Protocol of the Session on October 17, 2013

ment so trefflich diskutiert wird, denke ich, da mit eingeflossen.

Ich muss aber noch auf eine Pressemitteilung eingehen, die Herr Kuschel vor einigen Tagen gemacht hat. Ich habe mich gewundert, dass er dazu hier überhaupt keine Stellung bezogen hat in seinem Redebeitrag.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Er wusste ja, dass Sie das machen.)

Kann sein, dass er gewusst hat, dass ich das mache, weil die auch wirklich so hübsch ist, die Pressemitteilung. Die Vorgeschichte, bevor ich zu dieser Mitteilung komme, ist: Unser Fraktionsvorsitzender hat angemerkt, dass die rückwirkende Erhebung in der vorgestellten Weise im parlamentarischen Prozess vielleicht auch noch einmal zu ändern sei. Nun schreibt Herr Kuschel - Frau Präsidentin, Sie erlauben, dass ich wörtlich zitiere: „Die Ankündigung des SPD-Chefs im Landtag, den Gesetzentwurf der Landesregierung zur rückwirkenden Erhebung von Straßenausbau- und Abwasserbeiträgen nachbessern zu wollen, ist weiterer Beleg für den chaotischen Zustand der Landesregierung. Man schafft gemeinsam im Kabinett Tatsachen, die anschließend wieder infrage gestellt werden. So sorgt man für maximale Verunsicherung bei Betroffenen und kommt in der Sache keinen Schritt weiter, um Probleme dauerhaft und bürgerfreundlich zu lösen, erklärt der kommunalpolitische Sprecher der Linken im Thüringer Landtag, Frank Kuschel.“ Weiter heißt es: „Der Kommunalexperte der Linken hält es zudem für ein Unding, dass die SPD-Vertreter in der Landesregierung ein unausgegorenes Gesetz abnicken und der Fraktionschef“, das ist so ein Lieblingswort, „anschließend erklärt, die SPD nehme die Ängste und Sorgen der Menschen ernst.“

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Schöne Presseerklärung.)

„’Dieser politische Klamauk’“ - es kommt noch besser

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das war ein Sonntag.)

„’muss mit klaren Worten beendet werden.’“, erklärt Frank Kuschel. „’Am besten wäre es, die Landesregierung stampft das Gesetz wieder ein, klärt intern,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

was sie will und informiert vor der nächsten Landtagssitzung, wie es weitergehen soll.’“ Herr Kuschel, es ist noch gar kein Karneval.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Aber bald.)

(Unruhe im Hause)

Um das noch mal zusammenfassen: Der Vorsitzende einer Fraktion dieses Hauses - Sie nennen ihn Chef - sagt,

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das müssen die so machen bei sich.)

man könne an einem Gesetzentwurf der Landesregierung im parlamentarischen Verfahren etwas ändern. Das erklärt der auch, glaube ich, bei einer Landespressekonferenz. Dann kommt diese Pressemitteilung und da frage ich einfach mal ganz ernsthaft, was das für ein demokratisches Verständnis sein soll. Es gibt einen Gesetzentwurf, der kommt in den Landtag, dann wird der begutachtet,

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Habt Ihr jetzt keine SPD-Minister mehr im Kabinett?)

dann wird der auch geändert und dann wird der beschlossen.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für die Opposition.)

Moment mal, Herr Abgeordneter Hey, der Herr Kuschel möchte Ihnen gern eine Frage stellen. Gestatten Sie das?

Das würde ich gern gestatten am Ende meiner Rede.

Am Ende der Rede von Herrn Hey.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Herr Hey, dass Sie nicht mal merken, was Sie da gerade abziehen.)

Nein, ich frage mich einfach: Wo ist das ein chaotisches Verfahren? Ich möchte jetzt nicht mit dem Herrn Struck kommen.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Vor den Entscheidungen im Kabinett mal die Vor- lagen lesen, verstehen und einschreiten.)

Das „Strucksche Gesetz“ ist ja immer, dass kein Gesetz so das Parlament verlässt, wie es da reingebracht wurde.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Das ist hier offenbar alles nur die Inszenie- rung.)

(Unruhe DIE LINKE)

Lieber Herr Kollege Ramelow, jetzt stellen wir uns doch einfach mal ganz kurz vor, es wäre umgekehrt

gewesen. Der Vorsitzende meiner Fraktion - Herr Kuschel nennt ihn immer Chef - sagt, das ist ein klasse Gesetz, das wird ohne Änderung trotz Anhörung, trotz Ausschussberatung eins zu eins so umgesetzt. Dann möchte ich Sie mal erleben. Dann möchte ich Sie mal wirklich hier erleben, was dann hier los wäre. Es ist also völlig egal, wie wir uns verhalten, wenn wir sagen, wir werden eventuell in diesem Gesetz vielleicht noch mal im parlamentarischen Gang etwas ändern. Das ist auch so.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Jetzt sagen Sie doch, wo Sie hinwollen. Wo- hin geht denn die Reise?)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Reise wird dahin gehen, dass wir uns im Ausschuss - wie ich eben schon gesagt habe - mit dieser ganzen Geschichte sehr genau beschäftigen werden. Mein Kollege Fiedler hat gesagt, dass wir innerhalb der Koalition eben auch über diese Frist, die hier zur Rede steht und über die hier diskutiert wurde, so ein paar Sorgenfalten auf der Stirn haben und wir selbstverständlich mit der Landesregierung im Ausschuss und mit den Anzuhörenden ganz einfach darüber noch mal in Diskussion treten wollen. Das ist doch ein ganz normales parlamentarisches Verfahren und hätte eigentlich einer solchen Pressemitteilung, die ich auch als Klamauk bezeichne, nicht bedurft.

Deswegen werbe ich auch noch mal dafür, was mein Kollege Fiedler als Vorredner schon gesagt hat. Wir werden das, wie gesagt, in einer öffentlichen Anhörung mit den Vertretern der Spitzenverbände und nach dem im Innenausschuss so vereinbarten Prinzip - also der etwas erweiterten d’hondtschen Methode - öffentlich diskutieren und werden dann, denke ich, hier im Plenum bei der zweiten Lesung auch zu einem guten Schluss kommen. Das ist nun wirklich ein parlamentarisches Verfahren, Herr Kuschel, das in dieser Form aus meiner Sicht in keinster Weise zu beanstanden ist. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Der Herr Abgeordnete Kuschel hat die Frage zurückgezogen, er hat einen Redebeitrag angemeldet, damit hat sich das erledigt. Zunächst kommt aber erst für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Bergner.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Ausgangspunkt des Gesetzentwurfs war der Beschluss vom 5. März 2013 des Bundesverfassungsgerichts zum Bayerischen Aufgabengesetz, das ist ja heute schon mehrfach

(Abg. Hey)

angesprochen worden. In diesem Beschluss wird eine Regelung zur Festsetzungsverjährung für unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit erklärt, das aus Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz abgeleitet wird. Jetzt, meine Damen und Herren wird sich der eine oder andere fragen: Was geht uns das Abgabengesetz in Bayern an? Wenn ich mich an die ersten Reaktionen in der Landesregierung auf das Urteil erinnere, war die Reaktion anfänglich auch so. Die Entscheidung geht uns etwas an, liebe Kolleginnen und Kollegen, da es eben im Thüringer Kommunalabgabengesetz eine nahezu genau wortgleiche Regelung gibt. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bayerischen Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 1. April 2014 eine neue Regelung zu schaffen. Deswegen sind wir gut beraten, ebenfalls möglichst rasch eine rechtskonforme Verjährungsregelung zu finden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eigentlich traurig, dass wir erst eine Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht brauchen, um Rechtssicherheit zu gewährleisten. Das sollte eigentlich unsere Aufgabe im Parlament sein. Traurig ist aber eben auch, dass Kommunen und Beitragszahler immer wieder im Regen stehen, weil sich Gesetzgebung des Landes und Mustersatzungen als fehlerhaft erweisen. Das ist ein Umgang, der natürlich auch bei vor allem ehrenamtlichen Kommunalpolitikern immer wieder Verständnisfragen aufkommen lässt und zweifeln lässt, was in Ihrem Hause geschieht bzw. was bei denen im Hause geschieht, die uns hier die Zuarbeit leisten.

(Beifall FDP)

Ich glaube schon, dass es ein legitimes Interesse gibt, von Beitragszahlern und Kommunalpolitikern, auch eine saubere Arbeit hier geliefert zu bekommen. Genau genommen, geht es bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts um die Frage der Festsetzungsverjährung oder einfach, wie lange darf eine Gemeinde oder ein Zweckverband nach Beendigung der Maßnahme vom Bürger einen Beitrag verlangen. Das Urteil führt dazu aus, ich zitiere: „Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge.“

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber hinaus heißt es: „Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet“ viel mehr, „dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.“ Auf den Punkt gebracht, heißt dies, dass die Inanspruchnahme zeitlich zu begrenzen ist. Wie gesagt, es ist schon traurig, dass es dafür einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bedarf.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will jetzt auf den Vorschlag unserer Landesregierung eingehen.

(Beifall FDP)

Wir haben dazu schon einiges in der Presse lesen dürfen, vor allem auch von Herrn Kollegen Kuschel, der aber leider immer noch nicht verstanden hat, dass es sich nicht um das Rückwirkungsverbot handeln kann, wenn mangels nichtiger Satzung gar keine Beitragspflicht entstanden ist. Ich glaube, das wollen Sie nicht verstehen, da sich so die Menschen auch leichter aufwiegeln lassen. Aber auch unsere Fraktion, meine Damen und Herren, hat Probleme mit dem bisherigen Wortlaut des Gesetzentwurfs. Wir halten es für zwingend notwendig, dazu eine Anhörung im Innenausschuss durchzuführen. Zum einen sollte man sich dringend über die Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2021 unterhalten. Das ist heute schon mehrfach angeklungen. Es kann nach dieser Regelung vorkommen, dass Bürger 30 Jahre nach dem Anschluss bzw. 30 Jahre nach der Maßnahme zu einem Beitrag herangezogen werden können. 30 Jahre, meine Damen und Herren, sind eine lange Zeit. Und, ob diese mit der Anforderung, welche das Bundesverfassungsgericht an die Rechtssicherheit aufgestellt hat, noch eingehalten werden, ist zumindest fraglich, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall FDP)

Es ist eben nicht nur fraglich, sondern es ist auch fraglich im Umgang mit den betroffenen Beitragszahlern. Es dürfte in vielen Fällen noch nicht mal so sein, dass es eine Maßnahme ist, die vielleicht jemand als Kind erlebt hat und dann als Erwachsener als Beitragszahler herangezogen wird, so wie das vorhin gesagt worden ist. In vielen Fällen dürfte es sich bereits um einen Generationswechsel handeln. Und das, meine Damen und Herren, können wir wohl wirklich nicht ernst gemeint haben.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)