Protocol of the Session on March 21, 2013

(Beifall CDU)

Vielen herzlichen Dank, Herr Kellner. Als Nächste hat Abgeordnete Martina Renner für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kellner, was ist für Sie ein Auswuchs?

(Beifall DIE LINKE)

Für Sie offensichtlich oder offenkundig der Punker in Erfurt. Für mich vielleicht der Burschenschaftler in Eisenach.

(Beifall DIE LINKE)

Ich sage Ihnen aber, das ist Geschmacksache.

(Unruhe CDU)

Und wo kommen wir denn her, wenn der Gesetzgeber in Zukunft hier über Geschmacksachen entscheiden soll.

(Beifall DIE LINKE)

Was ein Gesetzgeber nicht machen darf, ist,

(Abg. Kellner)

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das hat mit Geschmack gar nichts zu tun.)

darüber bestimmen zu wollen, wer den öffentlichen Raum nutzen darf und wer aus ihm vertrieben wird. Das hat mit einem ernsthaften politischen Anliegen nichts mehr zu tun. Das ist ordnungspolitischer Wahn.

(Beifall DIE LINKE)

Das sage ich Ihnen ganz deutlich. Um es gleich vorweg zu sagen, und FDP bitte nicht erschrecken, wir unterstützen Ihren Antrag und werden diesem zustimmen.

Eigentlich, nach den Ankündigungen der Regierungskoalition der letzten Tage, dass wir alles falsch verstanden haben und niemand Prohibition möchte, hätten wir es ja bewenden lassen können und hätten kurz sprechen können, dem Antrag zustimmen können und die Debatte wäre zu Ende gewesen. Aber die Debatte ist nicht zu Ende. Denn eine Änderung des Ordnungsbehördengesetzes ist nicht vom Tisch und wie wir heute erfahren haben, liegt es schon in unseren Postfächern.

Wir lehnen diese Änderung des Ordnungsbehördengesetzes ab. Denn um Einschränkungen beim Alkoholkonsum und -genuss im öffentlichen Raum etwa durch kommunalrechtliche Satzungen zu ermöglichen, braucht es eine gesetzliche Grundlage. Diese aber fehlt im Ordnungsbehördengesetz, wie das Oberverwaltungsgericht im Juni des vergangenen Jahres feststellte und eine entsprechende Regelung in § 8 a Abs. 2 der Erfurter Stadtordnung für unwirksam erklärte. Die Stadt Erfurt wollte mit der Regelung kein generelles Verbot, das ist richtig, aber sehr wohl den Verzehr von Alkohol in Fußgängerbereichen sowie im touristischen Bereich der Altstadt untersagen. Bereits bei der Beschlussfassung wurde diese Regelung öffentlich heftig kritisiert, Herr Adams ist darauf eingegangen, da die Absicht dahinter vollkommen klar zu erkennen war, die Stadt Erfurt wollte nicht etwa einen Missbrauch von Alkohol aus gesundheitspolitischen oder sozialpolitischen Erwägungen reglementieren, sondern ein vorwiegend von Touristen frequentierten und zugegebenermaßen attraktiven Teil der Innenstadt von Menschen freihalten, die es vorziehen, ihr Bier eben nicht in der Kneipe, in der Gaststätte oder im Biergarten zu entsprechenden Preisen zu konsumieren, sondern öffentlichen Raum auch als für die Öffentlichkeit bestimmt in Anspruch zu nehmen.

Also noch einmal zusammengefasst: Die Stadt Erfurt wollte kein generelles Verbot, sondern eines an markanten Punkten und scheiterte vor dem Oberverwaltungsgericht. Und was passiert jetzt? CDU und SPD bringen offensichtlich jetzt ein Gesetz auf den Weg, das eine Regelung wie die in § 8 a Abs. 2 der Erfurter Stadtordnung dann in Zukunft möglich machen sollen.

Wir bleiben bei unserer Position, wir lehnen jede Veränderung am Ordnungsbehördengesetz in dieser Richtung ab. Denn es braucht - das hat der Kollege Adams auch schon sehr deutlich gesagt - keine weitere und zusätzliche gesetzliche Normierung, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwenden bzw. diesen zu begegnen, wie der Abgeordnete Fiedler irreführend und fälschlicherweise auch in der Presse vermitteln wollte.

Eine erweiterte gesetzliche Grundlage braucht es nur dann, wenn beabsichtigt ist, menschenunabhängig einer konkret benennbaren wie auch abstrakten aber hinreichend wahrscheinlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, also auch im Falle des Fehlens einer solchen Gefahr durch Verbot in ihrem Handeln einzuschränken. Dort, wo es eine begründbare und hinreichend wahrscheinliche Gefahr gibt, ist ein Verzehrverbot auch im Rahmen einer kommunalrechtlichen Satzung auf der Grundlage des § 27 Abs. 1 Thüringer Ordnungsbehördengesetz ohne Weiteres möglich, rechtlich nicht zu beanstanden und wird auch praktiziert. Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat aber sehr deutlich formuliert: Es gibt keinerlei tragfähige tatsächliche Grundlage für die Annahme, hier bestehe eine abstrakte ordnungsrechtlich relevante Gefahr aufgrund derer der Erlass der angegriffenen Ordnungsbestimmung des § 8 a Abs. 2 der Stadtordnung gerechtfertigt wäre und eine solche abstrakte Gefahr kann auch nicht durch gesetzliche Normierung geschaffen oder herbeigeredet werden. Eine gesetzliche Verbotsermächtigung und damit ein zwangsläufiger Eingriff in Artikel 2 Grundgesetz ohne konkrete oder auch abstrakte Gefahr ist willkürlich und findet unsere entschiedene Ablehnung.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Schauen wir uns mal die möglichen Gründe an, räumlich und zeitlich begrenzt Verzehrverbote von Alkohol auszusprechen und die bereits heute bestehenden rechtlichen Möglichkeiten hierzu. Da wäre zunächst ein Blick in § 8 a Abs. 1 der Stadtordnung der Stadt Erfurt zu werfen, die die rechtliche Würdigung durch das OVG vollkommen unbeschadet überstanden hat. Dort heißt es: „Der Verzehr von Alkohol ist auf Kinderspielplätzen und zu den Betriebszeiten von Schulen und Kindertageseinrichtungen untersagt. Das Verbot gilt auch für die nähere Umgebung.“ Im Rahmen der Grundrechtsabwägung und des schutzwürdigen Personenkreises ein zulässiges Verbot, wie wir meinen, ganz ohne Änderung des Ordnungsbehördengesetzes.

2. Bei Versammlungen erlassen die Behörden regelmäßig Alkoholverbote im Rahmen eines versammlungsrechtlichen Auflagenbescheides zur Ab

wehr einer hinreichend bestimmbaren und hinreichend wahrscheinlichen Gefahr.

3. Bei besonderen Veranstaltungslagen existiert das Instrument der Allgemeinverfügung nach § 5 Ordnungsbehördengesetz, der sogenannten Generalklausel, wie sie beispielsweise die Stadt Arnstadt einmal erlassen hatte, als sich Neonazis zu einer Konzertversammlung versammelten und wie es auch in vielen anderen Kommunen praktiziert wird.

4. Sollten Personen unter dem Einfluss von Alkohol, egal zu welchem Preis sie ihn gekauft haben, oder anderer berauschender Substanzen, wie auch völlig nüchterne Menschen, andere in ihren Rechten einschränken oder gar Straftaten wie Sachbeschädigung, Belästigung, Beleidigung begehen, gibt es das Instrument des Platzverweises sowie im Ordnungsbehördengesetz als auch im Polizeiaufgabengesetz. Es gibt zudem die Möglichkeit, Personen für einen längeren Zeitraum zur Abwehr einer Gefahr eines bestimmten Ortes zu verweisen. Alle diese Möglichkeiten gibt es, um tatsächlich, wo Gefahren bestehen, Straftaten begangen werden, zu agieren. Weiteres ist nicht vonnöten,

(Beifall DIE LINKE)

denn, meine Damen und Herren, der Genuss von Alkohol ist keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Um Missbrauch von Alkohol vorzubeugen, sind Verbote, auch zeitlich oder räumlich begrenzt, vollkommen ungeeignete Instrumente.

(Beifall DIE LINKE)

Dort, wo aus dem Alkoholgenuss konkrete und hinreichend wahrscheinliche Gefahren entstehen, gibt es nach unserer Meinung ausreichende gesetzliche wie auch rechtliche Instrumentarien, diesen Gefahren dann konkret zu begegnen. Wer dennoch darüber nachdenkt, die landesgesetzlichen Grundlagen zu schaffen, ohne konkrete oder abstrakte Gefahr an bestimmten Plätzen oder zu bestimmten Zeiten den Verzehr von Alkohol verbieten zu wollen, weil er sich Sorgen um das Image oder das Stadtbild macht und die Menschen, die in der Öffentlichkeit außerhalb der gastronomischen Einrichtungen trinken, unter Generalverdacht stellt, wirft tatsächlich mit diesem Vorgehen die Frage auf, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Wir sprechen uns dafür aus, den öffentlichen Raum den Menschen zu überlassen, in dem sie sich frei bewegen können und auch frei handeln können. Wir sprechen uns dagegen aus, Menschen mit bestimmten Lebensweisen ordnungsrechtlich zu verfolgen und aus etablierten Stadtvierteln zu vertreiben und wir sprechen uns dafür aus, Missbrauch von Alkohol und anderen Drogen zu begegnen auch dann, wenn dafür viel Geld ausgegeben wird und dieser in scheinbar gesellschaftlich etablierten Kreisen und Einrichtungen stattfindet, aber ein Ver

bot halten wir auch hier für das denkbar falscheste Mittel.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen herzlichen Dank, Frau Renner. Als Nächster hat jetzt der Abgeordnete Dirk Bergner für die FDPFraktion das Wort.

Vielen Dank. Vielen Dank auch, Herr Minister, für Ihren Bericht. Und vielen Dank, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen für die bisherigen Diskussionen, die ja auch bereits viel Wahres enthalten haben, nicht in jedem Fall.

Ich will auf den Vorwurf des Kollegen Gentzel zu sprechen kommen. Ich will ihm das ganz klar und deutlich sagen, warum wir auch gleich nach dem Berichtsersuchen entsprechende Antragsformulierungen gemacht haben. Nach der Antwort auf unsere Kleine Anfrage in der Drucksache 5/4854 habe ich, ehrlich gesagt, nicht damit gerechnet, dass die Fragen, die wir stellen, zufriedenstellend beantwortet würden. Ich habe auch nicht mit einem großen Erkenntnisgewinn daraus gerechnet. Ich muss sagen …

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Hättet ihr sie doch weggelassen.)

Nein, Moment, Herr Gentzel, genau diese Fragen, die wir gestellt haben, darf man eben nicht weglassen, sondern die gehören zur Grundlage für diese fachliche Diskussion.

(Beifall FDP)

Und ich muss sagen, ich bin auch enttäuscht, dass wir da nicht tiefgründigere Antworten darauf erhalten haben. Ich glaube, darauf müssen wir in der weiteren Debatte genau eingehen.

Ich will auch zu dem freudigen Hinweis von Herrn Kollegen Kellner mit dem Blick auf die Verwaltungsgemeinschaft Leubatal zurückkommen. Lieber Kollege Kellner, ich mag Sie ja sehr, aber ich kann Ihnen diese Freude doch nicht ganz ungetrübt lassen. Ich will an der Stelle erklären, eine ordnungsbehördliche Verordnung erlässt in einer Verwaltungsgemeinschaft der Vorsitzende der Verwaltung. Das ist bekanntlich nicht ein ehrenamtlicher Bürgermeister, sondern das erlässt die Verwaltung in eigener Zuständigkeit als Angelegenheit der laufenden Verwaltungen. Ich sage es ganz offen, bei diesem Thema sind auch der Vorsitzende der Verwaltungsgemeinschaft und der Bürgermeister der Stadt Hohenleuben eben nicht einer Meinung, weil ich sehe, wie das umgesetzt wird. Dort haben wir nämlich den Punkt. Wer setzt denn diese ordnungsbehördliche Verordnung durch? Abgesehen davon, dass

(Abg. Renner)

man über die rechtlichen Grundlagen sehr streiten kann. Herr Kollege Emde, Sie können dann gern hier noch mal reden. Sie müssen ja nicht so schreien.

(Unruhe CDU)

Es ist eben so, dass die Umsetzung von vorn bis hinten nicht funktioniert. Ich bin auch sicher, dass es diese ordnungsbehördliche Verordnung, wenn es denn jemanden geben würde, der klagen würde, nicht über einen Prozess bringen würde. Das ist dort schlicht und einfach der Punkt, wo dieser Dissens besteht und ich Ihnen diese Freude auch nicht so ganz lassen kann.

Meine Damen und Herren, es gibt eben keine gesicherten Erkenntnisse darüber, dass Alkoholkonsum für eine gesicherte Gefahrenprognose ausreicht. Man kann es unterstellen, aber es ist eben nicht ausreichend für eine gesicherte Gefahrenprognose. Es bleibt somit auch weiterhin die Frage offen, ob eine Kausalität von Alkoholkonsum vor Ort mit den damit einhergehenden Straftaten besteht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Differenzierung von Konsum vor und nach Eintritt in eine solche Verbotszone bleibt offen. Und, meine Damen und Herren, die unterschiedliche Behandlung von Freischankflächen und Volksfesten etc. zur Verbotszone bleibt offen.

(Beifall FDP)

Ich möchte auch ein paar praktische Beispiele hier bringen. Es ist eben nicht erkennbar, wie zum Beispiel mit Personen umgegangen werden soll, die sich wegen eines Rauchverbots in der Gaststätte mit einem alkoholischen Getränk ins Freie in eine Verbotszone begeben. Also, das ist schon das erste Mal, wo wir dann wieder einen hanebüchenen Konflikt haben.