Protocol of the Session on March 25, 2010

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Ist es nun ein Erdfall oder nicht?)

grundsätzlich kommen Forderungen nur vom Land? Herr Kuschel, passen Sie auf, ich habe gut zugehört. 160.000 Tonnen Beton, wissen Sie, wie viel das ist?

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: 165 Tonnen.)

Ich muss mich wirklich wundern, der Kollege hat es schon gesagt, ist es denn tatsächlich notwendig, alle Fraktionen haben den Antrag gestellt, im Ausschuss sofort informiert zu werden über alles - alle Fraktionen. Wir sind ordentlich informiert worden im Ausschuss. Die Sitzung ist noch nicht zu Ende, das geht weiter. Die Informationen, wenn etwas Neues kommt, werden gegeben. Aber es kann natürlich nicht sein, jetzt machen wir schnell noch einmal einen Extraantrag fürs Plenum, dann suggerieren wir in diesem Antrag, das sind keine unabhängigen Untersuchungen gewesen, sondern es waren ja alle von der KaliIndustrie beeinflusste Untersuchungen. So wird das hier in diesem Antrag suggeriert, in dem Sie auffordern, die Landesregierung soll kaliunabhängige Untersuchungen organisieren. Das ist eigentlich eine Unterstellung der Landesregierung, als wären die letzten Untersuchungen alle im Auftrag der Kali-Industrie abgehandelt worden und in deren Interesse. Ich halte das für unverschämt. Ich sage das so offen, ich halte das für unverschämt. Sie diskreditieren die Leute der Anstalt für Geologie, die da gearbeitet haben.

(Beifall CDU)

Das kann alles nicht wahr sein. Ich bin fassungslos über so einen Antrag. Es tut mir leid, dass ich so etwas sagen muss. So etwas habe ich nicht erwartet, dass so was von Ihnen kommt. Es tut mir leid, da ist die Glaubwürdigkeit gleich null. Also für mich ist das ein eindeutiger Schaufensterantrag. Nach dem Letzten, was ich jetzt gehört habe, ist es mir richtig deutlich geworden, dass das so ist. Sie können doch nicht im Ernst, und es ist nachgewiesen, sagen, das ist die Kali-Industrie, die schuld ist. Wir haben in Nordhausen jetzt gerade einen Erdfall gehabt, einen Kilometer weiter ist die Gipsindustrie. Jetzt hätte nur noch gefehlt, es kommt einer, stellt einen Antrag, der Erdfall ist entstanden, weil dort Gips abgebaut wird. Das würde mich ja nicht wundern. Also was soll dieser Unsinn? Es tut mir leid, dass ich das so sagen muss. Der Minister hat jetzt noch einmal richtig informiert über die Zukunft und es wird weiter informiert. Es sind Gelder eingestellt im Haushalt, dass weitere Untersuchungen gemacht werden. Die Frau Ministerpräsidentin ist da gewesen und hat das, was sie machen konnte, die 10.000 € zugesagt. Ich weiß, dass es die Zusagen gibt, über das Förderprogramm Hilfestellung zu geben. Alles, was gemacht werden kann, was möglich ist, wird in diesem Falle für diese Menschen getan. Jetzt sich hier hinzustellen, wie in einer Trauerrede zu sagen, ach die armen Menschen - das

können wir hier nicht beeinflussen, tut mir leid -, Sie benutzen die Leute. Das ist eigentlich nicht fair, das haben sie nicht verdient für das, was ihnen zugestoßen ist.

(Beifall CDU, SPD)

Wir können diesen Antrag als Schaufensterantrag wirklich nur ablehnen. Ich bin stinksauer, dass solche Anträge hier überhaupt herkommen.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Danke schön. Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Meyer von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, als jemand, der erst sehr kurz für den Wahlkreis Mitverantwortung trägt, will ich versuchen weniger erregt über das Thema zu sprechen und vielleicht doch genauso emotional angebunden wie einige hier in diesem Raum, weil ich glaube schon nachempfinden zu können, was in Tiefenort nicht nur den fünf Familien gerade im Kopf herumgeht. Das ist eine Sache, die man sich, glaube ich, vergegenwärtigen kann, da muss man nicht tiefe Löcher ansehen, da reicht es tatsächlich aus, Gefühl und Empathie zu entwickeln, und das kann ich, glaube ich, in diesem Bereich.

Meiner Ansicht nach sind es drei Aspekte, über die wir diskutieren. Der erste Aspekt, über den noch gerade erbittert gestritten wird, ist die Frage, sind es Bergbaufolgeschäden oder nicht. Da ist das Land selbstverständlich in der Pflicht, jede Art von Untersuchung durchführen zu lassen oder durchzuführen, die diese Frage aufklären kann. Das ist gar kein Thema, darüber müssen wir auch nicht weiter reden. Wenn Sie das nicht tun, handeln Sie fahrlässig. Das ist das Erste. Da habe ich aber bislang, ich persönlich, nicht so viele Anhaltspunkte gehört, dass man das unterstellen kann, dass das bisher nicht passiert ist und dass es nicht auch weiterhin passiert. Aber da bin ganz bei der antragstellenden Fraktion, und wenn das in Kritik geraten wird, dann haben Sie unsere volle Unterstützung. Allerdings dann zu fordern, dass das Land in die Versicherung eintritt, ich bin jetzt hier nicht der Volljurist, der dieses Thema beurteilen kann, aber Sie haben ja zwei mögliche Schadensbeteiligungen des Landes: Das Land als potenzieller Rechtsnachfolger der damaligen Kali-Industrie von vor 20 Jahren, denn ich glaube nicht, dass Kali + Salz in diese Rechtsnachfolge eingetreten sein dürfte, das halte ich für fast ausgeschlossen, dann reden Sie

sozusagen mit dem Verursacher. Denn das Land tritt ein für den VEB, keine Ahnung, wie das Ding mal geheißen hat, aber es wird ja wohl einmal ein Kali VEB gewesen sein. Und Sie haben auch noch unterstellt, dass möglicherweise die Betonplombe, die auf Veranlassung des Landes eingebracht worden ist, schadenverursachend oder -verstärkend oder wie auch immer gewesen sein kann. Auch dann würden Sie also annehmen, dass der Verursacher des potenziellen Schadens jetzt mit den Versicherungen darüber streitet, ob er der Verursacher gewesen ist, für die Geschädigten wohlgemerkt. Ob das funktioniert und zu welchem Ergebnis das finanziell für das Land führt, möchte ich dann bitte dem Justizminister überlassen. Dieser Frage widme ich mich nicht. Ich halte es aber nicht unbedingt für prozessleitend und für prozessgewinnend in diesem Fall. Ich würde es besser finden, wenn die Elementarschädenversicherung schlicht und ergreifend einmal zahlen würde in dem Bereich.

Zum Zweiten: Ich denke bei aller Empathie für die Betroffenen in diesem konkreten Fall sind wir uns doch darüber einig, dass, wenn wir jetzt nicht alle Schuld auf den Landrat abwälzen, der nicht in der Lage war, einen Katastrophenalarm auszulösen bei einer Sache, die immer noch das Problem hat, dass die Häuser - ironisch, zynisch genannt, wie Sie wollen - noch stehen. Wenn man diesen Fehler nicht als den zentralen Fehler ansieht, dann haben wir doch entsprechend andere Probleme zu vergegenwärtigen, die in Thüringen auch passieren können. Es kann morgen einen Erdrutsch irgendwo im Thüringer Wald geben, der dafür sorgt, dass gar keine Menschen zu Schaden kommen, aber fünf Grundstücke nicht mehr nutzbar sind oder zehn Häuser. Ein Felsbrocken fällt direkt neben ein Haus, das ist vor zwei oder drei Wochen in einem anderen Bereich in Deutschland passiert. Überschwemmung als ein plötzliches Ereignis, ohne dass Katastrophenalarm ausgelöst werden kann, weil das gar nicht absehbar ist. Das heißt, das Thema beispielwirkendes Handeln des Landes in diesem Fall ist abzuwägen gegen die Frage, was passiert in anderen Situationen. Das ist meiner Ansicht nach nicht so ohne Weiteres vom Tisch zu wischen. Wenn ich dann in Ihren Antrag sehe, muss ich leider auch bemerken, natürlich kann das Land nicht in Haftung treten, warum soll das Land das in diesem Fall dann tun? Wo ist da die Beispielwirkung für ähnlich gelagerte Fälle? Das kann für das Land eine unabsehbare Folge haben. Wenn ein Landrat vergisst, den Katastrophenalarm auszulösen bei einem Erdrutsch oder einer Überschwemmung, dann soll also demnächst an der Unstrut, was jeder Mensch und jeder Gott verhüten möge, oder in einem Tal im Thüringer Wald auf einmal dann das Land eintreten. Nein, das kann nicht sein. Das kann aus rechtsstrukturellen Gründen nicht sein. Bei allem Leid, was die Betroffenen dort zu vergegenwärtigen haben.

Noch einmal, wenn sie im Punkt 3 fordern, dass von der Kali-Industrie unabhängige Untersuchungen zu führen sind, die das Land in Auftrag gibt - das Land ist potenzieller Verursacher. Wenn Sie der Kali-Industrie nicht glauben, dürfen Sie dem Land auch nicht glauben. Die sind dann mindestens genauso interessengeleitet wie die Industrie selbst. Wenn ich hier als Finanzminister das Sagen hätte für das Thema, wie gehe ich mit meinem Geld um, würde ich mir überlegen, wie ich diese Art von Untersuchung dann mache, wenn ich Ihre Unterstellungen glaube. Das tue ich aber nicht. Ich glaube dieser Unterstellung nicht.

Zum Dritten: Trotz alledem bleibt es dabei, wir müssen was für die Menschen dort vor Ort tun. In den Ohren aller Beteiligten dort muss es zynisch klingen, wenn man darauf hinweist, dass die Häuser nach dem Ereignis schlagartig - im Wortsinn - keinen Wert mehr haben. Das ist so, die haben es nicht. Kein Mensch wird diese Häuser mehr kaufen, das ist eine Tatsache.

Ich schlage vor zu prüfen, ob das Land nicht der Frage nahetreten kann zu sagen, ob wir nicht die Grundstücke nach dem Bodenrichtwert, der hat sich nämlich nicht geändert bislang, soweit ich weiß, kaufen mit einem Zweck, dem Anlegen eines Geotops. Dann haben wir nichts getan, was wir nicht als Vermögensumschichtung benennen können, wir haben keine Beispielwirkung für andere Fälle gegeben und wir haben trotzdem richtiges Geld in der richtigen Höhe für die Betroffenen zur Verfügung gestellt. Aber, dass es auch ein Teil des sogenannten Lebensrisikos ist, zu wissen, dass man in einem Erdfallgebiet wohnt, da kann ich Ihnen selbst aus Weimar Fälle zeigen, wo schon zu DDR-Zeiten und auch danach hohes Risiko gefahren worden ist, um ganze Milchviehanlagen auf erdfallgefährdetes Gebiet zu setzen und das Risiko hat Gott sei Dank geklappt. Aber wenn dort etwas passiert wäre, wären in diesem Fall 800 Kühe betroffen gewesen, Gott sei Dank keine Menschen. Dieses Risiko wissen viele. Dass es in Tiefenort nicht der Fall gewesen ist, was ich kaum glauben kann, denn da bin ich mal ganz bei unserem Innenminister, er hat völlig recht, das kollektive Gedächtnis in einer Region reicht 300 bis 400 Jahre zurück. Die Tatsache, dass es in diesem Gebiet dort Erdfälle gegeben hat und auch weiter geben wird, ist allen Menschen dort nicht unbekannt. Das ist eines der Probleme dieses Gebiets. Ich weiß genauso gut wie Sie, dass Tiefenort als Wohnstandort nicht gerade gewonnen hat durch das Ereignis. Auch das gehört dann mit zur Ehrlichkeit, die man da sagen muss. Auch das muss man allen Menschen, die dort wohnen, sagen.

Um so wichtiger ist es kurzfristig zu helfen, beispielsweise dafür zu sorgen, dass das Gelände dann auch vom Staat übernommen wird, entsprechend

dann auch gesichert werden kann und ansonsten wir einfach feststellen müssen, dass nicht alles der Staat regeln kann, so leid es uns tut. Danke.

Vielen herzlichen Dank. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Hitzing von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen, werte Kollegen, Karstlandschaften im Kyffhäuserkreis, Schiefergebirgsrand zwischen Saalfeld und Gera, Umrandung des Kalibergbaus im Südwesten des Freistaats, das sind alles Gebiete, in denen Erdfälle vorkommen und das nicht seit heute. Wir haben dazu heute und jetzt schon sehr viel gehört. In den letzten Wochen - der Herr Minister hat es angesprochen - gab es verschiedene Erdfälle nicht nur in Tiefenort, sondern auch im Bereich Bad Frankenhausen auf einem Acker. Da ist die Erde plötzlich versunken, so will ich es mal sagen, natürlich auch der Erdfall in Nordhausen, der so groß war, dass ein kompletter Unimog Schieve LKW darin versunken ist. Die Entstehung dieser Erdfälle wurde auch schon erläutert. Wasser dringt in Erdschichten ein, die sich auflösen und das oft in salzhaltigen Schichten, Kalkgesteine, Gipsgesteine, und es kommt durch die Last der Oberfläche zu diesen Einbrüchen. Das ist auch im Nordthüringer Bereich sehr wohl bekannt und damit leben die Menschen auch. Sie müssen damit leben und sie wissen das. In diesem Jahr gab es allerdings schon überdurchschnittlich viele Erdfälle. Nach dem Geologen Herrn Wunderlich von der Landesanstalt für Umwelt und Geologie ist das möglicherweise auch auf die Masse der Schmelzwässer zurückzuführen, die wir in diesem Jahr haben.

Wir haben auch gehört, dass die Entschädigung, also diese Soforthilfe von 10.000 € nun angelaufen ist für die betroffenen Bürger. Das ist eine wunderbare Sache und sicherlich verstehe ich Sie auch, Frau Wolf, diese 10.000 € machen die Leute nicht wirklich glücklich und es bringt sie auch nicht sehr viel weiter, aber es ist eine Soforthilfe. Man muss sich leider auch die Frage stellen: Was können die Eigentümer selber dafür tun, um sich abzusichern? Wir haben auch das schon gehört. Man versichert sich, man hat Elementarschadenversicherung. Man muss sicherlich auch schon vorher, wenn man dort baut, Baugenehmigungen vom Bauordnungsamt einholen und dort wird auch die Baugrunduntersuchung wichtiger sein als in anderen Gegenden. All das sind Maßnahmen, die man als Eigentümer selber machen kann, natürlich nicht, wenn das Haus 100 Jahre alt ist, das weiß ich auch. Da kommt nun schon wieder dieses Generationengedächtnis. Da spreche ich jetzt einfach mal für Nordthüringen, das ist dort auch so,

wir wissen das, die Leute, die in Nordthüringen an diesen Stellen wohnen und wissen auch, dass es bestimmte Gefahren gibt. Der Landkreis Nordhausen als Eigentümer dieser Immobilie, wo der halbe Hof weggerutscht ist, die haben das auch gewusst. Nun ist es eben passiert. Die Frage ist: Wie gehen wir zukünftig damit um? Kann man einen Maßnahmeplan erarbeiten oder so eine Art Checkliste, wie man betroffenen Bürgern hilft? Wir müssen uns wirklich ernsthaft die Frage stellen: Kann das Land immer in Soforthilfeleistungen treten und die Leute entschädigen? Ich glaube, da werden wir auch finanziell für den Freistaat an eine Stelle kommen, wo das einfach nicht weitergeht, weil es viele Ereignisse geben kann, die in dieser Art und Weise eintreten und Bürger in irgendeiner Form in Mitleidenschaft ziehen - sei es denn mit ihren Immobilien oder ihren Grundstücken, Gärten etc. Danke.

(Beifall FDP)

Vielen herzlichen Dank, Frau Hitzing. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Tilo Kummer von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, falls es Ihnen nicht aufgefallen sein sollte, hat unsere Fraktion zu den anderen Erdfällen, die es in der letzten Zeit in Thüringen gegeben hat, keinen Antrag gestellt. Das hat einen klaren Grund, nämlich dass wir zum Beispiel im Raum Nordhausen nicht zu verzeichnen hatten, dass die Gipsindustrie Abwässer im Untergrund versenkt hatte. In diesen Fällen, wo es sich um natürliche Erdfälle handelt, zahlt die Versicherung. Hier haben uns die Versicherungsvertreter klar gesagt, dass sie nicht zahlen werden, und dementsprechend muss man das zur Kenntnis nehmen. Wir haben, Herr Weber, einen Sündenfall zu verzeichnen. Dieser Sündenfall ist der Kalialtlastenvertrag. Dieser Kalialtlastenvertrag erklärt Thüringen zu dem Haftenden in solchen Fällen, in den Fällen, wo wir es mit Altbergbauschäden zu tun haben. Nach all dem, was ich bisher in der Altlastenregulierung in Thüringen erlebt habe, gilt das komischerweise auch bei Altlasten, die nicht nur zu DDR-Zeiten entstanden sind, sondern auch zu Zeiten vorher. Deshalb haben wir uns hier mit dem Antrag klar dafür ausgesprochen, dass das Land in Haftung gehen muss.

Ich will Ihnen die Frage Bergbauzusammenhang näher erläutern. Da sage ich ganz ehrlich, dass ich enttäuscht bin darüber, dass sich das Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz und der Minister offensichtlich so wenig mit der Frage beschäftigt haben, obwohl wir ihm in der Begründung

unseres Antrags Anhaltspunkte dafür gaben. Diese Anhaltspunkte und die offensichtlich starre Haltung der Landesregierung, dass sie bei dem rein natürlichen Ereignis bleibt, sind für uns Anlass für diesen Antrag heute gewesen.

Meine Damen und Herren, natürlich ist es so, dass wir in dieser Region durch natürliche Lösungsprozesse Brüche in den Gesteinen hatten. Das streitet auch niemand ab. Herr Minister, Sie haben recht, wenn Sie sagen, dass direkt unter Tiefenort kein Abbau von Kalisalz erfolgte. Das stimmt. Aber wir haben direkt unter Tiefenort Einträge von Kalilauge und Einträge von Süßwasser durch die Kali-Industrie gehabt. Zwei Kilometer sind keine Entfernung. Sie haben selber vorhin davon gesprochen, dass bei der Abteufung, wie es in der Leimbacher Chronik steht, von Kalischächten Süßwasser in den Untergrund gelangt ist, und das von mehreren hundert Kubikmetern. Wie viel genau weiß man nicht, aber es müssen größere Mengen gewesen sein, die man erst nach Jahren in den Griff bekommen hat. Dieses Süßwasser hat eine gewaltige Lösungsfähigkeit, was Salze angeht. Wenn Sie sich die Konzentrationen in Endlaugen mal ansehen, dann sind da in 100 Kubikmetern Endlauge viele Kubikmeter Salz. Wenn ein solches Süßwasser auf das Salz in diesem Salzhang trifft, führt es dort logischerweise zu Lösungsvorgängen und wir haben es dann anschließend mit Ereignissen zu tun, die auch zu einem Erdfall führen können.

Meine Damen und Herren, Versenkungen in Tiefenort und Umgebung gibt es bereits seit 1925 im Plattendolomit und das nicht nur von Endlaugen, auch von Kieseritwaschwässern, die nicht gesättigt sind. Der Plattendolomit - vielleicht noch einmal zur Erinnerung - ist dieses poröse Gestein, das angeblich nach oben und unten dicht ist und in das man Abwässer entsprechend entsorgt von der Kali-Industrie, weil es ein langzeitsicherer Verwahrungsort wäre. Diese Salzabwässer sollen dann weder nach oben noch nach unten gelangen können. Wir wissen aber nicht erst seit Gerstungen, dass diese Annahme falsch ist. Tiefenort liegt in einer Störungszone. Durch natürliche Auslaugungen des Salzgesteins brachen hier die Deckschichten herab - schon vor Millionen Jahren. Der Plattendolomit ist nicht mehr dicht, die Gesteine sind locker geschüttet und die Kaliabwässer verteilten sich in der Vergangenheit hier unkontrolliert. Dazu gibt es ein Zitat von Prof. Deubel, Jena 1954:

(Heiterkeit SPD)

Ja, 1954 - da hat die Kali-Industrie der DDR dort noch versenkt und da hat man diese Erfahrungen schon gewonnen. Vielleicht sollten Sie sich das mal anhören, denn diese Erfahrungen von damals sind heute noch aktuell. „Ein sehr deutlicher Zufluss von Kaiseroda versenkter Kaliendlauge hat sich seit dem Jahre

1935 in dem Wiesengelände von Tiefenort und später auch im Ortsbereich von Tiefenort bemerkbar gemacht. Das von Kaliendlaugenaufstieg betroffene Gebiet bildet eine große Auslaugungssenke von nahezu kreisrunder Gestalt mit einem Durchmesser von 1,5 km. Im Bereich dieser Auslaugungssenke ist der Plattendolomit über dem ausgelaugten Steinsalz nachgebrochen und außerordentlich klüftig. Ebenso ist das Deckgebirge durch Einsturzvorgänge weitgehend aufgelockert und dadurch in hohem Grade wasserdurchlässig.“ Das Ergebnis war und ist, dass seit 1943 bis heute das Grundwasser im Bereich der Tiefenorter Auslaugungszone mit Pumpen künstlich abgesenkt werden muss. Dies, damit Keller und Wiesen nicht permanent mit salzhaltiger Brühe volllaufen.

Ein weiteres Zitat von diesem Professor, bei dem die Mengen mal klargemacht werden, von denen wir hier reden: „Im Jahre 1951 wurden durch den Pumpbetrieb in Tiefenort rund 1,9 Mio. m³ salziges Grundwasser der Werra zugeführt, wobei in der gleichen Zeit rund 4 Mio. m³ Kaliabwässer in den Schluckbrunnen von Kaiseroda“ - also über die Versenkbohrung Merkers I - „versenkt wurden. Der Wiederaufstieg von Salzwässern hat demnach bei Tiefenort bereits erhebliche Ausmaße angenommen, wobei insbesondere das Zunehmen des Salzgehalts der abgepumpten Wässer von ausschlaggebender Bedeutung ist.“ Das heißt, wir haben hier unterirdisch im Bereich 200 bis 250 m Tiefe, wo der Versenkbrunnen endet, eine Wasserströmung erzeugt von mehr oder weniger gesättigten Wässern. Komischerweise ist der Erdfall genau in der gleichen Tiefe, meine Damen und Herren. Ein Herr Kaeding wies 1955 auf Basis von 12 Probenahmen in einer Quelle im Raum Tiefenort Magnesiumsgehaltsanstiege von ursprünglich unter 1 g/l auf über 2 g/l in Zusammenhang mit der Laugenversenkung nach. Um daraus resultierende Schädigungen landwirtschaftlicher Flächen zu reduzieren, wird das Grundwasser seitdem abgesenkt. 2 Mio. m³ pro Jahr werden dazu gefördert - 2 Mio. m³ pro Jahr werden aus dieser Auslaugungssenke noch heute gefördert. Versalzene Wiesen und unterspülte Keller wurden in Tiefenort jahrzehntelang in Kauf genommen. Kein anderer Ort wies damals so viele Austrittsstellen von Kaliabwässern nach wie die Region, die Auslaugungssenke zwischen Tiefenort und Kieselbach. Nach der 1961 eingestellten Versenkung hält Hoppe 1962 Folgendes fest, auch das möchte ich zitieren: „Die ersten Versenkbrunnen wurden nun nicht mit Rücksicht auf die geologischen Strukturen angesetzt, sondern verständlicherweise in der Nähe der Werke. Dabei zeigte sich eine später wiederholt bestätigte Erkenntnis, dass die Auslaugungssenken nicht zur Einleitung von Laugen geeignet sind. Es war gewiss nicht zu Unrecht angenommen worden, dass in den verbrochenen Gebirgsschichten gute Aufnahmemöglichkeiten bestehen. Das mag für kleine Mengen gelten, nicht aber für derartige Mengen wie heute.“

Meine Damen und Herren, die hessische Landesanstalt für Umwelt und Geologie hat am 26.01. am Runden Tisch dazu Folgendes gesagt: Die Salzabwasserversenkung darf nicht im tektonischen oder durch Subrosion stark aufgelockerten Gesteinsbereichen erfolgen. Klare Ansage. Wir haben also hier in einer wirklich schwierigen geologischen Situation jahrzehntelang Umweltfrevel durchgeführt, und das wirkt sich heute aus. Das führt dazu, dass sich Prozesse beschleunigen. Natürlich haben wir es mit natürlichen Vorgängen zu tun, aber sie sind beschleunigt worden durch menschliches Handeln, durch menschliche Fehler.

Für Tiefenort zeigten 1966 spätere TLUG-Mitarbeiter, Herr Grumbt und Herr Lützner, dass die Verwerfung dazu führt, dass geologische Formationen um mehr als 50 m verrutschen. Entsprechend durchlässig sind sie für die dort eingebrachten Abwässer. Früher war man sogar froh, dass man mit wenig Druck die Kaliabwässer versenken konnte. Es ist klar, wenn der Untergrund verbrochen ist, dann kann ich das dort hineinschütten und es läuft prima weg. Man hat gedacht, es läuft woanders weg und nicht in diese Auslaugungssenke von Tiefenort, hat sich dann aber sehr bald eines Besseren belehren lassen.

Herr Kummer, gestatten Sie eine Nachfrage der Abgeordneten Marx?

Ja, bitte.

Herr Kollege Kummer, ist Ihnen eigentlich klar, dass Sie mit Ihren Ausführungen eben der Elementarschadensversicherung die beste Argumentationsgrundlage dafür liefern, weiter nicht in ihre Haftung einzutreten?

(Beifall CDU, SPD)

Frau Marx, die Versicherungen haben schon abgelehnt, in Haftung zu treten.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Er hat zitiert.)

Das ist das Problem. Wenn wir hier wirklich eine Verantwortung des Kalibergbaus haben, dann muss das Land in Haftung treten. Dazu muss man sich bekennen.

(Beifall DIE LINKE)

Wir können doch nicht sagen, wenn die Versicherungen nicht haften, wollen wir hier nicht noch Material für die Versicherungen liefern. Wir müssen unsere Verantwortung zur Kenntnis nehmen.

Herr Kummer, gestatten Sie eine weitere Nachfrage der Abgeordneten Marx?

Bitte.

Halten Sie es für verantwortbar, dass Sie, ohne Ihre These wirklich beweisen zu können, jetzt schon sagen hier im Landtag öffentlich, dass die Elementarschadensversicherung keinen Rechtsgrund zu einer Haftung hat?

Frau Marx, ich habe gesagt, dass die Versicherungen - wir haben mit Versicherungsvertretern gesprochen - uns bisher deutlich gemacht haben, sie lehnen die Haftung ab. Sie lehnen es ab zu zahlen, weil sie hier kein rein natürliches Ereignis sehen.