oben auf den Rängen. Seien Sie uns herzlich willkommen.
Ich freue mich sehr, dass wir die Gelegenheit nutzen können, heute hier gemeinsam zu diskutieren und Sie bei uns zu haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Entwicklung des Blindengeldes in Thüringen gleicht einer Achterbahnfahrt und ich kann Ihnen - und schaue besonders in die Ränge der CDU-Fraktion auch nicht ersparen, Ihnen noch einmal zu zeigen, was für abrupte Richtungswechsel Sie in den letzten 20 Jahren so hingelegt haben. Da muss man schon mal genauer hinschauen, das verdient eine Minute, noch mal reflektiert zu werden. Wir starteten 1990 mit 1.063 DM, um die 500 €, um dann bis zum Januar 2004 486 € Blindengeld in Thüringen auszuzahlen. 2005 waren wir dann bei 400 € - ja, sukzessive gehen wir nach unten -, um dann im Jahr 2006 aufgrund Ihrer Beschlüsse das Blindengeld faktisch ganz abzuschaffen und das bis zum Dezember 2007. Dann gab es genug Druck und Sie stellten fest, das ist sozialpolitisches Harakiri, das können wir uns nicht erlauben, und Sie führten es wieder ein zum Jahr 2008 mit läppischen 220 €.
Meine Damen und Herren in der CDU-Fraktion, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, gekürzt, gestrichen und auf Druck wieder eingeführt, dass Sie das Ihrer Regierung damals haben durchgehen lassen, ich kann und will es nicht verstehen, so macht man keine verantwortungsvolle Sozialpolitik.
Ich will, weil er heute hier sitzt, dem ehemaligen Sozialminister - ich habe mir mal die Mühe gemacht, seine Pressemitteilung, die er damals dazu veröffentlicht hat, anzuschauen - auch noch mal sagen: Wenn man diesen Wechsel, diesen sozialpolitischen Kahlschlag auch noch damit begründet, dass man dem Anspruch von Blinden trotzdem gerecht werde, da muss ich sagen, da dreht sich mir alles um, dann haben Sie sich selber in die Tasche gelogen und ich kann auch nicht verstehen, dass Sie das dann ernsthaft damals so kommuniziert haben. Es ist ja schiefgegangen, es gab genügend Druck und es ist auch richtig, dass das Blindengeld wieder eingeführt wurde.
Und warum ist das so wichtig? Es ist so wichtig, weil das Landesblindengeld als Nachteilsausgleich keine Luxusleistung ist, sondern
weil es den Betroffenen gerade mal eine halbwegs gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht. Und es ist als Ausgleich gedacht, als Ausgleich für blindheitsbedingte Nachteile in einer überwiegend optisch geprägten Umwelt.
Wir haben gestern bei der Ausstellungseröffnung Frau Künast hat es gerade erwähnt - auch gesehen, was das eigentlich heißt. Es ist eben nicht selbstverständlich, dass ein Bauer, der blind ist, entsprechend in der Landwirtschaft tätig sein kann. Es ist auch nicht selbstverständlich, dass ein Gymnasiallehrer, der erblindet ist, lehrt. Beides ist nicht
selbstverständlich. Diese Ausstellung zeigt das und alle, die Nachhilfe brauchen, sollten sich das einfach einmal ansehen.
Ab 1. Juli 2010 ist Thüringen nicht mehr Schlusslicht und wir begrüßen als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausdrücklich, dass es die Möglichkeit gibt, das Blindengeld um 50 € zu erhöhen. Jetzt sind wir Drittletzter vor Brandenburg und Niedersachsen Brandenburg mit 266 €, Niedersachsen mit 265 €. Man wird den Eindruck aber einfach nicht los, dass man gerade so viel draufgelegt hat, dass man nicht mehr Schlusslicht ist. Und ich sage einmal, unteres Drittel, da geht noch mehr, da muss noch mehr gehen.
Frau Taubert, ich will Sie erinnern, bei allem Lob dafür, dass es die 50 € jetzt gibt, als Sie noch nicht auf der Regierungsbank saßen, hieß es aus der SPD-Fraktion: Wir wollen 100 € mehr. Deswegen, der Antrag der LINKEN kommt ja nicht von ungefähr, auch dem werden wir übrigens zustimmen.
Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Wir sind weiterhin Schlusslicht, Schlusslicht mit Brandenburg und Niedersachsen und das kann uns nicht zufriedenstellen. Es gibt noch einen anderen Kritikpunkt, der uns bei der Erhöhung des Blindengelds nicht genügt, das ist die fehlende Anpassung und Dynamisierung. Wir hatten das mal, auch das wurde unter der CDU-Alleinregierung abgeschafft. Dynamisierung heißt, dass wir eine Rentenanpassung haben. Sie wissen alle um die inflationsbedingten Rentenanpassungslücken, die es gibt. Es heißt, die haben wir hier nicht, das Blindengeld wird nicht dynamisiert. Mit anderen Worten, man bekommt auch mit diesen 50 € mehr jährlich eigentlich faktisch immer weniger, das kann uns nicht genügen. Und das - nicht nur, dass wir es hier hatten in Thüringen -, das gab es in Nordrhein-Westfalen, das gibt es in Bayern, das gibt es in Hamburg. Andere Bundesländer machen das vor und eigentlich sollte das der nächste Schritt sein.
Jetzt will ich noch einmal kurz darauf eingehen, warum auch der Blinden- und Sehbehindertenverband sagt, dieses Blindengeld sei bislang nicht auskömmlich. Was heißt das denn? Nicht auskömmlich heißt, dass es eben blinden Menschen nicht genügt, wenn man eine halbwegs vergleichbare Teilhabe am gesellschaftlichen Leben haben möchte, wie es für Sehende möglich ist. Blinde und sehbehinderte Bürgerinnen und Bürger haben mehr Ausgaben, um mobil zu bleiben - das geht ganz plakativ manchmal eben nur mit dem Taxi, denn es wohnt ja auch nicht jeder in Erfurt oder Jena oder Weimar - und um sich neue Kommunikationsmedien erschließen zu können. Blind sein kostet einfach mehr. Ein Beispiel: Um sich z.B. eine Braillezeile kaufen zu können für den Rechner - Sie wissen, die Blindenschriftzeilen für den Computer -, die kostet
zwischen 8.000 € und 14.000 €. Das muss man sich mal vorstellen, was das für Mehrausgaben sind. Deswegen ist es auch wichtig und richtig, dass wir heute darüber sprechen, was es eigentlich heißt, dass das Ganze auskömmlich gestaltet wird.
Jetzt ist natürlich die Frage, wer sind denn die Anspruchsberechtigten. Es ist so, dass wir in Thüringen um die 5.000 Menschen haben, die anspruchsberechtigt sind. Es sind vor allen Dingen ältere Menschen, weil - und das ist die nächste Baustelle, die wir eigentlich im Bereich der Behindertenpolitik hier haben - viele junge Blinde weggehen. Ich kenne eine junge Frau aus Pößneck, die hat erfolgreich Jura studiert, erstes und zweites Staatsexamen gemacht und hat als Blinde gesagt, ich komme nicht wieder zurück nach Thüringen, weil sie sich hier auch nicht entsprechend gefördert fühlt, sondern die Jungen gehen einfach weg, die Älteren bleiben hier. Das ist ein Punkt, den wir eigentlich als Nächstes angehen müssten, dass wir so attraktiv Blindenpolitik gestalten, dass sich junge Blinde hier auch aufgehoben fühlen.
Ich will noch einen letzten Aspekt aufmachen. Ich habe es vorhin bewusst gesagt, wie es in den einzelnen Bundesländern aussieht, was NordrheinWestfalen für Regelungen hat, Hamburg und viele andere, Brandenburg auch. Sie sehen, dass dieser Teppich von unterschiedlichen Höhen und Ausgestaltungen des Blindengeldes nicht förderlich ist. Eigentlich müssten wir den nächsten Schritt gehen und auch die Landesregierung müsste den nächsten Schritt gehen und sich einsetzen, dass wir auf Bundesebene eine Angleichung haben, dass es ein bundeseinheitliches Blindengeld gibt. Das ist unsere Forderung.
Dafür treten wir auch ein, weil dieser Sozialtourismus, den wir an verschiedenen Stellen haben, für uns nicht tragbar ist. Das SGB XII würde …
Ja, lassen Sie mich den Satz noch zu Ende bringen. Das SGB XII, das den Blinden an der Stelle zwar großen Freiraum einräumt, nützt ihnen an dieser Stelle aber nichts. Ich halte es für überkommen, an der Stelle föderalistische Prinzipien hochzuhalten. Bundeseinheitliche Lösungen fände ich an der Stelle besser.
Frau Siegesmund, können Sie mir vielleicht den Zusammenhang etwas näher erläutern, wie es möglich ist, dass die junge Frau aus Pößneck, von der Sie berichtet haben, wenn sie in Thüringen nicht ordentlich gefördert worden ist, dann trotzdem Jura studiert hat?
Sie hat leider nicht in Thüringen Jura studiert, sondern an der Hochschule, die auch Blinde und Sehbehinderte in Marburg fördert. Sie wäre gern wieder zurückgekommen, hat sich aber hier nicht gut aufgehoben gefühlt. Da gibt es sicherlich noch viele andere Beispiele.
Ich will zum Schluss noch einen Punkt sagen, weil heute auch die Gehörlosen draußen vor dem Landtag demonstriert haben. Was wir uns nicht erlauben dürfen, ist, die Sehbehinderten und Blinden auszuspielen gegen die Gehörlosen. Es geht darum, dass wir beide Gruppen bedenken.
Ich bin zuversichtlich, dass die Ministerin auch im Blick hat, dass die Gehörlosen diejenigen sind, die auch im Augenblick keine Nachteilsausgleiche erhalten, die ihnen gerecht werden müssten. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir an der Stelle weiter diskutieren, wie wir auch dieser Gruppe helfen können, dass sie Teilhabe am Leben haben können. Es gibt verschiedene Arbeitskreise im Bereich der Umsetzung der UN-Konvention zu Rechten von behinderten Menschen. Da wird gearbeitet, ich weiß das, aber diese vielen Schritte müssen auch zusammengefügt werden, so dass es nicht nur eine Gruppe betrifft, die am Ende ihre Nachteilsausgleiche erhält, sondern auch die andere.
Frau Künast, ich habe mich ja sehr gefreut über den Satz: „100 Euro wären besser.“ Dann geben Sie sich doch einen Ruck in Ihrer Fraktion und stimmen Sie einfach dem Antrag der LINKEN zu. Wir machen es. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als Nächster spricht für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Marian Koppe.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der heute in zweiter Lesung zu beratende Gesetzentwurf der Landesregierung schließt ein langes Kapitel zum Teil kontrover
ser Diskussionen hier in diesem Haus ab. Da wir bereits im Juni-Plenum unsere Zustimmung signalisiert haben, möchte ich heute nur ganz kurz auf die Argumente eingehen, die uns dazu bewogen haben.