Protocol of the Session on February 25, 2010

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist das Gute an diesem Entwurf und unser grüner Ansatz ist, jedem Menschen in jeder Lebensphase ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin namens meiner Fraktion sehr daran interessiert, dass wir diesen Entwurf im Ausschuss diskutieren, denn ich habe selbst einen ganzen Katalog von Fragen. Das beginnt damit, ob die Altersgrenze, ab der man nach dem Gesetz als Seniorin oder Senior gilt, bei 55 liegt, weil ganz viele sich gerade heut

zutage nicht mit 55 Jahren bereits als Senior oder Seniorin einstufen würden.

Entschuldigung, Frau Abgeordnete Siegesmund. Ein Hilferuf an die Technik: Irgendwie hallen wir uns hier gegenseitig an. Es ist so ein Echo. Möglicherweise ist es jetzt besser.

Gut, dann mache ich weiter. Ist das zu hören?

(Heiterkeit im Hause)

Jetzt hat Frau Abgeordnete Siegesmund gar keinen Ton mehr.

Ich habe das Gefühl, man hört mich schon. Ich sehe das auch.

Der Punkt, bei dem ich gerade war, ist, dass man darüber reden muss, ob sich Senioren in der Regel ab 55 Jahre auch in diese Gruppe einstufen würden oder nicht. Darüber muss man einfach reden.

Die nächste Frage ist die Ansiedelung von Seniorenbeiräten auf Landkreisebene. Das gibt es zwar in anderen Bundesländern, aber es wird natürlich ganz oft von Senioren bezweifelt, ob das auf Ebene der Landkreise wirklich sinnvoll ist. Das muss man diskutieren. Deswegen ist es auch sinnvoll, das im Ausschuss zu tun.

Dann ist die Frage, welche Stellung der Landesseniorenbeirat künftig hat bzw. was mit der Landesseniorenvertretung passiert. Alles Punkte, die wir diskutieren müssen. Was passiert mit dem Landespflegeausschuss? Viele Fragen, ich könnte diesen Katalog jetzt auch fortsetzen, die wir im Ausschuss diskutieren sollten.

Ein wichtiger Punkt, den wir dort auch diskutieren sollten, ist grundsätzlich: Wenn wir die Interessenvertretung von Seniorinnen und Senioren durch ein Landesgesetz regeln, ist es dann so, dass wir andere gesellschaftliche Gruppen nicht demgegenüber genauso sehr mit Mitbestimmungsrechten versehen sollten. Ich erinnere hier an unseren Antrag zur Mitbestimmung von Studierenden. Man muss schauen, dass man dann verschiedene andere Gruppen vergleichbar einbezieht. Da geht es um Kinder und Ju

gendliche, um Familien, natürlich auch um Behinderte. Darüber müssen wir reden und ich freue mich sehr auf die Debatte im Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Familie.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Siegesmund. Es hat jetzt das Wort Abgeordnete Künast von der SPD.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wie schon im Dezember des Jahres 2008 sprechen wir heute über den Entwurf eines Seniorenmitbestimmungsgesetzes vonseiten der LINKEN. Nicht nur das, wir sprechen sogar fast über den wortgleichen Entwurf. Wenn ich es richtig gelesen habe, wurde lediglich in der Gesetzesbegründung die allzu marxistisch klassenkämpferische Rhetorik gestrichen.

Meine Damen und Herren, damals wie heute ist es ein Anliegen der SPD, die Mitwirkungsrechte von Seniorinnen und Senioren im politischen Prozess in Thüringen zu stärken. Aber ich habe damals auch angemerkt, dass es zu dem Gesetzentwurf einen erheblichen Diskussions- und Änderungsbedarf gibt. Den Gesetzentwurf damals haben wir im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit in der letzten Wahlperiode diskutiert. Leider konnten wir ihn nicht abschließend behandeln. Was wir aber getan haben, war, eine schriftliche Anhörung zahlreicher Betroffener vorzunehmen und diese auch auszuwerten. In den damals eingegangenen Stellungnahmen hat es wie erwartet eine Vielzahl von Anmerkungen und Änderungsvorschlägen gegeben. Ich möchte hier z.B. auf die Kritik an der Definition Senior ab einem Alter von 55 Jahren oder auch an dem als zu kurz eingeschätzten Berichtszeitraum des Seniorenberichts von zwei Jahren hinweisen. Auch die Art und Weise der Beteiligung der Kommunen war damals ein Diskussionspunkt. Ebenso die künftige Rolle der Landesseniorenvertretung - jener Institution, die sehr gute Arbeit leistet und unter den Senioren angesehen und respektiert ist und deshalb auch laut aktuellem Haushaltsentwurf mit 75.000 € im Jahr 2010 gefördert werden soll. Durch den Gesetzentwurf würde die Landesseniorenvertretung faktisch obsolet werden. Aber auch hierzu hat es im heute vorliegenden Gesetzentwurf keine Ausführungen gegeben. Es wundert mich deshalb schon ein wenig, dass Sie, meine Damen und Herren von der LINKEN, sich entschlossen haben, den Gesetzentwurf wortgleich erneut einzubringen. Warum haben Sie die Punkte, die damals kritisiert worden waren, nicht in den Entwurf aufgenommen?

Meine Damen und Herren, für eine zukunftsfeste Seniorenpolitik in Thüringen stellen wir derzeit die Weichen. Neben der soliden Finanzierung der Landesseniorenvertretung möchte ich z.B. auch auf einen neuen Titel im aktuellen Haushaltsentwurf hinweisen, der unter anderem zur Unterstützung der Erstellung kommunaler seniorenpolitischer Konzepte genutzt werden soll. Diese werden Grundlage weiterer Planungen. Die Intention des Gesetzentwurfs, Seniorinnen und Senioren stärker in die politischen Entscheidungsprozesse einzubinden und dies vor allem umfänglich auf allen Ebenen und von Anfang an, ist zu begrüßen. Dass wir dieses Anliegen teilen, zeigt sich auch darin, wie mein Kollege schon sagte, dass wir den Bedarf für weitergehende gesetzliche Regelungen der Seniorenmitbestimmung im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben. Über die Zielrichtung des Gesetzentwurfs herrscht somit kein Dissens. Meiner Einschätzung nach schießt der vorliegende Gesetzentwurf jedoch eindeutig über das Ziel hinaus und dies teilweise wider besseren Wissens nach den ausführlichen Anmerkungen betroffener Organisationen.

Meine Damen und Herren, man kann die Mitbestimmung von Seniorinnen und Senioren auch einfacher regeln. Dazu möchte ich auf Mecklenburg-Vorpommern hinweisen, wo in diesem Jahr durch die Landesregierung ein Seniorenmitwirkungsgesetz in den Landtag eingebracht worden ist. Dort geht es rein um die Festschreibung von Mitwirkung von Seniorinnen und Senioren auf allen politischen Ebenen. Auf die reine Festschreibung von Mitwirkungsrechten bezieht sich im Übrigen auch der Gesetzentwurf, den DIE LINKE in Mecklenburg-Vorpommern eingebracht hat. Sie hier hingegen sind für Thüringen förmlich einem Regelungswahn erlegen und haben ein Rundum-Sorglos-Paket zusammengeschnürt, das so nicht umzusetzen ist. Das ist auch in der schriftlichen Anhörung zu dem Thema damals deutlich geworden. Nun gut, Sie können ja sagen, der Gesetzentwurf ist der Diskontinuität zum Opfer gefallen. Aber wenn Sie es wirklich ernst meinten mit dem Gesetzentwurf, hätten Sie die Stellungnahmen der schriftlichen Anhörungen mit berücksichtigt. Ich betone nochmals, auch wir wollen die Mitwirkung von Seniorinnen und Senioren in Thüringen gesetzlich weitergehend als derzeit regeln. Dabei müssen wir aber zunächst schauen, was bereits vor Ort besteht, worauf aufgebaut werden kann und was neu zur Verfügung gestellt werden kann. Wir wollen nicht jeder Kommune etwas aufoktroyieren, sondern bedarfsgerecht anregen und unterstützen. Etwas anderes ist unserer Ansicht nach gar nicht möglich. Aber wir bitten hier, dass wir diesen Gesetzentwurf dann noch einmal im Ausschuss diskutieren, da es jetzt noch zwei neue Fraktionen gibt, die damals bei der Diskussion nicht mit dabei waren. Ich denke, auch die sollen die Gelegenheit haben, mit uns darüber zu

diskutieren. Darum bitte ich, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten zu überweisen.

(Beifall SPD)

Vielen herzlichen Dank, Frau Künast. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Marian Koppe von der FDP.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, es hat mich schon etwas erstaunt, was meine Kollegin Frau Künast jetzt hier ausgeführt hat, weil ich habe mir mal die Mühe gemacht und mir ihre Rede im Dezember 2008 angeschaut.

(Beifall DIE LINKE)

Es wird Sie sicherlich nicht wundern, aber ich habe wirklich extrem große Unterschiede festgestellt.

(Beifall FDP)

Aber egal, ich glaube, das Thema ist trotzdem wichtig genug, um auch aus unserer Sicht ein paar Punkte hier beitragen zu wollen.

(Zwischenruf Abg. Hauboldt, DIE LINKE: Hast du gut gemacht.)

Zum Ersten ist die Intention des Gesetzes, die die Mitbestimmungs- und Vertretungsrechte der Seniorinnen und Senioren stärken soll, grundsätzlich zu begrüßen. Seniorenvertretungen und andere Formen der Mitbestimmung sind aus unserer Sicht ein wichtiges Instrument, um die Mitsprache und Mitgestaltung eben dieser Bevölkerungsgruppe zu ermöglichen. Sie nämlich fungieren als Plattform für die Anliegen der älteren Menschen und stellen konstruktive Entscheidungshilfen auch für die lokale Politik dar. Niemand, denke ich, kann in unserem Land die Augen davor verschließen, dass unsere Gesellschaft immer älter wird und dass im gleichen Atemzug die Bevölkerungszahl abnimmt. Ohne die aktive Teilnahme der älteren Generation sind die anstehenden Aufgaben deswegen aus logischen Schlussfolgerungen nicht zu bewältigen. Ihre Lebensweisheit, ihr Engagement im gesellschaftlichen Bereich, zum Beispiel als ehrenamtliche Mitarbeiter in Gemeinde- oder Stadträten, ist notwendig, auch auf der Seite die richtige Politik für die Bürger zu machen. Denn nur wenn Generationen miteinander leben und füreinander Verantwortung zeigen, wird das ländlich geprägte Thüringen seine Attraktivität als Mittelpunkt für die Menschen erhalten können. Mitbestimmung ist wichtig,

gar keine Frage. Sie garantiert pluralistische Entscheidungen, sie garantiert Interessenvertretungen und sie ist natürlich auch Voraussetzung für Interessenwahrung von verschiedenen Interessengruppen.

Die Beteiligung von Senioren an kommunalen Entscheidungsprozessen kann in vielfältiger Form erfolgen. Die Einrichtung von Seniorenbüros und die Bildung von Seniorenbeiräten gehören zwar zu den wichtigsten Formen der Seniorenbeteiligung, stellen aber längst nicht die einzigen dar. So kann zum Beispiel ein Gemeinde- oder Stadtratsmitglied oder eine Person außerhalb des Gemeinde- und Stadtrates zum Seniorenbeauftragten ernannt werden oder die Wünsche und Anliegen der älteren Menschen werden durch Fragebogenaktionen erhoben. Auch die regelmäßige Abhaltung von Seniorenversammlungen wird in einigen Kommunen bereits erfolgreich praktiziert, auch ohne eine gesetzliche Doktrin dessen.

(Beifall FDP)

Die Seniorenbeteiligung lebt nämlich grundsätzlich vom aktiven Engagement der Senioren, auf das die Kommunen in Zukunft stärker denn je bauen müssen. Dieses Engagement hängt aber auch von den örtlichen Gegebenheiten ab - ich sage das noch einmal ganz deutlich - und ist daher innerhalb der kommunalen Struktur in Thüringen sehr unterschiedlich ausgeprägt.

(Beifall FDP)

Während es beispielsweise in kreisfreien Städten flächendeckend eine Seniorenvertretung bzw. einen Seniorenbeirat gibt, ist dies auf Ebene der Landkreise und der dazugehörenden Gemeinden nur partiell vorhanden. Die Seniorenfreundlichkeit einer Kommune kann unseres Erachtens nicht an der Schaffung von Seniorenbüros festgemacht werden, jede Kommune muss selbst entscheiden können, welche Form der Beteiligung und Unterstützung von Senioren vor Ort als Erfolg versprechend angesehen werden kann.

(Beifall FDP)

Über die Schaffung von Seniorenbüros sollten die Kommunen deshalb auch weiterhin selbstständig entscheiden können. Die örtlichen Strukturen sind unseres Erachtens so unterschiedlich, als dass sie sich selbst auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte unter ein Schema packen lassen können. Förderangebot, Kostentragung sowie Änderungen der Thüringer Kommunalordnung sind für uns Punkte im vorliegenden Gesetzentwurf, die differenziert betrachtet werden müssen und konstruktiv im Sinne der Se

niorinnen und Senioren in den Ausschüssen beraten werden sollten.

Im Namen meiner Fraktion schließe ich mich der Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit an. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, FDP)

Vielen herzlichen Dank, Herr Koppe. Ich frage: Gibt es weitere Wortmeldungen? Das ist nicht der Fall. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit und an den Ausschuss für Justiz...

(Zwischenruf Taubert, Ministerin für So- ziales, Familie und Gesundheit: Ich würde schon gern reden wollen.)

Entschuldigung, Verzeihung, dann selbstverständlich. Ich hatte geschaut, Sie hatten sich nicht gemeldet, Frau Taubert. Die Ministerin hat jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich hatte angenommen, dass die Landesregierung automatisch noch aufgerufen wird, nachdem die Abgeordneten ihre Beiträge vorgetragen haben. Das war ein Missverständnis zwischen uns beiden.

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE)

Ja, ich habe mich ja noch rechtzeitig, Herr Blechschmidt, zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist bereits erwähnt worden, die Vorlage der Fraktion DIE LINKE aus der 4. Wahlperiode in der Drucksache 4/4674 wurde uns heute in neuer Fassung vorgelegt. Die Zielsetzung der Vorlage, nämlich die Interessenvertretung von Seniorinnen und Senioren in unserer Gesellschaft zu stärken, teilt die Landesregierung mit allen Fraktionen dieses Hauses ausdrücklich. Es ist gleichsam Gegenstand der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD vom Oktober 2009, Zeile 1.307 ff.

Lassen Sie mich kurz einfügen, um auf Herrn Koppe zu antworten, warum Frau Künast heute so gesprochen hat: Zum einen müssen wir darauf reagieren, wie Sie auch als FDP in der Bundesregierung agieren. Steuergeschenke sind nun mal auf den Weg gebracht, die uns stark einschränken.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Aber das haben wir heute noch gar nicht gehört, das ist etwas ganz Neues.)