Protocol of the Session on April 28, 2010

Die Fraktion DIE GRÜNEN, Frau Siegesmund, hat es heute hier noch einmal ganz deutlich gesagt: Wir stehen da nicht allein. Ganz deutlich hat das das letzte Wochenende gezeigt; Tausende von Menschen gehen auf die Straße, um gegen Atomenergie zu protestieren. Dieses Wochenende hat eindeutig, hat ganz klar gemacht, es gibt keine Akzeptanz für diese zurückgewandte Technologie mit all ihren Folgeerscheinungen; es gibt überhaupt keine gesellschaftliche Akzeptanz bei der Mehrheit der Bevölkerung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen auch begründen, warum das so ist, warum die Menschen auf die Straße gehen, warum wir gegen Atomenergie sind. Sie ist erstens unverantwortbar, weil die Betriebskosten der Atomenergie extrem aufwendig und ineffizient sind. Darum wurde der Ausbau der Atomenergie bereits in den 70er-Jahren eingeschränkt und liegt stark hinter den Investitionsplänen der Betreiber zurück. Sie ist zweitens unverantwortbar wegen der enormen gesellschaftlichen Kosten der Atomenergie. Die Folgeschäden und sonstigen externen Kosten des

Betreibens von Atomanlagen werden von der Gesellschaft übernommen. Im Falle eines Supergaus, einem Reaktorunfall mit massivem Austritt von Radioaktivität, tragen die Opfer die Kosten. Die Atomenergie ist drittens unverantwortbar, weil bisher noch keinerlei Lösungen für das Abfall- und Müllproblem gefunden wurde. Hier wird Mensch und Natur eine schwere Erblast weitergegeben, von der wir nicht wissen, welche Nebenwirkungen auftreten werden. Nicht zuletzt übernimmt die öffentliche Hand die Kosten. Ich muss das an dieser Stelle einmal ganz klar sagen: Für mich ist es einfach skandalös, dass Atomkonzerne wie Vattenfall & Co. tagtäglich Millionengewinne mit Atomenergie machen, ganz locker jeden Tag, und wir als Gesellschaft übernehmen die Kosten und die Risiken und die nicht bekannten Nebenwirkungen. Das ist für mich unbegreifbar.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wird ganz öffentlich zur Schau getragen. Das wird öffentlich kommuniziert. Und verantwortliche Politik schaut einfach zu und macht sich zum Handlanger der Energie- und Atomlobby. Das sieht man auch ganz deutlich. Da finden sich plötzlich ausgediente Politiker in Energiekonzernen wieder oder Konzernchefs beraten EU und Bundesregierung. In welche Richtung sehen wir ja, ohne moralische Zweifel zu haben. Ich muss ganz ehrlich sagen, das ist für mich unmoralisch, einfach unmoralisch. Ich kann nur sagen, es ist für mich unbegreifbar, dass wir das in dieser Gesellschaft so mittragen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, eines möchte ich hier auch sagen, auch an Sie, Frau Hitzing, gerichtet: Alternativen sind vorhanden. In den letzten Tagen und Wochen wurde mehrfach von unterschiedlichster Seite deutlich gemacht, dass ein Atomausstieg machbar ist. Er ist machbar, wenn wir ihn politisch wollen. Ich möchte hier ein Beispiel anführen. Ende des Jahres 2009 erschien beispielsweise im „Spiegel“ eine ausführliche Darstellung zum Primärenergieverbrauch in Deutschland. Lediglich 12 Prozent des Stromverbrauchs kommen noch aus der Kernenergie. Die erneuerbaren Energien stiegen von 4,7 Prozent im Jahre 2005 auf bereits 7 Prozent im Jahre 2008. Dabei sind vor allem die Zuwachsraten der erneuerbaren Energien von großem Interesse. Oder ein zweites Beispiel: Dietmar Schütz, Chef des Bundesverbands Erneuerbaren Energie, bekräftigte erst Anfang Februar dieses Jahres in der „Frankfurter Rundschau“, dass die erneuerbaren Energien bereits im Jahre 2020 47 Prozent des Strombezugs sichern könnten. Ich möchte auch noch ein drittes Beispiel an dieser Stelle anführen. Erst am Freitag vorige Woche bestätigte ein Institut in Markkleeberg erneut, dass der Ausstieg aus der Atomenergie rasch umsetzbar ist. Deshalb, werte Kolleginnen und Kolle

gen, sehen wir uns als LINKE in der politischen Verantwortung, etwas dafür zu tun, dass diese notwendige Energiewende Realität wird. Ich hoffe, dass wir dazu hier in diesem Hause eine Mehrheit finden können. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Weber zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich bin der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sehr dankbar dafür, dass diese Aktuelle Stunde hier heute auf der Tagesordnung ist, und ich sehe auch direkt einen aktuellen Anlass. Es gab am Samstag - wie Kollegin Siegesmund schon angedeutet hat - einen Aufruf, dem 118.000, fast 120.000 Menschen gefolgt sind. Das ist eine Größenordnung, die Bürgerbewegungscharakter hat. Das ist eine Größenordnung, für die durchaus Politik ein Auge und ein Ohr haben muss. Die Organisatoren haben mit 50.000 Menschen gerechnet. Ich war selbst dabei, Kollegin Astrid Rothe-Beinlich war mit einer ansehnlichen Delegation ebenfalls dort. Man hat sich überzeugen können, es war generationenübergreifend. Es waren ganz, ganz junge Menschen, die sicher nicht zu denjenigen gehören, die zur ersten Stunde gegen Atomkraft demonstriert haben. Es waren aber auch alte Leute, ältere Leute, viele Senioren anwesend, die aus langer Erfahrung schon mit dem Thema befasst sind.

Wir haben 17 Atomkraftwerke in Deutschland, 9 davon sollen bis zum Jahr 2015 vom Netz gehen. Das ist im Atomkonsens vereinbart, daran müssen wir festhalten. Und wir müssen es auch nicht nur aus energiepolitischen, umweltpolitischen und anderen Gründen, sondern auch aus Sicherheitsgründen. Keines der bestehenden 17 Kraftwerke würde jetzt noch genehmigt werden, das ist ein Fakt. Keines der 17 Kraftwerke würde heute, nach jetzigen Standards, noch eine Genehmigung erhalten. Dann ist es doch fahrlässig, wenn Politik über Verlängerung von Laufzeiten diskutiert. Ich kann denjenigen, die der Meinung sind, man könnte die jetzigen Kraftwerke noch 10, 20, teilweise 28 Jahre weiterlaufen lassen, nur raten, mal nach Biblis zu fahren und sich die Anlage anzusehen, einfach mal hinfahren und schauen, dass außer dem Firmenschild, das in Glanz und Gloria dort zu sehen ist, nicht besonders viel Augenmerk auf dieses Kraftwerk gelegt wird und auch keine Pflege. Das kann man von außen, ohne Fachmann zu sein, sehr deutlich erkennen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Thema Kosten: Seit 1950 sind 165 Mrd. € öffentliche Subventionen, Steuermittel, in die Atomkraft geflossen. Das sind, wenn man das ausrechnet, 3,9 Cent pro Kilowattstunde. Zum Vergleich: Die angeblich so hoch subventionierten erneuerbaren Energien machen einen Anteil von 1,1 Cent pro Kilowattstunde aus. Das heißt, fast die vierfache Subventionierungsquote steckt in der Kernenergie. Da muss man sich natürlich auch fiskalisch mal Gedanken darüber machen, was denn wirklich die teurere Energieform ist, ob es sinnvoll ist, darüber zu diskutieren und weiterhin an der Fehlbehauptung festzuhalten, die Subvention von erneuerbaren Energien wäre der falsche Weg und dafür die Subvention für Kernenergie - nicht nur Forschungsmittel, sondern auch Folgekosten - unter den Tisch zu kehren. Was die Kosten betrifft, so muss auch eines deutlich gesagt werden: Die Kosten für die Sanierung der Asse, das muss natürlich nach dem Verursacherprinzip gehen, das kann doch nicht sein, dass die Öffentlichkeit und der Steuerzahler und die Bürger

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

draußen dafür bezahlen, dass man hier fahrlässig gehandelt und geplant hat. Jedes Jahr entstehen 450 Tonnen radioaktiver Abfall in diesem Land; allein aus deutschen Kraftwerken 450 Tonnen jedes Jahr, in dem diese Anlagen weiter laufen.

Ich bin der völligen Überzeugung, dass die Diskussion um den Atomausstieg eine ganz andere in der politischen Landschaft wäre, wenn die süddeutschen Befürworter der Atomenergie die Endlagerfrage vor der Haustür hätten. Davon bin ich völlig überzeugt,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dann würden wir ganz anders diskutieren. Aber so lange man das nicht vor der eigenen Haustür hat, ist es eine ganz andere Frage. Ich will noch eines sagen, ich kann da aus mittlerweile ungefähr eineinhalb Stunden lange Erfahrungen berichten. Ich werde alles dafür tun, was politisch notwendig ist, damit radioaktiver Abfall nicht unter den Füßen unserer Enkel und Großenkel vergraben wird. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich der Abgeordnete Dr. Augsten zu Wort gemeldet.

Die CDU-Fraktion hat keine Redemeldung abgegeben - jetzt habe ich erst Ihre Verwunderung begriffen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, werte Kollegin Hitzing - ich bin etwas überrascht, weil ich mich eigentlich so darauf gefreut hatte, erwartet hatte, dass die CDU sich dazu noch meldet -, nun werde ich mich mit Frau Hitzing beschäftigen dürfen.

(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Technologie: Herr Augsten, die CDU hat es mir überlassen, dazu etwas zu sagen.)

Sie können ja dann auch noch etwas sagen.

Frau Hitzing, Aktualität, wenn Sie in dem Bereich mit viel Herzblut zu Hause sind bzw. sich damit beschäftigen, dann haben Sie jeden Tag Angst bei dem, was da in Berlin abläuft. Und wir haben dann einfach nicht Zeit, von Plenum zu Plenum wieder das Thema aufzurufen, insofern ist das aktuell, gerade vor dem Hintergrund, was meine Vorredner ja schon gesagt haben, dass es am Samstag diese hervorragende Präsentation gab. Insofern ist es deshalb aktuell, weil in Berlin ganz wichtige Entscheidungen gefällt werden, auch in den nächsten Tagen und Wochen, und das betrifft ja Thüringen ganz direkt. Dazu wird unser Wirtschaftsminister dann sicher noch etwas sagen.

Ja, Brückentechnologie, Frau Hitzing, niemand hat heute hier einen Antrag gestellt, dass wir ab sofort alle Atomkraftwerke abschalten, sondern es geht um das, was vorhin schon mal eine Rolle gespielt hat, es geht darum, dass ein beschlossener Ausstieg rückgängig gemacht werden soll. Das heißt, ein Ausstieg aus dem Ausstieg, der, wie meine Vorredner richtig gesagt haben, höchst gefährlich ist, sondern dass wir hier im Prinzip etwas machen, was im Endeffekt natürlich auch Thüringen überhaupt nicht guttun kann, weil das, was Herr Weber gesagt hat zu den Kosten, stimmt natürlich für den einen Teil auf jeden Fall, aber mich ärgert natürlich auch, wenn Herr Westerwelle in seinen Redebeiträgen im Bundestag dann immer wieder die Angst schürt vor hohen Kosten für die Leute, die wenig Geld haben. Wenn nicht nur die 1,5 Mrd. € für die Asse, sondern auch die 10 Mrd. €, die Tschernobyl mittlerweile gekostet hat, umgelegt werden würden auf die Kosten, die die Atomkraftwerke hier letzten Endes

verursachen, dann würden wir über ganz andere Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger sprechen. Es geht uns insofern ganz allein um das, was in der Vergangenheit stattgefunden hat. Dieser Strom aus Atomkraftwerken ist nicht nur ein gefährlicher Strom, er ist auch ein sehr teurer Strom. Wenn Sie davon sprechen, dass das doch ganz sichere AKWs sind, die wir hier diskutieren. Ich würde mich nicht hier vorn hinstellen und meine Hand dafür ins Feuer legen, dass da nicht in ganz kurzer Zeit etwas passieren kann. Ich glaube, das haben andere schon an anderen Stellen getan und sich dabei heftig verbrannt. Sicherheit gibt es insofern an dieser Stelle nicht. Wir haben hier über die Probleme der Endlagerung gesprochen. Die Kosten sind aber wirklich ganz anders als das, was wir hier von Ihnen gehört haben.

Meine letzte Bemerkung, deswegen hatte ich mich auch auf den Beitrag der CDU gefreut, wann immer irgendjemand - und Ihre letzte Bemerkung hat sich zu Recht auf die erneuerbaren Energien in Thüringen bezogen - von den Parteien, die in Berlin Verantwortung haben, das Hohelied auf die erneuerbaren Energien singt, ist das Heuchelei in dem Moment, wo man über den Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Kernenergie spricht. Ich sage das jedes Mal, wenn das zum Thema wird: Man muss sich entscheiden an dieser Stelle. Wenn man diesen neuen Technologien eine Chance geben will, muss man mit diesen alten Technologien Schluss machen und eindeutig die Marschrichtung vorgeben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist nicht so, wie Sie hier versucht haben darzustellen. Man kann sagen, wir sind da gut in Thüringen aufgestellt. Ich denke, das kann der Minister dann noch besser darlegen. Aber das, was uns im Bereich erneuerbarer Energien auf die Füße fällt, das fängt bei Solar an, geht bei Wind und Biomasse usw. weiter, hat damit zu tun, dass immer wieder kolportiert wird, es gehen die Lichter aus, wenn wir die Kernkraftwerke abschalten, es gibt keine Versorgungssicherheit, wir brauchen noch unendlich viel Zeit, bis wir nachher die Atomkraftwerke abschalten können, von 28 bis 30 Jahren, haben wir gehört. Das ist Unsinn. Alle seriösen Quellen zeigen, dass wir das viel schneller hinbekommen.

Insofern noch einmal ganz eindeutig im Namen meiner Fraktion: Es ist aktuell, wir müssen hier handeln, es steht für Thüringen ganz viel auf dem Spiel, gerade, wenn wir im Bereich erneuerbarer Energien punkten wollen. Deshalb bleibt es dabei, den Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Kernenergie müssen wir verhindern. Ich bitte Sie darum, dass wir an dem Thema dranbleiben und dass Sie letzten

Endes alle gemeinsam mit uns dafür streiten, dass Thüringen an der Stelle nicht sein Pfund verspielt. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe jetzt keine weiteren Redeanmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten. Für die Landesregierung Minister Machnig, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist eine Schlüsseldebatte, die wir heute hier führen und ich hätte mir gewünscht, dass bei einer solchen Schlüsseldebatte der eine oder andere Abgeordnete mehr zugehört hätte. Diese Diskussion ist eine Richtungsentscheidung über vorwärts oder rückwärts, über eine Steinzeittechnologie und den Wiedereinstieg in eine Steinzeittechnologie oder das Setzen auf eine Zukunftstechnologie. Das ist die Dimension der Auseinandersetzung und diese Auseinandersetzung - ich will das ganz deutlich sagen - beginnt gerade. Ich wage mal eine Prognose: Die nächste Demonstration wird Anfang Oktober sein, die wird gerade bundesweit organisiert. Ich wage die Voraussage, die Beteiligung wird doppelt so hoch sein wie bei diesem Mal. Das ist auch gut so, denn es muss ein ganz klares Signal geben:

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Deutschland ist kein Platz für Kernenergie, wir müssen so schnell wie möglich aussteigen. Ich weiß nicht, ob Sie, Frau Siegesmund, die Planung der Aktuellen Stunde mit einer Meinungsumfrage begleitet haben, denn heute ist eine solche erschienen. Emnid hat heute eine Meinungsumfrage für Deutschland veröffentlicht. Danach ist eines klar: 63 Prozent der deutschen Bevölkerung wollen die Kernenergie nicht, 63 Prozent wollen, dass es beim Ausstieg bleibt, 63 Prozent lehnen ab, eine Laufzeitverlängerung in Deutschland durchzuführen. Ich muss das mal sagen auch an die Rednerin - schade, dass die geschätzte Rednerin der FDP nicht mehr da ist -, ich würde ihr gern ein bisschen Nachhilfeunterricht geben über die Fakten, die man nämlich zur Kenntnis nehmen muss. Ich will ein paar Fakten sagen. Wir haben weltweit 438 Kernkraftwerke. Und obwohl einige Länder Bauprogramme aufgelegt haben, wird der Anteil in den nächsten Jahren zurückgehen. Das ist auch gut so, weil zwei Dinge völlig klar sind, auch in anderen Ländern finden Sie keinen Standort, finden Sie die Akzeptanz nicht. Im

Übrigen ist Kernenergie die kapitalintensivste und teuerste Form der Energieversorgung,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

deswegen wird es auch keinen Wiedereinstieg geben, sondern die Zahlen sind sehr eindeutig. Weltweit hat Kernenergie einen Anteil im Strombereich von unter 16 Prozent, Tendenz fallend, im Primärenergiebereich unter 6 Prozent. Das zeigt deutlich, wir können eine Welt bauen, und zwar in überschaubaren Zeiträumen, in der wir auf die Kernenergie verzichten können. In Deutschland sind es gerade mal 22 Prozent, in denen heute über Kernenergie produziert wird. Ich glaube, wir können sehr schnell in der Lage sein, dieses zu ersetzen. Deswegen, glaube ich, müssen wir uns mit den Fakten auch auseinandersetzen auf den unterschiedlichen Ebenen. Ich kann Ihnen sagen, ich war Staatssekretär im Bundesumweltministerium, das war ein schöner Job, allerdings war ich auch für die Sicherheit der Kernenergie zuständig. Ich sage Ihnen ganz offen, seitdem ich nicht mehr zuständig bin, schlafe ich ruhiger, denn zu wissen, in einem Notfall verantwortlich zu sein, ist keine schöne Aussicht. Jetzt will ich Ihnen mal die Zahlen sagen, die Zahlen sind nämlich beeindruckend: Seit 1960 - da gibt es den ersten Atomreaktor in Deutschland - hat es 5.865 meldepflichtige Ereignisse gegeben. Wenn man die 17 AKWs zugrunde legt, die wir heute noch in Deutschland am Netz haben, so lag die Zahl der meldepflichtigen Ereignisse bei 4.233. Jetzt übersetze ich mal: Alle zwei bis drei Tage gibt es in Deutschland ein meldepflichtiges Ereignis in deutschen Kernkraftwerken. Jetzt sage mir noch einer, deutsche Kernkraft sei sicherer als andere, dann dürften solche Fehler nicht auftauchen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe das mal aus den letzten Jahren, als ich Verantwortung hatte, zusammengestellt: 2007 118 meldepflichtige Ereignisse, 2008 92 meldepflichtige Ereignisse, 2009 99 meldepflichtige Ereignisse.

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE: Hat das etwas mit Ihrer... zu tun?)

Das ist ein ganz Schlauer, der wirklich ahnungslos ist über die wirklichen Zusammenhänge.

(Heiterkeit CDU)

Ich bin leider nicht dafür verantwortlich, ich bin die Aufsicht. Ich würde mir schon einen Zwischenruf ein bisschen besser überlegen, bevor man Unsinn hier zum Besten gibt, lieber Kollege.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Neben dieser Dimension der Unsicherheit kommt eine zweite Dimension hinzu. Das eigentliche Problem in der Kernenergie ist noch nicht einmal ansatzweise gelöst, nämlich die Endlagerfrage. Wir haben in Deutschland kein Endlager. Wir haben in Deutschland - und wir haben das beendet - Gorleben. Gorleben ist niemals, zu keinem Zeitpunkt unter sicherheitstechnischen Gesichtspunkten geprüft worden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gorleben war immer eine politische Entscheidung und war keine Entscheidung nach der Frage, was ist der beste, was ist der sicherste Standort in Deutschland. Deswegen gibt es - und ich begrüße das sehr - im Deutschen Bundestag einen Untersuchungsausschuss, der sich diese Frage anschauen soll. Ich hoffe sehr, dass dabei Ergebnisse auch herauskommen, die eines klarmachen: Ein Standort, der politisch entschieden worden ist und nicht anhand von Sicherheitskriterien, kann, solange es keinen wirklichen Standortvergleich gegeben hat, in Deutschland und darf in Deutschland nicht genehmigt werden.