Protocol of the Session on November 22, 2013

gibt, die - so schreiben Sie in Ihrem Antrag - unter der Eisbergspitze der Pensionsaffären angesiedelt sein sollen. Sie haben dann in Ihrem Antrag, der ja schon vom September stammte, Verzögerungen beim Zustandekommen des letzten Doppelhaushalts als ersten vermeintlichen Unfähigkeitsausweis aufgezählt und dann kommen weitere Beispiele für, wie ich meine, wie wir meinen, normales koalitionäres Ringen. Jetzt wechselt der eine oder andere auch schon mal in den Vorwahlkampfmodus. Ja, die 136-Mio.-Story der CDU, die finden wir auch nicht toll,

(Zwischenruf Abg. Schubert, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Nicht so toll!)

aber eines kann ich Ihnen sagen: Die 136 Mio. € fließen nicht vom Staatsetat in die Wahlkampfkasse der CDU.

(Beifall SPD)

Ich sage Ihnen noch mal etwas Überraschendes: Wenn Sie die Pressemeldung genau lesen, und schön ist es, dass Sie sich um uns sorgen und nachts deswegen miteinander telefoniert haben, wenn Sie allerdings am Tag noch mal lesen, die CDU möchte diese 136 Mio. € für zwei Jahre, auf zwei Jahre verteilt, und wir von der SPD hatten uns eigentlich mit dem Koalitionspartner auf 100 Mio. € für ein Jahr geeinigt,

(Beifall SPD)

also fällt die CDU eigentlich hinter das zurück, was wir uns als SPD gewünscht und vorgestellt hätten. Vielleicht können wir dann auch gemeinsam, Herr Mohring, nachverhandeln.

(Zwischenruf Abg. Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ihr könnt doch nicht alles schönreden.)

Was soll das Anhängen von normaler politischer Alltagsarbeit und den damit verbundenen Konflikten in einer Koalition? Eine Koalition ist ja kein Vereinigungsparteitag. Außer Trittbrettfahrerei zulasten politischer Streitkultur und damit zulasten des Ansehens der Politik insgesamt finde ich in Ihrer Aufstellung vom September nichts wirklich Skandalöses.

(Beifall SPD)

Wenn Sie schon Neuwahlen wollen, dann - das wurde jetzt schon wiederholt gesagt - werden diese nicht durch den Rücktritt einer Regierung herbeigeführt, sondern nur dann, wenn das Parlament nicht in der Lage oder willens ist, selbst eine Regierung zu wählen. Artikel 50 Abs. 2 Thüringer Landesverfassung: Auflösung des Landtags entweder mit Zweidrittelmehrheit oder wenn nach einer gescheiterten selbst gestellten Vertrauensfrage der Ministerpräsidentin der Landtag nicht innerhalb von drei

Wochen einen neuen Ministerpräsidenten wählen könnte.

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, nach unserer Verfassung gibt es Neuwahlen nur, wenn der Landtag scheitert, weil er keinen Ministerpräsidenten wählen kann oder wenn er durch Selbstauflösung selbst zurücktritt. Das hätten Sie ehrlicherweise in Ihren Antrag schreiben müssen. Wer, verehrter Herr Kollege Ramelow, macht hier das Parlament klein?

Hinzu kommt, dass Thüringens Bürgerinnen und Bürger mehrheitlich keine Neuwahlen wollen. Knapp 53 Prozent, also eine absolute Mehrheit, will laut Umfrage der TA, die am 09.11. veröffentlicht wurde, dass wir, nämlich das Parlament und eine von ihm gewählte Regierung, die Arbeit ordentlich zu Ende machen und nicht vorzeitig hinschmeißen. Aber Sie rufen in Ihrem Antrag Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht mit der Bitte um Rücktritt an, bitte, bitte, tritt doch mal zurück, und fabulieren daraus angeblich folgende Neuwahlen herbei, statt in den Spiegel und auf die Rechte und Pflichten des Parlaments zu schauen. Hier fühle ich mich als Parlamentarierin von Ihnen hinter die Fichte geführt.

Frau Ministerpräsidentin Lieberknecht ist - mit Verlaub, Frau Ministerpräsidentin - nicht Thüringens Mutti. In Thüringen bestimmt Neuwahlen einzig und allein das Parlament und das sind wir.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Diesen Antrag stellen Sie aber nicht. Ihr Antrag ist also ein Fake, den wir nicht ernst nehmen können.

Sie haben von der gestalterischen Mehrheit gesprochen, die Sie sehen. Die müssen Sie dann mal anbieten und austesten. Auf den ersten Blick vermeintlich seriöser kommt der Alternativantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN daher. Aber, liebe und verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, leider nur auf den ersten Blick. Maternalistisches Politikverständnis auch hier. Thüringens Mutti soll nicht zurücktreten, aber Thüringens Mutti soll umfassend erklären, wie sie es denn bei ihrer Belastung als Mutti mit unter Gier-Verdacht stehenden Kindern noch schaffen will, noch offene Koalitionsvorhaben und andere aus Sicht der Grünen wichtige Projekte zu realisieren. Damit, Herr Kollege, sehr geschätzter Kollege Adams, haben wir auch hier bei Ihnen wieder die Verknüpfung der wirklich belastenden und schlimmen Pensionsaffären und der Zuzahlungsaffären mit einer der Koalition angeblich fehlenden Fähigkeit zur Sacharbeit. Dass diese Fähigkeit nicht erlahmt ist, sehen Sie schon daran, dass von den 14 Punkten, die Sie ausgemacht haben, es seit Ihrer Antragstellung am 17.10.2013

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Adams?

ja, ich mache nur den Satz zu Ende - bei dreien Neuigkeiten gibt. Das sind die Punkte 2, 3 und 9. Nun Herr Adams.

Bitte, Herr Adams.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Frau Kollegin Marx. Ich habe zwei Fragen. Erste Frage: Warum nennen Sie die Ministerpräsidentin des Freistaats Thüringen „Mutti“?

(Heiterkeit DIE LINKE)

Und zweitens: Warum ist es falsch, wenn eine Oppositionsfraktion die Ministerpräsidentin auffordert, zu dringenden Fragen im Antragszeitpunkt endlich Stellung im Parlament zu nehmen?

Also erstens: Wir nennen die Ministerpräsidentin nicht Mutti, sondern ich habe gesagt, dass den Anträgen sowohl der Fraktion DIE LINKE als auch Ihrem Antrag letztlich ein maternalistisches Politikverständnis zugrunde liegt, so dass Sie denken, dass Frau Lieberknecht eine Art Thüringens Mutti sein könnte. Unsere Mutti ist sie nicht.

(Beifall CDU, SPD)

Zu Ihrer zweiten Frage: Das habe ich gerade gesagt, natürlich können Sie zu Recht auch in den Punkten Ihre Vorstellungen bringen und sagen, die Ministerpräsidentin soll sich zu dem einen oder anderen Punkt erklären; es gibt ja auch zu einzelnen Punkten in Ihrer Aufstellung heute noch Sachpunkte in der Befassung des Plenums. Aber dass Sie sagen, wir haben - und aufgehängt an den wirklich schlimmen Affären - die Fähigkeit zur Sacharbeit eingebüßt in den und den Punkten, da kann ich Ihnen nicht zustimmen. Ich sagte gerade, es gibt in drei Punkten Neuigkeiten, 2, 3, 9, seit Ihrer Antragstellung vom 17.10.2013. Dazu gehört die Verwaltungsreform. Sie haben gestern laut aufgeschrien und Sie, Frau Siegesmund - sie ist gerade nicht im Raum, ist heute entschuldigt -, dann hat Ihre Fraktionsvorsitzende hier gestern früh empört vermerkt, dass wir Sozialdemokraten unser Landtagswahlprogramm von 2009 in den Vorstellungen zu einer Funktionalreform nicht verwirklichen konnten. Das ist vollkommen richtig und auch aus SPD-Sicht sehr schade, aber dennoch leider kein Skandal, sondern

ein normales Ergebnis dieser Koalition, weil wir nämlich unsere Vorstellungen zu einer Gebietsund Verwaltungsreform bereits 2009 im Koalitionsvertrag leider nicht unterbringen konnten. Wir haben dann die letzten vier Jahre versucht, unter Zuhilfenahme der Sachverständigen hier doch noch Verständnis bei der CDU außerhalb des Koalitionsvertrags zu erwecken. Das ist uns nicht gelungen, das ist schade, aber das ist kein „Skandal“.

Die Alternative Rot-Rot-Grün im Übrigen hat es 2009 auch nicht wirklich gegeben, denn ich erinnere mich noch sehr genau daran, dass auch nach vielen Anfragen die Grüne-Fraktion sich nicht dazu äußern wollte, ob sie bereit wäre, in einem alternativen Bündnis zur schwarz-roten Koalition mitzuwirken.

(Beifall SPD)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist eine Unverschämt- heit, Frau Marx, Sie waren doch gar nicht da- bei. Wir waren dabei.)

Aha, na gut, dann stellen Sie das richtig. Angekommen ist es nicht. Dann sagen Sie mir gleich, dass es anders war, und dann versuche ich, die Vergangenheit noch mal von vorn anzufangen.

Ringen um Antworten, die nicht vorvereinbart sind, ist in jeder Koalition schwierig. Da wird gestritten und auch mal gerauft und das nennen Sie - und das finde ich nicht in Ordnung - „fehlende Fähigkeit zur Sacharbeit“, um bei den Bürgerinnen und Bürgern damit im Zusammenhang mit den geschilderten schlimmen Affären zu punkten. Tatsächlich ist genau das lebendige Demokratie.

Auch Sie schauen - und das verstehe ich ehrlich gesagt nicht, Herr Kollege Adams - wieder nur auf die Regierung und nicht auf das Parlament. Schauen wir doch mal in den Artikel 81 Thüringer Verfassung, da steht drin: „Gesetzesvorlagen können aus der Mitte des Landtags, durch die Landesregierung oder durch Volksbegehren eingebracht werden.“ So, und Sie? Auch bei Ihnen letztlich wieder nur Anrufung von Mutti - nicht wir, Sie.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist nicht unser Frau- enbild.)

Nur die Landesregierung, Platz 2 in der Präferenzliste, soll Gesetze vorlegen, dabei haben wir es doch hier auch schon anders zusammen gemacht. Hier im Landtag haben wir gemeinsam ein Landesprogramm beschlossen, wir haben das Kita-Gesetz gemeinsam getragen und natürlich, wir könnten noch mehr zusammen machen und da kann ich mich auch gern einbringen und werde mich auch einsetzen für eine Verbesserung einer parlamentarischen Gemeinschaftskultur. Besonders ärgert

mich - und das muss ich hier als Vorsitzende des UA 5/1 sagen - Ihre Selbstentmachtung des Parlaments in Ziffer 5 Ihres Muttibestellzettels, denn darin steht, dass Sie dringend erwarten, dass die Landesregierung dem Landtag einen Reformvorschlag für das Landesamt für Verfassungsschutz sowie dessen Aufgaben und Rechts vorlegen soll. Da rufe ich jetzt mal in Erinnerung, dass wir hier alle gemeinsam einstimmig einen Einsetzungsbeschluss für den Untersuchungsausschuss gefasst haben, dessen Bestandteil es war, dass der Untersuchungsausschuss aufgrund seiner regierungsfernen Ermittlungsarbeiten dann Empfehlungen aufstellt, wie künftig ein Verfassungsschutz oder ein Verfassungsschutzgesetz aussehen soll. Da müssen wir uns doch nicht auch noch selbst entmachten und diesen Punkt auf den Muttibestellzettel setzen. Ich fasse zusammen:

1. Die Affären um Beihilfe und Pension belasten uns und unser aller Ansehen heftig und müssen zeitnah geklärt werden, aber sie berühren nicht die fortlaufende Sach- und Facharbeit in der Koalition.

(Beifall CDU, SPD)

2. Thüringen ist kein Muttiland, sondern eine parlamentarische Demokratie. Einzig und allein das Parlament verabschiedet Gesetze und bestimmt den Zeitpunkt von Neuwahlen.

(Beifall CDU, SPD)

3. Aktueller Einschub: Dieses Land und sein Haushalt gehören nicht Mutti und auch nicht der CDU.

(Beifall CDU, SPD)

Der Finanzetat des Landes Thüringen ist keine Wahlkampfspendenkasse für eine machtverwöhnte Partei.

4. Lebendige Demokratie lebt vom sachbezogenen Meinungsstreit und daraus erzielten Kompromissen. Das erwarten die Bürger auch von uns.

5. Wer diese Streitkultur als vermeintlich skandalös diffamiert, fördert den Politikverdruss und schadet dem Parlamentarismus insgesamt.

(Beifall CDU, SPD)

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und das ist jetzt nicht nur irgendwie ein schlechter Witz: Was sollen wir mit Ihren Anträgen machen, möglicherweise an den Petitionsausschuss überweisen?

(Heiterkeit CDU)

Das ist unseres Parlaments nicht würdig. Deshalb werden wir sowohl dem Antrag der Fraktion DIE LINKE als auch dem Alternativantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht zustimmen, und zwar auch im Interesse Ihres Schutzes als selbstbewusste, frei gewählte Abgeordnete und Parlamentarierinnen und Parlamentarier.