Protocol of the Session on June 17, 2010

(Beifall DIE LINKE)

Natürlich ist es schöner, wenn einem die Augen nicht tränen, natürlich ist es angenehmer, wenn man nicht gleich heiser wird oder Hustenanfälle bekommt. Ich kenne das, ich bin selber auch Nichtraucher. Es ist aber so, dass wir eine Einschränkung der Freiheit der Raucher für das Wohlbefinden der Nichtraucher doch als sehr harten Eingriff in diese Freiheitsrechte einsehen müssen und da, denke ich, ist dieser harte Eingriff nicht unbedingt gerechtfertigt. Ebenso ist es bei den Mitarbeitern. Es gibt von den mehr als 1.000 angefertigten Studien eine einzige, die im Bereich der Mitarbeiterschaft einen positiven Effekt durch den Nichtraucherschutz sieht. Diese Studie hat eine sehr geringe Teilnehmerzahl und fragt in erster Linie weiche Kriterien ab, also Befinden und nicht erhebbare Messgrößen und ähnliches, so dass dabei die Wirksamkeit doch eingeschränkt ist. Vergessen wir nicht - bei den Gästen ist es zumindest so -, niemand ist gezwungen, in eine Raucherkneipe zu gehen. Kollege Eckardt hat das gesagt. Insofern muss man

schon davon ausgehen, dass hier eine Abwägung zwischen Effekt - der ist für den Nichtraucherschutz relativ gering - und Einschränkung der Freiheit - der ist für Raucher und Gaststättenbetreiber relativ groß - stattfinden muss.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das se- hen Sie so.)

Ja, das ist so. Ich muss sagen, wenn ein Gastwirt für diesen geringen Effekt, der da zu erreichen ist, also Wohlbefinden - nichts Messbares -, in seiner Berufsfreiheit eingeschränkt wird, dann müssen wir darüber nachdenken und darüber reden. Im Sinne des Nichtraucherschutzes, das ist, glaube ich, die Intention, ist dieses Gesetz nicht wirksam genug, es ist abzulehnen.

Eine ganz andere Frage, zu der man kommen muss, wenn man ehrlich argumentieren möchte, ist die Wirkung auf die Raucher. Das ist das eigentliche Potenzial dieser Gesetzgebung, der Antirauchergesetzgebung, sie heißt in anderen Ländern auch ganz anders als bei uns. Die Wirkung auf die Raucher ist nicht zu unterschätzen. Dieselben Studien, die eine entsprechende Wirkung auf Nichtraucher widerlegen, zeigen den dramatischen Effekt für Raucher, den Rückgang von Herzinfarkten bei über 65-Jährigen um 15 bis 30 Prozent, den Rückgang der chronischen Lungenerkrankungen um 40 bis 60 Prozent bei Rauchern. In diesem Zusammenhang muss man diese Gesetze auch bewerten.

(Beifall DIE LINKE)

Ich persönlich bin der Auffassung, dass der vormundschaftlich väterliche Staat, der seinen Landeskindern mit mehr oder weniger Druck vorschreibt, wie sie zu leben haben, was sie zu genießen und was sie tunlichst zu lassen haben, eigentlich ein Relikt vergangener Jahrhunderte sein sollte.

(Beifall DIE LINKE, SPD, FDP)

Ich freue mich über den Applaus aus den Reihen der FDP. Vielleicht kommen wir mal zu der Gelegenheit, über weiche Drogen zu diskutieren. Dann hoffe ich, den Applaus genauso zu ernten.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für alle die, die aber meinen, dass es Aufgabe des Staates wäre, den Bürger vor sich selber zu schützen, bleibt es dabei, dass man den Entwurf der Landesregierung und den Entwurf der GRÜNEN nach ihren Potenzialen einschätzen sollte. Der Gesetzentwurf der Regierung erfüllt die Maßgaben diverser Gerichtsurteile. So wird der Mindeststandard der Rechtsstaat

lichkeit erfüllt; aber auch kein einziger Gedanke mehr. Als gäbe es nicht eine mehr als 10-jährige Erfahrung mit solchen Gesetzen, wird das Thüringer Gesetz in keinem einzigen Punkt den Studienergebnissen, den Erfahrungen anderer Länder und den daraus zu folgernden Schlüssen angepasst. An welcher Stelle spiegeln sich etwa die hervorragend untersuchten Wirkungen der Antirauchergesetze aus Irland, aus Schottland, aus Skandinavien, aus Italien wider? Darauf komme ich dann noch zurück. Von eigenen Thüringer Erkenntnissen ist überhaupt nichts zu merken. Ein positiver Effekt ist aus dem bestehenden Gesetz und der geringfügigen Anpassung an die Rechtsnorm des Verfassungsgerichts nicht zu erwarten. Dass in Thüringen der Anteil junger Frauen, die rauchen, steigt, nämlich um 17 Prozent - das muss man sich einmal vorstellen -, belegt die Unwirksamkeit dieses Gesetzes. Um diese Scheuklappenpolitik der Landesregierung zu kennzeichnen, möchte ich Bismarck zitieren: „Nur ein Idiot glaubt, aus eigenen Erfahrungen zu lernen. Ich ziehe es vor, aus den Erfahrungen anderer zu lernen, um von vornherein eigene Fehler zu vermeiden.“ Ich fordere daher die Landesregierung ausdrücklich auf, die Erfahrungen anderer, die medizinischen Studien und Statistiken zur Kenntnis zu nehmen und danach zu handeln.

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Ein Bei- spiel.)

Das führt mich zum Antrag der GRÜNEN. Er entspricht sicher nicht meiner Intention. Ich hatte das schon gesagt.

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Das wundert mich.)

Ich muss aber anerkennen, dass er, würde er angenommen und umgesetzt, im Unterschied zur Regierungsvorlage nachweisbar zählbare Ergebnisse bringen könnte. Er hat das Potenzial, Menschen vom Rauchen abzubringen und sie direkt vor Gesundheitsschäden zu schützen. Die vergleichbaren Studien - ich hatte sie schon zitiert - legen das nahe, dass mit dem Antrag der GRÜNEN durchaus Effekte zu erzielen wären. Wenn die Landesregierung diese Studien zu Hilfe genommen hätte, hätte sie bemerkt, dass in diesen Ländern Rauchverbote mit flankierenden Maßnahmen wie Werbeeinschränkungen, Aussteigerprogramme, Verkaufsbeschränkungen begleitet wurden, die ein entsprechendes gesellschaftliches Klima geschaffen haben, die den Menschen den Tabakgenuss, ich will nicht sagen verleiden, die es aber leichter machen, sich selbst zu entwöhnen. Verbot auf der einen, Motivation und Angebotsreduktion auf der anderen Seite haben die Zahl jugendlicher Raucher in den erwähnten Ländern deutlich gesenkt - zum Vergleich: in Thüringen, ich rufe es noch einmal in Erinnerung, 17 Prozent Steigerung bei

jungen Frauen. Unter der Wirkung des Thüringer Nichtraucherschutzgesetzes ist nicht zu erwarten und auch mit den Änderungen ist nicht zu erwarten, dass wir in irgendeiner Weise einen positiven Effekt auf Raucher und Raucherentwöhnung erzielen, und deswegen muss ich sagen, ist dieses Gesetz zu kurz gegriffen. Wenn man das zusammenfasst, Nichtraucherschutz ist nicht nachweisbar, Raucherschutz findet nicht statt. Im Gegenteil, die Zahl der Raucher steigt - eine vernichtende Bilanz für das vorliegende Gesetz und eine vernichtende Bilanz für das, was man erwartet aus der Änderung. Es bleibt bilanzierend die Wahl zwischen der Einschränkung bürgerlicher Freiheiten zum Zweck, Nichtrauchern ein angenehmeres Umfeld zu schaffen, oder aber eine Einschränkung bürgerlicher Freiheit mit dem Ziel, die Gesundheit der Betroffenen nachhaltig zu verbessern und zu schützen. Je nach politischer Grundüberzeugung gibt es gute Gründe, beide Entwürfe abzulehnen. Es gibt aber genauso respektable und gute Gründe, den Entwürfen der GRÜNEN zuzustimmen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Einzige, was ich nicht erkennen kann, ist irgendein Grund, dem Regierungsentwurf zuzustimmen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächster spricht für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Gumprecht.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Nichtraucherschutz steht heute erneut zur Beschlussfassung an. Der Landtag hatte im Dezember 2007 nach einer sehr emotional geführten Debatte das Thüringer Nichtraucherschutzgesetz verabschiedet. Die Beschlussfassung erfolgte in einer sehr persönlichen Entscheidung quer durch alle Fraktionen auch sehr unterschiedlich. Selbst Änderungsanträge wurden ins Plenum eingebracht und punktuell angenommen. So, meine Damen und Herren, stellt das von uns in der letzten Wahlperiode beschlossene Gesetz einen Kompromiss dar, der demokratisch entstanden ist. Der heute zur Beschlussfassung anstehende Gesetzesvorschlag der Landesregierung beinhaltet die Hinweise des Bundesverfassungsgerichts. In der Begründung lässt das Verfassungsgericht grundsätzlich zwei Wege zu, den Weg des absoluten Rauchverbots und den zweiten Weg des relativen Rauchverbots mit Ausnahmemöglichkeiten. Beide Wege sind verfassungskonform. Der Landtag hatte sich im Dezember 2007 für das relative

Rauchverbot entschieden. In der Kontinuität dieses Gesetzes sind im vorliegenden Änderungsgesetz die Hinweise des Urteils aufgenommen, beispielsweise zu kleinen Einraumgaststätten, zu Spielhallen oder zu Bier- und Festzelten. Auf der Basis des vor eineinhalb Jahren demokratisch zwischen allen Fraktionen gefundenen Kompromisses schlage ich Ihnen vor, den minimalen Änderungen in dem heute vorliegenden Änderungsgesetz der Landesregierung zuzustimmen.

Meine Damen und Herren, ich selbst bin strikter Nichtraucher und werbe auch als Gesundheitspolitiker

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

an vielen Stellen für das Nichtrauchen und weise auch auf die gesundheitlichen Gefahren hin. Es ist so: Tabakrauchen schadet der Gesundheit.

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Schweinefleisch auch.)

Ich respektiere aber auch die freie Entscheidung jedes Einzelnen von uns oder auch in der Bevölkerung, sich für oder gegen das Rauchen zu entscheiden. Als Demokrat stehe ich zu einem Miteinander in unserer Gesellschaft. Der vorliegende Kompromiss hat dieses Miteinander, diesen Kompromiss, der durch die ganze Bevölkerung geht, im Blick. Wir hatten demokratisch einen Konsens gefunden, auf den wir heute aufbauen sollen; dazu stehe ich, meine Damen und Herren.

Uns liegen nun zwei Änderungsanträge vor, die den zweiten Weg wählen möchten. Ich persönlich und viele in unserer Fraktion werden diesen beiden Anträgen nicht zustimmen und sie ablehnen. Bereits hier in der Debatte - Frau Präsidentin, ich muss Sie leider korrigieren, Sie hatten in Ihrer Ankündigung des Gesetzes „Nichtrauchergesetz“ gesagt, es ist ein Nichtraucherschutzgesetz - verwechseln wir das Thema Nichtraucherschutzgesetz mit dem Thema „Rauchen ja oder nein“. Ich denke, das sind zwei Dinge. Heute steht das Thema „Schutz des Nichtrauchers“ hier zur Debatte

(Beifall SPD)

und damit sollten wir uns auch konkret heute beschäftigen und entscheiden.

Nun zum Entschließungsantrag: Er beinhaltet ein Sammelsurium von gut gemeinten und punktuell sicherlich auch überdenkenswerten Anliegen, das zwar das Thema Rauchen und Zigaretten betrifft, aber nichts mit dem Thema Nichtraucherschutz oder

nur am Rande damit zu tun hat. Deshalb werden wir diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen. Der Antrag beinhaltet Bundesratsinitiativen in mehreren Punkten - es sind vier Punkte - und Maßnahmen des Landes in einem fünften Punkt. Ein paar Bemerkungen dazu:

1. EU-Empfehlungen gelten für die Bundesregierung auch ohne diesen Antrag.

2. Präventive Maßnahmen, Gesundheitsschutz und Jugendschutz sind Landesaufgaben.

3. In Betrieben gelten seit Längerem personalrechtliche Regelungen und diese haben als praktikabel geltend Einzug gehalten in vielen Einrichtungen.

4. Meine Damen und Herren, sicher, in Deutschland vollzieht sich ein Paradigmenwechsel zum Thema Tabakrauchen. Es gilt, diesen Wechsel unter Berücksichtigung der teilweise sehr widerstrebenden Interessen in den verschiedenen gesellschaftlichen Feldern mitzugestalten und politisch zu begleiten und auf diese Art und Weise ein hohes Maß an Akzeptanz in unserer Gesellschaft zu finden.

Der vorliegende Entschließungsantrag zielt einseitig und hat diese Akzeptanz zunächst nicht im Auge, deshalb unser Vorschlag. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Vielen Dank vom Nichtraucher zum Nichtraucher für diese Ergänzung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Herr Untermann von der FDPFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ein „bürokratisches Monster“ hat die Bündnisgrüne Partei hier gesagt und da stimme ich Ihnen vollkommen zu, aber die Zustimmung geht nur bis dahin. Was Sie hier in Ihrem Änderungsantrag eingebracht haben, ist für mich genauso ein bürokratisches Monster.

(Beifall FDP)

Sie sollten eigentlich nur darüber schreiben „generelles Rauchverbot“, dann wäre die Sache irgendwie ehrlicher. Wie gesagt, diesem Änderungsantrag können wir aus genannten Gründen nicht zustimmen.

Zu diesem Gesetzentwurf haben wir als FDP-Fraktion nach wie vor die gleiche Meinung. Das heißt, grundsätzlich sollte jeder Gastronom selbst entscheiden, ob in seinen Räumen geraucht wird oder nicht.

(Beifall FDP)

Da bin ich auch ganz bei Ihnen, Herr Dr. Hartung. Die Menschen sind eigentlich mündig genug, um das zu machen. Voraussetzung ist natürlich, dass jeder seine gastronomische Einrichtung kennzeichnet als Raucher oder Nichtraucher. Aber das Thema ist wahrscheinlich so, dass wir die Mehrheit nicht bekommen. Unsere Meinung bleibt trotzdem nach wie vor bestehen.

Tendenziell liegt der Umsatz in der getränkeorientierten Gastronomie unter dem Niveau von 2003. Das heißt, dass durch dieses Nichtraucherschutzgesetz ein Umsatzausfall - und damit verdienen die Gastronomen ihr Geld - hinzugekommen ist. Der neue Gesetzentwurf kompliziert die Sache nur unnötig.

Um ihn aber etwas freundlicher für die Gastronomen und für die gastronomischen Einrichtungen zu machen, hat die FDP noch einen Änderungsantrag gestellt. Auf einige Punkte möchte ich hier noch einmal kurz eingehen. Die Regelung mit diesen 75 m² ist willkürlich festgelegt, da muss ich den GRÜNEN wiederum recht geben. Das ist eine Sache, die könnte bei 80 liegen, die könnte bei 100 oder vielleicht auch bei 50 liegen. Aber man hat sie halt mit 75 festgelegt. Ich denke, damit können die Gastronomen leben.