Protocol of the Session on June 18, 2010

Die Perspektiven für eine gute Zukunft in Thüringen haben sich verbessert. Dazu trägt vieles bei, auch die Breite unserer Wirtschaftsstruktur, die wir haben, die Branchenvielfalt, die durch die Krise des vergangenen Jahres insgesamt wirklich bewährter gekommen ist als in manch anderen Länder, gerade auch im süddeutschen Raum, die dort wesentlich mehr zu tragen hatten.

Dazu zählt aber auch unsere Familienpolitik. Thüringen ist bereits heute das kinderfreundlichste Land Deutschlands, wenn wir an das neue Kita-Gesetz denken. Es hat die Voraussetzungen für die Kinderbetreuung noch einmal verbessert. Alle, mit denen wir über viele, viele Monate hart gerungen haben, sagen, es ist tatsächlich das fortschrittlichste, das beste Gesetz, was es in Deutschland in dieser Frage gibt.

(Beifall CDU, SPD)

Wir müssen auch dafür sorgen, dass sich dies in Deutschland noch mehr rumspricht, denn Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist auch außerhalb Thüringens ein wichtiges Thema. Hier können wir Vorbild sein und vielleicht auch manchen ins Land ziehen mit unseren Bedingungen.

Thüringen gewährt einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr - übrigens war das auch eine Maßnahme, die von vielen Befragten im Thüringen-Monitor über alle Altersgruppen hinweg als sehr wichtig eingeschätzt wurde. Und als eines der wenigen Länder bieten wir ein Landeserziehungsgeld an, weil wir dieses Zeichen auch ganz bewusst für Familie setzen wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ebenfalls sehr populär ist die Forderung nach kostenlosem Mittagessen für alle Kinder in Kindergärten und Schulen - unabhängig vom Einkommen der Eltern. Wir hatten in der letzten Plenardebatte hier eine intensive Diskussion. Wir dürfen jedoch nicht vergessen,

das Mittagessen ist keineswegs kostenlos, sondern wird vom Steuerzahler bezahlt oder gar von den Kindern selbst, wenn sie später mit ihren Steuern die Zinsen für die heutigen Kredite bezahlen müssen. Auch das müssen wir in unserer Kalkulation einbeziehen.

(Beifall CDU, SPD)

Dennoch bleibt vor allem gesunde Ernährung für alle Kinder ein Dauerthema auch auf der politischen Agenda der Thüringer Landesregierung. Auch hier, meine ich, können wir uns gemeinsam mit etwas Phantasie und Kreativität noch manches einfallen lassen, was gerade dieses Anliegen unterstützt, denn es gibt auch einen Zusammenhang von sozialer Situation und Gesundheitssituation von Kindern. Das müssen wir im Blick behalten und hier müssen wir zielführend die entsprechenden Möglichkeiten sehen und dann auch in Anwendung bringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich füge hinzu: Wir haben vieles erreicht, aber an mancher Stelle können wir noch besser werden, zum Beispiel bei der Chancengleichheit von Männern und Frauen im Beruf. Noch immer verdienen Frauen bei gleicher Qualifikation im Durchschnitt deutlich weniger als Männer. Viele Frauen werden in ihrer Karriere von einer sogenannten „gläsernen Decke“ behindert. Man könnte auch von einer unsichtbaren Barriere sprechen. Ich erinnere daran, auch Chancengerechtigkeit ist ein Standortvorteil. Daran werden wir weiter arbeiten, auch dazu gibt es verschiedene Initiativen. Chancengerechtigkeit zu verwirklichen zwischen den Geschlechtern und Generationen, in der Bildung und in der Arbeitswelt, in allen gesellschaftlichen Bereichen, das ist nicht nur eine staatliche, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dafür gilt es aber auch zu werben. Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger für Veränderungen gewinnen, deren positive Seiten sie möglicherweise erst nach einigen Jahren spüren werden. Aber auch das zählt zu einer langfristig angelegten Politik, die wir mit den Menschen im Land besprechen müssen. Wenn wir auch in Zukunft ein eigenständiges, innovatives und lebenswertes Land sein wollen, dann müssen wir die Menschen stärker einbeziehen in das, was wir politisch diskutieren, was auf der politischen Agenda steht, denn wir werden es nur mit den Bürgerinnen und Bürgern des Landes gemeinsam erreichen können. Deswegen ist das Engagement der Menschen im Land mehr gefragt denn je und auch dafür müssen wir die entsprechenden Zeichen setzen.

(Beifall CDU, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie so wollen, wir müssen ein neues Wir-Gefühl im Sinne eines gestärkten bürgerschaftlichen Verantwortungs

bewusstseins befördern, dass die Bedürfnisse auch der künftigen Generationen nachhaltig mitdenkt. In Anlehnung an das berühmte Zitat von John F. Kennedy sollte unsere Handlungsmaxime lauten: Erkenne an, was andere für dich getan haben und frage, was du für andere tun kannst, und zwar über Generationen hinweg. Generationengerechtigkeit leben, heißt für mich, gemeinsam solidarisch denken und handeln. Genau das wollen, das werden und das müssen wir tun. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin. Uns liegen Wortmeldungen aus allen Fraktionen vor, so dass ich davon ausgehe, dass die Aussprache zur Regierungserklärung gewünscht ist. Als Erster hat sich Abgeordneter Ramelow von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet.

Werte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren, ich beginne mit einem ausdrücklichen Dank. Ich beginne mit einem ausdrücklichen Dank an Prof. Schmitt und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Studierenden, Studenten, die diesen Monitor erstellt haben, und ich schließe ausdrücklich den Dank an die Landesregierung ein, dass der Monitor wieder erstellt wurde und dass Sie, Frau Ministerpräsidentin, deutlich gemacht haben, dass er auch fortgesetzt werden soll. Ich finde, das ist eine gute und richtige Entscheidung und es gehört sich auch am Anfang, deutlich darauf hinzuweisen, dass so etwas gemeinsam uns allen hilft.

(Beifall im Hause)

Prof. Schmitt hat darauf hingewiesen, dass er nur Bewertungen zusammenfassen kann, die sie prüfen. Das heißt, ich übersetze das für mich und sage: Der Monitor ist ein Echolot, ist ein Zeitzeichen. Das Gute daran ist, dass wir - Sie haben es zu Recht angesprochen - durch einen sehr tragischen Anlass veranlasst haben, dass das in diese Form gebracht wurde, nämlich der Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge. Es ist gut und richtig, dieses zu verstetigen, damit wir mit einer hohen wissenschaftlichen Grundlage auch feststellen können, wo unsere Demokratie steht. Der Befund ist nüchtern, an einigen Stellen wohltuend, an anderen Stellen lässt er uns nachdenken und gibt uns Aufgaben auf.

Ich will ein zweites deutliches Dankeschön an unsere Ministerpräsidentin sagen: Sie haben drei Mal

das Wort gesagt „Arbeitsplätze, Arbeitsplätze, Arbeitsplätze“ und dann hinzugefügt „gut bezahlt“. Das ist eine Änderung der bisherigen Aussagen der Thüringer Landesregierung und das muss einfach mal in deutlichen Worten auch festgestellt werden.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht um gute Arbeitsplätze und gute Bezahlung. Das ist ein deutliches Ende der bisherigen anfänglich offensiven, dann niederschwelligen Niedriglohnstrategie. Ich sage, Arbeitsplätze, die mit 3,81 € Stundenlohn versehen sind, sind eine Katastrophe und sind blanker kalter Zynismus.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Solche Arbeitsplätze nützen uns nichts. Deswegen bin ich Ihnen sehr dankbar, in welcher Deutlichkeit Sie es angesprochen haben und es gehört sich auch für die Opposition, so etwas im Eingang festzustellen, weil es bedeutet, dass wir auch eingeladen sind, auf Basis des Monitors an Lösungen zu arbeiten und uns nicht gegenseitig vorzuhalten, was man alles aus dem Monitor herauslesen könnte.

Ich will aber kritisch anmerken, an einer anderen Stelle haben Sie gesagt: Alles, was in Thüringer Familien geschieht, geschieht mittlerweile vorbildlich und das Kita-Gesetz ist ein bundesweit einmaliges Gesetz. Diesen Satz würde ich soweit unterschreiben, dass ich sage: Solange wir im Moment vom Gesetz reden - also von der Papierform -, bin ich bei Ihnen. Wenn wir von der Umsetzung reden, kommt es entscheidend darauf an, dass die anderen, die wir jetzt zum Mittun brauchen - also Städte und Gemeinden -, auch in die Lage versetzt werden, es umzusetzen. Es kommt also jetzt auf uns gemeinsam an,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

dass wir aus der Papierform eine reale Lebenswelt machen. Werte Frau Ministerpräsidentin, da schließe ich noch mal den Bogen; Sie haben ja deutlich von Emanzipation und Partizipation als Leitziel geredet - nicht mit diesen Worten, aber mit dem Hinweis auf ehrenamtliches Engagement und dem Appell des Mittuns. Wenn wir über das Kita-Gesetz reden, dann müssen wir auch über das Volksbegehren reden, denn auch die Kultur der Volksbegehren in Thüringen hat erheblich dazu beigetragen, dass die Demokratie im Herzen der Menschen in Thüringen angekommen ist.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das ist ein Teil unserer gelebten Kultur, die wir uns heftig gemeinsam erarbeiten mussten und die manchmal in Zeiten einer anderen Regierungsmehrheit hier nicht unbedingt immer auf Gegenliebe gestoßen ist. Deswegen bin ich auch froh, dass die Verbindung so deutlich hergestellt werden kann. Für mich ist eben der Zustandsbericht des Monitors, wenn wir ihn festhalten, ein Zustandsbericht, der sagt: Demokratie und Akzeptanz ist wie mit kommunizierenden Röhren. Wenn wir uns nicht öffnen, nimmt uns die Bevölkerung nicht an. Wenn wir die Bevölkerung nicht einladen und auch das Gefühl nicht aussprechen, dass sie eingeladen ist, dann führt es zu Frust. Insoweit werbe ich auch weiterhin für ein paar praktische Dinge, zum Beispiel die Diskussion, die wir politisch führen. Herr Prof. Schmitt hat darauf hingewiesen, die Schlussfolgerungen müssen hier im Haus gezogen werden. Deswegen müssen wir uns über einzelne Positionen streitig auseinandersetzen. Mein Vorschlag ist: Wenn ich mir anschaue, wie das Verhältnis von jungen Erwachsenen und parlamentarischer Entwicklung ist, sehe ich ein Defizit, dass junge Erwachsene sich nicht eingeladen fühlen. Das ist meine Schlussfolgerung aus dem Bericht. Deswegen sage ich: Das Wahlalter mit 16 wäre ein Teilelement, das dringend notwendig wäre.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Um noch einmal auf das Familienbild, Frau Ministerpräsidentin, einzugehen: Es stimmt, wenn man die drei Kinder nimmt, die in Thüringen leben und nicht in Armut leben. Reden wir aber über das vierte Kind, wird der Zustandsbericht ein anderer sein. Also müssen wir uns, ausgehend vom vierten Kind, auch Gedanken machen, welche Konsequenzen wir ziehen, damit Kinder in Thüringen nicht in Armut groß werden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Da gibt es auch die Verbindung zu Ihrem Satz zur guten Entlohnung, weil schlechte Entlohnung auch dazu führt, dass Familien oder Kinder in Armut groß werden. Da heißt es deutlich, Zeichen zu setzen und auch deutlich zu machen, dass wir Mut machen wollen, um Kinder in Thüringen zu bekommen und gemeinsam auch großzuziehen. Gemeinsam heißt einmal, diejenigen, die für die Kinder verantwortlich sind, aber heißt auch, das soziale Umfeld, das stimmig sein muss, damit Hilfen notwendig sind. Ich erinnere auch daran, dass wir trotz Einführung der Babyklappe immer noch so tragische Todesfälle von Babys haben, und wir müssen gemeinsam uns anstren

gen, dass kein Kind dem Tod preisgegeben wird. Auch das ist für mich eine Konsequenz, wenn man Familienpolitik mit Patchworkfamilien, mit all den Brüchen, die in einer heutigen Gesellschaft sind, zu Ende denkt.

Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Familien in Thüringen in unterschiedlichsten Formen leben. Es stimmt eben nicht mehr das Familienbild einer geschlossenen Ehe, die ein Leben lang hält, in der fünf Kinder großgezogen werden in einem trauten Familienglück. Dieses Bild gibt es so gut wie gar nicht mehr. Ich glaube, solche Menschen sind mittlerweile selten geworden, dass ein solches Familienbild stimmen wird. Das heißt, wir müssen uns an den Realitäten orientieren und das ist die Patchworkfamilie und bedauerlicherweise, wenn man die Pendlerströme rechnet, eben auch tatsächlich ein teilweise abwesender Vater oder eine nicht anwesende Mutter. Aber in der Regel ist das Frauenbild ja immer dasjenige, das sich um Familie, also um Kinder zu kümmern hat oder um Pflege. Sie haben ja auch die Pflege angesprochen. Auch da müssen wir dann darüber reden, welche Zeichen könnten wir setzen, dass Gleichberechtigung, geschlechtsspezifische Gleichberechtigung von uns ein angesprochenes Thema ist, das wir auch erfüllen wollen. Insoweit bleibt die Frage, wenn wir die Ungleichbezahlung zwischen Mann und Frau geschlechtsspezifisch feststellen, das ist ein Zustandsbereich, der quälend eigentlich seit Jahrzehnten festgestellt werden muss, und es ist eine Millimeterarbeit und man sieht fast keinen Fortschritt darin, man sieht nur große Appelle.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann bleibt aber die Frage, Frau Ministerpräsidentin: Wie machen wir das denn mit einem Frauenförderplan und einer Frauenförderoffensive im öffentlichen Dienst? Wie machen wir es denn mit den Ministerien? Ich nehme das Beispiel mal in der Polizei. Sie können statistisch feststellen, dass die typisch Frauen zugeordneten Tätigkeiten in der Polizei eindeutig die Niedriglohnbereiche sind. Also muss man auch darüber nachdenken, nicht diese Lohngruppe zu verändern, sondern das Berufsbild zu verändern, damit Frauen aus solchen Tätigkeiten auch in der Polizei eine Chance haben, aufzusteigen oder ein höheres Einkommen im öffentlichen Dienst auch zu bekommen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das sind für mich alles Hinweise, die man aus der politischen Debatte ziehen muss. Ich höre bei Ihnen Signale, dass darüber zu reden ist. Deswegen fühle ich mich auch eingeladen und stelle auch fest, auch das ist ein Lob, dass sich das Klima im Thü

ringer Landtag in dieser Legislatur verändert hat. Wir haben eine ganze Menge an Dingen gemeinsam auf den Weg gebracht, selbst mit peinlichen Wahlpannen zwischendurch, so gab es dann eine Wahlmännerwahl, die hat das alles kompensiert.

(Beifall DIE LINKE)

Aber dass wir es geschafft haben, an entscheidenden Punkten gemeinsame Erklärungen auf den Weg zu bringen, auch zu Beginn dieser Legislatur, dass Sie mit dabei waren in Pößneck - ich will es wiederholen -, hat mir große Hochachtung abgenötigt, weil damit auch ein Zeichen gegen rechtsextremistische und rechtsextreme Aufmärsche gesetzt worden ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN )

Da heißt es, zusammen Gesicht zu zeigen. Und egal, wer was am 1. Mai in Erfurt an welcher Stelle gemacht hat, ich bedanke mich bei allen Fraktionen und bei allen politischen Parteien hier im Hohen Haus, dass in Erfurt der Landtag Flagge gezeigt hat. Auch das ist ein wichtiges Zeichen,

(Beifall DIE LINKE)

wenn wir die Relation zu rechtsextremen Einstellungen sehen, denn das wird doch deutlich. Wir sehen einen leichten Fortschritt bei rechtsextremen Einstellungen - das ist gut. Jetzt behaupte ich mal, das hat doch was damit zu tun, dass wir Vorbildfunktion dann ausüben, zumindest auf die 20 Prozent, die zur Kenntnis nehmen, dass wir hier sitzen. Also 80 Prozent wissen ja nicht so genau, dass wir hier sitzen. Auch da müssen wir dann über politische Bildung und eine Offensive reden, denn die Alternative dazu, dass ein Parlament hier sitzt, also dass auch, wenn ich es richtig im Kopf habe, nur 58 Prozent der Wähler, die mich hierher geschickt haben, zur Kenntnis nehmen, dass ich hier sitze, insoweit hat keiner Grund, irgendwie mit dem Finger auf einen anderen zu zeigen, sondern wir haben allen Grund, die Finger auf uns zu zeigen und zu sagen, ja, wir haben die Pflicht, Vorbild zu sein, das heißt aber nicht, dass wir aufhören, politisch unterschiedliche Konzepte streitig zu verhandeln.

(Beifall DIE LINKE)

An den Stellen, wo wir zusammen aber Zeichen setzen müssen gegen Akteure, gegen Aufmärsche, die die demokratische Kultur eines Staates unterminieren und zerstören wollen, da kommt es auf uns an. Insoweit war der Monitor vor zehn Jahren richtig, aber es war auch richtig, Frau Lieberknecht, dass Sie in Pößneck als Person, als Autorität des Gesamtlandes deutlich gemacht haben, dass ein anderer Ak

zent gesetzt wird. Es gibt aber keinen Grund für uns, beruhigt zu sein. Wenn man unterscheidet, rechtsextreme Einstellung zwischen Stadt und Land, wenn man einige Landkreise sich anschaut, dann sollten wir die Besorgnis bei uns im Kopf haben, nicht Alarmismus, sondern einfach Besorgnis und sagen, es gibt keinen Grund, sich ruhig zurückzulegen. Für mich ist so das Beispiel die kleine Gemeinde Moßbach oder Fretterode oder Pößneck. Also die Bürgerschaft, die Menschen in Moßbach erleben auf einmal, dass rechtsextremistische Vorbeter in die Gaststätte kommen und dort zelebrieren. Dafür kann die Gemeinde überhaupt nichts. Trotzdem merkt man, dass damit eine Ruhe einzieht, weil die Gemeinde nicht weiß, wie sie damit umgehen soll - und da sind wir gefordert. Dasselbe gilt in Pößneck. In Moßbach ist es die Kneipe, in Pößneck ist es das Schützenhaus, in Fretterode ist es das Rittergut, das sind alles Orte, von denen in Kreisen auch ein Stück weit Gesinnung ausgeht, ohne dass es klassisch die NPD oder die DVU oder eine andere Organisation wäre. Das sind eben Freie Kameraden, da sind Akteure in den Freien Kameraden und um diese Objekte herum breitet sich Angst aus. Das Schlimme ist, wenn Menschen anfangen, nicht mehr am Fenster zu schauen, wenn die Nachbarn nicht mehr auf Nachbarn achten, wenn man sagt, ziehe dich lieber in dein Privatgebäude zurück und lass das Außenherum irgendwie geschehen. Das ist die Gefahr, die ich nach wie vor in dem Thüringen-Monitor sehe, dass die 13 Prozent, die noch nicht gefestigt sind, an solchen Stellen erreichbar werden. Ich sehe es aber auch umgekehrt, sie sind auch noch für uns erreichbar. Sie sind also von beiden Seiten erreichbar, wenn wir es schaffen, Vorbildfunktion einzunehmen bei demokratischer Kultur. Deswegen gehört für mich das Einstellungsmerkmal „rechtsextrem“, „rechtsextreme Gedanken“ als ein Alarmzeichen, als ein Auftrag. Ich will noch einmal sagen, dass es notwendig ist, dass man bei rechtsextremen, rechtsextremistischen Einstellungen immer daran denken muss, es ist das Erbe der Hitlerbarbarei, es ist das Erbe des Faschismus. Die nannten sich auch Nationalsozialisten, hatten aber mit Sozialismus überhaupt nichts zu tun. Sie haben KZ gebaut und haben Menschen fabrikmäßig ermordet.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das ist das deutsche Verbrechen, das wir als Schuld übernommen haben, ohne dass wir individuell die Schuld tragen. Wir tragen die Verantwortung, immer wieder auf diesen Teil unserer Vergangenheit einzugehen, sie nicht wegzumogeln und Konsequenzen daraus zu ziehen. Deswegen sage ich, diese Form von Faschismus und Nationalsozialismus - wie immer es heißt - ist keine geistige Haltung, sondern ein Verbrechen und da müssen wir es auch als Verbrechen kennzeichnen, damit alle diese Akteure, die