Im November 2013 haben sich CDU und SPD auf ein kommunales Hilfspaket in Höhe von insgesamt 136 Mio. € geeinigt. Die Finanzhilfe ist für die Jahre 2014 und 2015 angelegt und soll ohne Nachtragshaushalt durch ein Leistungsgesetz geregelt werden. Im Gesetzentwurf ist eine Investitionspauschale für Städte und Gemeinden vorgesehen, die mehr als 4 Prozent der Einwohner zwischen den Stichtagen 31. Dezember 2007 und 31. Dezember 2012 verloren haben.
1. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die Verteilung der Investitionspauschale für Städte und Gemeinden nach dem demografischen Kriterium (4 Prozent Abwanderung seit 2007) zweckmäßig ist, um gerade finanzschwache Kommunen zu unterstützen? Falls ja, wie begründet die Landesregierung ihre diesbezügliche Meinung?
2. Falls Frage 1 mit Nein beantwortet wird, hält die Landesregierung andere Kriterien (wie beispiels- weise die Wirtschaftskraft oder die Steuerkraft einer Kommune) für zweckmäßiger, um gerade finanzschwache Kommunen zu unterstützen?
3. Welche Ermittlungen liegen nach Kenntnis der Landesregierung der Festlegung zugrunde, eine Investitionspauschale nur für Städte und Gemeinden auszureichen, wenn diese mehr als vier Prozent der Einwohner zwischen den Stichtagen 31. Dezember 2007 und 31. Dezember 2012 verloren haben?
4. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die Verteilung der Investitionspauschale für Städte und Gemeinden nach dem oben genannten demografischen Kriterium ein rechtlich nicht zu beanstandendes Entscheidungskriterium ist? Falls ja, wie begründet die Landesregierung ihre diesbezügliche Meinung?
Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, im Namen der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Bergner wie folgt:
Zu Frage 1: Die Investitionspauschale hat nicht den Zweck, Unterschiede in der Finanzkraft der Kommunen auszugleichen. Diese Aufgabe ist den Schlüsselzuweisungen des Kommunalen Finanz
ausgleichs zugeordnet, die dies mit einem Ausgleichsgrad von 80 Prozent realisieren. Die Investitionspauschale ist demgegenüber einer gänzlich anderen Zielsetzung zugeordnet. Sie zielt auf eine Unterstützung bei der Bewältigung von Sonderbedarfen, die sich aus einem starken Einwohnerverlust ergeben. Thüringen verliert seit seiner Gründung Einwohner - selbst im vergangenen Jahr, also 23 Jahre nach der Wiedervereinigung, konnte dieser Trend nicht umgekehrt werden -, nicht aufgrund von gestiegenen Abwanderungen, sondern einfach, weil mehr Menschen sterben als in Thüringen geboren werden. Dieser Prozess verläuft jedoch innerhalb Thüringens nicht gleichmäßig, einige Städte haben sogar Bevölkerungszuwächse zu verzeichnen. Kommunen mit Bevölkerungsrückgängen - das haben wir heute Morgen in der Debatte zu dem Fraktionsentwurf intensiv und ausführlich erörtert - haben in der Regel das Problem, dass sie bei bestimmten Infrastruktureinrichtungen, zum Beispiel Abwasseranlagen, Kindertagesstätten, Schulen, Straßen, Sportanlagen, die Ausgaben kurzfristig nicht gleichlaufend mit dem Bevölkerungsrückgang zurückführen können, da die Kosten zumeist auch aus einem relativ hohen fixen Block bestehen. Die Gesamtkosten dieser Infrastruktureinrichtungen je Einwohner steigen bei einem Bevölkerungsverlust gar mit an. Der Fixkostenblock bzw. die Remanenzkosten können teilweise nur durch gezielte Investitionen in Sanierung oder erhöhte Energieeffizienz verringert werden. Die Gesamtkosten je Einwohner einer Gemeinde müssen auch bei einer Verringerung der Bevölkerungszahlen für die verbleibenden Einwohner finanzierbar bleiben. Aus diesem Grund sind diese zusätzlichen finanziellen Hilfen schwerpunktmäßig für Investitionen gedacht, um dieses Ziel, die Anpassung der Infrastruktureinrichtungen, zu unterstützen.
Zu Frage 2: Im Rahmen des Schlüsselzuweisungssystems werden, wie schon erwähnt, Unterschiede in der Steuerkraft der Gemeinden bereits angemessen ausgeglichen. Einer ergänzenden Angleichung der Einnahmekraft bedarf es nach Auffassung der Landesregierung daher nicht.
Zu Frage 3: Bezüglich der konkreten Grenze von 4 Prozent Bevölkerungsverlust weise ich zunächst auf den Gestaltungs- und Ermessensspielraum des Gesetzgebers hin. Hierbei ist aus meiner Sicht zu bedenken, dass Sinn und Zweck der Investitionspauschale eine Stärkung der Investitionskraft bei Kommunen mit starken Bevölkerungsverlusten ist. Somit soll nicht jede Gemeinde und kreisfreie Stadt von diesen zusätzlichen Mitteln profitieren, sondern diejenigen, die sie besonders benötigen. Bei der Ausfüllung des Begriffs „starker Bevölkerungsverlust“ wurde mit dem Mindestbevölkerungsrückgang von 4 Prozent ein Maß gewählt, das knapp unterhalb des landesdurchschnittlichen Bevölkerungsverlustes von 5,19 Prozent liegt und damit neben
den Gemeinden mit überdurchschnittlichen Bevölkerungsverlusten auch noch ca. weitere 80 Gemeinden erfasst, deren Bevölkerungsverlust zwar unter dem Landesdurchschnitt in Thüringen liegt, die aber ebenfalls noch deutliche Verluste zu verkraften haben. Eine fühlbare Pro-Kopf-Belastung von Infrastruktureinrichtungen ergibt sich nun mal nur bei maßgeblichen Bevölkerungsverlusten.
Zu Frage 4: Die Landesregierung hat keine Veranlassung, an der Rechtmäßigkeit des Gesetzentwurfs zu zweifeln. Zur Begründung verweise ich auf meine Antworten zu den Fragen.
Nachfragen sehe ich nicht. Danke, Herr Staatssekretär. Die nächste Mündliche Anfrage stellt Abgeordneter Koppe von der Fraktion der FDP in der Drucksache 5/7190.
Schwerbehinderte haben vom Aufschwung am Arbeitsmarkt in Thüringen nicht profitiert - gescheiterte Programme der Landesregierung?
Laut Pressemeldung der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit aus dem Dezember 2013 haben trotz einer in den letzten zehn Jahren deutlich gesunkenen Gesamtarbeitslosigkeit in Sachsen-Anhalt und Thüringen Schwerbehinderte nicht von den verbesserten Arbeitsmarktbedingungen profitiert. Im Gegenteil: In Thüringen stieg die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe im gleichen Zeitraum sogar um 13 Prozent an.
1. Welche Programme und Leistungen können Schwerbehinderte in Thüringen zur Unterstützung und Förderung der Integration in den Arbeitsmarkt erhalten?
2. Welchen finanziellen Umfang hatten die unter Frage 1 genannten Programme in den Jahren 2003 bis Ende 2013 (bitte nach Jahresscheiben und zwi- schen Bundes-, Landes- und EU-Mitteln getrennt aufschlüsseln)?
3. Welche Gründe gibt es, dass diese Gruppe - obwohl rund 79 Prozent über einen Berufsabschluss verfügen - nicht ausreichend in den Thüringer Arbeitsmarkt zu integrieren ist?
4. Plant die Landesregierung - ob des Anstiegs der Arbeitslosenquote bei den Schwerbehinderten - eine Überprüfung der bisherigen Fördermaßnahmen und -projekte? Wenn ja, bis wann? Wenn nein, warum nicht?
Für die Landesregierung antwortet der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie. Herr Höhn, bitte.
Herr Präsident, ich beantworte die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Koppe für die Thüringer Landesregierung wie folgt:
Frage 1: Die Integration arbeitsloser Schwerbehinderter kann in Thüringen sowohl durch die Bundesagentur für Arbeit als auch durch Programme des Freistaats Thüringen gefördert werden. Seitens der Bundesagentur und den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II - bestehen nach den gesetzlichen Regelungen des SGB III die im Folgenden aufgeführten besonderen Fördermöglichkeiten zur Integration schwerbehinderter Menschen in den ersten Arbeitsmarkt:
2. Eingliederungszuschuss für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen nach § 90 Abs. 2 SGB III,
Für die Gewährung dieser Leistungen werden jeweils die individuellen Fördervoraussetzungen geprüft. Im Freistaat Thüringen gehören schwerbehinderte Arbeitslose zu den besonders förderwürdigen Zielgruppen. Besondere arbeitsmarktpolitische Förderprogramme wären da die Richtlinie zur beruflichen und sozialen Integration und die Richtlinie über die Gewährung von Lohnkostenzuschüssen. Weiterhin können Schwerbehinderte in Thüringen Unterstützung aus dem Programm „Initiative Inklusion“ des BMAS und der Arbeits- und Sozialministerien der Länder erhalten. Gegenstand dieser Förderung ist die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dabei gibt es drei Handlungsfelder:
Frage 2: In der Kürze der Zeit können seitens der Bundesagentur für Arbeit für die Leistungen nach SGB III und des TMSFG für das Programm „Initiati
ve Inklusion“ die Daten leider nicht in der gefragten Detaillierung und Systematik ausgewertet und zur Verfügung gestellt werden. Für die ESF-kofinanzierten Förderprogramme sind die Daten zu Anzahl und Anteil geförderter Menschen mit Behinderung in der vierten Periode des ESF verfügbar. Hier liegt mir eine Tabelle vor, die ich Ihnen im Anschluss auf dem üblichen Geschäftsordnungsweg zukommen lasse. Die Summe der eingesetzten Fördermittel bezogen auf die jeweils geförderten Behinderten im Rahmen dieser Förderprogramme, die eine größere Breite von Zielgruppen abdecken, wird aber nicht ausgewiesen, zumal sie auch aufgrund der unterschiedlichen Struktur der geförderten Maßnahmen nur bedingt aussagekräftig wäre.
Frage 3: Schwerbehinderte Menschen profitieren leider noch nicht in gleichem Maße wie nicht behinderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der relativ guten Arbeitsmarktlage und vom zunehmenden Fachkräftebedarf. Die Vermittlung schwerbehinderter Menschen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wird häufig durch Vorbehalte der Unternehmen erschwert, dass behinderte Menschen eine geringere Leistungsfähigkeit hätten sowie häufigere Arbeitszeitunfähigkeitszeiten infolge der Behinderung aufweisen würden. Weiterhin besteht die Befürchtung, dass aufgrund bestehender Schutzvorschriften für schwerbehinderte Arbeitnehmer eine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses nicht oder nur erschert möglich ist. Auch wenn ich die bestehenden Befürchtungen persönlich nicht teile und sie auch nicht der Realität entsprechen, so ist doch eine umfangreiche Informations- und Überzeugungsarbeit nötig, um die Bereitschaft der Unternehmen zu erhöhen, mehr Menschen mit Behinderung eine Chance zu geben.
Frage 4: In der jetzt anlaufenden neuen fünften Förderperiode des ESF sind weiterentwickelte arbeitsmarktpolitische Programme, orientiert an den aktuellen Entwicklungen am Arbeitsmarkt, geplant, jedoch befinden sich die Vorhaben noch im Abstimmungsprozess mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern. Wir gehen davon aus, dass die Arbeitsmarktintegration von behinderten Menschen auch weiterhin aus den Förderprogrammen in der Arbeitsmarktpolitik unterstützt werden kann. Mit den Trägern von Maßnahmen werden wir das Gespräch suchen, damit auch gezieltere Maßnahmen zur Unterstützung behinderter Menschen konzipiert und zur Förderung eingereicht werden. Sowohl im Landesbeirat für Arbeitsmarktpolitik als auch in festen Abstimmungsrunden mit der Regionaldirektion der BA sind wir im laufenden Gespräch zu den Förderschwerpunkten. Die Initiative Inklusion wird insgesamt gut angenommen. Hier handelt es sich um ein Programm der Länder mit dem Bundesministerium. Eine Überprüfung ist daher derzeit nicht geplant.
Wenn ich darf, auch zwei, Herr Präsident. Erst einmal vielen Dank, Herr Minister, für die auch jetzt wieder ausführliche Beantwortung der Fragen. Zwei Nachfragen: Zur zweiten Frage, Sie hatten als Erstes ausgeführt, dass Sie aufgrund der Kürze des Zeitraums zu den Mitteln aus Bund und Ländern keine Ausführungen machen können, auch weil die Daten von der Bundesarbeitsagentur nicht in der Kürze der Zeit zu beschaffen wären. Können Sie das bitte ähnlich wie bei ESF nachreichen über den üblichen Dienstweg?
Frage 2 bezieht sich auf meine dritte Frage: Wären Sie persönlich auch dafür, die Arbeitsmarktzugänge zu flexibilisieren? Sie haben als Grund für die vielleicht nicht entsprechende Integration von behinderten Menschen in den Arbeitsmarkt relativ starre Vorgaben als Begründung genannt und deswegen würde mich interessieren: Sind Sie auch für eine stärkere Flexibilisierung, damit man Menschen mit Behinderung besser in den Arbeitsmarkt integrieren kann?
Zur letzten Frage: Das muss man sehr genau diskutieren mit der Flexibilisierung. Sie wissen selbst, dass die Einsatzmöglichkeiten schwerbehinderter Menschen durchaus gewissen Einschränkungen unterliegen. Das muss man mit den Wirtschaftsund Sozialpartnern besprechen. Das wäre ein Thema, das wir uns für die neue Förderperiode sozusagen mit auf die Agenda schreiben.
Zu Ihrer ersten Frage: Sobald uns die Daten zur Verfügung stehen und aufgearbeitet sind, würde ich Ihnen diese zur Verfügung stellen.
Herr Minister, ich habe eine Nachfrage in dem ganzen Kontext, also nicht nur zu diesem Förderprogramm, sondern zu den Integrationsfachdiensten. Inwieweit ist deren Existenz in Thüringen gesichert und inwieweit sind die auch in diese Programme eingebunden?
Soweit mir bekannt, und da bitte ich um Dispens auch mit Hinweis auf die kürzlich erst erfolgte Amts
übernahme, aber soweit mir bekannt, gibt es keine Bestrebungen, die Fachdienste einzuschränken oder abzuschaffen oder wie auch immer.
Weitere Nachfragen sehe ich nicht. Danke, Herr Minister. Damit sind auch die 60 Minuten, die nach Geschäftsordnung für die Fragestunde vorgesehen sind, um und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.