Er birgt auch manche Hindernisse, die es zu überwinden gilt. Manchen Stein haben wir in den vergangenen Jahren schon aus dem Weg geräumt. Wir sind gestärkt aus der Finanz- und Wirtschaftskrise vom Beginn der Legislaturperiode herausgekommen. Ich bin überzeugt, der Weg, den wir eingeschlagen haben, ist der Mühe wert, denn dann wird Thüringen im Jahr 2020 auf eigenen Füßen stehen, dann wird unser Land auch in weiter Zukunft ein lebenswertes, ein eigenständiges und innovatives Land sein, ein Land mit soliden Finanzen, ein Land, das Unternehmen attraktive Standortbedingungen bietet, in dem auch künftig Investitionsentscheidungen getroffen werden, wie gerade erst und eingangs zitiert in Jena, ein Land, in dem die Menschen gern und gut leben, und ein Land der leistungsfähigsten und effizientesten Verwaltungen in Deutschland und in Europa. Hieran wollen wir uns messen lassen und hieran werden wir weiter arbeiten. Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerpräsidentin. Ich gehe davon aus, dass alle Fraktionen die Aussprache zur Regierungserklärung wünschen, die ich hiermit eröffne. Als Erster hat das Wort der Abgeordnete Kuschel von der Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, das war jetzt eine „Meisterleistung“ der Ministerpräsidentin.
Man hat ihr förmlich angemerkt, wie qualvoll es war, hier zu diesen Vorgängen auch noch etwas Optimismus zu verbreiten und lächelnd dann darauf hinzuweisen, dass das alles gut sei für dieses Land, aber sicherlich hat sie sich im Inneren gedacht, die Qualen haben nun langsam ein Ende. Es sind ja nur noch wenige Monate, dann kann Frau Lieberknecht ihren wohlverdienten Ruhestand genießen.
Also, Frau Ministerpräsidentin, ich weiß nicht, wer Sie auf die Idee gebracht hat, zu Ihrer sogenannten Behördenreform eine Regierungserklärung abgeben zu wollen.
Aber Ihre Rede hat deutlich gemacht, offenbar ging es Ihnen noch einmal um die Auseinandersetzung mit Ihrem Koalitionspartner.
Ich weiß nicht, ob die Regierungserklärung dafür ein geeignetes Instrument ist, noch mal deutlich zu machen, dass diese Koalition sich gegenseitig blockiert.
Das bedurfte jetzt keiner Regierungserklärung, aber offensichtlich haben Ihre Berater das noch mal für wichtig erachtet in irgendeiner Art und Weise. Ich habe mich so ein bisschen erinnert, das war auch ein wenig mit märchenhaften Elementen versehen, der Bezug zur Realität war nicht ganz nah. Realitätsbezug ist kein Problem von Entfernung, sondern eher ein inhaltliches. Sie werden es mir nachsehen, es zeigen sich Parallelen auf zur Situation vor 1989.
Da hatten wir in diesem Land schon mal ein Höchstmaß an Realitätsverlust zu verzeichnen, da haben Leute noch im September 1989 erklärt, dass die Welt in Ordnung ist. Wohin das geführt hat, wissen wir alle.
Insofern, Frau Ministerpräsidentin, tragen Sie und die CDU eine Verantwortung in diesem Land für den Stillstand. Das Fatale ist, die Menschen sind bereit für Reformen. Ich habe noch nie eine so hohe Bereitschaft auf kommunaler Ebene zur Kenntnis genommen, sich zum Beispiel neu zu strukturieren. Und diese Bereitschaft lassen Sie einfach im Sande verlaufen und setzen auf ein paar Elemente der Freiwilligkeit.
Gebietsreform beschäftigen dieses Haus seit Jahren. Schon in der vergangenen Legislaturperiode gab es eine Enquetekommission, die hat die SPD beantragt, dann hat die SPD sie zum Schluss verlassen. Und dann gehen Sie mit den Leuten eine Koalition ein - weil Sie vorher die Enquetekommission verlassen haben,
ist das alles nicht so glaubwürdig - und es läuft wieder nichts. Dann brauchen Sie sehr lange, um eine Expertenkommission einzusetzen. Die machen einen Bericht, der ist unbestritten strittig; da teilen wir auch nicht alles. Aber er hat uns natürlich auch noch mal einen anderen Blick eröffnet und hat auch bestimmte notwendige Diskussionen dynamisiert. Und weil Ihnen der Bericht nicht passt, setzen Sie dann eine Regierungskommission ein und der Regierungskommission gehört nicht mal einer der wichtigsten Minister an, nämlich der Innenminister. Der nimmt auch jetzt nicht mal an der Debatte teil; ich weiß nicht, was der macht, aber seine Arbeit macht der nicht.
Von daher hat jetzt die Regierungskommission einen Bericht vorgelegt, der geht darauf ein, dass also der Bericht der Expertenkommission nicht mal ansatzweise Umsetzung findet und insofern befinden wir uns wieder dort, wo wir letztlich zu Beginn dieser Legislaturperiode waren.
Man fragt sich: Kann sich dieses Land fünf Jahre Stillstand in dieser Frage wirklich leisten? Wir als Linke sagen: Nein. Meine Damen und Herren, es wurde in der Regierungserklärung deutlich - die haben wir am gestrigen Abend bekommen -, 42 Seiten, und wenn man großzügig ist, ist die Ministerpräsidentin auf ganzen fünf Seiten letztlich auf Dinge eingegangen, die mit dem Thema einen Zusammenhang haben. Alles andere war irgendwie
Von daher war es also relativ dünn und, wie gesagt, im Mittelpunkt stand noch mal die Auseinandersetzung mit Ihrem Koalitionspartner.
suchen, aus Sicht unserer Fraktion diesen Reformbedarf zu beschreiben, weil daran auch deutlich wird, wo das Versagen dieser Landesregierung festzumachen ist.
Frau Ministerpräsidentin, Sie haben in einigen Sätzen Ihrer Regierungserklärung durchaus Richtiges formuliert, wenn es um die Zielbeschreibung ging. Das war alles in Ordnung, das können wir teilen. Wenn Sie davon reden, dass eine Verwaltung modern und innovativ sein muss, mehr Effizienz und Effektivität, mehr Qualität, Transparenz, Entbürokratisierung, Bürgernähe, sind das alles Stichwörter, die können wir mittragen. Es stellt sich aber hier die Frage, weshalb Sie dann einfach stehen bleiben und nicht mal in Ansätzen Vorschläge unterbreiten, um diese Ziele tatsächlich zu verwirklichen. Denn was Sie hier machen, ist genau das Gegenteil, Sie zementieren die Dreistufigkeit in unserem Land. Da muss man sich auch noch mal damit auseinandersetzen, wo denn Vorteile oder Nachteile dieser Dreistufigkeit liegen - des dreistufigen Verwaltungsaufbaus -, die übrigens in den Grundzügen 1806 von Herrn von Stein entwickelt wurde. Da weiß ich nicht, ob die im 21. Jahrhundert noch geeignet sind, aus dem frühen 19. Jahrhundert, das so einfach fortzusetzen. Wir haben nichts gegen Tradition und es gibt Werte in dieser Gesellschaft, die schon mehr als 2000 Jahre Gültigkeit haben, das ist alles in Ordnung, aber Verwaltungsstrukturen bemessen sich an den Herausforderungen unserer Gesellschaft und die sind heute anders als 1806. Da sind wir uns einig.
Worin bestehen denn die Probleme der Dreistufigkeit? Das haben auch Sie erkannt, ich habe das in Ihrer Arbeit gelesen, Sie haben ja die historischen Ausgangspunkte auch gewählt, also in Ihrer Doktorarbeit, meine ich, zum Finanzausgleich. Da komme ich zum Schluss noch einmal dazu, da hat die Ministerpräsidentin „Schönes“ erzählt, auch Märchen. Also Dreistufigkeit - wir haben zwei große Probleme bei der Dreistufigkeit. Das Erste ist aus unserer Sicht, wir formulieren es bewusst zugespitzt: Die Dreistufigkeit hat ein Demokratiedefizit, weil niemand diese Mittelbehörden tatsächlich kontrollieren und steuern kann. Wir als Landtag haben keinen Zugriff, denn das Organisationsrecht liegt ausschließlich bei der Landesregierung und die kommunale Ebene hat natürlich auch kein Durchgriffsrecht auf diese Mittelbehörden. Deshalb stehen die so in der Kritik, weil man nicht so richtig weiß, wie dort Entscheidungen ablaufen. Ich mache Ihnen das mal auf der kommunalen Ebene fest. In diesem Lande entscheiden zum Schluss nicht mehr Gemeinderäte, Stadträte, Kreistagsmitglieder, Bürgermeister, Oberbürgermeister, Landräte, sondern zum Schluss entscheidet ein Beamter im Landesverwaltungsamt, der Leiter der Kommunalaufsicht dort, der macht Daumen hoch und Daumen runter, zum Beispiel wenn es um Zwangsvollstreckungen
gegen Gemeinden geht. Das kann doch aber in einem demokratischen Gemeinwesen nicht mehr an der Tagesordnung sein, dass ein Beamter,
der sich keiner demokratischen Kontrolle und Steuerung unterziehen muss, letztlich über das Wohl und Wehe von Gemeinden entscheidet und selbst entscheiden kann, ob Gemeinden ihr Vermögen verlieren oder nicht. Das heißt, wir brauchen hier ein anderes Maß an demokratischer Ausgestaltung. Da haben wir Zweifel, das geht mit der Dreistufigkeit nicht. Das ist unser Ansatz.
Das ist überhaupt nichts „Böses“. Das ist einfach eine Überlegung, wie kann ich denn demokratische Steuerungsund Kontrollprozesse ausgestalten, und da ist die Dreistufigkeit schon strukturell nicht geeignet. Deshalb sagen wir, wir brauchen die Zweistufigkeit, den Übergang. Das geht nicht von heute auf morgen und da kann es auch mit Zwischenschritten gehen. Das ist alles nicht das Problem.
Der zweite Nachteil der Dreistufigkeit, das interessiert insbesondere den Finanzminister, sind natürlich die Kosten. Man hat Transaktionskosten nur aus der Struktur heraus, weil sich Strukturen miteinander beschäftigen - automatisch. Das ist in jeder ökonomischen Struktur so, je feingliedriger es ist, desto mehr entstehen Kosten. Wir sagen, wenn das Gemeinwesen ein finanzielles Problem hat, dann setzen wir doch erst mal an diese Strukturkosten an, bevor wir an Leistungsgesetze gehen, wo der Bürger unmittelbar betroffen ist. Das ist unser zweiter Ansatz.
Also insofern sehen wir dort auch fiskalische Potenziale, wenn wir zur Zweistufigkeit übergehen. Wenn wir dann zur Zweistufigkeit übergehen wollen, Frau Ministerpräsidentin, dann müssen wir entscheiden, wie machen wir das, was wird mit diesen Aufgaben dieser Mittelbehörden. Da gibt es zwei Konzepte: Wir können sie hoch aufs Land nehmen, in die Ministerien rein; da gibt es wieder dieses demokratietheoretische Problem, dass politische Entscheidungsebene und Vollzugsebene identisch sind. Deswegen spricht vieles dafür, diese Aufgaben der Mittelbehörden zu kommunalisieren. Und da haben Sie einen richtigen Satz gesagt: In der jetzigen Struktur sind die Potenziale für Kommunalisierung ausgeschöpft. Das heißt, in die jetzige kleingliedrige Struktur der Gemeinden, der Landkreise geht eine weitere Kommunalisierung nicht, das wäre verantwortungslos. Das teilen wir. Deswegen sagen wir, wir müssen über andere Strukturen auf der kommunalen Ebene nachdenken und dabei uns weiteren Problemen und Verwerfungen der kommunalen Ebene zuwenden. Da gehen wir mal zu den
Landkreisen. Sind denn die Landkreise in der heutigen Struktur noch zeitgemäß, in der jetzigen Struktur? Das ist wieder kein Vorwurf an Landrätinnen und Landräte, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, an die Kreistagsmitglieder, überhaupt nicht, sondern wir haben das Strukturproblem. Das Erste ist die Finanzierung der Landkreise. Sie haben keine Steuerkompetenz und haben deshalb nur die Kreisumlage als Finanzierungsausgleich, wenn das Land nicht ausreichend Zuweisungen zur Verfügung stellt. Damit haben wir einen Systembruch, dass nämlich der, der die Aufgaben realisieren muss, kein eigenes Finanzierungsinstrument in der Hand hat, sondern finanzieren müssen es die kreisangehörigen Gemeinden. Man spricht vom Konnexitätsprinzip. Das ist also in aller Munde, dass man sagt, der, der die Aufgaben erledigen muss, der muss auch die Finanzierungselemente haben. Also müssen wir uns damit beschäftigen. Da gäbe es den Ansatz, wir geben den Landkreisen eine Steuerkompetenz und schaffen damit eine weitere kommunale Ebene, das wäre der erste Ansatz. Oder das ist unser Ansatz - wir wandeln die Landkreise um in Regionalkreise und schaffen damit mehrere Voraussetzungen, erstens, dass sie in der Lage sind, die Aufgaben der Mittelbehörden aufzunehmen, und zweitens, wir lösen das Finanzierungsproblem. Denn dort gibt es das Instrument der Kreisumlage nicht mehr, die Regionalkreise werden ausschließlich vom Land finanziert. Damit entspannen wir auch das Konfliktpotenzial auf der kommunalen Ebene. Wir handeln ja mit der kommunalen Ebene verantwortungslos, indem wir dafür Sorge tragen, dass die sich da unten wegen der Kreisumlage die Köpfe einhauen müssen.