Protocol of the Session on October 19, 2012

In Deutschland sind die Kriterien für die Tierhaltung tatsächlich sehr scharf. Wenn wir uns unsere europäischen Nachbarn ansehen, dann wird das ganz deutlich, dass die Unterschiedlichkeiten in der Normierung zur Tierhaltung in Europa nach wie vor bestehen und wir mit unseren Maßnahmen und Kriterien da sehr weit vorn sind. Das finde ich auch gut so. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass wir durchaus auch Fleisch importieren aus anderen Ländern und dieses essen. Das Bundesministerium unterstützt die Einführung eines eigenständigen Tierschutzlabels. Die Verbraucher sollen erkennen, wenn Lebensmittel nach deutlich höheren Tierschutzstandards produziert werden, als es gesetzlich gefordert ist, Punkt 1, und die Verbraucher sollen damit natürlich auch bewusster einkaufen können und sich bewusst entscheiden können, wie sie sich ernähren wollen. Fakt ist aber auch, das gehört zur Wahrheit dazu, Produktionsbedingungen, die nach schärferen Kriterien laufen und die evtl. auch nach anderen Vorschriften und Standards gehen, können durchaus auch mit sich bringen, dass die Lebensmittel an sich im Preis intensiver werden; das ist legitim. Ich sage auch, wir haben in Deutschland sowieso eine Situation, wir kaufen Fleisch sehr billig ein und das muss man auch in der Wahrheit und in der Diskussion ganz einfach mit hinnehmen. Wenn man für 1 Kilo Schweinefleisch nur 2,90 € bezahlen muss und manchmal im

(Abg. Primas)

Angebot noch weniger, dann muss man auch akzeptieren, dass das eigentlich nicht der Produktionspreis ist.

(Beifall FDP)

Wir alle sind mündige Bürger und entscheiden selbst, was wir essen wollen, nach welcher Qualität wir essen wollen und wie wir essen wollen. Zum Schluss ist es so, wenn es eben zum Schwur kommt und man entscheidet, kostet jetzt das Kilo Schweinefleisch oder Rindfleisch, egal welche Sorte, reden wir jetzt einmal vom Fleischkonsum, 5 € oder kostet es 3,50 €. Dann muss ich mich selbst dazu entscheiden, wenn ich auch weiß, hier ist evtl. ein ökologischer Anbau oder Zucht vonstatten gegangen, hier war es eine Massenhaltung - ich muss es selbst entscheiden. Die Bürger sind mündig. Ich denke, es entscheidet sich zum Schluss immer mit dem Portmonee, aber auch mit der Überzeugung, wie man sich ernähren möchte. Dazu brauchen wir - sehr geehrter Herr Dr. Augsten, das war die Vorrede - nicht die von Ihnen gewünschte Kampagne zur Aufklärung, die nun auch noch aufgestülpt sein soll.

(Beifall FDP)

Wir sind ja im Grunde genommen schon ziemlich weit. Der Ausschuss hat sich ja schon im September eine Beschlussempfehlung zu Perspektiven Thüringens als Zentrum der Ernährungswirtschaft erarbeitet. Ich finde, da sind wir schon ein weites Stück vorangekommen. Zu Ihrem Antrag möchte ich jetzt so weiter nichts sagen, weil mir die Zeit davonläuft. Das wissen Sie ja schon, im Prinzip haben wir darüber geredet, die Punkte abgearbeitet und Ihnen auch zum damaligen Zeitpunkt schon gesagt, dass die FDP-Fraktion Ihren Antrag so nicht annehmen wird. Dabei bleibt es auch. Die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses, gerade eben gehört, spricht ja auch von einer Ablehnung. Die Bundesregierung hat sich über die Einführung einer Datenbank verständigt und nun haben wir den Alternativantrag der Fraktionen der CDU und SPD. Der ist nach unserer Auffassung insofern weitreichender, dass er allgemeiner formuliert ist

(Zwischenruf Abg. Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr allgemein.)

und viele Möglichkeiten der Umsetzung hier hineinbringt. Zum Beispiel Punkt 1: Im Alternativantrag von CDU und SPD geht es um das Thema der Reduzierungsmöglichkeiten des Antibiotikaeinsatzes. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz schreibt auf seiner Internetseite, dass es zu einem Antibiotikaminimierungskonzept kommen wird und soll unter bestimmten Gesichtspunkten, nämlich der Verbesserung der Tierhaltungsbedingungen, der Verschärfung der Regelungen im Tierarzneimittelrecht und der Förderung von Alternativen zum Antibiotikaeinsatz, z.B.

im Rahmen der Forschung. Bundesregierung - Antrag: Durch ein Paket gezielter Maßnahmen wird das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung besser erfassen und die Datennutzung neu regeln. Das ist ein wichtiger Schritt für mehr Tierschutz und Gesundheit. Frau Präsidentin, das war ein Zitat. Oh, Herr Präsident. Das ist gefordert in dem Antrag. Die Bundesregierung hat hier einiges schon umgesetzt. Zu den Punkten 2 und 3 fordern sie die Einführung einer Datenbank, wie vom Bundeskabinett am 19.09.2012 beschlossen. Da ist es natürlich nur wichtig, dass - Sie sprechen ja auch davon - das QS-Monitoring eventuelle Datenerfassungen erst einmal übernehmen soll, bis die Datenbank funktioniert und läuft. Es darf keine Doppelung geben nach unserer Auffassung. Es sollten keine Datenfriedhöfe entstehen, aber grundsätzlich ist natürlich die Datenbank zu unterstützen. Das QS-Monitoringsystem ist zum 01.04.2012 für Geflügelmastbetriebe in Betrieb genommen worden und für die Schweinemastbetriebe zum 01.09.2012. Daran beteiligen sich 420 Tierärzte. Da komme ich auf den Punkt Tierärzte. Es gab ja die Tierärztefachtagung in Friedrichroda am letzten Wochenende. Zu dieser Fachtagung gibt es eine Pressemitteilung von heute, in der die Tierärzte gerade die Notwendigkeit der Datenbank, aber auch die Notwendigkeit der Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes, sowie die Notwendigkeit, Antibiotika in bestimmten Fällen zu benutzen - das gehört eben auch dazu -, benennen. Sie geben also diesem allgemeiner gehaltenen Antrag an vielen Stellen recht.

Dann kam der Entschließungsantrag von der Fraktion DIE LINKE mit gestrigem Datum. Diesem Entschließungsantrag kann ich auch einiges abgewinnen, gerade in Ihrem ersten Punkt, wo Sie noch mal darauf eingehen, dass auch die Puten betrachtet und mit aufgenommen werden sollen in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Nicht so viel loben, bitte.)

Ich würde den Vorschlag machen, so will ich es mal formulieren, dass man alle drei Anträge noch mal im Fachausschuss bespricht, um eventuell Gemeinsamkeiten herauszufinden. Sollten sich dafür keine Mehrheiten bieten, dann werden wir uns dem Antrag der Fraktionen der CDU und SPD anschließen. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD, FDP)

Danke, Herr Abgeordneter. Die Kollegin hat das schon verstanden. Das Wort hat jetzt Abgeordnete Scheringer-Wright.

(Abg. Hitzing)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen, seit Jahren steht der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung in der Kritik, erst nur in Fachkreisen, jetzt auch schon über Monate oder fast ein Jahr in der breiten Öffentlichkeit. Zu viele Probleme, die direkt auch die Gesundheit der Menschen bedrohen, sind aufgetreten. Der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung ist aus mehreren Gründen problematisch: Erstens werden die Keime in der Tierhaltung resistent, zweitens gelangen mit der Stallabluft Antibiotika aber auch resistente Keime und Mikroorganismen bis zu mehrere Hundert Meter in die Umgebung und zudem finden sich in Milch, Fleisch und auch Eiern von Betrieben mit intensivem Antibiotikaeinsatz Rückstände und Abbauprodukte dieser Substanzen.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Was?)

Ja - was? Das stimmt.

Es mehren sich auch Forschungsergebnisse, dass in Böden über Gülle, Mist und Staub Antibiotika eingetragen werden und die dann wieder über die Wurzeln in die pflanzlichen Kulturen aufgenommen werden. Es wurde nachgewiesen, dass bestimmte Antibiotika und ihre Abbauprodukte von den Wurzeln der Pflanzen aufgenommen werden und bei Getreide bis in die Körner, bei Lauch, Salat oder Kohl bis in die Blätter transportiert wurden. Das muss man sich mal klarmachen. Wenn es so ist, dass Rückstände in den tierischen Produkten vorkommen können, aber auch Rückstände in den pflanzlichen Produkten vorkommen, da machen die Menschen über ihre ganz normale Ernährung sozusagen immer eine Antibiotika-Kur. Dass sich dadurch auch bei Menschen Resistenzen von Keimen bilden, ist nicht von der Hand zu weisen.

Die Probleme sind so groß geworden, dass die Politik reagieren musste. Auf Bundesebene ist das Arzneimittelgesetz in der Novellierung. Es wurde ein Entwurf vorgelegt, der jetzt beraten wird. Auch hier im Haus wurde letztes Jahr eine Anhörung durchgeführt und es liegen zwei Anträge zum Thema vor. Beide Anträge sind nicht ganz schlecht, aber beide Anträge sind relativ ungenau und sehr interpretationsfähig.

(Beifall DIE LINKE)

Da, Herr Primas, habe ich auch das Gefühl, dass Sie den halben Rügener Kreidefelsen gegessen haben. Was Sie jetzt für Worte verwenden: ganzheitlich, zukunftsfähig.

(Zwischenruf Abg. Mühlbauer, SPD: Wir ar- beiten ja seit drei Jahren zusammen.)

Genau, da freue ich mich ja richtig, dass Sie die haben. Allein mir fehlt da der Glaube, dass Sie das

auch richtig verinnerlicht haben. Meine Befürchtung ist deshalb, dass, wenn der Antrag der regierungstragenden Fraktionen allein durchgeht, die realen Ergebnisse, die dann durch die Umsetzung des Antrags kommen, weit hinter unseren Erwartungen und auch hinter den Anforderungen zurückbleiben.

(Heiterkeit CDU)

Bei der Anhörung der Experten, z.B. den Vertretern der Landestierärztekammer in Thüringen und der Thüringer Tierseuchenkasse, wurde wiederholt festgestellt, dass gerade im Bereich der Mast von Geflügel und Schweinen der Einsatz von Antibiotika als zu hoch zu bewerten ist.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Ich habe nie etwas anderes gesagt.)

Diese Experten haben noch einmal bekräftigt, was inzwischen allgemein in der Wissenschaft bekannt ist, dass ein enger Zusammenhang zwischen den Haltungsbedingungen und der Erkrankungshäufigkeit und auch der Erkrankungsschwere der Tiere besteht. Wenn hier ein enger Zusammenhang besteht, und damit feststeht, dass die Haltungsbedingungen ein maßgeblicher Einflussfaktor sind, dann muss man doch ganz konkret hier ansetzen.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Das ma- chen wir doch schon.)

Aber nicht ganz konkret. Wo sind die gesetzlichen Regelungen für die Nutztierhaltung in der Praxis festgeschrieben, in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, und da müssen wir ran.

Das ist die Regelung, an die sich die Landwirte halten und die sie erfüllen, und nicht irgendwas, was so ganz unkonkret beschrieben ist. In der gegenwärtig gültigen Fassung steht da z.B. bei Mastgeflügel drin, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis: „dass die Masthühnerbesatzdichte zu keinem Zeitpunkt 39 kg/m² überschreitet.“ Jetzt rechnen wir das mal um. 39 kg/m² bedeutet, dass bei einem Lebendgewicht von 3 kg pro Hähnchen, mehr als 10 Hähnchen auf 1 m² leben müssen, fressen müssen, spielen, wenn sie überhaupt noch können, ruhen müssen. Diese Tiere können sich unter solchen Bedingungen überhaupt nicht mehr frei bewegen. Sie können nicht spielen, sie können nicht laufen, sich recken und strecken, ohne massiv mit den anderen Tieren in Konflikt zu kommen.

(Beifall DIE LINKE)

Und auch Tiere können Platzangst bekommen. Tiere sind gestresst und werden dadurch krank.

Oder nehmen Sie die Mastschweine: Ein 110 kg schweres Schwein, dem wird laut Tierschutz-Nutztierverordnung nur 1 m² Lebensraum zugebilligt.

(Zwischenruf Abg. Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die sind 1,2 m lang, wie geht das?)

Na ja, passen Sie mal auf, das ist ja so, die sind ja nicht alle isoliert in Einzelhaft. Also Herr Augsten, eigentlich Ihnen muss ich das nicht erklären.

(Zwischenruf Abg. Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war ja auch eine Fangfrage.)

Solche Zustände machen krank. Deswegen die enge Korrelation zwischen Tierbesatzdichte und Krankheiten und dann Antibiotika, deswegen müssen wir hier ansetzen.

Frau Abgeordnete, es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage.

Bitte.

Nur noch mal zur Klarstellung. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie sich nicht versprochen haben. Sie sprachen eben davon, dass Hähnchen Platzangst bekommen könnten, das wäre Agoraphobie, wenn ich richtig weiß. Meinen Sie nicht tatsächlich Klaustrophobie? Also Raumangst?

Ich halte jetzt die Rede eigentlich nicht für Semantiker, sondern ich halte die Rede jetzt für die Öffentlichkeit und für uns alle. Und wir alle haben ein Verständnis, was wir unter Platzangst verstehen. Sie können sich jetzt aussuchen, ist es Agoraphobie oder Klaustrophobie oder wie Sie das lateinisch bezeichnen wollen. Ich glaube, das ist nicht der Punkt, der Punkt ist, dass die Tiere zu eng aufgestallt sind, Punkt.

(Beifall DIE LINKE)

Also muss man neben der Zucht auf robuste Rassen neben gesundem Futter eben maßgeblich an die Haltungsbedingungen und insbesondere an die Tierdichte ran. Herr Primas, deswegen enttäuscht mich das schon, was Sie zum Schluss gesagt haben. Frau Hitzing hat es gesagt, die Putenhaltung findet sich immer noch nicht in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Da haben die Agrarminister der Länder Ende September selber gesagt, die müssen aufgenommen werden. Da sind die Puten gestorben wie die Fliegen, als es im August so heiß war in den Ställen. Das hat auch etwas mit der Besatzdichte zu tun, weil je enger die aufgestellt werden, desto heißer wird es. Deswegen müssten wir hier an die Verordnung ran.

Im Antrag der GRÜNEN ist dazu etwas drin. Da findet sich zum Beispiel die Orientierung an den ÖkoRichtlinien, aber da steht nicht drin, dass das genau in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung reinkommt. Da müssten die Anforderungen dann rein, wenn es konsequent sein sollte.

Im Antrag der CDU und SPD ist dazu etwas drin, aber das ist eben sehr interpretationsfähig und ungenau. Keiner nennt die Verordnung, die ja verbindlich ist, weil QS ist ein freiwilliges System, da kann ich als Landwirt teilnehmen oder nicht. Wenn ich nicht teilnehme, habe ich auch keinen Schaden. Das ist zwar schön, dass sich da freiwillig etwas ausgedacht wird, aber es ist nicht verbindlich und nicht rechtsgültig. Ich weiß auch, dass eigentlich Thüringen nicht wirklich der Blockierer auf Bundesebene ist, dass da andere Bundesländer wirklich blockieren, extrem blockieren, auch wenn sie ihre Agrarminister austauschen und nicht nur die Lobbyisten vorschicken. Trotzdem denke ich, dass es jetzt der richtige Schritt wäre, Herr Primas und CDU-Fraktion, weil jetzt ist die Öffentlichkeit alarmiert, jetzt ist es ein Thema und jetzt hätten wir gute Chancen, die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zu ändern.

(Beifall DIE LINKE)