Protocol of the Session on January 29, 2010

Was die Industrie, was unsere Unternehmen hier brauchen, ist vor allem verlässliche und berechenbare Politik. Bereits die Ankündigung einer so drastischen zusätzlichen Reduzierung hat dazu geführt, dass namhafte Hersteller in Thüringen bereits angekündigt haben, ihre Investitionen zurückzustellen - Herr Minister hat es schon gesagt - oder massiv zu reduzieren. 70 Prozent der 800 führenden Unternehmen in dieser Branche geben an, dass eine solche Reduzierung existenzgefährdend ist - 70 Prozent. In Thüringen wären davon rund 12.000 Arbeitsplätze betroffen.

Auch die neue Bundesregierung, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, muss endlich erkennen, dass wir tatkräftig dazu beitragen müssen, die Energiewende auf den Weg zu bringen. Statt über längere Laufzeiten von Atomkraftwerken zu diskutieren, brauchen wir verlässliche Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien. Die Hersteller sagen ganz deutlich, dass sie dort produzieren müssen, wo die wichtigsten Märkte sind. Solch ein Signal führt in Konsequenz zur Abwanderung einer wichtigen Leitindustrie; nicht nur das, wir kritisieren seit Jahren, dass Thüringen nicht nur die verlängerte Werkbank sein kann, dass wir versuchen müssen, Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in Thüringer Unternehmen zu etablieren. Im Solarbereich sind wir so weit und nun gefährdet das die Bundesregierung mit einem Federstrich. Offensichtlich besteht das Problem dieser Bundesregierung darin, dass Mövenpick keine Solarzellen baut, sonst würde die Diskussion vielleicht ein bisschen anders laufen.

(Beifall SPD)

Wir gefährden damit noch viel mehr, nämlich den Aufholprozess der neuen Länder. Eine solche Kürzung ist aber nicht nur beschäftigungspolitisch, wirtschaftspolitisch ein Problem, sondern sie führt auch dazu, dass die immensen Potenziale zur Erzeugung von Strom aus Sonnenkraft auch hier vor Ort nicht ausreichend genutzt werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade in diesem Bereich gibt es Potenziale für neu zu errichtende Anlagen. Nach einer aktuellen Studie der Universität Jena können wir bis zum Jahr 2020 115-mal so viel Solarstrom erzeugen wie bisher. In Zahlen: Wir produzieren momentan ungefähr 190 Terrajoule, das Potenzial liegt bei 22.000 Terrajoule.

Zum Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN muss ich allerdings sagen: Natürlich denken wir darüber nach, wie wir bei den Gebäuden des Freistaats erneuerbare Energien einbinden, und zwar nicht nur im Neubau.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich können wir auch darüber diskutieren, ob wir die Verpflichtungsermächtigung nach Bundesrecht nutzen. Darüber können wir diskutieren, das muss auch noch diskutiert werden. Jetzt brauchen wir aber ein schnelles und deutliches Signal nach Berlin, denn jede politische Entscheidung, die solche Innovationen wie hier in Thüringen bremst, bremst auch die Zukunftstechnologien der gesamten Republik. Da können wir uns keine Zeit lassen, über viele Modelle zu diskutieren, wir müssen dieses Signal heute und jetzt auf den Weg bringen. Ich kann die Bundesregierung nur auffordern, von diesen Plänen Abstand zu nehmen. Minister Machnig hat bereits gegengesteuert, massiv gegengesteuert, er hat den Solargipfel einberufen und ich darf Ihnen sagen, Herr Minister, Sie haben die volle Unterstützung der SPD-Fraktion und ich hoffe, dieses Haus setzt deutliche Zeichen.

Ich beantrage, den Antrag anzunehmen und den Antrag der Fraktion DIE LINKE, da mit Annahme erledigt, abzulehnen. Den Entschließungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantrage ich mit dem Hinweis auf gute Intention und Gesprächsbedarf abzulehnen. Danke.

(Beifall CDU, SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Weber. Als Nächster spricht für die FDP-Fraktion Herr Abgeordneter Kemmerich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Gäste, ich will mir jetzt ersparen, das komplett angesammelte Wissen über Solarenergie und Solarstrom hier vor dem Auditorium auszubreiten. Es ist viel gesagt worden, vieles ist richtig, aber leider gibt es ein paar Sachen, die richtigzustellen sind. Das möchte ich hier nutzen. Herr Adams, der Bundesumweltminister Röttgen, bekanntlich CDUMitglied, hat im Alleingang diesen Vorschlag gemacht. Es tut mir zwar leid, dass Ihnen das Feindbild gerade mal abhanden kommt, aber wir waren es ausnahmsweise einmal nicht.

Sie haben zitiert, dass Rot-Grün das EEG auf die Schiene gesetzt hat. Ich gebe zu, ein beachtenswerter Schritt und auch eine sehr zukunftsweisende Idee sind da verwirklicht worden. Aber wie locker und leicht Sie sagen, es ist ja nicht schlimm, wenn der Verbraucher - die Regierung zahlt es nicht, der Staat zahlt es nicht, aber der Verbraucher - es in seiner Gänze zahlt, das halte ich für sehr beachtenswert. Sie hatten bei der Bundesministerin, die für Verbraucherschutz zuständig war, vor, es einfach auf den Verbraucher abzuladen. Ich denke, es ist schon wichtig, dass wir beachten und betrachten, wie sich die Industrie entwickelt. Es ist durchaus beachtens- und erstrebenswert, auch hier Produktionsfortschritte mit einzupreisen. Es gibt andere Länder, die ähnliche Wege gegangen sind, die in einem permanenten Prozess evaluieren, wie sich die Produktionsintensität, die Intensität der Einspeisung verändern und sich die Einspeisegebühren dem anpassen.

Natürlich werden wir als FDP hier in Thüringen und auch unsere Bundestagsabgeordneten der FDP in Berlin die Solarindustrie unterstützen, und zwar mit allem, was uns zur Verfügung steht,

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt- schaft, Arbeit und Technologie: Montag früh in der Debatte.)

um diesen radikalen Schritt zum 01.04. zu verhindern und hinauszuzögern.

Aber, meine Damen und Herren, wir müssen weiter blicken und dürfen, wie gesagt, nicht alles dem Verbraucher anlasten. Wir wissen auch, wie viele Arbeitsplätze hier daran hängen, wie wichtig diese Industrie für Thüringen ist. Wir werden alles unterstützen, dass wir unseren Produktions- und Innovationsvorsprung hier in Thüringen erhalten können. Aber wir werden natürlich auch darauf achten müssen, dass wir hier nicht der chinesischen Produktion mit unseren Einspeisegebühren Vorsprung finanzie

ren und subventionieren, dass dort die Gewinne hinwandern und letztlich auch die Produktion und damit dann Thüringen am Ende doch schlecht dasteht.

Meine Damen und Herren und liebe Kollegen von der CDU, Sie sind ja auch willens, dieses zu verhindern. Nehmen Sie Einfluss auf Ihre Kollegen in Berlin, nehmen Sie Einfluss auf Norbert Röttgen, damit er sich da bremsen lässt und hier keine derartigen Schritte für die Thüringer Solarindustrie ins Rollen bringt. Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kemmerich. Ich sehe, Minister Machnig wünscht noch einmal das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Bemerkung will ich mir hier doch noch erlauben. Wissen Sie, Herr Kemmerich, das geht ganz einfach. Ihr Bundeswirtschaftsminister muss nur erklären, dass er der Kabinettsvorlage des Bundesumweltministers nicht zustimmt, dann kommt die gar nicht ins Kabinett.

(Beifall SPD)

Ich frage mal ganz offen: Wo ist der Bundeswirtschafts- und -energieminister eigentlich in dieser Diskussion? Der existiert gar nicht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich kenne nicht eine Erklärung dazu. Ich muss sagen, das kann nicht gehen, weil - man kann ja energiepolitisch noch darüber streiten - 10 Mrd. € Investitionen in den nächsten Jahren, die wir konjunkturpolitisch dringend brauchen, nicht kommen. Das halte ich für nicht vertretbar.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich möchte noch einen zweiten Satz sagen. Herr Adams, ich habe Ihrer Rede gut zugehört und stimme in vielem überein. Aber dass wir eine Degression brauchen, ist völlig unstrittig, auch die Branche sagt das.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das steht im EEG.)

Ach, das steht im EEG - auch über die 9 Prozent hinaus. Ich meine, wir müssen an einer Stelle schon darüber nachdenken. Wenn wir Differenzkosten haben, die inzwischen fast zweistellig sind, davon fast 40 Prozent allein im Solarbereich stattfinden, dann muss darüber nachgedacht werden, in welchem Umfang, mit welcher Einspeisevergütung in den nächsten Jahren agiert wird. Denn sonst könnte es passieren, dass wir einen solchen Kostenschub allein über die Solarbranche bekommen, dass andere Erneuerbare darunter leiden. Das kann nicht unser Interesse sein.

Deswegen bekenne ich mich dazu, auch zur gesamten Bandbreite der Erneuerbaren, aber wir müssen das mit Augenmaß machen. Meine Bitte ist, dass wir vielleicht heute - ich würde mich sehr freuen, wenn das gelingen würde - ein sehr einheitliches Signal hier aus dem Thüringer Landtag senden, denn wenn die Bundesregierung entscheidet, gibt es immer noch die Möglichkeit des parlamentarischen Verfahrens. Im parlamentarischen Verfahren müssen dann auch ostdeutsche Abgeordnete, die die Interessen ihrer Länder, ich hoffe, dort vertreten, auch zustimmen. Denen rechtzeitig ein Signal zu geben, wie der Thüringer Landtag, und zwar fraktionsübergreifend, diese Entwicklung sieht, darüber würde ich mich sehr freuen. Das wäre im Übrigen auch das angemessene politische Signal, das wir geben müssen, ein geschlossener Landtag, der ein klares Signal nach Berlin schickt. Ich hoffe, das wird dann dazu führen, dass man noch mal nachdenkt. Darum würde ich herzlich bitten und würde mich freuen, wenn entsprechende Signale von den Fraktionen kommen würden. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Danke schön, Herr Minister Machnig. Herr Dr. Augsten hat um das Wort gebeten, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, als jemand, der selbst eine Solaranlage betreibt, juckt es mich natürlich geradezu, hier in die Debatte einzugreifen. Trotzdem habe ich meinem energiepolitischen Sprecher den Vorrang gelassen, insofern entschuldigen Sie vorhin die kleine Verwechslung. Aber jetzt zu dem, was ich beitragen möchte.

Zunächst einmal, Herr Machnig, das soll jetzt nicht übertrieben wirken, aber auch von meiner Seite noch mal einen herzlichen Dank für Ihr Engagement. Das ist absolut glaubwürdig. Das hat man ja nicht immer,

dass Leute sprechen und man es Ihnen abnimmt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber Sie stehen hier vorn, Sie leben das und insofern können Sie sich sicher sein, dass Sie da unsere Unterstützung an jeder Stelle haben. Ich sage immer mal, wenn es den Hermann Scheer, diese energiepolitische Lichtgestalt bei der SPD, nicht schon gäbe, dann wären Sie, glaube ich, ein würdiger Nachfolger.

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Wenn er das jetzt hören könnte.)

Nun ist der Posten schon besetzt, aber, Herr Machnig, lassen Sie nicht nach in Ihrem Engagement. Wie gesagt, unsere Unterstützung haben Sie an der Stelle.

Im Übrigen - das Aber kommt gleich - haben wir ja auch bei der CDU Leute, die, glaube ich, verstanden haben, worum es geht. Ich sehe den Herrn Primas, der, glaube ich, unglaubliche Verdienste hier in Thüringen hat, wenn es um Biomasse geht, um erneuerbare Energien, also auch hier noch mal ein herzliches Dankeschön für die Arbeit, die geleistet wurde.

(Beifall CDU)

Jetzt kommt das Aber, das muss sein. Meine Herren, Sie werden nicht gemessen an dem, was Sie persönlich für richtig halten.

(Unruhe SPD)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das war gut bis jetzt.)

Deswegen kommt das Aber, das kommt ja von einer ganz bestimmten Richtung. Sie werden nicht gemessen an dem, was Sie persönlich für richtig halten und an Ihrem persönlichen Engagement, sondern an der Arbeit und an dem, was quasi die Parteien machen, denen Sie angehören, und die Regierungen vor allen Dingen.

Insofern, meine Damen und Herren, kann ich es mir nicht verkneifen, noch mal einen Punkt, den Herr Adams hier richtigerweise aufgegriffen hat, etwas zu vertiefen, und zwar: Als es hieß, dass Anträge kommen von der LINKEN, von der SPD, habe ich gedacht, völlig klar, das kann man erwarten zu so einem Thema. Als ich dann gehört habe, dass die CDU auch auf einem Antrag steht, der sich mit Solarwirtschaft beschäftigt, da fiel mir dann der Begriff ein,

den ich bei der FDP gelernt habe: Schaufensterantrag. Da habe ich aber dann gedacht, das trifft es nicht, denn, ich glaube, hier geht es um mehr, als nur vielleicht einen Antrag fürs Schaufenster zu stellen. Ich weiß nicht, ob der Begriff hier erlaubt ist, „Orgie“, Frau Präsidentin?