Es hat als Erster das Wort zur Berichterstattung aus dem Gleichstellungsausschuss zu den Tagesordnungspunkten 2 a und b der Abgeordnete Kemmerich. Bitte schön.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste auf der Tribüne, der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE „Gesetz zur Modernisierung des Thüringer Gleichstellungsgesetzes“ - Drucksache 5/3875 - wurde durch Beschluss des Landtags vom 26. Januar 2012 an den Gleichstellungsauschuss des Thüringer Landtags überwiesen. Der Gleichstellungsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 21. Sitzung am 15. Februar 2012 beraten.
Der Gesetzentwurf der Landesregierung „Gesetz zur Novellierung des Thüringer Gleichstellungsgesetzes und zur Änderung der Thüringer Kommunalordnung“ wurde durch Beschluss des Landtags vom 20. September 2012 an den Gleichstellungsausschuss überwiesen. Gemeinsam wurden dann beide Gesetzentwürfe im Gleichstellungsausschuss in seiner 28. Sitzung am 10. Oktober 2012, in seiner 29. Sitzung am 14. November 2012, in seiner 30. Sitzung am 22. November 2012, in seiner 32. Sitzung am 16. Januar 2013 und in seiner 33. Sitzung am 6. Februar 2013 beraten.
Der Gleichstellungsausschuss hat zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung sowie zu dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE in seiner 29. Sitzung am 14. November 2012 ein mündliches Anhörungsverfahren durchgeführt. 11 Verbände wurden zu beiden Gesetzentwürfen gehört. Zusätzlich beschloss der Ausschuss einstimmig, beide Gesetzentwürfe zum Start des neuen Diskussionsforums des Thüringer Landtags auf die dafür eingerichtete Internetplattform einzustellen, um die Bürgerinnen und Bürger aktiv an der Debatte zu beteiligen. Erstmalig in Deutschland bestand mit diesem Diskussionsforum des Thüringer Landtags die Möglichkeit, Anregungen, Wünsche und Bedenken der Bürgerinnen und Bürger in die parlamentarische Beratung einfließen zu lassen und auf diese Weise einen Beitrag zu Transparenz und Akzeptanz der Gesetzgebung zu leisten.
Der Gleichstellungsausschuss hat, wie bei diesem Verfahren vorgesehen, die Diskussionsgrundlagen beschlossen. Hierzu zählte neben allgemeinen Informationen zu den Gesetzentwürfen und Links auf die entsprechenden Plenarprotokolle auch ein Katalog von 13 Fragen, zu denen in der vierwöchigen Online-Debatte 86 Beiträge geschrieben und darüber 231 Bewertungen abgegeben wurden. Diese rege Debatte zeichnete sich durch konstruktive und sachorientierte Beiträge aus, die vom Ausschuss ausgewertet wurden und inhaltlich in die weitere Beratung entsprechender Änderungsanträge Eingang fanden. Die Beiträge sind im Übrigen auch jetzt noch nach Abschluss der aktiven Diskussion abrufbar. Außerdem werden die Nutzer im Forum weiter über den Fortgang und die Ergebnisse der parlamentarischen Beratung informiert.
Der Ausschuss stimmte in seiner Sitzung am 14. November weiterhin der Verfahrensweise zu, die Auswertung dieser Online-Diskussion zu den Gesetzentwürfen am 16. Januar 2013 vorzunehmen, so dass das Online-Forum am 9. Januar 2013 geschlossen wurde. An dieser Stelle ein herzlicher Dank an die Landtagsverwaltung, speziell an Frau Thiele und Herrn Honscheck, die das Online-Forum betreuten, sowie an die Ausschussreferentin Frau Ruffert.
Am 21. November 2012 hat die Fraktion der FDP einen Änderungsantrag mit der Vorlagennummer 5/2988 eingebracht, der auch im Online-Forum zur Diskussion stand. Ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit der Vorlagennummer 5/3143 wurde am 11. Januar eingebracht. In einem ergänzenden schriftlichen Anhörungsverfahren hatte der Gemeinde- und Städtebund Thüringen sowie der Thüringische Landkreistag die Möglichkeit der Stellungnahme zu den Änderungsanträgen der Fraktionen der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit kommunalrelevanten Bezü
gen. Am 30. Januar wurde ein Änderungsantrag der Fraktionen CDU und SPD mit der Vorlagennummer 5/3217 eingebracht.
In seiner 33. Sitzung am 6. Februar traf der Ausschuss folgende Entscheidungen: Der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit der Vorlagennummer 5/3143 zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung in Drucksache 5/4925 wurde abgelehnt. Der Änderungsantrag der Fraktion der FDP mit der Vorlagennummer 5/2988 erübrigte sich durch die Annahme des Änderungsantrags der Fraktionen CDU und SPD. Die Beschlussempfehlung in der Drucksache 5/5702 zu dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/3875 lautet: Der Gesetzentwurf wird abgelehnt.
Die Beschlussempfehlung in der Drucksache 5/5703 zum Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 4/4925 lautet: Der Gesetzentwurf wird mit den Änderungen gemäß dem Änderungsantrag der Fraktionen CDU und SPD angenommen. Vielen Dank.
Vielen Dank. Ich eröffne die Aussprache und als Erster spricht Abgeordneter Henry Worm von der CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, vor gut 15 Jahren im November 1998 wurde das in der derzeitigen Fassung für Thüringen gültige Gleichstellungsgesetz hier im Landtag beschlossen; unbestritten wurde damit auch dem Verfassungsauftrag des Freistaats Thüringen - und hier konkret die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen des öffentlichen Lebens durch entsprechende Maßnahmen zu fördern und zu sichern - vom Grundsatz her Rechnung getragen. Wenn man dann jedoch verschiedene Schwerpunkte in den Fokus nimmt, zum Beispiel die Verbesserung der beruflichen Chancen von Frauen im öffentlichen Dienst und damit die tatsächliche Verwirklichung der Chancengleichheit der Geschlechter in unserer Gesellschaft, musste man feststellen, dass zwischen Anspruch und Realität doch eine gewisse Lücke vorhanden war. Vor allem bei der Thematik „Mehr Frauen in Führungspositionen“ waren wir in dieser Frage keinen Millimeter vorangekommen. Insbesondere die zahlreichen Kannbestimmungen und die vielen Ausnahmeregelungen des Thüringer Gleichstellungsgesetzes hatten sich als zu unverbindlich erwiesen. Dies führte gerade bei den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, aber auch bei den Frauenverbänden zu entsprechender Kritik am bestehenden Gesetz. Aus
diesem Grund haben unter anderem die Koalitionsfraktionen im Koalitionsvertrag 2009 die Novellierung des Thüringer Gleichstellungsgesetzes mit der gleichzeitigen Einführung verbindlicher und sanktionsbewehrter Regelungen mit dem Ziel einer deutlichen Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen festgeschrieben.
Nach über drei Jahren intensiver Arbeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, liegt uns heute ein Gesetzentwurf der Landesregierung vor, den wir als Fraktion durchaus begrüßen, weil der Gesetzentwurf sowohl klare Vorgaben für die Besetzung von Führungspositionen im öffentlichen Dienst macht und damit die Erhöhung des Frauenanteils gerade in den Führungspositionen in den Behörden und Ministerien des Freistaats per Gesetz eingefordert wird. Aber auch die Tatsache, dass die Regelungen des neuen Gleichstellungsgesetzes aus meiner Sicht für das Land und die kommunalen Gebietskörperschaften im Wesentlichen kostenneutral gehalten sind, sehen wir als deutlichen Vorteil dieses Gesetzes und für das Setzen von vernünftigen Standards an. Beispiele dafür sind die verbindlichen Entlastungsregelungen für Gleichstellungsbeauftragte großer Behörden sowie in den Landkreisen, kreisfreien Städten und Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern, ein mehrstufig sanktionsbewehrter Gleichstellungsplan und der Rechtsschutz der Rechte von Gleichstellungsbeauftragten. Kannbestimmungen wurden abgeschafft, Ausnahmeregelungen weitestgehend gestrichen.
Aber was wir tatsächlich als richtungweisend ansehen, ist die Tatsache, dass dieses Gesetz in aller Deutlichkeit die tatsächliche Gleichstellung beider Geschlechter in den Fokus nimmt. So ist es nicht nur gut, dass zukünftig sowohl Frauen als auch Männer gemeinsam die Gleichstellungsbeauftragten wählen können, sondern - auch wenn dieses in den vergangenen Tagen durchaus zu mehr oder weniger aufgeregten Diskussionen geführt hat dass Männern laut Gesetz neben dem aktiven Wahlrecht auch das passive Wahlrecht eingeräumt wird gemäß Änderungsantrag der Koalition.
Das ist, denke ich, auch ein deutliches Zeichen dafür, dass konsequente Gleichstellungspolitik mehr ist als reine Frauenförderung. Aber unabhängig davon ist dies aus unserer Sicht auch ganz und gar notwendig, um einen entsprechenden Bewusstseinswandel in der Gesellschaft zu fördern. Dazu bedarf es nämlich einer breiten Basis.
(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Dann fangen Sie doch gleich mal an bei der Be- wusstseinwerdung.)
Das funktioniert nur, wenn Frauen und Männer gemeinsam die Geschlechtergerechtigkeit als umfassendes Prinzip verstehen. Denn es kann nicht länger hingenommen werden, dass Frauen oder Männer, die sich eine zeitlang nur oder teilweise der Familie widmen, einen deutlichen Karriereknick hinnehmen müssen.
Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf wird aus unserer Sicht die Gleichstellungspolitik des Freistaats weiterentwickelt und gleichzeitig das Thema Gleichstellung auf ein breites Fundament gestellt. Deshalb kann ich in diesem Zusammenhang die verschiedenen Wortmeldungen der LINKEN und GRÜNEN überhaupt nicht verstehen, die den Männern nicht nur rundweg die Fähigkeit, die notwendige Kompetenz und das Einfühlungsvermögen für dieses Thema absprechen.
Verweisen möchte ich in dieser Frage auch auf die Online-Debatte auf der Internetseite des Thüringer Landtags mit dem dort abgegebenen eindeutigen Votum zugunsten der Möglichkeit, auch als Mann Gleichstellungsbeauftragter werden zu können. Ich bin seit 2009 gleichstellungspolitischer Sprecher meiner Fraktion. Auch der Gleichstellungsausschuss wird von einem Mann geleitet, es gibt also durchaus auch Männer, die sich für gleichstellungspolitische Fragen interessieren und engagiert für die Gleichstellung von Frau und Mann eintreten.
Genauso wie es im realen Leben Männer und Frauen gibt, die sich in andere Menschen hineinversetzen können, gibt es welche, die dazu absolut nicht in der Lage sind. Männern deswegen die Möglichkeit, sich um das Amt eines Gleichstellungsbeauftragten zu bewerben, abzusprechen, ist nichts weiter als ein Vorurteil gegenüber Männern und wäre aus rechtlicher Sicht auch ein Fall von Diskriminierung des männlichen Geschlechts.
Wir nehmen jedoch die Kritik des Landesfrauenrats und der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten in dieser Frage durchaus ernst. Festzustellen ist allerdings, dass dies nicht die Meinung der Thüringer Bürger widerspiegelt. Denn sowohl im Online-Forum des Thüringer Landtags als auch bei den Kommentaren von Lesern der Thüringer Zeitungen als auch auf den Internetseiten von TA und OTZ sprechen sich fast alle dafür aus, dass auch Männer für dieses Amt wählbar sein sollten.
Ich möchte in dieser Frage auch auf die Umfrage der Thüringer Allgemeinen vom Montag, 11. Februar, verweisen, denn auch hier zeigt sich ein deutliches Stimmungsbild pro Wählbarkeit. Ich habe das mitgebracht, jeder kann es hier nachlesen. Es gibt niemanden, der sich explizit dagegen ausspricht: Es spricht nichts dagegen, ich könnte es mir gut vorstellen, ich finde es wichtig, es kann doch nicht sein, dass Männer ausgeschlossen werden. Ich denke, wir sind in die richtige Richtung unterwegs.
Damit wird eins auch mehr als deutlich, Gleichstellung ist weder ein Nischenthema noch ist es reine Frauensache. Ich setze mich dafür ein, dass der hochrangige Verfassungsauftrag,
an den wir alle gebunden sind, endlich richtig ernst genommen wird. Bevor es in Thüringen einen Gleichstellungsbeauftragten im Bereich des öffentlichen Dienstes geben wird, muss dieser letztendlich erst einmal gewählt werden. Er wird nämlich keineswegs, wie das Kollegin Rothe-Beinlich in einer Pressemitteilung kundgetan hat, installiert.