Protocol of the Session on June 18, 2010

Sie haben bei den notwendigen tiefgreifenden Veränderungen auch in den letzten Monaten viele Chancen verpasst. Ich erinnere an die Debatte um den Haushalt des laufenden Jahres. 820 Mio. € Neuverschuldung, 37 Mio. € Mindestbelastung mit Zinsen, das ist etwas, das auch im Zusammenhang mit Generationengerechtigkeit Generationen, die nach uns kommen,

(Beifall FDP)

ausbaden müssen. Weniger Menschen, die es dann sein werden, müssen die Schulden, die wir heute machen, ausbaden, zurückzahlen. Und neben dieser

verpassten Chance haben Sie in Ihrer Regierungserklärung dem Haushalt des Jahres 2011, der die nächste große Chance wäre, vier bis fünf Sätze gewidmet. „Aus den Prognosen müssen wir unsere jeweiligen Schlussfolgerungen ziehen.“ haben Sie gesagt, Frau Ministerpräsidentin. „Wir müssen die langfristigen Konsequenzen unseres Handelns stärker berücksichtigen.“ Auch das ist nichts Neues. Auch das ist nichts, wofür wir den Thüringen-Monitor gebraucht hätten. Ich will ja nicht seine Berechtigung in Zweifel ziehen, überhaupt nicht, aber den Umgang der Regierung mit den Erkenntnissen, den möchte ich ganz ausdrücklich kritisieren. Wenn Sie sagen, „darauf werden wir bereits beim Landeshaushalt 2011 mit seinen deutlichen Einsparmaßnahmen zu achten haben“, dann klingt das so ein bisschen wie das Pfeifen im Walde. Wenn ich in den letzten Wochen, in den letzten Tagen auch die Zeitungen gelesen habe, dann streiten sich die Koalitionspartner, ob wir nun 500 oder 700 Mio. € sparen. Innerhalb der SPD streiten sich die beiden großen Häuser, dass jeder sparen soll, nur sie gerade nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so sehen jeweilige Schlussfolgerungen, die ich unter Schwerpunktsetzung verstehe, ganz bestimmt nicht aus.

(Beifall FDP)

820 Mio. € haben Sie Schulden gemacht. Das ist mindestens die Messlatte für den nächsten Haushalt. Wir müssen, wenn Sie das einigermaßen ernst meinen, im Jahr 2011 mit Maßnahmen, nicht mit Worten, beginnen, uns auf das Jahr 2020 vorzubereiten. Wir müssen sparen und deswegen sind auch und gerade die überflüssigen Strukturen, die mit dem Haushalt 2010 geschaffen worden sind, eine Erblast, die wir nachfolgenden Generationen mit auf den Weg geben werden.

(Beifall FDP)

So, meine Damen und Herren, entsteht Vertrauen und Generationengerechtigkeit ganz bestimmt nicht. Akzeptanz in Politik, in Demokratie und ihre Institutionen ist ein immer wiederkehrender großer Teil der Befragungen im Thüringen-Monitor. Der ThüringenMonitor - die Ministerpräsidentin hat es gesagt - bescheinigt, dass wir in Thüringen in einem demokratischen Konsolidierungsprozess sind und der spricht von den Mühen der Ebene. Sie haben das auch zitiert. Das ist ein schönes Stichwort. Meine Damen und Herren, für die Akzeptanz der Politik sind zunächst wir selbst verantwortlich. Mit unserem Handeln, auch mit unserem Benehmen gelegentlich entscheiden wir ganz maßgeblich darüber, wie Politik in der Öffentlichkeit ankommt,

(Beifall FDP)

wie sie also akzeptiert wird. Die Ministerpräsidentin hat gesagt, „wie die demokratischen Entscheidungsprozesse in der Wirklichkeit des politischen Alltags verlaufen“ - auf so einen Satz muss man erst einmal kommen -, aber wenn man ihn durchdenkt, dann ist er richtig. Wie demokratische Entscheidungsprozesse in der Wirklichkeit des politischen Alltags verlaufen, das ist entscheidend für die Akzeptanz des Landtags, aber natürlich auch der Landesregierung und zu diesem politischen Alltag gehören eben die Mühen der Ebene. Das sind die Mühen der Ebene. Ich habe den Eindruck, dass es besonders ein Mitglied in dieser Landesregierung gibt, was mit dieser Ebene, mit diesem politischen Alltag, so seine Probleme hat. Herr Minister Machnig hat sich für Thüringen entschieden, warum auch immer. Er hat sich für Thüringen entschieden und wir sind nun gemeinsam mit ihm hier. Er ist in Thüringen. Wir sind Thüringen, habe ich am Mittwoch in einer anderen Debatte gesagt. Ich stehe dazu und ich erwarte gerade von der Landesregierung, dass sie das auch für sich als Credo begreift, Thüringen zu sein und eben nicht die verlängerte Kampa, nicht der verlängerte Nebenkriegsschauplatz von Herrn Gabriel aus Berlin.

(Beifall FDP)

Auch das trägt nicht zu Akzeptanz von Politik bei, wenn wir hier jedes Mal so tun, als ob wir auf der großen weltpolitischen Bühne wären, wenn wir hier jedes Mal von einem Minister vor allem große rhetorische und ideologische Reden hören. Auch das trägt zur Akzeptanz bei, wenn wir uns darauf konzentrieren, was unsere Verantwortung und was unser Verantwortungsbereich ist.

(Beifall FDP)

In dem Zusammenhang erwarte ich vom Thüringer Wirtschaftsminister ganz klar, dass er sich genau als das begreift, was in seiner Arbeitsplatzbeschreibung steht, nämlich als Thüringer Wirtschaftsminister,

(Beifall FDP)

nicht als Opel- oder als Gewerkschaftsminister, sondern als Minister für die gesamte Thüringer Wirtschaft. Wenn Sie, sehr verehrte Frau Ministerpräsidentin, hier gesagt haben, dass es drei Gründe gibt, die junge Menschen im Land halten: Arbeitsplätze, Arbeitsplätze und Arbeitsplätze, dann ist es genau richtig und da muss sich aber Ihr Wirtschaftsminister daran erinnern, wer in diesem Land Arbeitsplätze sichert und wer sie schafft.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Und den Arbeitsmarkt.)

Das sind die vielen Tausend Mittelständler da draußen,

(Beifall FDP)

das sind die vielen kleinen Unternehmen da draußen

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Und gut bezahlte Arbeitsplätze.)

genauso wie die großen. Die einen sind wichtig, aber deswegen kann man die anderen nicht völlig vernachlässigen. Ich halte es für ein völlig falsches Amtsverständnis, wenn ein Minister mit den kleinen Unternehmen schlecht bis gar nicht kommuniziert und jede Chance wahrnimmt, um sich im Zusammenhang mit einem großen Unternehmen zu profilieren. In einem kleinen Land ist eben vieles etwas kleinteiliger. Dass Thüringen klein ist, das hat Herr Machnig gewusst, als er hierher kam. Deswegen dürfen wir doch jetzt wohl und die Menschen in unserem Land berechtigt erwarten, dass er sich nun auch die Mühe macht, diese kleinteiligen Probleme auch entsprechend seiner Verantwortung wahrzunehmen.

(Beifall FDP)

Demokratie und soziale Marktwirtschaft, meine sehr verehrten Damen und Herren, gehören zusammen; für Liberale allemal. Wir stärken die Demokratie ganz bestimmt nicht, indem wir permanent in die Abläufe und Wirkmechanismen der Marktwirtschaft eingreifen. Philipp Holzmann ist nur das prominenteste Beispiel; es gibt eine ganz Reihe von Beispielen für Fehlsteuerungen, für Fehlinvestitionen, für Fehlanreize, die durch staatliche Eingriffe gesetzt worden sind. Vielleicht haben die Bürger auch deshalb ein so geringes Vertrauen in die Politik, weil politisch motivierte Subventionierungen, weil politisch motivierte Eingriffe in die Wirtschaft eben selten gut gegangen sind; selten, nicht immer, aber eben sehr, sehr selten.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Lemb, SPD: Was ist denn die Alternative?)

Deshalb, Frau Ministerpräsidentin, muss ich sagen, dass mich Ihre Regierungserklärung - die fünfte Wortmeldung der Ministerpräsidentin in dieser Legislaturperiode - ein Stück weit enttäuscht hat, weil Sie sich als Moderatorin gegeben haben und eben nicht als diejenige, die in dieser Regierung die Richtlinienkompetenz hat. Die Richtlinienkompetenz, die in allen Bereichen der Politik gilt, die haben Sie und die haben Sie zum wiederholten Mal nicht wahrgenommen. Es funktioniert eben nicht so, dass Sie sich

einerseits von einem Monitor von externalisiertem Sachverstand ein Bild von der Lage machen und dann mit vielen Agenturen und Leitbildern und sonst was wiederum von Dritten Lösungsvorschläge aufzeigen lassen. Es ist Ihre Verantwortung, Lösungen aufzuzeigen. Auch die Service-Agentur „Demographischer Wandel“ wird Sie nicht von der Verantwortung befreien. Sie haben eine Regierung, Sie haben Häuser mit vielen Tausend Mitarbeitern. Ich bin fest überzeugt, dass es dort viel Sachverstand gibt, den man für diese Fragen genauso gut verwenden kann. Das alles wird Sie von der politischen Verantwortung für die notwendigerweise zu treffenden Entscheidungen nicht befreien. Auch das ist Demokratie.

(Beifall FDP)

Es liegt mir, meine Damen und Herren, sehr viel daran, dass wir die Zustimmung zur Demokratie weiter erhöhen. Ich bin sehr erfreut darüber, dass die sich in den letzten Jahren stabil - zu langsam, aber immerhin nach oben - entwickelt hat. Der Thüringen-Monitor schreibt zum Thema Demokratie: „Sie erscheint als Selbstverständlichkeit, die keiner besonderen Aufmerksamkeit bedarf.“, um dann aber gleich hinzuzufügen, dass dieser Schein natürlich trügt. Es heißt nämlich weiter: „Die Demokratie ist insofern eine anspruchsvolle Staatsform, weil sie nicht allein ein ihr angemessenes Bewusstsein verlangt, sondern erst dann verwirklicht ist, wenn ihre Bürger sich an der Gestaltung ihrer eigenen Angelegenheiten aktiv beteiligen.“

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr verehrte Frau Ministerpräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das Engagement - das ehren- und das hauptamtliche, von vielen ehrenamtlich Engagierten, von Bürgermeistern, von kommunalen Mandatsträgern, aber eben auch von Unternehmern und ihren Mitarbeitern, die jeden Tag für ihr wirtschaftliches Überleben arbeiten -, deshalb ist genau dieses Engagement das, wofür wir dankbar sein sollen und was wir unterstützen müssen. Deshalb müssen wir immer im Auge haben, dass die Menschen in unserem Land ihre Verantwortung wahrnehmen wollen und wir die Aufgabe haben, dafür zu sorgen, dass sie diese Verantwortung auch verantwortungsvoll wahrnehmen können.

(Beifall FDP)

Lassen wir die Menschen ihre Verantwortung, ihr Leben so gestalten, wie sie es für richtig halten. Setzen Sie mit Richtlinienkompetenz die richtigen Schwerpunkte für die Rahmenbedingungen, damit das so erfolgen kann. Dann glaube ich, dass die düsteren Prognosen - die vorhin schon mal erwähnt worden sind von Herrn Sedlacek aus Jena - auch düstere Prognosen bleiben und es in Thüringen auch im Jahr

2020 vielleicht doch nicht ganz so dunkel ist, wie mancher das heute glauben machen möchte. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Für die CDU-Fraktion hat Abgeordneter Mohring das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst vielen Dank an die Landesregierung für die frühzeitige Vorlage des Thüringen-Monitors. Das ist eine neue Qualität und hat den Fraktionen mehr Möglichkeit gegeben, sich mit den Ergebnissen vorzubereiten. Dafür sind wir sehr dankbar, weil das gut ist, dass vor der Debatte im Parlament sowohl das Parlament als auch die Öffentlichkeit wissen, von was wir heute sprechen wollen. Ich bin ebenso dankbar für die Aussage, die gekommen ist, dass es selbstverständlich ist, dass nach zehn Jahren Thüringen-Monitor klar ist, der Thüringen-Monitor wird fortgesetzt in derselben Kontinuität, wie wir sie aus der Vergangenheit kennen. Ich finde es auch selbstverständlich. Es waren schlechthin wir in der Verantwortung, zuallererst Bernhard Vogel, der nach einem schlimmen Ereignis in Thüringen die Idee zum Thüringen-Monitor hatte. Was wir gut entwickelt haben und wo wir gute Erfahrungen gesammelt haben, wird fortgesetzt und findet die volle Zustimmung unserer Fraktion.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Thüringen-Monitor ist auch zum richtigen Zeitpunkt gekommen, er setzt ein richtiges Hauptthema, vor allen Dingen die Frage nach Schlussfolgerungen aus der demographischen Entwicklung in Thüringen und das Verhältnis der Generationen untereinander. Frau Ministerpräsidentin Lieberknecht hat in einer Debatte im Vorfeld, aber auch mit ihrer Regierungserklärung heute Gedanken angestoßen, wie Thüringen 2020 aufgestellt sein wird, weil es nicht ausreicht, nur einfach das Gewohnte fortzuschreiben, sondern auch die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Das ist richtig, denn politisch verantwortlich ist man nur, wenn man einen Zielpunkt in den Blick nimmt, um von dort aus auch die notwendige politische Schrittfolge zu entwerfen. In diesem Prozess befinden wir uns jetzt bzw. wir gehen davon aus, dass mit den Debatten dazu angestoßen wird. Der ThüringenMonitor soll dabei helfen, den Blick auf das Jahr 2020 zu werfen, weil sich mit seinen Datengrundlagen aus den letzten zehn Jahren - aber auch mit dem aktuellen Thüringen-Monitor 2010 - die Schlussfolge

rungen ableiten lassen, die notwendig sind, damit wir den Blick auf 2020 schärfen können. Deshalb ist es wichtig, dass wir den Blick darauf richten, welche schwierigen Aufgaben wir zu erledigen haben, aber auch zu sagen, was sind unsere eigenen Stärken, derer wir uns auch vergewissern können.

Erfreulich ist, dass die Thüringer ihr Land als ein starkes Land wahrnehmen. Es gibt ein ausgeprägtes regionales Selbstbewusstsein. Wörtlich steht im Thüringen-Monitor: „Im innerostdeutschen Vergleich wurde die Ökonomie des Freistaats noch zu keinem Untersuchungszeitpunkt so freundlich beurteilt wie zuvor.“ Es macht uns stolz, dass die Thüringer so einen positiven Blick auf ihren eigenen Freistaat Thüringen haben.

(Beifall CDU)

Noch erfreulicher ist eine andere Datengrundlage, die wir dem Thüringen-Monitor entnommen haben. Von allen Befragten sind es besonders diejenigen mit Kindern und die jungen Erwachsenen, die die Lebensbedingungen in Thüringen ausgesprochen positiv beurteilen. Bei all dem immer neuen Gerede über die vermeintlichen Errungenschaften der DDR zeigt der Thüringen-Monitor auch eines: Vier von fünf Thüringern sagen, dass sich ihre Lebenssituation gegenüber der ihrer Eltern verbessert hat - wenn das nicht eine gute Botschaft ist zum 20. Jahr der Deutschen Einheit! Wir sind stolz darauf.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, ganz entscheidend trägt zu dieser Lebenszufriedenheit der Thüringer die Infrastruktur dieses Landes bei. Dabei verdient folgender Punkt besonders festgehalten zu werden. Absoluter Spitzenreiter, wenn die Thüringer gefragt werden, wie sie ihr Land beurteilen, sind - und das übrigens im Januar 2010 - die Kitas und die Schulen. Mit dieser Infrastruktur sind 86 Prozent der Befragten mit minderjährigen Kindern im Haushalt ziemlich oder sehr zufrieden und nur 2 Prozent der Befragten sagen, sie seien unzufrieden. 86 Prozent - ein wirklich guter Wert und eine gute Infrastruktur, die wir geschaffen haben.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, halten wir fest: Unter Leistungsgesichtspunkten gehört das Thüringer Bildungssystem zum Spitzenquartett der deutschen Länder. Wir haben das immer wieder betont und das gibt auch der Thüringen-Monitor im Jahr 2010 her. In keinem anderen deutschen Land hat die Herkunft einen so geringen Einfluss auf die Bildungslaufbahn und den Schulerfolg und unsere Kitas und Schulen sind akzeptiert. Das heißt nicht, dass das, was gut

ist, nicht weiterentwickelt werden kann - diesem Anspruch wollen wir uns stellen -, aber zur Selbstvergewisserung trägt zunächst auch bei, dass die Thüringer mit dieser Grundlage zufrieden sind. Deshalb, meine Damen und Herren, macht es auch Sinn, bei all den Weiterentwicklungen, die wir uns vornehmen im Schulsystem, dass man das mit Sorgfalt tut, dass man das auch mit einer gewissen Gelassenheit tut und dass man es so tut, dass man zuerst an die Kinder denkt, die in die Schulen in Thüringen gehen, weil deren Schullaufbahn davon abhängt, welche politischen Weichenstellungen wir machen. Es sollte unser aller Ziel sein, dass die Bildungslaufbahn unserer Thüringer Schülerinnen und Schüler erfolgreich ist und nicht die Politik diese Schullaufbahn durchbricht oder zerstört. Wenn die Schüler eine gute Ausbildung in der Schule genießen, sind sie gut für unser Land - und das ist unser Anspruch, dem wir uns als Politiker eigentlich hier stellen sollten.

(Beifall CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, ist es auch erfreulich, dass wir im Thüringen-Monitor sehen können, welch hohe Wertschätzung der Familie als ursprünglichste und für das Leben der Menschen bedeutendste Institution entgegengebracht wird.