Ich hoffe, dass alle im großen Konsens weiter an dem Programm arbeiten, denn das ist eigentlich die Voraussetzung. Ich glaube, dass bei diesem Thema - den Titel des Programms habe ich genannt und der Schwerpunkt liegt bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus, da gibt es überhaupt gar keine Frage - alle Demokraten zusammenarbeiten und dass das Programm kein Thema wird zur Profilierung des Einzelnen, sondern dass dann der Geist der Erklärung,
die hier im Landtag verabschiedet worden ist - da war ich selbst noch mit dabei -, durch die ganze Arbeitsphase trägt, dass wir am Ende gemeinsam auch hinter dem Programm stehen, was unsere Landesregierung jetzt mit den relevanten Akteuren erarbeitet. Vielen Dank.
Wünscht jemand die Beratung zum Sofortbericht? Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE - gut. Auf Antrag der Fraktion DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eröffne ich die Beratung zum Sofortbericht. Das Wort hat der Abgeordnete Adams.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Schubert, zunächst einmal möchte ich Ihnen danken, nicht nur für den Sofortbericht, sondern für das, was am Dienstag stattgefunden hat. Das lässt mich darauf hoffen, dass wir hier in einen wirklich guten Prozess einsteigen können. Es waren viele dort und aus unserem Antrag entnehmen Sie ja, dass wir vor einigen Wochen davor noch Angst hatten, dass es nicht so viele sein würden. Insofern an der Stelle Dank dafür, dass es so viele sind. Es ist auch eine breite gesellschaftliche Aufgabe, die wir hier stemmen müssen. Ich will nur ganz kurz den Prof. Edinger, der dort eine Einführung gegeben hat, zitieren, der es als Sisyphusaufgabe beschrieben und dabei gesagt hat: „Möglicherweise ist der Sisyphus aber auch ein glücklicher Mensch, weil er weiß, was er zu tun hat.“ Prof. Doron Kiesel hat darauf hingewiesen, dass wir uns nicht entmutigen lassen dürfen, weil es eben auch eine Mammutaufgabe ist, die wir jeden Tag neu angehen müssen, ungefähr so wie beim Abwaschen, selbst wenn man abends gut abgewaschen hat, ist am nächsten Abend wieder neuer Abwasch da, zumindest wenn man zu Hause ist.
Weiterhin ist auch wichtig für uns, dass wir hier eine klare Aussage auch von Ihnen als Staatssekretär und von der Ministerin am Dienstag gehört haben, dass es nämlich einen qualitativen Unterschied zwischen Links- und Rechtsextremismus gibt, der sich auch in der Erarbeitung dieses Landesprogramms wiederfinden wird. Wir wollen das aus dem Parlament heraus gern begleiten. Wir wollen für die Beteiligungsmöglichkeiten, die Sie angeboten haben, danken und sie rege in Anspruch nehmen und wünschen diesem Programm einen guten Verlauf schon in der Diskussion, dann in der Anwendung, in der Eva
luierung, Fortschreibung, weil diese gesellschaftliche Aufgabe eine wichtige Aufgabe ist, die niemals enden wird. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, nach der sehr guten Erarbeitungsrunde am letzten Dienstag im Sozialministerium - und dafür gilt ganz ausgesprochen mein Dank auch der Ministerin und allen, die diese vorbereitet haben -
bin ich heute über den Bericht durch Herrn Staatssekretär Schubert doch ein ganz klein wenig enttäuscht. Ich will das begründen. Sie sind leider nicht auf die inhaltlichen Fragen eingegangen, die wir in unserem Antrag gestellt hatten. Ich zitiere noch mal den ersten Satz im zweiten Absatz: „Im Rahmen des Berichts soll die Landesregierung auf die inhaltliche Ausrichtung des angekündigten Landesprogramms sowie auf die geplanten Erarbeitungsschritte eingehen.“ Dazu gab es heute leider keine weiterführenden Ausführungen. Ich werde mich aber im Rahmen meiner Rede dann auf das beziehen, was am letzten Dienstag zu dieser Frage von Ihnen und von Frau Taubert geäußert wurde. Ich möchte nach den vielen jubelnden Worten, die auch Herrn Adams zu der Breite des dort arbeitenden Arbeitsgremiums, an die ich mich anschließen möchte, auch sagen, dass wir weiterhin - und das haben wir dort auch deutlich gemacht - Kritik daran üben, dass das eigentliche Gremium, das das Landesprogramm verfassen wird, also die kleine Arbeitsgruppe, für uns immer noch ein Manko aufweist, nämlich dass es dort keine Beteiligung zivilgesellschaftlicher Institutionen, Projekte gibt, die in diesem Themenfeld arbeiten. Darüber, denke ich, muss noch mal nachgedacht werden, wie da eine Repräsentanz hergestellt wird.
So viel zu meinen etwas kritischen Eingangsbemerkungen, aber jetzt möchte ich mich ganz dezidiert auf das noch einmal beziehen, was am Dienstag behandelt wurde. Da denke ich, dass das Vorgehen des Sozialministeriums, wie es sich in dieser Beratungsrunde am Dienstag widerspiegelte, fachlich und politisch angemessen war und, ich glaube, auch ziel
führend sein kann. Eine Eingangsbemerkung am Dienstag, es war ja aus Politik und Wissenschaft, war gemeint, sich strikt aus der Bestandsanalyse in Richtung Programmanforderung zu bewegen. Behalten wir diesen Weg bei, so können wir aus der Bestandsaufnahme, also der Frage, worin und durch wen wird Demokratie, Menschenrechte und Weltoffenheit in Thüringen infrage gestellt und gefährdet, über weltanschauliche Vorbehalte hinweg zu dem Ergebnis kommen, antidemokratische, rassistische, antisemitische und rechtsextreme Einstellungen und damit verbundene Handlungen und Straftaten in Thüringen sind es, denen wir mit einem Landesprogramm begegnen wollen.
- ja, ich sage ja, sie hat es aber am Dienstag ausgeführt, deswegen werde ich mich jetzt auf sie noch mal berufen -, dass diese Gefährdung in Thüringen, die ich eben dargestellt habe, in erster Linie durch den Rechtsextremismus repräsentiert wird. Drei rechtsextreme Straftaten pro Tag, alle zwei Wochen ein Rechtsrockkonzert, mehr als 25 kommunale Abgeordnete der extremen Rechten, Übergriffe auf Anderslebende und ein alltäglicher Verdrängungsdruck auf nicht rechte Jugendliche im ländlichen Raum bei gleichzeitiger Existenz realer örtlicher wie zeitlicher Angsträume für Migrantinnen und Migranten kennzeichnen diese Situation. Kern unserer gemeinsamen Anstrengungen und auch die Zielstellung eines Landesprogramms muss es sein, die diesen Handlungen flankierend zur Seite gestellten entsprechenden weit verbreiteten rassistischen, nationalistischen, antidemokratischen und antisemitischen Einstellungen nachhaltig und wirksam zu begegnen. In dieser Dimension, also Alltäglichkeit, gesellschaftliche Verankerung und regionale umfassende Ausbreitung, liegt der maßgebliche Unterschied zu allen anderen mit Einstellung verbundenen politischen wie strafrechtlichen Phänomenen.
Meine Damen und Herren, wir haben in der letzten Legislatur - einige werden sich vielleicht daran erinnern - zusammen mit der SPD einen - ich sage es nicht ganz ohne Stolz - weit über unseren Rahmen hinaus beachtetes und gelobtes Landesprogramm vorgelegt. Zuletzt wurde das noch einmal auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Entwicklung eines Thüringer Landesprogramms in dieser eindeutigen Art und Weise erwähnt. Die dort formulierten zentralen Aufgaben eines Landesprogramms leiten uns in der Beurteilung der nun vorgelegten Vorschläge. Wir bleiben dabei: Wir wollen ein Gesamtkonzept, kein Stückwert und keinen ersten Aufschlag.
Ich möchte die Teile erwähnen, die bisher in den Planungen des Sozialministeriums aus meiner Sicht keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Schon auf der Tagung am Dienstag wurde klar, welchen Anteil Bildung bei der Zurückdrängung antidemokratischer und antitoleranter Einstellungen hat. Ein weiteres Manko, das hat dort die Landeszentrale für politische Bildung in die Diskussion eingebracht, ist das Fehlen jeglicher Formulierungen, die benennen, welche Verantwortung durch Behörden, bei der auch repressiven Zurückdrängung des Rechtsextremismus unternommen werden soll. Mir fehlt ein klareres Bekenntnis, dass zivilgesellschaftlichen Akteuren eine zentrale Rolle in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus zukommt.
Bürgerliches Engagement muss nicht nur bejaht werden, sondern sollte auch aktiv, z.B. durch einen unabhängigen Interventionsfonds, unterstützt werden.
Nun komme ich zu meinen Sorgen, was den weiteren Gang des Landesprogramms angeht: Ich habe jetzt sehr viel inhaltlich und auch vom Vorgehen positive Bezüge zu den Planungen aufgenommen, die durch Sie vorgelegt wurden. Aber ich sehe noch zwei mögliche Hinderungsgründe, die uns bei aller Fachlichkeit und Ernsthaftigkeit vielleicht doch noch dahin bringen, dass am Ende nicht das Landesprogramm auf den Weg gebracht wird, das wir uns wünschen. Da ist vielleicht der mögliche fehlende politische Wille der CDU und vielleicht die mögliche fehlende politische Durchsetzungskraft der SPD. Diese Sorgen sind nicht aus der Luft gegriffen, diese resultieren aus Erfahrungen und Enttäuschungen zu Beginn und im Verlauf dieser Legislatur. Der CDU war es leider nicht gelungen, allen Abgeordneten die politische Tragweite unserer gemeinsamen Erklärung für Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz zu vermitteln und so wurde der gemeinsame Beschluss durch Enthaltung getrübt. Genau dieser Vorgang lässt mich befürchten, dass es womöglich hier auch noch Vorbehalte gegen ein Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit geben wird.
Auf der anderen Seite ist es natürlich durchaus auch das, denke ich, nachvollziehbare wachsende Misstrauen in die Durchsetzungskraft der SPD. Aus den gemeinsamen Beratungen zu unserem Landesprogrammentwurf, den wir in der letzten Legislatur vorgelegt hatten, wissen wir um die Ernsthaftigkeit der SPD bei diesem Anliegen. Herr Gentzel, Ihnen ganz besonders gilt noch einmal der Dank für diese gemeinsame Arbeit. Aber was nützt alle Ernsthaftigkeit, wenn man nicht den Schneid hat, seine Vorstellungen auch durchzusetzen?
Diese Sorge ist nicht unberechtigt. Wer jetzt sagt, was redet die da, nachdem die SPD beim Thema Stichwahl am Nasenring durch die parlamentarische Manege geführt wurde, …
Ich muss sagen, Herr Professor Huber macht das sehr elegant, wie er das Pferdchen führt, das muss man ihm lassen.
Ja, sie haben ja gesagt, sie sind geschmückt und jung. Da sagen wir jetzt ein geschmücktes junges Pferdchen, was von Herrn Huber am Halfter genommen wird, okay.
Ich sage das zweite Beispiel: Nachdem das KitaGesetz hübsch klingt, aber es wohl beim Klang bleiben wird vorerst, da niemand in der Landesregierung für die Kosten geradestehen will, müssen wir befürchten, dass es womöglich auch beim Landesprogramm …
(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: So ein Blödsinn, was Sie da erzählen, Entschul- digung. Überlegen Sie sich, was Sie sa- gen.)
Das habe ich mir sehr wohl überlegt, an dem Thema arbeite ich seit vielen Jahren, da weiß ich, wovon ich rede.
Da müssen wir auch nach den Erfahrungen mit dem Kita-Gesetz befürchten, dass es nun wirklich beim Landesprogramm bei dem bleiben wird, was wir bisher in Thüringen hatten. Was wir konkret brauchen, ist ein qualitativer und quantitativer Neuanfang in der Förderung von Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz.
Was hatten wir bis jetzt in Thüringen. Ich will nur noch mal kurz sagen, was wir überwinden müssen. Wir hatten die Situation, dass zivilgesellschaftliche Projekte erst nach massivem Druck - und da hatten Sie auch Ihren Anteil an dieser Druckentfaltung - überhaupt kofinanziert wurden durch die Landesregierung. Wir hatten eine Landesstelle Gewaltprävention, die in erster Sicht das Problem auf Jugend- und Gewaltproblematik reduziert. Ich sage mal, die institutionelle Verortung dieser Landesstelle Gewaltprävention war ja auch bisher für die SPD ein Problem. Deswegen gab es in unserem Landesprogrammentwurf auch die Forderung, dass diese Stelle aufgelöst wird, weil sie ein Auffangbecken für behördliche Versorgungsfälle und unfreiwillige Abordnungen war, und sie hat das Thema Rechtsextremismus untergekramt in einen Gemischtwarenladen, wo es auch häusliche Gewalt gab und Drogenprävention und Ähnliches.
Damit muss Schluss sein. Das war ja auch eine zentrale Forderung der SPD. Herr Gentzel wird sich daran sicherlich erinnern.
Neben dieser neuen institutionellen Ausrichtung müssen wir auch etwas Zweites umsetzen. Das hat Prof. Roth auf der Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung gesagt. Ich sage Friedrich-Ebert-Stiftung, es war nicht die Rosa-Luxemburg-Stiftung; er hat gesagt: Die Koordination für so ein Landesprogramm darf nicht als subalterne Struktur geplant werden, sondern muss unabhängig sein, das heißt stark sein bei gleichzeitigen klaren Vorgaben aus Exekutive und Legislative.
Weiterhin möchte ich mich noch einmal auf die Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung beziehen. Da gab es noch eine zweite Forderung - ich glaube, auch die muss in die fachliche Debatte als eine der zentralen Aufgaben gestellt werden -, das ist die notwendige Regionalisierung der Strukturen der mobilen Beratung und Opferberatung und entsprechende Verankerung zivilgesellschaftlichen Engagements und entsprechender Prozesse gerade im ländlichen Raum.
Wir müssen ernsthaft eine Einstellungs- und Kulturveränderung in Thüringen zum langfristigen Ziel machen und hier entsprechende nachhaltige und gesellschaftlich breit wirksame Prozesse entwickeln. Schlüsselaufgaben liegen hier in der Bildung. Ich hatte gesagt, in den Eckpunkten, die am Dienstag vorgestellt waren, fehlt mir besonders die Aussage zu der Verantwortung jeglichen Bereichs der Bildung,
also von der frühkindlichen Bildung bis hin zur Erwachsenenbildung. Wir fordern eine Implementierung entsprechender Lern- und Erziehungsziele wie interkulturelles Lernen, Empathieförderung, praktische demokratische Erfahrungsmöglichkeiten und adäquate Vermittlung historischen Wissens in allen Bereichen. Da schließe ich auch jegliche außerschulische Bereiche und die Jugendbildung mit ein.
Sehr geehrte Damen und Herren, seien Sie versichert, wir werden produktiv und kritisch den Prozess begleiten. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Bitte verlassen wir gemeinsam nicht die fachliche und sachliche Auseinandersetzung und nehmen wir unsere Aufgabe ernst. Hier geht es nicht um Symbolpolitik, hier geht es um tatsächlich wirksame Maßnahmen. Wir müssen mit einem Landesprogramm klare Erfolgskriterien an die Seite stellen und eine wissenschaftliche wie unabhängige Evaluation vorsehen.