Ich will noch an ein paar Stellen sagen, wo wir weiterhin Kritik sehen. Wir sehen Kritik darin, dass grundrechtsbeschränkende Befugnisse im Gefahrenabwehrrecht durch Verlängerungsmöglichkeiten quasi unbefristet ermöglicht sind. Wir haben Kritik am Einsatz des sogenannten IMSI-Catchers, weil hiermit eine unbestimmte Anzahl sogenannter Nichtstörer, also Unbeteiligter, in Anspruch genommen wird, und diese Regelung wird ja nun auch im PAG eigenständig vorgesehen. Wir haben Bedenken daran, dass die beschränkende Maßnahme der Unterbrechung der Kommunikation ohne richterliche Kontrolle ermöglicht werden soll. Es wird keine Vorschrift zur Löschung rechtswidrig erworbener Daten im Gesetz verankert. Auch das kritisieren wir. Und wir sagen, die notwendige Benachrichtigung von Betroffenen verdeckter polizeilicher Maßnahmen ist umgehbar geregelt; hier auch dann entsprechend unser Änderungsantrag.
Eine weitere Kritik richtet sich für uns an die Rasterfahndung, weil hier in die Rechte von Unverdächtigten eingegriffen wird. Wir halten diese Befugnis an dieser Stelle im Gefahrenabwehrrecht für absolut entbehrlich. Wir haben unsere Änderungsanträge bereits im Mai eingereicht und ich sage auch, wir haben nach der Anhörung an der einen oder anderen Stelle unseren Änderungsantrag überarbeitet. Ich glaube, das ist auch ein angemessener Umgang mit den vorgelegten Stellungnahmen. Wir stärken mit unserem Änderungsantrag den Schutz des Kernbereichs und den Schutz der Berufsgeheimnisträger und Berufsgeheimnisträgerinnen, weil wir diesen Schutz eben am Anfang des Gesetzes verankern und nicht erst im Bereich der verdeckten Datenerhebung und damit diesen Kernbereichsschutz und den Schutz von Berufsgeheimnisträgern und Berufsgeheimnisträgerinnen für alle Maßnahmen der Polizei festschreiben, zum Beispiel auch bei Durchsuchungen von Personen und Sachen oder beim Betreten von Wohnungen. Wir streichen alle Befugnisse zur verdeckten Datenerhebung, die weder als Gefahrenabwehrmaßnahme geeignet sind, noch aufgrund der in jedem Fall vorliegenden Straftatsrelevanz notwendig sind, da für uns vergleichbare und verfassungsrechtlich saubere Regelungen in der StPO existieren.
Damit wollen wir ein klares Zeichen setzen, dass der nachrichtendienstliche Charakter der Polizei zu Recht gestutzt werden muss.
Wir hatten in der ersten Überlegung auch eine Idee, die sich jetzt mit den Vorschlägen von Grünen und FDP trifft, dass man allein die Befugnisse bürgerrechtlich beschränken sollte. Aber gerade die Ergebnisse der Anhörung haben uns gezeigt, dass aufgrund der Grundrechtsrelevanz, aber auch der fehlenden Notwendigkeit ein Vorhalten von Maßnahmen zur verdeckten Datenerhebung im Polizeiaufgabengesetz auf Vorrat für uns weder inhaltlich noch faktisch begründet ist.
Wir hatten nach den konkreten Beispielen gefragt, die haben wir nicht bekommen. Dann gab es Spekulationen, Fiktionen und wir haben Bereitschaft gezeigt, die anderen Kolleginnen und Kollegen auch, dem Innenminister zu folgen und Geiselnahmen zu diskutieren, an deren Rande sich unbeteiligte Dritte über das Herannahen der SEK unterhalten. Wir haben uns mit Kofferbombenattrappen sowie vergessenen Reisekoffern auf Bahnhöfen beschäftigt, mit Bomben in Koffern, die mittels Handy gezündet werden und auf den Papst zutretende Personen. Das ganze Programm - es waren reine Fiktionen.
Wir kommen zu dem Ergebnis bei allen diesen Szenarien, dass weder Wohnraumüberwachung noch der Einsatz verdeckter Ermittler, noch eine Telekommunikationsüberwachung, erst recht kein Staatstrojaner geeignete Befugnisse zur Abwehr einer sich möglicherweise aus diesen Situationen ergebenden konkreten Gefahr darstellen,
sondern wir beschränken die Befugnisse im Gefahrenabwehrrecht in Zukunft auf drei Bereiche: erstens die Ortung, zweitens die Unterbrechung von Kommunikation und drittens der Einsatz nicht offen ermittelnder Polizeibeamter.
Unser Änderungsantrag sieht vor, dass die Ortung von gefährdeten und vermissten Personen unter Richtervorbehalt gestellt wird bzw. bei Gefahr im Verzug unter eine nachträgliche richterliche Kontrolle.
Zweitens: Wir stellen den Einsatz nicht offen ermittelnder Polizeibeamter und Polizeibeamtinnen ebenfalls unter den Richtervorbehalt und begrenzen diesen Einsatz.
Drittens: Die Unterbrechung laufender Kommunikation ist nur möglich bei einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand des Bundes oder des Landes bzw. für Leib, Leben und Freiheit, bei Drittbetroffenen im
Viertens: Bestellung und Anhörung eines Verfahrensbevollmächtigten bei endgültiger Entscheidung über Nichtbenachrichtigung betroffener Personen durch das Beschwerdegericht ist für uns zwingend. Und - dazu nur ein Satz, aber klar - wir sagen, wir wollen keine Änderung des Ordnungsbehördengesetzes, da die bisherigen Ermächtigungen zum Erlass von Satzungen vollkommen ausreichend sind. Ich glaube, das war auch ein klares Ergebnis der Anhörung.
Doch, für uns ja. Dann haben wir weiteren Änderungsbedarf im PAG formuliert. Ich hatte es auch schon in der ersten Lesung gesagt. Das betrifft für uns Forderungen, die schon lange im Bereich des Grundrechtsschutzes, aber auch im Bereich des Schutzes der Bürgerrechte formuliert sind und von vielen, gerade sich mit dem Polizeirecht systematisch und fachlich beschäftigenden Personen und Institutionen geteilt werden, nämlich die Einführung einer Kennzeichnungspflicht, die Streichung der eine rassistische Kontrollpraxis befördernden Befugnis zur Identitätsfeststellung, die Stärkung des Versammlungsrechts durch Streichung der grundrechtseinschränkenden Eingriffsnorm zur verdachtsunabhängigen Kontrolle von Versammlungsteilnehmern und -teilnehmerinnen, die Stärkung der Rechte von Betroffenen von polizeilichen Maßnahmen und das Verbot von Distanzelektroimpulswaffen in Thüringen und die Einordnung von Reiz- und Betäubungsstoffen als Waffen und nicht mehr als Hilfsmittel. Ich glaube, ein zweiter Moment ist wichtig gerade auch in der Debatte um eine bürgernahe Polizei. Die Stärkung der Transparenz und der Kontrolle polizeilichen Handelns wollen wir durch eine Polizeibeschwerdestelle stärken
und - das ist für uns auch Ergebnis parlamentarischer Arbeit in den letzten Jahren - wir sagen, wir brauchen eine parlamentarische und damit öffentliche Kontrolle polizeilichen Handelns durch einen Polizeiausschuss im Landtag, insbesondere, was den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel durch die Polizei angeht.
Wir haben es jetzt als Parlament in der Hand, ob dies ein guter Tag für die Grund- und Bürgerrechte wird. Bleibt das Gesetz so, wie es vorliegt, ist der Weg nach Weimar, glaube ich, vorgezeichnet.
Ich fände es schade, wenn wir erneut in der Situation stehen müssten, dass die Gerichte uns aufzeigen, wo die rote Linie der Verfassung verläuft. Ich glaube, wir müssten eigentlich hier unsere Aufgabe darin verstehen, heute tatsächlich ein verfassungs
konformes Gesetz auf den Weg zu bringen. Ich hoffe, dass möglicherweise auch durch ein Einsehen der Regierungskoalition noch der Weg eröffnet wird, heute das Gesetz erneut an den Innenausschuss zurückzuüberweisen und uns dort die Möglichkeit zu eröffnen, dass wir hier tatsächlich zu einem PAG kommen werden, wo Verfassungsgerichte uns im Nachhinein nicht rüffeln, sondern loben. Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Renner, es ist mir selten so aufgestoßen wie heute, was Sie hier verkündet haben.
Es ist mir selten so aufgestoßen. Ich fange mal an, weil ich das gleich mal wegräumen will, wie Sie hier wieder die Behauptung aufstellen, wir hätten im Innenausschuss nicht ausgiebig beraten.
Dazu gibt es einen Beschluss, den wir im letzten Innenausschuss ausdrücklich gemeinsam gefasst haben, und wir haben ausgiebig beraten. Ich finde es einfach unredlich, wie Sie sich hier hinstellen und so tun, als ob das nicht gewesen wäre.
Wir haben - was wir sonst sehr selten machen - eine schriftliche und eine mündliche Anhörung gemacht. Was kann man denn noch alles machen!
Jetzt reden alle die mit, die nicht dabei waren. Wir haben noch mal die mündliche Anhörung und wir haben keine Redezeitbeschränkung gemacht. Die konnten alle stundenlang vortragen.
Alle konnten alle Fragen stellen, alle Anzuhörenden konnten ihre Dinge vortragen und wir hatten vorher schon vereinbart, an dem Freitag hatten wir vereinbart, dass wir uns am Dienstag zu einer Sondersitzung treffen und das Ganze noch mal auswerten.
Da hatte jeder genügend Zeit, wenn er gewollt hätte. Das ist das, was mich gleich auf die Palme bringt.
Also ich will noch mal deutlich machen, einfach auch für die Besucher und für die Öffentlichkeit, das ist ausgiebig beraten worden und ich glaube, wir haben selten ein Gesetz so ausgiebig beraten wie dieses. Ich will noch mal ausdrücklich darauf hinweisen, dass hier nicht nur die Änderung, die uns das Verfassungsgericht aufgegeben hat, sondern darüber hinaus folgende europäische Beschlüsse auf Landesebene umgesetzt werden sollen - das geht auch alles unter -:
1. Beschluss des Rates vom 23.06.2008 zur Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus und der grenzüberschreitenden Kriminalität;
2. Rahmenbeschluss des Rates vom 18.12.2006 über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union,
3. Rahmenbeschluss des Rates vom 27.11.2008 über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden.
Ich will Ihnen noch einige kurze Anmerkungen machen. In Umsetzung der Maßnahmen des Verfassungsgerichtshofs sowie der Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag - und, Frau Renner, Sie reden über unseren Vertrag - sind folgende Änderungen im Gesetzentwurf vorgesehen: Verzicht auf eine Bezugnahme auf Straftatenkatalog bei der Datenerhebung mit besonderen Mitteln, § 34; der Telekommunikationsüberwachung, § 34 a; der Wohnraumüberwachung, § 35; der polizeilichen Beobachtung, § 37 sowie der Rasterfahndung, § 44. Ich könnte das noch weiter ausführen, aber wer sich damit befasst hat, weiß, um was es geht.
Ich will Ihnen sagen, auch den zweiten Vorwurf unter dem Motto, wir würden hier sehenden Auges zum Verfassungsgericht ziehen,
Sie glauben doch nicht etwa, dass die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen hier sehenden Auges zum Verfassungsgericht schlittern wollen.