(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Aber das haben wir heute noch gar nicht gehört, das ist etwas ganz Neues.)
Zum Zweiten sind wir in einer Koalition und sind natürlich auch gern bereit, unserem Stigma zu widersprechen, das heute schon öfter erwähnt wurde, auch gerade von Ihnen, nämlich dass die Sozialdemokraten nicht sparen wollten. Natürlich müssen wir den Haushalt bedenken und deswegen hat Frau Künast so gesprochen.
Die Koalitionspartner haben sich verpflichtet, besonderes Augenmerk auf die Seniorenmitbestimmung zu legen. In einem demokratischen Gemeinwesen sind die Interessenvertretungen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen von hoher Bedeutung. Aufgrund der demographischen Entwicklung wird der Anteil der Seniorinnen und Senioren an der Gesamtbevölkerung weiter zunehmen. Lag er nach der amtlichen Statistik im Jahr 2006 bei 26,9 Prozent, wird er im Jahr 2020 bei 36,6 Prozent liegen. Im Übrigen ist diese Statistik nicht auf die 55-Jährigen und Älteren gelegt, sondern erst ab 65. Das bedeutet einen Anstieg des Seniorenanteils innerhalb von 14 Jahren um 9,7 Prozentpunkte. Aufgrund ihres steigenden prozentualen Anteils am Wahlvolk wächst zum Beispiel der Einfluss der Seniorinnen und Senioren auf die Besetzung der kommunalen Ebene wie Stadtrat oder Kreistag. Jeder von Ihnen weiß selbst Beispiele vor Ort, vor allen Dingen im ländlichen Raum, wo sich ganz wenige junge Menschen auch heute noch zu einem Gemeinderatsmandat verpflichten können, weil sie das aus beruflichen Gründen oft nicht mehr können. Die Bevölkerungsgruppe der Seniorinnen und Senioren nimmt selbst bis ins hohe Alter als Kandidatin oder als Kandidat für kommunale Vertretungen zu. Ich denke, Frau Jung, man muss es ja nicht mit Johannes Heesters halten. Das habe ich auch gestern bei der Parität gesagt. Der Vergleich ist nicht immer ganz gut, aber ich wünsche Ihnen natürlich Gesundheit, wenn Sie 100 sind, denke ich, das ist ganz wichtig, und vielleicht können Sie Ihr Stadtratsmandat dann auch noch wahrnehmen. Das könnte ja zum Beispiel sein. Denn das Thüringer Wahlrecht sieht ebenso wie das Landeswahlrecht keine Obergrenze für eine Tätigkeit zum Beispiel als Gemeinderatsmitglied, als Kreistagsmitglied oder als ehrenamtlicher Bürgermeister oder Bürgermeisterin vor. Bürgerinnen und Bürger können sich deshalb bereits heute im Seniorenalter für die kommunalen Belange einsetzen. Sie bringen Erfahrung eines langen Lebens und die persönlichen Kenntnisse um die Bedürfnisse der Seniorinnen und Senioren in kommunale Arbeit ein.
Der Gesetzentwurf bestimmt in § 3 die Verpflichtung der Landkreise und kreisfreien Städte, Seniorenbeiräte zu bilden. Seniorenbeiräte setzen sich auf politischer Ebene für die speziellen Belange der älteren Bürgerinnen und Bürger ein. Ich teile das Argument von Frau Siegesmund. Natürlich muss man schauen, was bei den Landkreisen passiert, wenn Seniorenbeiräte eingesetzt werden. Ganz anders als bei den Städten, also bei den kreisfreien, aber auch bei den Gemeinden, wo wir heute ja schon aktive Seniorenbeiräte haben, ist es schwierig in einem größeren Landkreis Seniorenbeiräte tatsächlich in die Funktion zu bringen, in die sie auch kommen sollen, nämlich an bestimmten Stellen auch Einfluss zu nehmen. Ich halte das für problematisch. Wir haben, wie gesagt, auch heute ohne gesetzliche Regelungen Seniorinnen und Senioren in bestimmten Formen der Mitbestimmung dabei und sie existieren nirgendwo losgelöst von der Unterstützung der Kommunen, sondern sie werden ganz im Einvernehmen sowohl mit dem Bürgermeister, mit der Bürgermeisterin, mit dem Gemeinderat unterstützt. Ich persönlich kenne zumindest keinen Seniorenbeirat, der an der Stelle nicht auch die Unterstützung der Exekutive hat.
Die Bedeutung der Landesseniorenvertretung haben wir bereits hervorgehoben und entsprechend der Bedeutung hat das Land im vorigen Jahr auch Fördermittel in bereits besagter Höhe von 75.000 € ausgereicht. Ich denke, das ist auch weiterhin notwendig und wichtig. Gerade die Landesseniorenvertretung hat uns in bestimmten Bereichen in der Vergangenheit gut beraten und die Interessen ihrer Altersgruppe vertreten. Für das Hauhaltsjahr 2010 ist deshalb im Entwurf des Landeshaushalts der gleiche Betrag wie im Vorjahr zur Förderung vorgesehen.
Neue gesetzliche Regelungen sollten sich auf solche Bereiche beschränken, bei denen das Ziel der besseren Teilhabe am öffentlichen Leben von Seniorinnen und Senioren nicht auf andere Weise erreicht werden kann. Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE geht von Mehrkosten für das Land von 1,15 Mio. € aus, wenn man 23 Gebietskörperschaften mal 50.000 € rechnet. Bei dem vorgesehenen Sockelbetrag ist das der Fall und sogar von 1,725 Mio. € bei Inanspruchnahme des Erhöhungsbetrags. Unausgesprochen bleibt dabei, dass der Erhöhungsbetrag zu gleichen Teilen von den Kommunen gegenfinanziert werden muss, so dass auch bei den Kommunen Mehrkosten von 575.000 € anfallen. Dazu kommt die wissenschaftliche Begleitung, die ist finanziell gar nicht erwähnt. Wenn Sie heute schauen, bekommen Sie keine wissenschaftliche Begleitung ohne fiskalische Spielräume.
ebene fordern sie alle zwei Jahre das Berichtswesen ein. Ich kann sagen, dass im Sozialministerium dazu Kapazitäten gar nicht mehr vorhanden sind. Ich habe sage und schreiben drei Personen noch im Referat Seniorenpolitik wegen der Einsparung im Bereich Personalwesen. Das heißt, auch die Berichte sind so einfach nicht abzufassen. Auch auf kommunaler Ebene kann das nicht ohne Weiteres von der Verwaltung erbracht werden. Auch da kommen noch einmal finanzielle Aufwendungen hinzu. Die Verantwortung für Bildung von Seniorenbeiräten liegt auf der kommunalen Ebene. Gleiches gilt für Seniorenbüros, welche die Aufgabe haben, ältere Menschen unmittelbar über die sie betreffenden Angelegenheiten zu beraten und zu informieren. Wir wissen, dass wir in der Vergangenheit stückweise Förderung im Haushalt hatten, also quasi Anschubfinanzierungen für Seniorenbüros, die überall gern angenommen wurden. Es ist auch der finanziellen Lage des Landes geschuldet, dass diese Förderung nicht mehr in dieser Form erfolgen kann.
Gemäß Koalitionsvertrag sollen die Seniorenbüros bedarfsgerecht ausgebaut und gesichert werden. Bedarf es dazu aber einer gesetzlichen Regelung, die massiv in die kommunale Selbstverwaltung eingreift? Bereits mit dem Erlass vom 11. Oktober 1994 hat die Landesregierung erkannt, dass die Seniorinnen und Senioren als wichtiger Bestandteil der Gesellschaft beratenden Charakter haben sollten und sich mit ihren Lebenserfahrungen einbringen sollen. Deswegen wurde von der damaligen Landesregierung der Beirat für Fragen zur Lebenssituation älterer Menschen, der sogenannte Landesseniorenbeirat gebildet. Er berät die Landesregierung in grundsätzlichen Fragen der Seniorenpolitik. Insofern also seit 16 Jahren ein Gremium, in dem Seniorinnen und Senioren auch auf Landespolitik Einfluss nehmen. Wir sind dabei, ein seniorenpolitisches Konzept zu erarbeiten, und auch das - wissen Sie - steht auf der Agenda der Landesregierung. Bevor wir also eine landesgesetzliche Regelung auf den Weg bringen, bedarf es einer gründlichen Analyse dazu, wie aktuell Interessen von Seniorinnen und Senioren in Thüringen vertreten werden. Darauf aufbauend wird die Landesregierung Strategien entwickeln, die mit dem weiteren Verlauf, wie Seniorinnen und Senioren auch eingebunden werden können, zeigen werden, dass die Landesregierung gerade diese Bevölkerungsgruppe sehr ernst nimmt und wir auch wollen, dass sich Seniorinnen und Senioren aktiv einmischen. Ich will abschließend aber auch eines sagen: Auch diese Bevölkerungsgruppe hat ein besonderes Recht. Sie hat das besondere Recht, sich auch nicht einmischen zu wollen. Auch das ist klar. Das haben wir bei vielen, die sich so kurz vor dem Ruhestand befinden, die sagen auch, wir wollen jetzt einfach nicht mehr mitmachen. Deswegen, auch das muss gestattet sein, es darf nicht stigmatisiert werden, dass man
einfach sagt, ich will mein Leben, den dritten oder vierten Lebensabschnitt, je nachdem, wie sie ihr Leben einteilen, auch genießen. Danke.
Vielen herzlichen Dank, Frau Ministerin Taubert. Es gibt eine weitere Wortmeldung vom Abgeordneten Kubitzki.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, manches treibt mich hier noch einmal vor, weil - ich muss den Satz noch einmal gebrauchen -, richtiges Lesen hilft verstehen, Herr Gumprecht. Wenn wir schon davon reden, dass wir die schriftliche Anhörung gemacht haben, ist das richtig. Aber dann kann ich mich natürlich nicht bloß hier vorn hinstellen und kann aus dem Anhörungsbericht der Seniorenunion berichten. Zweitens erinnere ich daran, es fand hier in diesem Haus unter der Schirmherrschaft der damaligen Landtagspräsidentin der erste Sozialgipfel im Jahr 2008 statt, wo genau die, die hier saßen, die Seniorenverbände, die bessere Mitbestimmung von Senioren in der Politik gefordert haben - hier in diesem Saal.
Die Senioren haben letztes Jahr in der Fassung so, wie wir das Gesetz eingebracht haben, das haben wir nämlich mit den Betroffenen, mit den Verbänden diskutiert, gewollt. Na klar, sollten wir auch im Ausschuss - und da bin ich dankbar, dass sie dort mitmachen, dass das in den Ausschuss geht - über das eine oder das andere noch einmal diskutieren. Dazu sind wir gern bereit.
Eines möchte ich noch einmal dem Kollegen Koppe sagen: Was die Kommunen betrifft, so wollen wir wirklich nur, dass dort Seniorenbeiräte in den Kommunen oder Büros gebildet werden, wo es nicht die Kommunen wünschen, sondern wo es die Senioren wünschen.
Das steht nicht drin, nicht mit Diktat. Wenn es Senioren gibt, die in den Kommunen das wünschen, wir wollen einen Beirat haben, wir wollen ein Büro haben, dann sollte das gegründet werden. Also es geht immer von den zu Vertretenden aus. Aber was
auch mit der eigentliche Grund ist, warum ich hier noch einmal mit vorgegangen bin: Frau Ministerin und Frau Künast, ich muss mich bedanken.
Jetzt habe ich endlich begriffen, was der Unterschied ist, wenn ich in diesem Haus Opposition bin, und ich habe endlich begriffen, was es ist, wie ich dann reden muss, wenn ich Regierungspartei bin. Also das haben Sie jetzt hier, Frau Künast, anschaulich dargestellt, das war toll.
Und da danke ich Ihnen auch, Herr Koppe, ich habe das Protokoll auch da von Ihrer Rede. Frau Künast, wörtlich, ich darf zitieren aus der damaligen Landtagssitzung am 12.12.2008: „Dass ein solcher Gesetzentwurf von der Opposition eingebracht werden muss, ist nun einmal mehr ein trauriger Beweis für die Untätigkeit der Landesregierung in diesem Bereich.“
Weiter das Zitat: „Dass sich in dem Bereich bis heute nichts tut, das ist schon ein Schlag ins Gesicht der Interessenvertreter.“ Aber jetzt, Frau Künast, das Beste hebe ich mir immer zum Schluss auf, weil jetzt kommt es zum Inhalt, Frau Künast, was Sie hier gesagt haben. Ich zitiere Sie wieder. Ich werde auch das Protokoll jetzt lesen, wenn es fertig ist, was inhaltlich betrifft, was Sie damals gesagt haben und was Sie heute gesagt haben. „Dieser“ - also der Gesetzentwurf gemeint - „enthält vieles von dem, was meine Fraktion“ - also Sie - „bereits im April des letzten Jahres in einem Antrag von der Landesregierung gefordert hat, nämlich eine Stärkung der Landesseniorenvertretung, die Erstellung kommunaler Seniorenförderpläne, Erstellung eines Seniorenförderplanes für das Land und die wissenschaftliche Unterstützung der Kommunen.“ Ich höre jetzt auf zu zitieren, ich könnte noch weitermachen.
Also was, Frau Künast, was interessiert mich das Geschwätz von gestern? Und an Sie, Frau Ministerin, habe ich natürlich jetzt auch noch eine Sache. Sie sagen, für das Berichtswesen, was wir fordern, haben Sie keine Kapazitäten. Im letzten Plenum hatte ich die Mündliche Anfrage hier gestellt zur Problematik Sozialplanung und dass dazu natürlich auch
Sozialberichterstattung gehört. Da hat Ihr Staatssekretär hier als Antwort gesagt: Jawohl, wir wollen Sozialplanung machen, und da gehört auch Sozialberichterstattung dazu. Jetzt muss ich lesen, wir haben keine Kapazitäten dafür. Da muss ich jetzt natürlich fragen, welche Bedeutung hat dann die Stabsstelle Sozialplanung und hat sie dann nur noch eine Alibifunktion? Danke schön.
Sehr geehrter Herr Kubitzki, die Wirtschaftskrise war damals noch nicht in dem Maße so absehbar mit den finanziellen Folgen, zumindest für Thüringen, das will ich zum Ersten sagen.
Zum Zweiten will ich sagen: Sozialplanung, die wir meinen und die wir auch machen werden, ist nicht identisch mit Ihren Forderungen. Sie wollen alle zwei Jahre Seniorenberichterstattung auf kommunaler Ebene sowie auf Landesebene machen. Das ist ein ganz anderer Umstand. Ich denke schon, wir wissen ja, dass DIE LINKE mit Unschärfen sehr gern populistisch arbeitet, aber die Unschärfen wollen wir auflösen. Es geht um was anderes, und zwar um viel stärkere Aufwände.
Und dann muss ich sagen, auch da kennen Sie Ihren Gesetzentwurf nicht. Es ist eben nicht wahr, was Sie zu Herrn Koppe gesagt haben, dass Sie nur da Seniorenbeiräte haben wollen, wo Senioren das wollen. Ich lese Ihnen Ihren Gesetzentwurf gern vor, weil Lesen bildet, wurde heute schon mehrfach gesagt. In § 3 - Seniorenbeiräte auf kommunaler Ebene - Absatz 1: „In Landkreisen und kreisfreien Städten werden gemäß § 26 Abs. 5 und § 105 Abs. 2 Thüringer Kommunalordnung Seniorenbeiräte gebildet.“
Das heißt, es ist Pflicht. Es ist also keine Möglichkeit, das zu tun, sondern es ist einfach Pflicht nach Ihrem Gesetz. Ich denke, da darf man dann nicht davor zurückschrecken, sondern muss sagen, was man ins Gesetz auch reingeschrieben hat.
Herr Kubitzki, Sie haben gesagt, es kann nur dort gebildet werden, wo man es wünscht, und die Landkreise werden verpflichtet, die kreisfreien Städte haben ohnehin Seniorenbeiräte. Das sind wieder kleine Unschärfen, die sollten wir hier nicht durchgehen lassen.
Vielen herzlichen Dank, Frau Ministerin Taubert. Ich frage: Gibt es weitere Wortbeiträge? Das ist nicht der Fall.
Es wurde Ausschussüberweisung beantragt an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. Die Federführung soll beim Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit liegen.
Wir stimmen jetzt ab über die Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Wer dieser zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Vielen herzlichen Dank. Gibt es Gegenstimmen? Nein. Enthaltungen? Danke schön. Damit ist die Ausschussüberweisung so bestätigt.
Weiterhin stimmen wir ab über die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. Wer dieser zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Vielen herzlichen Dank. Gegenstimmen? Danke schön. Enthaltungen? Vielen herzlichen Dank.
Dann stimmen wir jetzt über die Federführung ab. Es wurde beantragt, dass die Federführung beim Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit liegen soll. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Vielen herzlichen Dank. Gegenstimmen? Keine. Enthaltungen? Damit ist auch die Federführung einstimmig beschlossen.
Drittes Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalwahlgesetzes Gesetzentwurf der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/478 - ERSTE BERATUNG
Ich frage: Wünscht die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort zur Begründung? Nein. Dann treten wir direkt in die Aussprache ein, die eröffnet die Wortmeldung des Abgeordneten Dirk Adams von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.