Danke schön. Damit ist die Redezeit für die Abgeordneten vorerst erschöpft. Wir kommen zur Redezeit der Regierung. Zu Wort gemeldet hat sich Minister Reinholz. Bitte schön, Herr Minister.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Umsetzung der Energiewende und auch die einzelnen erneuerbaren Energien, hier allen voran Windkraft, sind Themen, die die Gemüter derzeit, wie wir auch hier merken, stark bewegen. Ich bekomme täglich Zuschriften, Mails von Leuten aus dem Thüringer Wald, die mich darin bestärken, hier auch hart zu bleiben und keine Windkrafträder im Wald zuzulassen. Massenhaft - ich weiß nicht, wer noch welche bekommt, aber es ist schon erstaunlich.
Aufgrund natürlich der bundespolitischen Entscheidung zum Ausstieg aus der Atomenergie nach der Erdbebenkatastrophe von Japan und aufgrund der Bekämpfung des Klimawandels ist es erforderlich, dass wir eine Energiewende durchführen. Sie ist nahezu unabdingbar. Das ist auch unbezweifelt. Neben der Photovoltaik und der Bioenergie ist die Windkraft in Deutschland und in Thüringen zu einer tragenden Säule der Energiewende und im Mix der erneuerbaren Energien inzwischen geworden. Bei uns in Thüringen ist das Thema Wind im Wald oder Windkraftanlagen im Wald sehr stark in den Fokus der Diskussion getreten. Es werden von vielen Seiten her Ansprüche laut, deshalb ist es, denke ich, gut, dass wir heute über dieses Thema Windenergie bzw. Wind im Wald reden. Für die Energiewende ist Windkraft wichtig - völlig unbestritten -, jedoch dürfen dabei nicht leichtfertig wichtige Aspekte des Umweltschutzes oder des Naturschutzes sowie die vermeintlichen weichen Faktoren, wie beispielsweise Tourismus oder Landschaftsbild, vernachlässigt werden.
Jörg Kellner hat mal so schön gesagt, wer dem Umweltminister vorwirft, dass er sich für Umwelt und Naturschutz einsetzt, der könnte auch der Feu
Die besten Windbedingungen und damit auch die stärkste Verbreitung von Windenergieanlagen finden sich in den Bundesländern mit einem hohen Anteil an Küstenbereichen. Es gilt vorrangig, bereits vorhandene Offshore-Anlagen und Onshore-Windanlagen zeitnah ans Stromnetz anzubinden, denn selbst das gelingt uns momentan in der Nord- und Ostsee nicht. Da stehen die Dinger, aber es fehlt das Kabel, um überhaupt an Land zu kommen. Es fehlen uns auch die Netze, um überhaupt nach Süddeutschland zu kommen. Ich muss Ihnen sicher nicht erklären, dass ich Strom nun mal nicht in der Tüte transportieren kann, dazu ist nämlich nun auch ein systematischer und effizienter Netzausbau erforderlich. Ich als Ingenieur habe mal gelernt, man klärt erst den Übertragungsweg und dann erstellt man die Quelle. Wir haben es hier ein bisschen umgekehrt gemacht, wir haben erst die Quellen erstellt und jetzt haben wir ein Problem, die Übertragungswege herzustellen und ihn dorthin zu bekommen, wo er gebraucht wird, nämlich im Süden Deutschlands, in Bayern und in Baden-Württemberg, und nicht zum Heidschnuckenscheren in Norddeutschland.
Es gibt natürlich auch wenige Orte in den Binnenländern, wo der Wind ebenso kräftig und beständig weht wie an der Küste. Zunehmend sind es natürlich aber gerade die Binnenländer, die ihren Anteil an Windenergie erhöhen, um ihre energiepolitischen Ziele zu erreichen. Dass Baden-Württemberg im letzten Jahr nur sechs Windräder aufgebaut hat, ist, glaube ich, für einen Ministerpräsidenten der GRÜNEN bezeichnend.
Man hat - ich weiß gar nicht, wer davon gesprochen hat - Vorranggebiete. Vorranggebiete sind ausgewiesene Gebiete, wo Windvorrang besteht. Da hat man nicht nur geschaut, ob die Abstandsflächen stimmen, da hat man auch geschaut, ob dort Windhöffigkeit vorhanden ist. Einem Windvorranggebiet Windhöffigkeit abzusprechen, das ist wohl das Allerletzte.
- eben - weniger die Zielvorgaben als die Fördermöglichkeiten des Erneuerbaren Energiengesetzes. Leider sind hierbei auch einige Fehlallokationen nicht auszuschließen. Die aktuell laufenden Ge
spräche zur Reform des EEG zwischen Bund und Ländern bei Bundesminister Altmaier zeigen sehr eindrucksvoll, wie schwierig dieser Prozess der Energiewende planbar und regelbar ist. Sie können mir glauben, ich weiß, wovon ich rede. Außer an einer der zahlreichen Sitzungen habe ich an allen teilgenommen, dort hat mich mein Staatssekretär vertreten. Wir haben gestern Abend die letzte beschlossen. Das Papier, was Altmaier den Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin vorlegen wird, ist hier schon bei mir. Er wird es der Bundeskanzlerin zuspielen und auch den Ministerpräsidenten zuspielen für den Energiegipfel morgen. Ich denke, was dort erreicht ist zwischen Schwarz, Rot und Grün ist ein vertretbarer Kompromiss, mit dem sicher auch alle nachher leben können; abwarten, was der Gipfel entscheidet.
Meine Damen und Herren, als Minister für den Umwelt- und Naturschutz sehe ich mich natürlich auch in der Rolle, nicht nur die energiepolitischen, raumordnerischen und wirtschaftlichen Ziele und Ansprüche bei der Umsetzung der Energiewende zu betrachten, ich muss gerade die Herausforderungen an den Schutz der Natur und der Umwelt mit diesen Zielen des Ausbaus der erneuerbaren Energien in Einklang bringen. Das kann mir, glaube ich, auch keiner absprechen.
Dabei dürfen die Diskussionen nicht davon dominiert werden, ob nun 1 Prozent oder 2 Prozent Windenergieanteil an der Landesfläche der Maßstab sind, die Potenziale in den ausgewiesenen Windvorranggebieten sind aktuell noch ausreichend. Daher müssen wir nicht in Hektik verfallen, sondern können uns mit der notwendigen Sorgfalt mit dem Thema Windenergie auch befassen. Die Auswahl für Windstandorte hängt maßgeblich von der erforderlichen Standortwahl sowie von der Einhaltung von Emissions-, Natur-, Arten- und Landschaftsschutzbestimmungen und, bitte nicht vergessen, auch von touristischen Besonderheiten ab. Ich kann mir nicht gut vorstellen, dass die Touristen im Thüringer Wald besonders begeistert sind, wenn sie an jeder Wegkreuzung im Wald ein Windkraftrad sehen.
Außerdem müssen daneben Repowering und die technische Weiterentwicklung der Anlagen berücksichtigt werden.
Bei der Prüfung der Zulässigkeit sind die geltenden Rechtsnormen zu berücksichtigen. Es gilt das emissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren kleiner Hinweis darauf, das ist Bundesrecht -, das ist letztendlich bei der Vorhabensplanung auch grundsätzlich zu beachten. Da gelten keine Thürin
ger Gesetze, da gelten Bundesgesetze. Die privilegierte Zulässigkeit im Außenbereich ist insbesondere durch die Flächennutzungspläne und natürlich durch die Regionalplanung gesteuert.
Meine Damen und Herren, wie Sie alle wissen, Wald steht unter besonderem gesetzlichen Schutz. Seine Erhaltung und Mehrung ist Gesetzeszweck im Thüringer Waldgesetz und dort auch ausdrücklich formuliert. Dieses hängt mit den vielfältigen Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktionen des Waldes zusammen, die der Wald für den Menschen erfüllt, mit der besonderen Naturnähe und Artenvielfalt. Das Ökosystem Wald beeinflusst das Klima sowie die Luft- und Wasserqualität positiv und sichert damit auch die Lebensgrundlage für uns Menschen für gesundes Trinkwasser. Das ist, wie Sie alle wissen, ohne Waldgebiete ohnehin nicht denkbar.
Viele Waldgebiete - da sage ich Ihnen sicher auch nichts Neues - liegen innerhalb von Schutzgebieten wie Nationalparke, Biosphärenreservate, Naturparke, Naturschutzund Landschaftsschutzgebiete. Dies schließt die Errichtung von Windkraftanlagen dort erst einmal grundsätzlich aus rechtlichen Gründen aus. Nicht zuletzt haben Windenergieanlagen negative Auswirkungen auf das Landschaftsbild und damit auf die Erholungsfunktion des Waldes.
Sie kennen die Diskussion, alle wollen Windkraftanlagen haben oder viele wollen Windkraftanlagen haben, aber ich kenne kaum einen Betreiber, der neben der Windkraftanlage selber auch wohnt, der Zahnarzt aus Hamburg sowieso nicht.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es gibt genug Bürgerinitiativen, die das wollen, aber keine Flächen finden in Thüringen.)
Als Bürger habe ich hier eine eindeutige Meinung. Ich vertrete ganz klar den Standpunkt, dass der Wald von Windenergieanlagen freigehalten werden muss, um die wild lebenden Arten zu schützen, ich sage nur Vogel- und Fledermausschlag, um ein ungestörtes Naturleben für Waldbesucher in einer ringsherum hektischen Umwelt auch zu ermöglichen.
Herr Kummer, Sie haben gesagt, dass nur noch Sachsen und Thüringen sich sperren. Da sind Sie leider Gottes auf dem Holzweg, auch SchleswigHolstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und, wie gesagt, Sachsen und Thüringen sind dagegen. Das war ein bisschen sehr weit runtergebrochen, aber ich korrigiere Sie an dieser Stelle sehr gern.
Der gegenwärtige Anteil der Flächennutzung für Windenergieanlagen liegt in Thüringen bei 0,29 Prozent sagte Herr Weber, wir haben uns in Deutschland wie auch in Thüringen energiepoliti
sche Ziele gesetzt. Für Thüringen bedeutet dies 45 Prozent Anteil der erneuerbaren Energien am Nettostromverbrauch und 30 Prozent Anteil der erneuerbaren Energien am Energieendverbrauch bis zum Jahr 2020. Im Referenzszenario des Thüringer Bestands- und Potenzialatlasses - in Auftrag gegeben vom Thüringer Wirtschaftsministerium - wird eine Steigerung des Windanteils am gesamten Energieverbrauch von 9 auf 22 Prozent abgeleitet - ich denke, Herr Staatssekretär kann das bestätigen und die Schlussfolgerung gezogen, dass unsere energiepolitischen Ziele bis 2020 bei Ausschöpfung des gesetzlichen Rahmens beim Ausbau der Windenergie zu erreichen sind, ohne Wald zu nutzen. Das steht in der eigenen Potenzialanalyse des Wirtschaftsministeriums drin.
Meine Damen und Herren, allein durch optimale Flächenausnutzung der bestehenden Vorranggebiete und durch gezielte Modernisierung älterer Anlagen, eben durch Repowering, ist dies in Thüringen natürlich auch möglich. Es gibt daher überhaupt gar keinen Anlass zum Aktionismus. Wir sollten uns mit der notwendigen Sorgfalt dem Thema zuwenden und möglichst Natur schonende und vor allen Dingen auch nachhaltige Lösungen suchen.
Meine Damen und Herren, zu erwähnen ist auch, dass die Studie, die Sie mit falschen Zahlen benennen, nämlich die 9,1 Prozent, nicht von irgendwem gemacht worden ist, auch nicht von meinem Haus gemacht wurde, sie ist vom Bundesverband der Windenergie gemacht worden und die werden ja wohl nicht Flächen ausweisen, auf denen sich keine Windkrafträder aufbauen lassen. Von eigenen Lobbyvertretern ist diese Studie gemacht worden und diese 9,1 Prozent der Fläche in Thüringen sind geeignet für die Errichtung von Windkraftanlagen außerhalb vom Wald und jeglichen Naturschutzgebieten. Die müssen wir erst mal zubauen, wenn wir auf 2 bis 3 Prozent wollen, ist das das Drei- bis Vierfache, was wir überhaupt brauchen. Da können Sie sich nicht hinstellen und sagen, das sind Windschwachgebiete. Die werden doch keine Windschwachgebiete aufschreiben, so schwachsinnig
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Natürlich, weil sie keine andere Chance haben in Thüringen.)
Ich kann größere Flächenausweisungen für Windkraftanlagen als Wunsch einer bestimmten Branche schon verstehen, weil man damit natürlich Kohle verdienen kann. Aber ich möchte solche Forderungen mit Zurückhaltung bewerten. Natürlich verdienen die enorm dran, die verdienen aber nicht an der Einspeisung, die verdienen am EEG, das ist so dasselbe als wenn Sie zum Bäcker gehen, legen 5 € auf den Tisch und gehen ohne etwas zu kriegen
wieder raus. Darüber muss man auch mal nachdenken. Überall sind Investoren unterwegs, um sich die besten Claims und Förderungen zu sichern, um dort im Endeffekt über das EEG zu verdienen. Ich habe nichts gegen das EEG, das EEG muss freilich auch sein, aber wenn ich nur Geld verdienen will und der kleine Mann - Sie und ich - das auch noch bezahlen soll und je mehr Eigenerzeuger aussteigen aus der ganzen Sache - VW kauft zurzeit ein Braunkohlekraftwerk, um die Energie selber zu erzeugen -, je mehr große Betriebe aus dem Verbund austreten, um so mehr wird der kleine Mann dafür bezahlen, weil die Summe muss irgendwo verteilt werden. Wenn die großen Abnehmer dort nicht mehr mitspielen, weil sie sagen, okay, ich baue mir meine eigene Energieanlage, dann werden wir uns ganz schön umgucken. Das war auch Thema der Diskussion bei Herrn Altmeier.
Die aktuelle Diskussion auf der Bundes- und Landesebene sprach es an, beim Ausbau der erneuerbaren Energie zu einem koordinierten Vorgehen zu kommen, die Kostendiskussion um die gestiegene EEG-Umlage als Bestandteil des Strompreises sowie der bisher fehlende Netzausbau und die fehlende notwendige Speichertechnik zeigen, dass es bei diesem Thema nicht darum geht, die höchsten Zuwächse, sondern unter Beachtung aller Anforderungen die gesteckten Ziele auch zu erreichen. Steuerungsinstrument ist und bleibt dafür nun mal die Regionalplanung. Grundsätzlich halte ich einen maßvollen Ausbau der Windenergie im Freistaat Thüringen für völlig sinnvoll, aber einer der den tatsächlichen Notwendigkeiten entspricht und wo man bei Bedarf auch im Ernstfall mal nachsteuern kann. Dabei gilt es aber, die Aspekte und Ziele gleichrangig zu beachten, keinesfalls werde ich mich an einem Wettbewerb beteiligen, möglichst viel Windenergie an jeglichen Standorten zu erzeugen. Jetzt will ich Ihnen noch mal ein bisschen was sagen: Ich weiß, wer mich auf Power to gas angesprochen hat, ich glaube, Herr Adams war es, ich wäre ein großer Verfechter, das ist richtig, ich bin ein großer Verfechter von Power to gas und Sie sagen mir, das macht nur Sinn, wenn ich Windenergie habe.
Wir haben jetzt schon Windenergieüberschuss. Ich erinnere Sie daran, Herr Adams, dass wir in den letzten Jahren im Durchschnitt pro Jahr vier Beinahe-Blackouts hatten. Im letzten Jahr waren es 72 Beinahe-Blackouts.
Im März letzten Jahres hätte es beinahe richtig geknallt. Gerettet hat Goldisthal, aber Goldisthal nur, weil sie zufällig das ganze Wasser unten hatten. Wenn sie das ganze Wasser oben gehabt hätten,
hätte es die ganze Bundesrepublik erwischt. Und das ist eine Sache, die wir wirklich nicht wollen können. 0,6 Hektar, das hört sich so ein bisschen lapidar an, 0,6 Hektar - na ja, was ist das schon im Wald. Sie vergessen aber auch, dass wir nach Bundesnaturschutzgesetz dafür 2,4 Hektar woanders neu aufforsten müssen. Damit müssen Sie wieder in die Fläche gehen, damit müssen Sie wieder in die landwirtschaftliche Fläche gehen. Die Bauern werden sich freuen, Herr Adams, die Bauern werden sich definitiv freuen.