Protocol of the Session on April 9, 2014

Hier hat die Umfrage der Schüler allerdings ergeben, dass es 4,7 Prozent sind, die fachfremd unterrichtet werden, und nur 1,6 Prozent fachgerecht.

Noch schlimmer, meine Damen und Herren, ist die Tatsache, dass das Ministerium nicht bekannt gibt, wie viele Unterrichtsstunden einfach nur mit einer Aufgabenstellung ohne Lehrer stattfinden. Das kann das Ministerium auch gar nicht, weil die Schulen angewiesen sind, solche Fälle nicht als Ausfall zu registrieren. Das wurde uns übrigens hier auch mal erklärt.

Nun gut. Gut, dass es die Statistik der Schüler gibt, denn daraus lernen wir, dass es sich hier um 1,3 Prozent aller Unterrichtsstunden handelt.

(Beifall FDP)

So betrachtet bewegt sich die Analyse der Schüler etwa im Schwankungsbereich der vom Ministerium bekämpften Umfrage des Thüringer Lehrerverbandes vom vergangenen Jahr. Wenn wir das addieren, kommen wir nämlich auf ca. 10 Prozent Unterricht, der nicht nach dem unterrichtet wurde, wie es eigentlich auf der Stundentafel steht.

Herr Minister, an dieser Stelle erwarten wir von Ihnen einfach mehr Ehrlichkeit in der Debatte, denn Unterricht, der nicht erteilt wird und stattdessen nur

Aufgaben erteilt werden, ist ausgefallener Unterricht.

(Beifall FDP)

Wenn das nicht so wäre, könnten wir umgekehrt nach der Logik auch sagen, dass erteilte Hausaufgaben eine Übererfüllung des Unterrichtssolls sind. Das will ja wohl keiner.

Gerade schwächere Schüler brauchen die Anleitung der Lehrer. Am Ende ist doch für die einzelnen Schüler entscheidend, ob sie bestimmte pädagogische Inhalte nach dem Rahmenlehrplan erhalten haben. Die Statistik wird spätestens dann uninteressant, wenn es darum geht, einen guten Schulabschluss zu erlangen, einen guten Beruf oder eventuell auch ein Studium aufnehmen zu wollen.

(Beifall FDP)

Meine Damen und Herren, die Umfrage der Schüler macht ganz deutlich, dass vielen der Unterrichtsausfall als ein ernst zu nehmendes Problem klar geworden ist und dass dieser sich durchaus negativ auf ihre Perspektiven auswirken kann. In diesem Sinne ist tatsächlich - wie es die Schüler auch sagen - jede Stunde Ausfall eine zu viel.

(Beifall FDP)

Zahlenkosmetik und Schönrechnerei wird dieser Thematik wahrlich nicht gerecht und hilft weder unseren Schülern noch deren Eltern. Nein, sie bringt eine ganze Schülergeneration in Gefahr.

(Beifall FDP)

Ich muss Ihnen sagen, die Landesregierung hat es in den letzten vier Jahren nicht geschafft, die gesteckten Ziele, die in der Koalitionsvereinbarung standen, nämlich 2.500 Lehrer einzustellen, umzusetzen. Es wurde aber noch nie so viel Geld im Bildungsbereich in Thüringen ausgegeben wie in dieser Legislatur. Das ist unter anderem auch eine Bemerkung von Herrn Emde, bloß das Ergebnis ist mangelhaft.

(Beifall FDP)

Gerade im Bildungswesen muss ich Ihnen sagen, verehrte Frau Ministerpräsidentin, Sie haben in den letzten vier Jahren alles laufen lassen,

(Beifall FDP)

alles für gut befunden, Experimente auf dem Rücken der Schüler gutgeheißen und nicht dagegen interveniert. Sie haben meines Erachtens, unseres Erachtens an dieser Stelle wenig Entscheidungskompetenz bewiesen.

(Beifall FDP)

Jetzt drehen Sie sich um 180 Grad, erzählen in der Presse etwas ganz anderes. Da frage ich mich ernsthaft, für wie dumm Sie eigentlich die Thüringerinnen und Thüringer halten. Herzlichen Dank.

(Beifall FDP)

Danke schön. Für die SPD-Fraktion hat das Wort Herr Hans-Jürgen Döring.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, unter Intuition versteht man die Fähigkeit, eine Lage in Sekundenschnelle falsch zu beurteilen. Liebe Kollegin Hitzing, Sie sind darin nicht zu übertreffen. Sie sagen sich, was interessieren mich die Tatsachen, man muss sie nicht unbedingt zur Kenntnis nehmen, um sie verdrehen zu können. Sie wissen genau, dass Sie maßlos überziehen, aber durch den Erfolg Ihrer Verlautbarungen in der öffentlichen Wahrnehmung fühlen Sie sich bestätigt. Mit politischer Redlichkeit hat das nichts mehr zu tun. Wenn man gar nicht mehr weiter weiß, wird schon mal die Verleumdungskeule ausgepackt: Der Minister fälscht die Statistik.

(Zwischenruf Abg. Kemmerich, FDP: Wer le- sen kann, ist klar im Vorteil.)

Aber die Einzige, die die Wahrheit frisiert, sind Sie. Sie lassen kein gutes Haar an ihr. Sie machen aus Fliegen Elefanten und wundern sich über die große Unruhe in „Brehms Tierleben“.

Meine Damen und Herren, was sind die harten Fakten? Im Dezember letzten Jahres sind an den allgemeinbildenden Schulen in Thüringen 3,7 Prozent der Stunden ersatzlos ausgefallen. Im März 2014 sind es 3,1 gewesen und somit 1,6 Prozentpunkte weniger als im Frühjahr 2013. Thüringen liegt damit in etwa im Bundesdurchschnitt. Zu Dramatisierung und Skandalisierung bietet sich wenig Anlass. Im Gegenteil, der deutliche Rückgang des Unterrichtsausfalls im Vergleich zum Vorjahr zeigt, dass die vom Ministerium unternommenen Schritte, ich nenne hier nur die Stichworte „Einstellungskorridor“ und „Maßnahmeplan“, zur besseren Unterrichtserfüllung erste Früchte tragen.

Meine Damen und Herren, es ist richtig, das Ministerium hat die Rahmenbedingungen verbessert, aber das wäre alles nichts wert ohne das hohe Engagement der Lehrerinnen und Lehrer. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Studie des Aktionsrats Bildung zu den Belastungen von Lehrerinnen und Lehrern ist ihnen, glaube ich, nicht genug zu danken. Da ich seit fast 40 Jahren jeden Morgen neben einer Lehrerin aufwache, weiß ich, wovon ich rede.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Frau Hitzing übrigens auch.)

Meine Damen und Herren, natürlich, liebe Kollegin Hitzing, der Minister nimmt die Sorgen der Schüler

sprecher sehr wohl ernst und damit auch die Ausfallstatistik der Landesschülervertretung. Dazu muss man nur die Presseerklärung des Ministeriums lesen. Die ist für den Zeitraum Ende Januar/ Anfang Februar 2014 beim ersatzlosen Unterrichtsausfall an den allgemeinbildenden Schulen auf einen Wert von 4,3 Prozent gekommen. Wenn man bedenkt, dass damals gerade Erkältungszeit gewesen ist, ist das sicherlich eine realistische Prozentzahl, die zudem auch nicht wesentlich von der Zahl des TMBWK abweicht, da waren es nämlich 3,7 Prozent. Das heißt, das Bildungsministerium frisiert nicht die Zahlen, sondern bietet uns nüchterne Fakten für den bildungspolitischen Diskurs an und nichts anderes.

(Zwischenruf Abg. Hitzing, FDP: Das habe ich auch nicht gesagt.)

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Den Vorwurf hat keiner erhoben.)

Meine Damen und Herren, auch wenn wir einen spürbaren Rückgang beim Unterrichtsausfall konstatieren können, es besteht kein Grund, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Wir wollen den Stundenausfall noch weiter, soweit nur irgendwie möglich, verringern. Was wir dazu benötigen, ist der Aufbau einer regional differenzierten Vertretungsreserve, die von den Schulämtern dann flexibel und unbürokratisch eingesetzt werden kann. Unser Vorschlag dafür liegt auf dem Tisch. Wir wollen den diesjährigen Einstellungskorridor von 400 auf 500 Vollzeitstellen ausweiten. Finanziell ist das für den Freistaat überhaupt kein Problem. Herr Voß hat erst vor einigen Wochen ein Haushaltsplus von 483 Mio. € festgestellt. Da dürften, glaube ich, rund 5 Mio. € für den Aufbau eines Vertretungspools wohl zu schultern sein.

Meine Damen und Herren und vor allem lieber Kollege Emde, eigentlich müssten wir damit offene Türen einrennen. Ich erinnere nur an den Parteitagsbeschluss der Thüringer CDU vom November 2013, jährlich mindestens 5.000 neue Lehrer einzustellen. Wir könnten also sofort damit anfangen, Kollege Emde. Ihre Standardentgegnung, es müssten erst mal Effizienzsteigerungen bei den Bildungsausgaben erzielt werden, überzeugt uns nämlich nicht.

Für uns steht fest: Jede Stunde Unterrichtsausfall ist eine Stunde zu viel. Wir brauchen eine Vertretungsreserve. Es ist nun, denke ich, an der CDU, den Bürgern zu zeigen, wie ernst sie ihre eigenen Beschlüsse nimmt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der FDP-Fraktion kann ich nur raten, bei der Beantragung der nächsten Aktuellen Stunden die folgende Feststellung zu bedenken: Das Urteil über eine Sache charakterisiert nicht immer die Sache, aber immer den Urteilenden. Herzlichen Dank.

(Abg. Hitzing)

(Beifall SPD)

Danke schön. Für die Fraktion DIE LINKE hat das Wort Abgeordneter Dirk Möller.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren hier im Rund, meine sehr verehrten Damen und Herren an den Bildschirmen ihrer Computer. Herr Döring, zunächst gestatten Sie mir eine Bemerkung: Hätte, haben, vielleicht oder hätte, hätte, Fahrradkette - nein. In diesem Saal gibt es eine Mehrheit für die Umsetzung der Ziele, die Sie gerade formuliert haben, und nicht das Warten auf den Koalitionspartner.

(Beifall DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Unterrichtsausfall war bereits des Öfteren Thema hier in diesem Hohen Haus. Nun haben die Betroffenen selbst eine Statistik veröffentlicht, die die Situation an unseren Schulen darzustellen versucht hat. Ich möchte an dieser Stelle der Landesschülervertretung meinen Dank aussprechen, denn sie sind es, die mit dem Problem des nicht ordnungsgemäß erteilten Unterrichts in aller Linie zu tun haben und unmittelbar betroffen sind.

Was zeigen uns die Zahlen der Landesschülervertretung? Zunächst bestätigen sie die aktuellen Statistiken des Ministeriums, was den ersatzlosen Ausfall betrifft. Die Landesschülervertretung war ebenfalls bemüht, auch die regionalen Unterschiede zu beachten. So sieht man, dass zum Beispiel der Schulamtsbereich Ostthüringen den mit 2,9 Prozent an zu erteilenden Stunden geringsten ersatzlosen Ausfall ausweist. Im Nordthüringer Schulamtsbereich dagegen liegt dieser hingegen fast doppelt so hoch, bei 5,6 Prozent aller zu erteilenden Stunden. Auf diese regionalen Unterschiede hat uns das Ministerium in den Debatten immer hingewiesen. Man kann nicht pauschal von Unterrichtsausfall oder gar Mangelfächern reden. Es gibt also regional enorme Unterschiede. Das haben wir als Linke nie infrage gestellt.

Wir sind ebenfalls der Überzeugung, auch wenn jede ausgefallene Stunde eine zu viel ist, dass es nie gelingen wird, den Unterrichtsausfall in seiner Gesamtheit gegen Null zu bringen. Das ist nicht unser Anliegen.

Wir kritisieren - und das geht ebenfalls aus den Zahlen der Landesschülervertretung hervor -, fachfremd vertretener Unterricht ist genauso häufig anzutreffen wie der ersatzlose Ausfall. Das ist das Problem.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Landesschülervertretung spricht sich dafür aus und diese Forderungen können wir zu 100 Prozent mittragen, ich zitiere: „dass Vertretungsunterricht nur dann Sinn macht, wenn an den aktuellen Unterrichtsinhalten des betreffenden Faches weitergearbeitet werden kann oder durch Wiederholung und Übungen Unterrichtsinhalte gefestigt werden“. So weit das Zitat. Vertretungsunterricht darf weder Beschäftigungstherapie sein noch zu einer bloßen Sicherung der Aufsichtspflicht verkommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, 88 Prozent der zu erteilenden Unterrichtsstunden wurden nach Stundenplan erteilt. Von den 12 Prozent des zu vertretenden Unterrichts wurden gerade einmal 1,6 Prozent fachgerecht vertreten und in 1,3 Prozent der Fälle wurden Aufgaben statt Ausfall gegeben. Eine Kategorie, die im Übrigen sehr interessant ist und über die man bei der ministeriellen Erhebung und ihren öffentlichen Statistiken einmal nachdenken sollte. Der Rest: ersatzloser Ausfall bzw. fachfremde Vertretungen laut LSV-Statistik. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass drei Viertel des nicht ordnungsgemäß erteilten Unterrichts nicht im Sinne der Schüler erteilt worden ist.