Protocol of the Session on June 20, 2013

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Ich höre zu.)

Meine Damen und Herren, würden Sie den Ausführungen des Staatssekretärs ein bisschen mehr Gehör schenken? Vielen Dank.

und 100 Prozent ab dem Jahr 2014 bedurfte es jedoch aufgrund zweier Besonderheiten eines umfassenden Gesetzes. Nach Artikel 104 a Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes entsteht Bundesauftragsverwaltung, sobald der Bund wenigstens 50 Prozent der Ausgaben trägt. Zudem musste, um den Beschluss der Gemeinde für die Finanzierungskommission entsprechend dem Vorfinanzierungseffekt zulasten von Ländern und Kommunen möglichst gering zu halten, ein neues Verfahren für den Finanztransfer von Bund zu den Kommunen geregelt werden. Mit dem Gesetz vom 20. Dezember 2012 hat der Bund dies getan.

Der Ihnen vorliegende Entwurf enthält die zur Umsetzung des Bundesgesetzes erforderlichen landesrechtlichen Regelungen. Hierbei geht es zunächst um die Änderung der Aufsichtsstrukturen, denn aus der Bundesauftragsverwaltung ergibt sich Fachaufsicht des Bundes gegenüber den Ländern. Die Aufgabe der Grundsicherung nach SGB XII wird bislang von den Landkreisen und kreisfreien Städten im eigenen Wirkungskreis wahrgenommen. Insoweit besteht lediglich eine Rechtsaufsicht. Damit das Land den sich aus der Fachaufsicht des Bundes ergebenden Verpflichtungen nachkommen kann, muss es gegenüber den Landkreisen und kreisfreien Städten Fachaufsichtbefugnisse ausüben. Dementsprechend soll das Thüringer Ausführungsgesetz zum SGB XII dahingehend geändert werden, dass die Aufgabe der Grundsicherung den Landkreisen und kreisfreien Städten zur Wahrnehmung im übertragenen Wirkungskreis zugewiesen wird. Aus kommunaler Selbstverwaltung wird - wie

gesagt - Bundesauftragsverwaltung. Aufgrund der Änderung der Aufgabennatur von Eigenverwaltung zur Wahrnehmung der Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis wird künftig eine Veranschlagung der Kosten im Mehrbelastungsausgleich des KFA erforderlich. Im Grundsatz wurde daher mit den kommunalen Spitzenverbänden vereinbart, dass die Aufwendungen für die Grundsicherung künftig nicht mehr bei der Ermittlung der Schlüsselzuweisung, sondern ab dem Jahr 2015 bei der Ermittlung des Mehrbelastungsausgleichs im KFA berücksichtigt werden soll. Dies wird in der Begründung des Gesetzentwurfs beschrieben.

Bei der Stellungnahme, die wir vom Landkreistag eingeholt haben, ist eine der Forderungen des Landkreistages, dass bereits für das Jahr 2013 und 2014 der Mehrbelastungsausgleich entsprechend geregelt wird. Das halten wir nicht für zielführend bzw. da müsste sozusagen eine Gesetzesänderung auch in dem Bereich gemacht werden. Man muss aber bedenken, dass den Kommunen im Jahr 2014 dann schon die 100 Prozent der Grundsicherung gezahlt werden und das eben nicht mehr angerechnet wird. Das heißt, sie erhalten aus unserem Einzelplan, alle Kommunen zusammen, also die kreisfreien Städten und die Kreise, ca. 18 bis 20 Mio. € zusätzlich, ohne dass das im KFA abgerechnet wird. Das ist sozusagen eine Besserfinanzierung der Kommunen. Ich denke, damit kann man den nicht mehr vorhandenen Mehraufwand, der hier eintritt, weil der Aufwand sozusagen jetzt auch schon da ist, auch als ausgeglichen ansehen. Ab 2015 - wie gesagt - muss das dann neu umgeschichtet werden.

Der Gesetzentwurf enthält zudem landesrechtliche Bestimmungen zur Regelung des Erstattungsverfahrens. Außerdem wurden aufgrund verfassungsrechtlicher Erwägungen des Bundesgesetzgebers Regelungen der Behördenzuständigkeit im SGB XII für die Aufgabe der Grundsicherung für unanwendbar erklärt. Zur landesrechtlichen Regelung der örtlichen Zuständigkeit wird eine neue Vorschrift des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Sozialgesetzbuches aufgenommen. Die sachliche Zuständigkeit ist bereits in der bisher geltenden Fassung des Gesetzes ausreichend geregelt. Ohne landesrechtliche Regelung entsteht hier eine Regelungslücke. Diese Verfahrensweise ist im Grundsatz alternativlos. Eine Beibehaltung der bestehenden Rechtslage ist keine Alternative, da dann der Umstand der neu geschaffenen Bundesverwaltung unberücksichtigt bleiben würde.

Noch mal, um zusammenzufassen: Hier handelt es sich um ein Gesetz, wo die schrittweise Erhöhung des Bundesanteils der Grundsicherung von ursprünglich 8 Prozent jetzt auf 100 Prozent umgesetzt wird. Ich denke, diese Tatsache ist insgesamt erstmal eine sehr gute Regelung, dass der Bund diese Kosten übernimmt. Es konnte auch erreicht

(Staatssekretär Dr. Schubert)

werden, dass die Ist-Kosten abgerechnet werden. Da wir mit einer Steigerung pro Jahr von 5 bis 6 Prozent rechnen, wäre sonst immer doch eine gewisse Lücke zu den 100 Prozent der Fall. Das konnten wir erreichen, dass also 100 Prozent übernommen werden. Wie gesagt, bei gerade steigendem Bedarf in diesem Bereich ist es besonders wichtig, dass die Kommunen und das Land von diesen Ausgaben entlastet werden, dass zukünftig vom Bund übernommen werden kann. Ich denke, dass es jetzt so weit ausreichend ist zur Begründung des Gesetzentwurfs, der ja technischer Natur ist, und denke, dass der auch zustimmungsfähig ist, aber das muss jetzt der Landtag entscheiden. Wie weit Anhörungen dazu erforderlich sind, das überlassen wir natürlich als Landesregierung jetzt dem Thüringer Landtag. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Das Wort hat jetzt in der Aussprache als Erstes der Herr Abgeordnete Koppe für die FDP-Fraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Staatssekretär, Sie haben das ja schon sehr ausführlich dargelegt, was der Inhalt oder die Intention des Gesetzes ist. Tatsächlich ist der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf die logische Konsequenz aus dem Kompromiss über die Höhe der Regelsätze von Hartz IV aus dem Jahre 2010, auch das haben Sie schon angesprochen. Und wer sich noch daran erinnert, der weiß, wie schwierig die Gespräche damals waren, um zu diesem Kompromiss zu kommen. Jedenfalls, und das ist das Ergebnis, sieht der Kompromiss einen Ausgleich für die Kommunen vor. Zur Entlastung der Kommunen hat die Koalition in Berlin ein Milliardenpaket geschnürt. Der Bund nimmt ihnen in drei Schritten und dann ab 2014 komplett die Kosten der Grundsicherung im Alter ab. Damals wendeten die Kommunen dafür rund 3,5 Mrd. € auf. Die Entlastung der Kommunen durch den Bund bis zum Jahr 2015 beläuft sich daher auf 12,24 Mrd. € netto. Nun ist es also so weit, wir als FDP-Fraktion im Thüringer Landtag stehen zum damalig gefundenen Kompromiss und damit auch zu diesem hier vorgelegten Gesetzentwurf, der aus unserer Sicht die logische verwaltungstechnische Konsequenz des damaligen Ergebnisses ist. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Danke, Herr Abgeordneter Koppe. Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Bärwolff für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Vorschlag, die Vorlage des Thüringer Ausführungsgesetzes, ist eine, rein technisch betrachtet, formale Angelegenheit, aber hinter dieser formalen Angelegenheit stehen natürlich auch politische Wirkungsweisen und politische Entwicklungen, auf die damit auch eingegangen wird. Es ist nun nicht so, dass die Bundesregierung einfach so sagt, wir wollen die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung komplett übernehmen, weil es dafür keine Notwendigkeit gibt, sondern die zunehmende Altersarmut und die zunehmenden Steigerungsraten im Rahmen des Niedriglohnsektors und der Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse führen natürlich dazu, dass die Altersarmut immer mehr steigt und die bisherigen Tragzahlen, die die Kommunen, das Land und der Bund tragen müssen, führen natürlich zu Kostensteigerungen seitens der Kommunen, und das können die Kommunen, die ja nur sehr begrenzte kommunale Haushaltsmittel haben, einfach nicht abfangen. In diesem Sinne ist es sehr, sehr gut und sehr sinnvoll, dass die Kosten für die Grundsicherung im Alter übernommen werden, wenngleich natürlich nicht mal jeder zweite Anspruchsberechtigte seine Ansprüche auf Grundsicherung im Alter auch einlöst. Das, denke ich, müssen wir hier auch noch mal miteinander besprechen, wie wir diese Dunkelziffer von Rentnerinnen und Rentnern, die ihre sozialrechtlichen Ansprüche gar nicht wahrnehmen, wie wir dazu kommen, dass die doch tatsächlich mindestens auf diesen Regelsatz aus dem SGB XII hochgestuft werden. Im Großen und Ganzen ist die Übernahme der Kosten schrittweise bis zum Jahr 2014 durch den Bund für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung eine durchaus positive Sache. Das wollen wir als LINKE auch nicht weiter behindern oder torpedieren. Wir möchten nur vor allem unseren Fokus darauf legen, zu sagen, das Geld muss zweckgebunden an die Kommunen überwiesen werden und es muss zeitnah überwiesen werden. Ein solches Debakel, wie wir das mit dem Bildungs- und Teilhabepaket erlebt haben, wo sich auch die Thüringer Landesregierung gegen den Gesetzentwurf der LINKEN gesperrt hat, die eine Zweckbindung der Mittel vorgesehen hat, so ein Debakel brauchen wir nicht noch einmal. In Erfurt wurden über 800.000 € aus dem Bildungspaket in den Straßenbau investiert, gerade weil es keine Zweckbindung gab. Das ist, denke ich, für uns einer der wichtigsten Punkte, dass die Kommunen Geld mit einem Verwendungszweck „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ überwiesen be

(Staatssekretär Dr. Schubert)

kommen und dass das Abrechnungsverfahren nicht, wie das bislang ist, über zweieinhalb bis drei Jahre rückwirkend stattfindet, sondern dass man zeitnah ein Abrechnungsverfahren bekommt, weil die Kommunen eben nicht so viel Geld haben, dass sie das im Vorfeld auszahlen können. Von daher werden wir im Ausschuss sicherlich noch das eine oder das andere dazu technisch besprechen.

Von uns als Links-Fraktion gibt es dazu die Zustimmung, wir würden es auch gerne an den Ausschuss überweisen. Natürlich werden wir dazu auch eine Anhörung machen. Der Gemeinde- und Städtebund wird ja immer angehört von uns. Aber ich denke, dass im Großen und Ganzen mit dem Gesetz nur eine technische Veränderung einhergeht und wir als LINKE stimmen dem zu. Bei all den Schwierigkeiten, die wir auch mit dem SGB XII haben, das ist von uns nicht ganz kritiklos zu betrachten, aber da kommen wir dann sicherlich in der Debatte im Ausschuss noch einmal dazu. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Danke, Herr Abgeordneter Bärwolff. Frage, war das jetzt der Antrag auf Überweisung an den Ausschuss? Danke. Das Wort hat jetzt die Frau Abgeordnete Künast für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist eine notwendige Anpassung von Landesrecht an geändertes Bundesrecht. Auf diese juristischen Gegebenheiten möchte ich aber heute nicht eingehen. Der Herr Staatssekretär hat dieses ja gerade erläutert. Ich möchte stattdessen die Hintergründe, aus denen dieser Gesetzentwurf hervorgeht, erläutern. Das ist für mich als Sozialpolitikerin sehr entscheidend. 2011 war ein Bestandteil des Kompromisses im Vermittlungsverfahren zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - nur zur Erinnerung, auf Druck der SPD - die Erhöhung der Bundesbeteiligung bei den Kosten der Grundsicherung im Alter auf 75 Prozent im Jahr 2013 und 100 Prozent ab dem Jahr 2014. Dies soll die Kommunen finanziell entlasten und ihnen Spielräume eröffnen, um die soziale Infrastruktur zu sichern und zu verstärken. Sie soll zum Beispiel die Schulsozialarbeit ausbauen. Wir sollten nicht vergessen, in der eigentlichen Diskussion damals ging es um die SGB-II-Regelsätze, insbesondere um die Verbesserung von Bildung und Teilhabe für Kinder aus einkommensschwachen Familien. Im Thüringer Kommunalen Finanzausgleich für das Jahr 2013 wurden die gestiegenen Mittel der Bundesbeteili

gung für die Kommunen bedarfsmindernd berücksichtigt. Aber durch die neue Systematik des KFA findet ab 2014 keine Verrechnung mehr statt. Dies bedeutet, dass die zusätzlichen Bundesmittel bei den Kommunen ankommen werden. Weil wir wollen, dass jeder Euro der damaligen Intention der Einigung im Bundesrat auch über 2013 und 2014 hinaus benachteiligten Kindern und Familien zugute kommt, haben wir dafür gesorgt, dass es ein Landesprogramm Schulsozialarbeit gibt. Die damalige Diskussion und der Grund für die Bereitschaft des Bundes zur Kostenübernahme der Grundsicherung im Alter verdeutlichen den Willen des Gesetzgebers, die verbesserte Einnahmesituation der Kommunen für eine Stärkung der sozialen Infrastruktur vor Ort zu nutzen. Dies kommt nicht nur sozial benachteiligten, sondern allen Menschen zugute.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas anderes zu diesem Thema sagen. Die Kosten der Grundsicherung im Alter steigen aufgrund der steigenden Fallzahl zukünftig weiter an. Das bedeutet einerseits, dass die hundertprozentige Übernahme der Kosten durch den Bund, vor allen Dingen auch perspektivisch eine Entlastung der Kommunen darstellt. Es verdeutlicht andererseits leider auch, dass die Gefahr der Altersarmut keine große Gefahr mehr, sondern längst traurige Realität ist. Wir brauchen deshalb für zukünftige Generationen von Rentenempfängerinnen und -empfängern einen gesetzlichen Mindestlohn. Wir haben das schon oft gemeinsam gefordert. Nur gute und tarifvertraglich gesicherte Arbeit gewährleistet eine gesetzliche Rente oberhalb der Grundsicherung. Für heutige Empfänger von Renten unter dem Grundsicherungsniveau muss es eine garantierte Mindestrente weit oberhalb des Niveaus der Grundsicherung geben, denn wer hart arbeitet, hat es im wahrsten Sinne des Wortes wohl verdient. Die SPD hat hierfür das Modell der Solidarrente von 850 € erarbeitet. Aber ebenso wie eine auskömmliche Rente entscheidend sein wird, ist es unerlässlich, dass die Menschen eine soziale Infrastruktur vorfinden, die es ermöglicht, bis ins hohe Alter selbstständig und erfüllt zu leben.

Ich wünsche mir deshalb, dass die Kommunen finanzielle Spielräume nutzen, um die soziale Infrastruktur zu erhalten und zu stärken. Ich denke dabei zum Beispiel an alt werdende Menschen, die eine medizinische oder auch kulturelle Infrastruktur benötigen oder auch zum Beispiel Treffpunkte wie Seniorenbegegnungsstätten brauchen.

Wir müssen in den Kommunen gleichzeitig an diejenigen denken, die ihre alt gewordenen und pflegebedürftigen Angehörigen, Freunde und Nachbarn unterstützen und dabei Beruf und Familie unter einen Hut bringen. Dies ist nur möglich mit einer leistungsfähigen Unterstützungsstruktur vor Ort.

(Abg. Bärwolff)

Damit bin ich bei den Familien mit Kindern, die eine lebenswerte Infrastruktur benötigen. Ich denke hier an Kindertagesstätten, Jugendfreizeitangebote, aber auch an Spiel- und Sportplätze. Nur wenn die Bewohner sich in ihrer Stadt, Kleinstadt oder wo auch immer wohlfühlen, werden sie bleiben. Angesichts der demografischen Entwicklung und des Fachkräftebedarfs wird die Lebensqualität in den Kommunen entscheidend sein für die Bewohner und die Zukunftsfähigkeit des Gemeinwesens.

Ich weiß, viele Kommunen haben finanzielle Probleme und die Versuchung, die Mittel außerhalb der Sozialpolitik einzusetzen, ist sehr groß. Aber ich möchte noch einmal betonen: Die Erhöhung der Bundesbeteiligung bei der Grundsicherung im Alter und bei der Erwerbsminderung hat ihren gesetzlichen Ursprung in einer sozialpolitischen Debatte.

Meine Damen und Herren, das sind die Hintergründe, die in dieser Debatte auch zu beachten sind. Der heute vorliegende Gesetzentwurf trifft notwendige gesetzliche Regelungen, die sich aus der Erhöhung der Bundesbeteiligung für Thüringen ergeben. Er sollte in den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und mitberatend in den Haushalts- und Finanzausschuss überwiesen werden. Das ist ein Antrag. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Künast. Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Siegesmund für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie prekär die Situation vieler Kommunen ist, wissen Sie alle am besten aus den Debatten, wenn es darum geht, kommunale Haushalte aufzustellen und mal wieder bei den sogenannten freiwilligen Leistungen gekürzt werden soll, die in der Tat eigentlich nicht freiwillig sein sollten. Mitten in die Gewitterstimmung hinein will ich deswegen sagen, dass insbesondere seit der Einführung der Grundsicherung eben für die Kommunen nicht nur die Kosten dramatisch gestiegen sind, sondern auch die Fallzahl derjenigen, die es unmittelbar betrifft, nämlich den Bezug von Grundsicherung. Dazu gehören nicht nur ältere Menschen, sondern auch solche Bürgerinnen und Bürger, die aufgrund einer Erwerbsminderung nicht mehr arbeiten können oder deren Einkünfte eben nicht hoch genug sind, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Ich möchte an dieser Stelle meiner Vorrednerin, Frau Künast, ausdrücklich zustimmen, ein Mindestlohn wäre ein Schritt, um diesen Menschen endlich zu helfen,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

zu einem würdevollen soziokulturellen Existenzminimum durch eigener Hände Arbeit zu kommen. Um die Zahlen kurz auf den Tisch zu legen: 2005 waren es noch 630.000 Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung, 2011 sind es bereits 844.000 Menschen, die Leistungen der Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung erhalten haben. Allein von 2010 auf 2011 stieg die Zahl der Hilfebezieher um 5,9 Prozent. Das zeigt, dass hier eine Anpassung nötig ist. Inwieweit, meine sehr geehrten Damen und Herren, man mit durchschnittlich 374 € im Monat auskommt, kann jeder und jede von Ihnen sich einmal selbst vor Augen führen. Wir sagen deswegen auch ganz klar: Die momentane Leistungshöhe ist eben nicht ausreichend für die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums.

(Beifall DIE LINKE)

Die steigenden sozialen Kosten drücken des Weiteren seit Jahren auf die Kommunen. Genau das steht in Rede und deswegen ist dieser Gesetzentwurf auch richtig. So mussten die Kommunen im Jahr 2012 insgesamt 44 Mrd. € für soziale Leistungen aufbringen, allein die Kommunen 44 Mrd. €, das sind übrigens über 1 Mrd. € mehr als im Jahr 2011 und 16 Mrd. mehr als im Jahr 2002, damit man sich das Volumen auch mal vorstellen kann. Das ist, wenn Sie so wollen, eine Steigerung innerhalb von zehn Jahren, die zweimal den Landeshaushalt des Landes Thüringen umfasst, dann hat man ein Bild vor Augen, über was für Summen wir eigentlich reden. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Um die sozialen Ausgaben finanzieren zu können, sparen die Kommunen insbesondere bei sogenannten freiwilligen Leistungen, nehmen Kassenkredite auf und lassen sich andere Dinge einfallen, indem sie beispielsweise auch weniger Investitionen tätigen. Das Geld fehlt an allen Ecken und Enden. So sind viele kommunale Haushalte längst von Investitions- zu Sozialhaushalten geworden zulasten anderer Bereiche. Viele Kommunen können sich deswegen aus ihrer angespannten finanziellen Lage nicht mehr selbst befreien, sie sind strukturell unterfinanziert, und das seit vielen Jahren.

Erst im Jahr 2011 konnte ein erster Schritt zur Entlastung der Kommunen aufgrund des Drucks von Städten und Gemeinden gegangen werden, die sich an der Stelle auch gut organisiert haben. Nach den Verhandlungen der rot-grünen Länder mit der schwarz-gelben Bundesregierung beteiligt sich nun der Bund wenigstens finanziell an der Grundsicherung und stellt sich seiner gesetzgeberischen Verantwortung. Schrittweise wird er nun die Kosten für die Grundsicherung übernehmen, 75 Prozent im Jahr 2013, 2014 100 Prozent als Erstattung an die

(Abg. Künast)

Kommunen. Diese Entlastung ist vor den genannten Zahlen dringend erforderlich, sie ist sehr notwendig. Die Kommunen werden spürbar entlastet in einer hohen Größenordnung und nicht die Kommunen allein dürfen die Verantwortung für Altersarmut und prekäre Beschäftigungssituationen länger tragen. Dieses Signal ist mehr als überfällig, deswegen ist es auch richtig, dass diese Verantwortungsebene klar übertragen wurde.

Noch mal, das ist aber nur ein Teil des Puzzles, was tatsächlich gelöst werden muss. Es gehört dazu, dass der staatlich subventionierte Niedriglohnbereich eingedämmt wird. An vielen Stellen ist das Absacken des Lohnniveaus auch dafür zuständig, dass so viele Menschen mehr Grundsicherung beziehen müssen. An dieser Stelle noch einmal: Ein Mindestlohn gehört zum Puzzle mindestens dazu.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Fraktion begrüßt ausdrücklich die Gesetzesänderung. Wir haben aber einige offene Fragen, die wir gern im Ausschuss diskutieren wollen. Die ersten beiden Stellungnahmen, die vom Landkreistag und Gemeinde- und Städtebund gekommen sind, da geht es um die Frage des Verwaltungsaufwands, es geht um die Frage Abruf und Verteilung der Mittel usw. Das müssen wir uns im Ausschuss sehr genau anschauen, inwieweit diese Bedenken folgerichtig sind, und dann ganz in Ruhe entscheiden. Diese Beratung ist notwendig. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Siegesmund. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Gumprecht für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, bei dem vorliegenden Gesetz handelt es sich im Wesentlichen um ein finanztechnisches Gesetz, bei dem die rechtliche Basis zur Weiterleitung der Finanzen des Bundes an die Kommunen und deren Zuständigkeit geregelt wird. Ich finde es wichtig, dass dies - vor allen Dingen die Weiterleitung - unverzüglich vorgesehen ist und so auch geschieht und dass dabei keine unnötigen bürokratischen Belastungen erfolgen für die Kommunen.

Lassen Sie mich noch mal auf den Werdegang dieser nun gefundenen Lösung eingehen. Die Diskussion über die finanzielle Entlastung der Kommunen kennen wir schon mehrere Jahre. Die Bundesregierung hatte dazu im März 2010 eine Gemeindefinanzkommission eingesetzt. Diese hatte den Auftrag, Vorschläge zur Neuordnung der Gemeindefinanzen zu erarbeiten. Ein Punkt - und über den reden wir heute - war und ist das Ergebnis, die Kom

munen bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu entlasten. Dafür - und das ist auch schon hier gesagt worden - soll die Bundesbeteiligung von damals 15 auf 45, heute 75 Prozent schrittweise angehoben werden. Ab dem Jahr 2014 wird der Bund die Kommunen für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vollständig entlasten, das heißt, zu 100 Prozent übernehmen. Es wird weiterhin darauf Wert gelegt, dass vor allen Dingen eine zeitnahe Erstattung sichergestellt werden soll.

Meine Damen und Herren, die Gesetzesumsetzung und die Kostenübernahme erfolgten dann in der Veränderung des SGB XII im vierten Kapitel. Ich weise noch mal darauf hin, darin ist keine Änderung des Leistungsumfanges enthalten, es geht dort nur um die Frage der Übernahme der Kosten. Ich möchte jetzt nicht noch mal auf die Frage zur Zuständigkeit eingehen. Das hat Herr Dr. Schubert sehr ausführlich bei der Einbringung getan.

In Thüringen wurden die Aufgaben zum SGB XII seit 2004 in den eigenen Wirkungskreis der Landkreise übertragen. Damals erfolgte dies aufgrund des gewaltigen Kostenanstiegs in der Sozialhilfe, um ein Korrekturinstrument einzuführen, dass die Landkreise darauf achten sollten. Nun mit der bundesrechtlichen Regelung ist auch eine landesrechtliche Regelung über die Wahrnehmung der Aufgaben für die Landkreise und kreisfreien Städte notwendig. Deshalb sieht das vorliegende Ausführungsgesetz die Übertragung der Aufgabe der Grundsicherung in den übertragenen Wirkungskreis der Landkreise und kreisfreien Städte vor. Die Landesregierung, weil es hier gerade angesprochen wurde, hat gerade den Forderungen, die der Landkreistag hier aufgemacht hat, in sehr großem Umfang entsprochen, und ich finde, das war sehr positiv. Ich denke, da ist sehr unkompliziert gerade im Dialog gehandelt worden. Ich glaube, das ist ein sehr sinnvolles Gesetz geworden.

Ich möchte noch mal auf die Frage der Finanzen eingehen. Die Einnahmen als auch die Ausgaben sind ja bereits in unserem Landeshaushalt 2013/14 im Einzelplan 8 enthalten. Ein Blick in den Landeshaushalt zeigt den Anstieg von 24,3 Mio. 2012, über 43,1 Mio. in diesem Jahr auf 62,2 Mio. im Jahr 2014. Darin sind auch schon gestiegene Fallzahlen enthalten. In der Steigerungsquote ist nicht nur die Erhöhung um die weiteren 25 Prozent enthalten, sondern auch schon ein Anstieg in den weiteren Fallzahlen. Das ist ein Thema, das Frau Siegesmund angesprochen hat und das finde ich gerade wichtig, dass das Thema des Fallzahlenanstiegs nicht mehr den Landeshaushalt und die Kommunen belastet, sondern das übernimmt der Bund. Nicht nur, dass ich die Übernahme begrüße, sondern ich halte auch den Grundsatz für notwendig, denn für mich war dies immer ein Strukturfehler. Die Grundsicherung war und ist für mich immer eine Bundes

(Abg. Siegesmund)