Vor einem Jahr etwa hat Frau Ministerin Walsmann hier von dieser Stelle aus die europapolitische Strategie eingebracht, die das Kabinett in Brüssel, glaube ich, damals beschlossen hatte. Man kann jetzt feststellen, die Landesregierung hat mit der Strategie klare Positionen bezogen auf der Grundlage, vor allen Dingen auch die Thüringer Interessen dort zu berücksichtigen, die Thüringer Handlungsfähigkeiten mit einzubringen, welche Möglichkeiten wir haben. Ich denke, das ist sehr gut gelungen, denn der Vorsitzende hat in seinem sehr ausführlichen Bericht mal ein Bild gezogen über alle Ausschüsse, was dort in der Vergangenheit bewältigt worden ist. Ich glaube, auch diese Strategie hält bis zum Ende der Legislatur und wird auch an Aktualität nicht verlieren. Das kann man, glaube ich, heute schon ein
schätzen bei den Themen, die wir dort aufgerufen haben, die die Landesregierung mit uns gemeinsam versucht, dort zu lösen.
Ich finde auch gut, dass wir in den neun Fachausschüssen eine Diskussion dazu geführt haben. Das war nicht immer so. Das zeigt auch, dass das Bewusstsein in den einzelnen Fachausschüssen deutlich gewachsen ist, sich mit Europa auseinanderzusetzen. Wir als beratender, als federführender Europaausschuss, glaube ich, das haben auch Vorredner schon gesagt, haben parteiübergreifend einen guten Konsens gefunden. Lieber Marian, geschätzter Kollege, ich bin richtig überrascht, als wir vor einem Jahr hier gestanden haben, hat deine Rede noch für allerhand Unmut hier im Haus gesorgt, wenn ich mich da recht erinnere. Also die FDP hat in diesem einen Jahr deutlich an europapolitischer Kompetenz dazugewonnen. Da kann man nur sagen, Glückwunsch, weiter so.
Ich denke, man muss auch eines noch mal klar sagen: Neben der Bewältigung der Schuldenkrise im Europaraum stehen auch grundsätzliche Entscheidungen des Finanzrahmens der EU, der Kohäsionspolitik, der gemeinsamen Agrarpolitik auf der europäischen Agenda. Deshalb werbe ich an der Stelle noch mal für unseren Entschließungsantrag, den CDU und SPD eingebracht haben, der Ihnen allen zugegangen ist, der das auch noch mal unterstützen soll, um unserer Landesregierung auf dem Weg in den weiteren Verhandlungen den Rücken zu stärken. Denn Vertrauen in ein künftiges Europa, wenn wir das stärken wollen, vor allen Dingen auch für die nachfolgenden Generationen - das haben heute Morgen sehr viele Redner im Rahmen des Monitors dankenswerterweise auch noch mal aufgerufen -, das kann natürlich nur so sein, da muss es eine Weiterentwicklung geben von der Wirtschafts- und Währungsunion zu einer Stabilitätsunion. Das steht, glaube ich, außer Frage.
Weil meine Kollegin vorhin Schwarz-Gelb zitiert hat, zitiere ich jetzt mal Rot-Grün: 2002 bis 2005, vier Jahre hintereinander, ist es der rot-grünen Bundesregierung gelungen, die meisten Stabilitätskriterien zu verletzen. Das heißt nämlich, dass die 3-Prozent-Grenze bei der Nettoneuverschuldung nicht eingehalten worden ist. Herr Meyer, stimmt?
Das muss man einfach mal sagen. Das hat mich dann überhaupt nicht gewundert, dass da die ganzen Verstöße dagegen ohne Sanktionen geblieben sind. Das ist dann eben so gewesen. Wir wissen das alle noch gut genug. Es war auch einigen Mitgliedstaaten möglich und es war überhaupt kein
Problem, viele Jahre Schuldenberge anzuhäufen, ohne dass dies zu höheren Zinsen geführt hätte. Frau Kollegin Marx hat auf die Zinsen hingewiesen, auch zu der Zeit hat es keine höheren Zinsen gegeben und auch keine Sanktionen gegeben. Deshalb war das natürlich eine Einladung, immer Schulden anzuhäufen. Völlige Fehlentwicklung, wie wir heute feststellen müssen. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum ESM und zum Fiskalpakt so wichtig war, nämlich Solidarität bedeutet auch, dass ich Verpflichtungen, die ich abgebe, einhalte. Es heißt auch weiterhin, dass wir Stabilität in diesem Europa, in den Staaten sichern müssen. Denn wir wollen - wie gesagt, gerade das gibt der Entschließungsantrag her - an diesem wichtigen Punkt auch in der Zukunft mitwirken. Wir haben vorhin, ich glaube, Sie haben es auch gesagt, mehr Europa, wenn wir über Europa reden, ist das für uns vor allen Dingen im täglichen politischen Alltag, nicht nur hier im Plenarsaal, sondern draußen vor Ort, wo wir dazu gefragt werden. Da gibt es genügend Anknüpfungspunkte zu den Unternehmen und wir haben die Gelegenheit, unsere gemeinsame Pflicht durch dieses Subsidiaritätsfrühwarnsystem wahrzunehmen. Das ist auch heute Morgen noch mal gesagt worden, mitwirken und mithelfen, mittun. Frau Kollegin Siegesmund, weil Sie heute Morgen auch einen sehr guten Beitrag zur Europapolitik gehalten haben, vielleicht können Sie auch noch ein bisschen Einfluss nehmen, Herr Meyer weiß das ja, wenn der Ausschuss nach Brüssel reist. Mitwirken heißt halt auch, dass sich dann auch die Europaabgeordneten der einzelnen Fraktionen mal für uns öffnen, Herr Meyer.
Herr Bütikofer war das letzte Mal nicht dabei, wenn ich es richtig weiß. Ich war ja auch anwesend. Das tut auch gut, wenn die kleinen Parlamentarier aus Thüringen nach Brüssel reisen und dann mit den Europaabgeordneten in Kontakt kommen, dass sich die Leute auch unseren Fragen dort stellen, damit wir auf regionaler Ebene ein bisschen mehr wirken können. Ich finde, das ist gut, wenn das so kommt.
Seit Mai 2011 haben wir hier im Thüringer Landtag über 200 Frühwarndokumente - heute Morgen hat einer gesagt Schwarten - gelesen. Es ist schon eine Anstrengung, wenn man das mal so durcharbeitet mit Unterstützung der Verwaltung, mit Unterstützung der zuständigen Staatskanzlei natürlich, sonst kann man das gar nicht alles leisten mit den Fachleuten, die da sitzen. Ich glaube, das macht auch deutlich, dass es gut ist, dass wir uns mit diesem Subsidiaritätsfrühwarnsystem so auseinandersetzen, denn ein Viertel allein dieser ganzen Vorlagen ist im Europaausschuss bzw. in weiteren Fachausschüssen besprochen worden. In 14 Fällen haben
wir die Landesregierung aufgefordert, Subsidiaritätsbedenken im Bundesratsverfahren geltend zu machen und in sechs Fällen haben wir die Landesregierung gebeten, Subsidiaritätsrügen zu erheben.
Wir können in diesem Zusammenhang feststellen, dass sich die Landesregierung in jedem Punkt an unsere Absprachen gehalten hat, ob das jetzt in Bezug auf die Vorgaben des Ausschusses war oder ob es bis zu entsprechenden Bundesratsplenaranträgen war. Frau Ministerin Walsmann, herzlichen Dank. Ich finde schon, das ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Parlament und Regierung, die nicht in allen Ländern so ist, das darf man noch mal betonen. Ich glaube, wir sind da auch eine ganz schöne Ausnahme.
Bei der Frage, was jetzt Gegenstand einer Subsidiaritätsrüge sein kann, gibt es sicher unterschiedliche Auffassungen, vor allem aber, ob das Fehlen einer Kompetenznorm oder einer Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips geeignet ist, Subsidiaritätsrügen zu tragen, das war immer mal umstritten. Trotzdem, glaube ich, haben wir innerhalb unseres Ausschusses das Richtige daraus gemacht und die Möglichkeiten auch genutzt, das umzusetzen. Klar ist das so, wenn unklare Voraussetzungen da sind, das erschwert die Zusammenarbeit auf regionaler, auf nationaler und auf europäischer Ebene und ein einheitliches Verständnis von Subsidiaritätsrügen würde da, glaube ich, auch bei den vorgesehenen Quoren sehr mithelfen, dass man die auch erreichen kann. Wenn das nicht der Fall ist, behindert das natürlich die ganze Arbeit.
Deshalb begrüße ich auch, dass die ganze Europaministerkonferenz sich dazu verständigt hat im November dieses Jahres, an der Erarbeitung klarer Anwendungskriterien mitzuwirken oder sie ins Leben zu rufen, dass wir da vorwärtskommen. Das könnte natürlich auch die Arbeit für uns innerhalb unseres Landtags deutlich erleichtern. Was insbesondere fehlt, ist ein abgestimmtes Vorgehen der nationalen Parlamente. Nur dann machen ja auch so zeitaufwendige Prüfungen, wie wir sie alle durchmachen müssen, einen Sinn, dass wir das nicht nur innerhalb des Thüringer Landtags, sondern auch innerhalb des Bundesrats - da gilt ja das Gleiche - tun können.
Die bisherige Praxis im Frühwarnsystem hat uns zumindest gelehrt, wir sollten auch die praktische Anwendung von Subsidiaritätsrügen nicht überschätzen, aber es ist trotzdem wichtig, dass man sich in die Pflicht nimmt, um zu den entsprechenden EU-Vorhaben auch eindeutig und rechtzeitig sich positionieren zu können, auch um Unterstützung für diese Positionen zu werben, sei es bei anderen Ländern oder bei Partnern.
Auf den Punkt Kohäsionspolitik - Mittelausstattung möchte ich jetzt eigentlich gar nicht noch mal eingehen. Ich denke, die Ministerin wird den Punkt ansprechen, weil sie ja viel näher dran ist an all den Dingen. Klar ist - alle Vorredner haben das schon gesagt -, was es für uns bedeuten wird, Sicherheitsnetz, Absenkung, auf welchen Prozentsatz wissen wir nicht. Heute und morgen ist Sondergipfel. Ich persönlich glaube nicht daran, nachdem vorige Woche die Haushaltsverhandlungen zwischen EU-Parlament und EU-Rat gescheitert sind für den Haushalt 2013, dass man sich heute oder morgen auf diesen mittelfristigen Finanzrahmen verständigen wird. Das kann ich mir schlecht vorstellen, aber sei es drum, vielleicht muss man auch da hinschauen, Frau Ministerin. Es sind ja nicht nur wir Thüringer betroffen, sondern es werden ja auch andere Regionen in Europa betroffen sein. Wir haben ja auch Partnerregionen, vielleicht kann man mit denen mal reden, dass man da gemeinsame Positionen findet und gemeinsam intervenieren kann. Ich glaube, das wäre ganz wichtig.
Der Kürzungsvorschlag von Herrn van Rompuy, wenn der kommt, wird es schon ein bisschen eng, denn die Kürzungen sind vergleichsweise gering im Bereich Wettbewerb und Wachstum bei minus 11 Mrd. Aber relativ hoch sind sie bei der Kohäsion, da sind es über 29 Mrd. von den vorgeschlagenen rund 75 Mrd. und bei der Agrarpolitik sind es 25 Mrd. Das wird uns, glaube ich, wehtun, weil allein davon 16 Mrd. geplant sind, bei den Direktzahlungen einzukürzen. Das ist schon ein Hammer für uns, denn man bekommt das auch nahe mit. Ich sitze freundlicherweise durch das Votum des Parlaments in einer Fachkommission im AdR, in der NAT-Fachkommission, wo man gerade über die Agrarpolitik einiges mitbekommt, wie sich dort die Gemengelage darstellt. Es steht auch im Bericht, die Kappungsgrenze, die 300.000 €, die da jetzt im Spiel sind, sind längst überholt. Da gibt es ganz klare Stellungnahmen auch innerhalb solcher Fachgremien, die von 250.000 bis 150.000 reden. Da sind wir auch noch nicht am Ende der Fahnenstange, weil das natürlich unsere großen Agrargenossenschaften mit hohen Zahlungsansprüchen, die strukturbestimmend sind, treffen wird. Es ist auch zu befürchten, dass die Gegenrechnung, die die Kommission an der Stelle macht, dass bäuerliche Gehälter gegengerechnet werden können, vor der WTO Bestand haben werden. Das wird auch nicht ganz so einfach sein. Wir haben hier in Thüringen andere Voraussetzungen als die kleinbäuerliche Struktur in anderen Bundesländern - das wissen wir alle -, deshalb müssen wir uns auch nicht nur auf die Durchsetzung der Interessen des Bundes verlassen - da bin ich ein bisschen skeptischer -, sondern da müssen wir unsere Landesregierung bitten, dass sie im Kontext der Ostministerpräsidenten
wirbt und dass wir da ein Stück vorwärtskommen. Auch zum Greening will ich nichts wiederholen das steht im Antrag alles drin, das hat Kollege Kubitzki vorgelesen. Wichtig ist an der Stelle, dass man vor Ort ist. Ich glaube, irgendwann demnächst wird es ein Gespräch mit dem Kommissionspräsidenten Barroso geben. Das ist eine Gelegenheit, auch noch mal auf unsere Situation aufmerksam zu machen. Europa funktioniert nur so, nicht von hier aus, sondern von dort vor Ort. Das ist gut, dass die Landesregierung sagt, wir sind da vor Ort, nicht nur die Kabinettsitzungen, sondern dass wir als Ausschuss da sind und die einzelnen Fachausschüsse auch Kontakte in Brüssel wahrnehmen. Das ist, glaube ich, der richtige Weg.
Dann gab es noch so Diskussionen zu Verordnungsvorschlägen über die Finanzkontrollen. Das ist auch nicht ganz so einfach. Da gibt es welche, die Anträge das erste Mal einreichen. Die muss man wieder anders bewerten, als die, die schon routinierte Profis sind, die mehrfach Anträge einreichen. Das ist auch kein leichtes Aufgabengebiet, aber da geht es um Einschränkung der Bürokratie. Das ist natürlich in unserem Interesse. Ich glaube, Herr Koppe hat es angesprochen, dass wir, als wir bei Stoiber waren, tolle Zahlen gehört haben, was alles auch an Bürokratievereinfachung da ist. Da geht es um Jahreseinsparung von fast 40 Mrd., nur bis jetzt wird nichts umgesetzt. Die Idee und die Vorschläge sind da, aber aus dem Potenzial heraus etwas in praktische Politik umzusetzen bisher leider dünn.
Abschließend vielleicht noch zur Öffentlichkeitsarbeit ein paar Worte: Klar ist die Großwetterlage schwierig. Kollegin Marx hat gesagt, obwohl die EU den Friedensnobelpreis bekommen hat, weht ein starker Wind ins Gesicht. Das merkt man draußen bei allen Diskussionen. Aber es kommt gerade darauf an, dass wir jetzt Kommunikation betreiben, Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Das Auswärtige Amt hat hier ein Strategiepapier „Europa erklären, Europa diskutieren“ vorgelegt. Ich glaube, das ist so eine Möglichkeit, die Initiative von Mitbürgerinnen und Mitbürgern ihnen ins Bewusstsein zu rufen, welchen Wert wir in Europa haben: Frieden, Freiheit, unter welchen Bedingungen wir das heute gestalten können. Das sollte man nutzen. Natürlich bedarf auch das einer engeren Abstimmung mit den Ländern und den europäischen Instituten. Da setzt auch die Europaministerkonferenz noch mal einen Akzent, indem sie sagt, so eine Kommunikationsstrategie muss auch um regionale und lokale Aspekte erweitert werden. Da muss man auch ein bisschen kleinteiliger werden, um das aufzunehmen, was da unten die Leute vor Ort bewegt, die am Ende auch Projekte umsetzen.
Vielleicht noch eine letzte Bemerkung: Wir haben insgesamt - Landesregierung und auch einige Kolleginnen und Kollegen von uns - dieses Jahr über
60 Öffentlichkeitsveranstaltungen durchgeführt. Hier im Thüringer Landtag haben wir mit jungen Leuten unterschiedlichster Zielgruppen auch Veranstaltungen durchgeführt, sachliche Debatten zu europapolitischen Themen geführt. Ich bin froh, der Termin für die Europa-Woche steht schon nächstes Jahr, dass er wieder im Mai sein wird und der Schulprojekttag am 6. Mai. Das könnte sich vielleicht jeder Kollege schon mal in sein Notizbuch schreiben - 6. Mai nächsten Jahres Projektschultag, das ist die beste Gelegenheit, mit jungen Leuten in die Diskussion zu kommen, weil das auch wichtig ist, dass wir nach außen hin zeigen, womit wir uns hier im Parlament befassen. Es ist immer interessant, ich habe voriges Jahr die doppelte Zeit gebraucht, weil die Jugendlichen mich gebeten haben, ob ich länger bleiben kann, so interessant war es. Das hat man nicht immer, aber das zeigt, dass bei jungen Menschen Interesse da ist. Dann darf ich mich anschließend auch bedanken, vor allen Dingen bei unserem Thüringenbüro in Brüssel, weil dort schon über viele Jahre - wenn man selbst fast 20 Jahre dabei ist, kennt man das - gute Arbeit geleistet wird.
Besonderer Dank an Frau Ministerin Walsmann, weil ich weiß, noch ist ja keine Entscheidung gefallen zum EIZ. Es ist ganz wichtig, dass wir das hier bei uns vor der Haustür in der Regierungsstraße auch weiterhin betreiben können, denn ich habe die Zahlen nicht im Kopf, aber ich weiß, dass Unmengen von jungen Leuten, von Schülern, nicht nur Junge, auch Ältere, gestandene Senioren dort sind und Material mitnehmen. Nichts gegen Broschüren, das gehört alles mit dazu, das braucht man auch, aber dass man die Kommunikation hat über das EIZ, ich denke, das ist wichtig, damit Europa in Thüringen auch den Platz bekommt, nicht aufgrund seiner Bedeutung oder wie in Sonntagsreden immer nur Gegenstand von Vorurteilen ist, sondern dass es tatsächlich, so wie es ist, mitten im Alltag steht. Ich bitte herzlich um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. Danke schön.
Vielen herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Bergemann. Als Nächster hat jetzt der Abgeordnete Carsten Meyer für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ja, Europa ist auch in diesem Hohen Haus immer so eine Achterbahnfahrt zwischen der ganz großen Vision und den sehr großen Mühen der Ebenen. Ich wollte am An
fang auf die Kollegin Marx reflektieren, weil ich fand ehrlich, Frau Marx, Ihr Bild von Europa, von so einer, ich muss schon fast sagen, pflegebedürftigen alten Frau, das ist Gott sei Dank nicht meins. Meins ist aber auch ein bisschen komisch und vielleicht gefällt das auch dem einen oder anderen nicht, aber ich will Ihnen trotzdem sagen, was mein Bild von Europa ist. Ich sehe Europa eher als Pilz. Sie wissen es vielleicht nicht, aber das größte Lebewesen der Welt ist ein Pilz in Nordamerika von mehreren 1.000 km².
Der hat den Vorteil, dass er in allen Lebensräumen zu Hause ist - wie Europa auch, dass er überall unerwartet auftaucht - wie Europa auch, dass er alles durchdringt - wie Europa auch und dass er die Erde fruchtbar macht und man damit wirtschaften kann wie Europa auch. Das allerschönste an diesem Pilz ist, er ist unsterblich. Das ist das Allerbeste daran, dieser Pilz ist das älteste Lebewesen der Erde und das wünschen wir für Europa auch, dass es lange lebt und nicht wie diese in der Pflegestufe 2 befindliche Dame dahinsiechen möge. Das mal als Vorbemerkung.
Es ist viel über die Diskussion bei uns in den Ausschüssen gesagt worden und das merken auch die Kolleginnen und Kollegen, die mit dabei sind. Dort herrscht in der Regel relativ große Einigkeit, allerdings auch nicht immer. Ich will das nur ganz schnell, ich habe nicht so viel Zeit hier, mal kurz auf den Bericht reflektieren und ein Beispiel nehmen, und zwar weil es in diesen Bereich hineindrückt mit der Agrarpolitik. Da wird also in dem Bericht ausgeführt, problematisiert wurde im Rahmen der Beratung des Europaausschusses, dass die Kappung der Direktzahlung ab 300.000 € sowie die Degression der Zahlung auf europäischer Ebene noch immer mehrheitsfähig erscheine. Thüringen ist in seinen Agrargenossenschaften eine der leidtragenden Regionen. Dieses Wort „leidtragend“ sollten wir uns abgewöhnen im Zusammenhang mit Europa. Wir sind eine der betroffenen Regionen, ein Teil unserer Agrargenossenschaften ist betroffen, unzweifelhaft und außerordentlich positiv. Aber man muss doch den europäischen Blick obendrauf legen und überlegen, wie Europa eigentlich in der Agrarpolitik gedacht wird von Irland und Frankreich, von Spanien und Bulgarien aus. Da muss man dann feststellen, dass von den 3.600 Betrieben in Thüringen wahrscheinlich 440, die über 500 ha haben, betroffen sind im Sinne von, dass sie von einer Kappungsgrenze betroffen sein könnten, und die 3.200 darunter eben nicht. Betroffen, aber nicht leidtragend, das ist der Unterschied.
Jetzt noch einige Bemerkungen zu dem Entschließungsantrag. Ich finde den Titel von dem Entschließungsantrag sehr gut: „Thüringens Zukunft heißt Europa“. Das kann ich unterschreiben. Im Absatz 1
des Entschließungsantrags wird davon geredet, dass Europa damit einen dauerhaften Schuldenabbau, eine entschlossene Regulierung, eine gerechte Besteuerung der Finanzmärkte und eine abgestimmte Wirtschaftspolitik braucht.
Wer würde dagegen reden? Nur wie sollen diese vier Punkte erreicht werden? Meiner Ansicht nach kann das nur heißen, dass Europa, dass die Europäische Union und die Eurozone - das sind drei ganz verschiedene Teilräume - sich weiterentwickeln, gemeinsam entwickeln müssen. Dann steht in diesem Absatz auch, dass die Rechte der demokratisch legitimierten Verfassungsorgane der Mitgliedstaaten und des Europaparlaments gewahrt werden. Gemeint ist das wahrscheinlich, so interpretiere ich diesen Antrag, eher defensiv im Sinne von Angst davor, dass Europa in die Souveränität der Mitgliedstaaten eingreifen könnte. Diese Angst ist ja durchaus nicht unberechtigt. Wir GRÜNE gehen aber positiv an das Thema heran. Wir fordern eine verfassungsgebende Versammlung in Deutschland, um das Grundgesetz so zu ändern, dass Europa weitergehen kann, Herr Bergemann. Das ist der große Unterschied zwischen der CDU und uns und da können wir auch im Ausschuss keinen Deckel draufmachen. Wir wollen, dass das Grundgesetz so geändert wird durch uns als souveränes Volk, mit einer Volksabstimmung, dass wir irgendwann einmal ein europäischer Bundesstaat werden. Da sind wir die einzigen in diesem Raum, das weiß ich, ändert aber nichts an der Tatsache, das ist mein Traum von Europa und da muss man auch feststellen, da treffen wir uns eben nicht in Ihrem Entschließungsantrag wieder. Das ist nun einmal so.
Zum Zweiten: Bei ESF und EFRE, nur einmal als Bemerkung, verantwortet die Europäische Union natürlich nicht die absehbaren Kürzungen für die Periode 2014 bis 2020, sondern das verantworten ausschließlich und ganz allein die Regierungen der Mitgliedstaaten. Die tagen heute und reden darüber, dass sie das Geld nicht geben werden.
Das liegt nicht an Europa. Diese Sprachregelung ärgert uns, weil die Sprachregelung muss deutlich sein. Man muss Ross und Reiter nennen und hier ist klar, der Reiter sind die souveränen Regierungen, die es verhindern, dass beispielsweise Europa auch eine eigene Kompetenz zur Steuerhebung bekommt.
Dann wird in diesem Entschließungsantrag, ich zitiere noch einmal, ein bisschen gekürzt, aber ich hoffe sachrichtig: Kürzungen dürfen nicht überproportional bei den EU-Strukturfondsmitteln vorgenommen werden. Eine Position, die ich auch teile.
Nur wenn das stimmt, dass Sie das wirklich wollen, dann müssen Sie sich höchstwahrscheinlich, weil 40 Prozent Europas im Haushalt sind Agrar, für mehr Kürzungen im Agrarbereich einsetzen.
Sie haben die Zahlen genannt, aber das war keine proportionale Frage, das war eine gleichmäßig hohe Zahlung. Aber wenn 40 Prozent Agrar sind und 25 Prozent Strukturfondsmittel, dann sind 25 Mrd. € bei dem einen nicht das wie bei dem anderen prozentual. Den Mut muss man dann auch haben, Herr Bergemann, und feststellen, eigentlich wollen Sie, wenn Sie mehr Strukturfondsmittel wollen, weniger Agrarfondsmittel, denn der Rest spielt keine Rolle.