Protocol of the Session on February 26, 2014

Als Erstes hat sich Herr Minister Geibert zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Minister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, wie Sie wissen, läuft derzeit zu den Ereignissen in Ballstädt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Landfriedensbruch, Raub und gefährlicher Körperverletzung. Insofern ist es mir aus

(Abg. Siegesmund)

rechtlichen und tatsächlichen Gründen gegenwärtig nicht möglich, Ihnen ein allumfassendes Gesamtbild zu den Ereignissen zu geben. Ich bitte Sie zu berücksichtigen, dass die Ermittlungen, die seit dem 9. Februar 2014 laufen, noch nicht abgeschlossen sind.

Bei dem überfallartigen Angriff auf die Kirmesgesellschaft in Ballstädt in der Nacht vom 8. zum 9. Februar wurden insgesamt 10 Teilnehmer der Veranstaltung verletzt. Die Verletzten wurden im Helios Klinikum Gotha versorgt. Zwei Personen wurden dort stationär aufgenommen; eine Person mit einer Schnittverletzung am Ohr und eine Person mit starken Blutungen im Gesicht. Die ambulant versorgten Personen haben unter anderem Kopfplatzwunden sowie Schädelhirntraumata erlitten. Ein Geschädigter trug eine Nasenbeinfraktur und ein weiterer Geschädigter eine Schnittwunde an der Hand davon. Ich hoffe, dass die verletzten Personen sich auf dem Weg der Besserung befinden.

(Beifall im Hause)

Aber solche Taten verletzen die Opfer nicht nur in körperlicher Hinsicht. Umso wichtiger ist ihre Aufklärung. Der Überfall dauerte nur wenige Minuten an. Danach flüchteten die Täter aus dem Saal und entfernten sich in bisher unbekannte Richtungen. Die Polizei hat unmittelbar nach Bekanntwerden des Sachverhalts die geeigneten und erforderlichen Maßnahmen ergriffen. Die ersten Kräfte der Schutzpolizei trafen ab 2.42 Uhr und somit etwa 10 Minuten nach Kenntniserlangung der Tat mit insgesamt vier Funkstreifenwagen am Ereignisort ein. Der ebenfalls unverzüglich eingesetzte Kriminaldauerdienst der Kriminalpolizeiinspektion Gotha erschien um 3.05 Uhr in Ballstädt. Auch die Rettungskräfte waren zeitnah vor Ort. Die Kriminalpolizeiinspektion Gotha leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch und gefährlicher Körperverletzung ein und führte mit Unterstützung von Einsatzkräften der Landespolizeiinspektion Gotha sowie des Landeskriminalamtes die ersten Ermittlungen durch. Unter anderem wurden die Tatortgruppe des Thüringer LKA sowie Beamte der BAO Zesar einbezogen. Am 10. Februar 2014 übernahm die BAO Zesar den Gesamtvorgang zur abschließenden Bearbeitung; innerhalb der BAO Zesar wurde die Arbeitsgruppe Ballstädt eingerichtet.

Im Rahmen der ersten Ermittlung am 9. Februar 2014 wurden zunächst zwei Tatverdächtige bekannt. Es handelt sich um einen 31-jährigen Tatverdächtigen, zu dem umfangreiche kriminalpolizeiliche Erkenntnisse wegen mehrfachen Landfriedensbruchs, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Verstoßes gegen das Waffengesetz und gefährlicher Körperverletzung vorliegen. Er hat Bezüge zur „Hausgemeinschaft Jonastal“ in Crawinkel. Bei der zweiten tatverdächtigen Person handelt es sich um eine 25 Jahre alte

Frau. Sie hat in der Vergangenheit an mehreren Veranstaltungen der Szene, auch hier mit Bezug zur „Hausgemeinschaft Jonastal“ in Crawinkel, teilgenommen.

Als ich vor zwei Wochen den Innenausschuss über die Vorfälle unterrichtete, sprach ich noch von vier Beschuldigten. Aber durch die mit Nachdruck geführten Ermittlungen kann ich am heutigen Tag bereits festhalten, dass sich das Ermittlungsverfahren zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen zwölf nun namentlich bekannt gemachte und aus Thüringen stammende Personen als Beschuldigte und gegen eine noch unbekannte Person richtet. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass sich die sich schnell abzeichnende Tendenz über die Zugehörigkeit der Täter zum rechten Spektrum bestätigt. Nach bislang vorliegenden Erkenntnissen werden sie überwiegend der sogenannten „Hausgemeinschaft Jonastal“ in Crawinkel bzw. deren Umfeld zugeschrieben. Einige der Beschuldigten sind bereits als rechtsmotivierte Straftäter kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten und auch als gewalttätig bekannt. Darüber hinaus liegen sowohl allgemeinpolizeiliche als auch staatsschutzmäßige Erkenntnisse zu allen Beschuldigten vor.

Wie Sie sicherlich der medialen Berichterstattung entnehmen konnten, führten die Beamten des Landeskriminalamtes unter Beteiligung von Kräften der Bereitschaftspolizei mehrere Durchsuchungsmaßnahmen durch. So wurden sowohl in den Morgenals auch in den Abendstunden des 15. Februars mehrere Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Erfurt thüringenweit umgesetzt und führten zur Auffindung und Sicherstellung von Beweismaterial. Bei den Durchsuchungen wurden zahlreiche Zufallsfunde beschlagnahmt, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits zur Einleitung weiterer neun Strafverfahren führten. Hierbei handelt es sich um Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, das Arzneimittelgesetz, das Sprengstoff- und das Waffengesetz. Resultierend aus den geführten Durchsuchungs- und Ermittlungshandlungen wurden auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Erfurt fünf Personen vorläufig festgenommen. Am 16. Februar 2014, also dem Folgetag der Durchsuchungsmaßnahmen, wurden vier der vorläufig Festgenommenen auf Verfügung der Staatsanwaltschaft Erfurt wieder auf freien Fuß gesetzt. Gegen einen Beschuldigten wurde vom Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Erfurt Haftbefehl erlassen, welcher umgehend vollstreckt wurde.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wie Sie nun gehört haben, laufen die Ermittlungen mit Hochdruck. Darüber hinaus wurden neben den repressiven Maßnahmen auch zügig Maßnahmen der Prävention veranlasst. So führt eine erhöhte Streifenpräsenz der örtlich zuständigen Polizei zur Beruhigung der Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde.

(Minister Geibert)

Daran anknüpfend darf ich Ihnen mitteilen, dass im Rahmen eines Treffens zwischen Vertretern des betroffenen Landkreises und verantwortlichen Beamten der Thüringer Polizei auch der Leiter der Stabsstelle „Polizeiliche Extremismusprävention“ teilnahm. Dieser informierte die anwesenden Gemeindevertreter über die Möglichkeiten der Verhaltensprävention nach dem Überfall, geeignete Verhaltensstrategien und die Bereitschaft zur Unterstützung der Schulsozialarbeit im Umgang mit den Themen Rechtsextremismus und polizeilicher Opferschutz. Denn eines habe ich bereits vor Bekanntwerden des Überfalls in Ballstädt deutlich gemacht: Wir müssen in Thüringen alles daransetzen, von vornherein jede Form extremistischen Handelns zu unterbinden und da, wo es zu Straftaten gekommen ist, diese konsequent zu ahnden.

(Beifall im Hause)

Abschließend möchte ich noch einmal ganz deutlich festhalten, dass die Menschen in unserem Freistaat in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung leben und leben wollen. Rechtsextremisten, die diese unsere Demokratie meinen, infrage stellen zu können, müssen konsequent in ihre Schranken gewiesen werden. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall im Hause)

Danke schön. Für die SPD-Fraktion hat Abgeordneter Heiko Gentzel das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, am 9. Februar 2014 haben 10 bis 15 vermummte Personen den Saal des Kulturhauses in Ballstädt förmlich gestürmt. Sie schlugen dort auf die Mitglieder der Kirmesgesellschaft erbarmungslos ein. Bei diesem Angriff aus der rechtsextremen Szene Thüringens wurden mindestens 10 Teilnehmer der Veranstaltung verletzt, teilweise schwer.

Die Thüringer SPD verurteilt diese Untat auf das Schärfste. Wir stehen fassungslos vor diesem rechtsextremen Gewaltsausbruch. Den Genesungswünschen, durch den Innenminister ausgesprochen, schließen wir uns selbstverständlich an.

(Beifall SPD)

Wir wollen alles dafür tun, dass diese rechtsextreme Gewalttat schnellstmöglich und umfassend aufgeklärt wird und die Täter zeitnah verurteilt werden. Die entsprechenden Gremien des Landtags wurden bisher umfassend und zeitnah informiert. Nach heutiger Kenntnis waren die Kräfte der Schutzpolizei, der KPI Gotha, der LPI Gotha, der LPI Nordhausen, des LKA und der BAO ZESAR schnellstmöglich vor Ort und haben alle erforderlichen Maßnahmen er

griffen. Die Arbeit und die Zusammenarbeit der Dienste funktionierte und funktioniert. Ich sage das deutlich: Das gilt auch im Zusammenhang mit den heutigen Meldungen des MDR. Ich muss mich an dieser Stelle allerdings fragen und das sollten sich die entsprechenden Journalisten auch fragen, ob diese Berichterstattung während eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens so hilfreich ist.

Meine Damen und Herren, ich will es noch einmal deutlich formulieren: Die SPD-Fraktion erwartet, dass der brutale Überfall schnellstmöglich ausermittelt wird, dass zeitnah die Anklage gegen die Täter erhoben wird und dass Recht gesprochen wird. Es ist uns klar, dass die richterliche Unabhängigkeit auch in einem solchen Fall nicht anzutasten ist. Aber der Rechtsstaat muss in solchen Fällen handlungsfähig sein und konsequent nachweisen, dass er handlungsfähig ist.

(Beifall CDU, SPD)

Aufklärung, meine Damen und Herren, erwarten wir im Weiteren über eventuelle Querverbindungen der Schlägertruppe zur Gruppierung „Objekt 21“ in Österreich. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin mir sicher, dass die Menschen in Ballstädt jetzt nicht so sehr dubiose Politikerrunden brauchen und dass sie auch sicherlich kein gesteigertes Interesse an einer politischen Auseinandersetzung hier im Haus haben. Sie wollen, dass aufgeklärt wird und konsequent Recht gesprochen wird. Darauf haben sie nach dem Erlebten nach unserer Auffassung mehr als nur ein Anrecht.

(Beifall CDU, SPD)

Meine Fraktion wird in den zuständigen Gremien, also im Innenausschuss, im Justizausschuss und der PKK auch in den nächsten Wochen dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung setzen, bis diese Problematik abgeschlossen ist. Ich bedanke mich.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke schön. Für die FDP-Fraktion hat Abgeordneter Bergner das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, über die Aktuelle Stunde der SPD-Fraktion bin ich schon ein wenig verwundert. Nicht wegen des Themas, sondern wegen der Art und Weise, wie damit umgegangen wird. Wenn solche Vorkommnisse genutzt werden, um sich zu profilieren, hört mein Verständnis für parteipolitische Spielchen auf, meine Damen und Herren. Die SPD wirft der CDU vor, Wahlkampf mit dem Thema zu betreiben. Gleichzeitig beantragt die SPD aber

(Minister Geibert)

eine Aktuelle Stunde, um die Deutungshoheit zu gewinnen. Und CDU und SPD fangen genau da wieder an, wo sie im Januar mit der Aktuellen Stunde zum Bau der Stadien aufgehört haben.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Das passt ja überhaupt nicht hierher.)

Und das, meine Damen und Herren, hat nichts mehr mit Politik zu tun.

(Beifall FDP)

Das ist ein Trauerspiel und teilweise peinlich, was man hier erleben darf

(Unruhe SPD)

bzw. muss, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Wenn Sie glauben, das bekommen die Wähler nicht mit, haben Sie sich mächtig geirrt. Dazu müssen Sie sich nicht nur die Kommentare zu den Presseberichten durchlesen. Was noch viel schlimmer ist, Sie diskreditieren nicht nur die Politik mit Ihren Spielchen, sondern Sie tragen diese auf dem Rücken von Menschen aus, die Opfer eines rechtsextremen Übergriffs geworden sind und das ist nicht nur schäbig, sondern unterstes Niveau.

(Beifall FDP)

Dass unsere Bürger immer mehr Misstrauen in die Politik entwickeln, kann man bei solchen Aktionen nicht einmal mehr verdenken, meine Damen und Herren. Wenn man es mit Hilfe ehrlich meint, dann muss man nicht vorher zuerst auf den medialen Auftritt schielen und Kontakt mit der Zeitung aufnehmen.

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Ist das Ihr Ernst jetzt?)

Natürlich ist die Anteilnahme bei einem solchen Überfall richtig und wichtig, das ist keine Frage, meine Damen und Herren. Aber auch Politiker sollten dies machen können, ohne gleich an den Pranger gestellt werden zu können. Und auch meine Fraktion war durch den Kollegen Koppe vor Ort vertreten, um mit den Bürgern zu reden, aber er war dort, ohne dass wir es mit der Presse begleitet haben. Genau das ist der Punkt. Wenn jeder Schritt dokumentiert und fotografiert wird und in der Zeitung zu lesen ist, dann erzeugt das aus meiner Sicht schon einen faden Beigeschmack.

(Beifall FDP)

Aber konkret nach Ballstädt. Über die Vorkommnisse in Ballstädt bin ich schockiert und ich bin auch der Überzeugung, dass sich alle hier im Hohen Haus hinter der Forderung nach schneller Aufklärung und gerichtlicher Aburteilung versammeln können. Ich bin froh, dass wir im Innenausschuss hören durften, dass die Polizei schnell vor Ort war und

auch gehandelt hat und den Opfern geholfen hat. Natürlich muss jetzt weiter intensiv gearbeitet werden, damit der feige Übergriff auf die Menschen in Ballstädt schnellstmöglich aufgeklärt wird. Wir können nicht wollen, dass unser schöner Freistaat immer wieder von braunen Idioten in den Dreck gezogen wird.

(Beifall FDP)

Wir Thüringer werden uns nicht in ein fremdenfeindliches und rechtsextremes Licht ziehen lassen, meine Damen und Herren. Thüringen ist ein modernes und weltoffenes Land und das dürfen und werden wir uns auch weiterhin nicht kaputtmachen lassen. Deswegen ist es auch so wichtig, dass diejenigen, deren Aufgabe es ist, nämlich Staatsanwaltschaft und Polizei und nicht irgendwelche profilierungssüchtigen Politiker, den Sachverhalt nun rasch aufklären und die Straftaten mit Nachdruck verfolgen.

(Beifall FDP)