Protocol of the Session on December 11, 2008

Oder Solarindustrie: Wir sind doch ein Bundesland, in dem Solarindustrie, die Produktion von Solarzellen, eine enorme Rolle spielt. Hier im mitteldeutschen Raum, in Thüringen, in Sachsen-Anhalt und in Sachsen, werden 80 Prozent aller Solarzellen in Deutschland produziert, 20 Prozent der Weltsolarzellenproduktion. Warum nicht jetzt Geld in die Hand nehmen und ein neues Solarprogramm starten? Ein Programm beispielsweise nicht nur für private Haushalte, denn 95 Prozent der bisherigen Förderung gehen bereits in kleine Anlagen auf privaten Dächern. Warum nicht jetzt ein Großprogramm starten für große, öffentliche Gebäude, ein neues Solarzellenprogramm, das die Wirtschaft ankurbelt und für einen Fortschritt bei den erneuerbaren Energien sorgt? Das ist das Gebot der Stunde.

(Beifall SPD)

Solche Investitionen sind auch keine Strohfeuer, wie uns immer entgegengehalten wird, sondern das sind Investitionen, die ohnehin notwendig sind in den nächsten Jahren. Das sind Investitionen, die auch zu dauerhafter Kostensenkung für Bürger und Kommunen führen, wenn wir an dieser Stelle Geld in die Hand nehmen.

Oder schauen wir uns den Gebäudebereich insgesamt an: 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland liegen im Gebäudebereich.

Warum nicht jetzt an dieser Stelle ansetzen? Mein Vorschlag wäre, eine Sonderabschreibung zu machen auf energetische Gebäudesanierungen und dafür zu sorgen, dass Privatleute jetzt Geld in die Hand nehmen in dieser kritischen Situation und in Energieeinsparungen im eigenen Haus investieren. Das ist etwas, was Arbeitsplätze schafft. Das ist etwas, was Bewegung schafft in einer Zeit, in der viele Menschen gelähmt sind und Angst haben vor dem, was passiert. Wir müssen Impulse setzen und nicht abwarten, Herr Ministerpräsident.

(Beifall SPD)

Auch die Debatte über die Frage der Entlastung der Bürger müssen wir ernst nehmen; ich bin jedenfalls dafür. Ein erster Schritt ist gemacht, leider nicht durch politische Entscheidungen, das sage ich auch ganz offen, sondern durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Viele hier wissen, dass ich mich schon lange dafür eingesetzt habe, dass es eine politische Entscheidung gibt, die Pendlerpauschale wieder in vollem Umfang ab dem ersten Kilometer zu zahlen. Jetzt hat das Verfassungsgericht so entschieden, eine gute Entscheidung mit einer Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern über drei Jahre hinweg von 7,5 Mrd. €.

Aber ich sage, über weitere Schritte müssen wir auch nachdenken. Da denke ich nicht so sehr an Steuersenkungen, weil Steuersenkungen vielen Haushalten überhaupt nicht zugute kommen, gerade bei den niedrigen Einkommen in Ostdeutschland, auch hier in Thüringen. Aber es wäre doch ein sinnvoller Vorschlag, Sozialversicherungsbeiträge abzusenken, das kommt allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugute, auch denen mit geringem Einkommen. Mein Vorschlag wäre z.B., ein Programm zu machen, bei dem der Bund für ein halbes Jahr die Sozialversicherungsbeiträge für die Arbeitslosenversicherung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer übernimmt. Das wäre eine Entlastung von etwa 7 Mrd. €, die wir an dieser Stelle machen könnten. Warum nicht solche Schritte jetzt gemeinsam diskutieren und anpacken, so wie es Horst Köhler in einer konzertierten Aktion eingefordert hat?

(Beifall SPD)

Ich bin auch ganz offen dafür, über Parteigrenzen hinauszuschauen, wenn es um sinnvolle Vorschläge geht, was man in der Krise tun kann. Aus der CSU kam beispielsweise von Seehofer der Vorschlag, jetzt ein Investitionsbeschleunigungsgesetz zu machen. Das ist auch ein Instrument, das in den letzten Jahren immer mal wieder diskutiert worden ist. Warum nicht jetzt in der Krise solche Vorschläge gemeinsam aufgreifen und in die Tat umsetzen? Ich finde, das Schlimmste, was passieren kann, ist, wenn wir weiter

abwarten und zusehen, wie das Land immer tiefer in die Krise rutscht. Jetzt aktiv handeln mit allen Möglichkeiten, die die Politik zur Verfügung hat.

(Beifall SPD)

Ich habe von der Landesregierung und auch von der CDU-Fraktion nur immer wieder das Argument gehört, wir dürfen keine Strohfeuer machen. Das, was ich hier vorgeschlagen habe, sind keine Strohfeuer. Das, was wir mit unserem Antrag vorgeschlagen haben, der hier im Parlament zur Abstimmung steht, das sind keine Strohfeuer, das sind Investitionen, die sich rechnen für die Bürger, aber auch für das Land insgesamt.

Wir haben ein Programm für Arbeitsplätze vorgelegt auch hier für Thüringen, und da müssen wir nicht mal in die Neuverschuldung gehen, sondern wir haben doch Rücklagen

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Ja, ja, ja.)

aus den Haushalten 2007 und 2008 zur Verfügung. Aber diese Rücklagen, Frau Finanzministerin, Herr Ministerpräsident, die können wir doch nicht in der Krise auf die hohe Kante legen. Jetzt, wo es darauf ankommt, dass der Staat handelt, müssen wir Rücklagen in die Hand nehmen und investieren, Arbeitsplätze schaffen. Darauf kommt es jetzt an.

(Beifall SPD)

Ich sage Ihnen ganz deutlich und ganz offen: Wer in dieser kritischen Situation weiter abwartet wie die Thüringer Landesregierung, der verstärkt die Krise. Wer jetzt weiter abwartet, der gefährdet Arbeitsplätze. Sie sind direkt mitverantwortlich, wenn mehr Arbeitsplätze in Thüringen wegbrechen, das will ich Ihnen ins Stammbuch schreiben.

(Beifall SPD)

Dann sagt diese Landesregierung, wir dürfen keine Schulden machen. Das zeigt, dass Sie nicht verstanden haben, vor welcher Alternative wir stehen, denn es geht nicht um die Frage, ob wir jetzt in dieser Situation keine Schulden machen dürfen. Ich will es Ihnen vielleicht mit einem Zitat sagen. Ein Unternehmer hat es im „Spiegel“ so formuliert - ich darf zitieren: „Die Nachfrage bricht auf breiter Front ein. Die Reaktion darauf müsste in Deutschland deutlich stärker ausfallen. Geld muss der Staat auf jeden Fall ausgeben, wenn er es jetzt nicht für ein Konjunkturprogramm ausgibt, dann muss er später umso mehr Geld ausgeben, um die sozialen Folgen der Krise abzumildern.“ Das ist der Zusammenhang, den Sie nicht verstehen wollen. Es geht nicht um die Frage,

ob wir jetzt Geld ausgeben oder ob wir jetzt zusätzliche Verschuldungen machen.

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Sie konnten noch nie einen Haushalt le- sen.)

Es geht darum, wofür wir Geld ausgeben, entweder für Zukunftsinvestitionen oder für die sozialen Folgen der Krise, wenn wir noch tiefer abrutschen. Ich bin für Zukunftsinvestitionen.

(Beifall SPD)

Die Landesregierung ist nicht bereit, das Geld aus der Rücklage einzusetzen. Ich sehe einen Ministerpräsidenten, der sich immer noch in einer Art Schockstarre befindet. Das war auch heute bei der Regierungserklärung wieder zu beobachten.

(Unruhe CDU)

Ja, Frau Diezel, ich weiß nicht, ob Sie mal einen Blick in die eigenen Reihen geworfen haben, während der Ministerpräsident geredet hat, Aufmerksamkeit war da jedenfalls nicht. Als Lehrer weiß Herr Althaus auch genau, wenn die ganze Klasse während der Stunde schwatzt, dann hat der Lehrer irgendetwas falsch gemacht.

(Beifall SPD)

Mein Vorschlag ist, die Rücklagen, die wir zur Verfügung haben, jetzt zu investieren in Kindergärten und in Schulen, in Energieeinsparung, in Forschung, in die Infrastruktur. Unser Vorschlag ist auch, den Wirtschaftsrahmen für Unternehmen zu erweitern, um zu verhindern, dass wirtschaftlich gesunde Betriebe scheitern, weil die Finanzierung klemmt. Der dritte Vorschlag ist, in die Weiterbildung stärker zu investieren, jetzt, wo Menschen in Kurzarbeit gehen müssen, jetzt, wo viele arbeitslos werden, die Situation zu nutzen, um Menschen zusätzliche Qualifizierungsangebote zu machen, damit wir stärker aus der Krise herauskommen als wir hineingeschlittert sind, denn irgendwann springt der Arbeitsmarkt wieder an, irgendwann steht das Thema Fachkräfte wieder ganz oben auf der Tagesordnung. Deshalb sage ich: Jetzt die Krise nutzen, weiterqualifizieren, weiterbilden, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fit machen für den nächsten Aufschwung.

(Beifall SPD)

Herr Ministerpräsident Althaus, Ihre Regierungserklärung war ein Zeichen absoluter Hilflosigkeit. Das Land rutscht jeden Tag tiefer in die Krise und Sie geben eine Regierungserklärung ab, die fünf Monate alte Umfragen referiert.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Was hät- ten Sie nur ohne die Krise gemacht?)

Sie sind aber nicht nur hilflos, Sie sind auch orientierungslos, wie ein Fähnchen im Wind. Herr Ministerpräsident, Sie haben heute eindringlich vor einer ungezügelten Wirtschaft gewarnt. Ich habe mich, als Sie das gesagt haben, an die Debatte zum Thüringen-Monitor, die wir 2005 hatten, erinnert. Da hörte sich das ganz anders an. Ich darf Sie zitieren, Sie haben damals gesagt: „Es widerspricht meinem Freiheitsverständnis, dass vieles nicht nur in Thüringen zu stark reglementiert ist.“ Sie haben sich über Vollkaskomentalität beschwert, Sie wollten weniger Regeln und mehr Ungleichheit in der Gesellschaft - das war Ihre Positionierung damals zum Thüringen-Monitor. Herr Ministerpräsident, das zeigt, dass Sie keine klare Orientierung haben. Sie sagen heute das Gegenteil von dem, was Sie uns damals hier verkündet haben.

(Beifall SPD)

Ich bin auch über einen anderen Satz gestolpert, weil ich den merkwürdig finde. Sie haben gesagt: „Die Krise hat damit zu tun, dass sich Einzelne rücksichtslos bereichert haben und damit die Krise verursacht haben.“ Ich glaube, das ist eine sehr oberflächliche Betrachtungsweise. Natürlich gab es auch Einzelne, die sich rücksichtslos bereichert haben, aber das ist doch nicht der Grund der Krise. Der Grund der Krise ist doch, dass im System Fehler gelegen haben, dass wir zu wenig Kontrolle hatten, dass wir zu wenig Regeln auf den internationalen Finanzmärkten hatten. Das ist der wahre Grund der Krise und an diesen Grund müssen wir herangehen und jetzt klarere Regeln auf den internationalen Finanzmärkten durchsetzen.

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU)

Die SPD, Herr Kollege, hat diese Debatte schon vor einigen Jahren begonnen. Ich darf Sie daran erinnern, dass beispielsweise Bundeskanzler Gerhard Schröder auf dem G7-Gipfel in Gleneagles stärkere, klarere und härtere Regeln eingefordert hat für die internationalen Finanzmärkte, dass wir uns damals international nicht durchsetzen konnten, weil Amerikaner und Briten ganz konträre Auffassungen hatten, weil aber, und daran darf ich Sie erinnern, Herr Seela, auch die CDU in Deutschland ganz andere Positionen vertreten hat. Der ging die Regulierung der Finanzmärkte nämlich noch viel zu weit. Sie haben in Leipzig auf dem Parteitag ein Deregulierungsprogramm beschlossen und noch heute sagt Friedrich Merz: Mehr Kapitalismus wagen! Das ist der Weg, auf dem Sie unterwegs sind, immer noch, werte Kolleginnen und

(Beifall SPD)

Deshalb sage ich Ihnen ganz deutlich, es sind nicht Einzelne, die die Krise verursacht haben, es ist Ihre Philosophie der Deregulierung, die die eigentliche Ursache der Krise ist.

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Hedgefonds.)

Deshalb noch mal ganz deutlich: Wir brauchen andere Lösungen als die, die die CDU jahrelang gepredigt hat. Wir brauchen einen aktiven, wir brauchen einen handlungsfähigen Staat. Das ist unser sozialdemokratisches Konzept, und zwar nicht erst seit heute, sondern seit vielen Jahren. Darauf können sich Menschen verlassen, darauf können Menschen vertrauen. Sie, Herr Althaus, haben das Vertrauen der Menschen längst verspielt.

(Beifall SPD)

Ich will Ihnen noch eins sagen: Ich finde, Ihre Regierungserklärung hat auch deutlich gemacht, dass Ihnen nicht nur die Orientierung fehlt, sondern auch das Gespür dafür, was eigentlich im Land in den letzten Monaten vorgegangen ist. Sie haben die Bürgerinnen und Bürger in Ihrer Rede dazu aufgerufen, sich in die Demokratie selbst einzumischen und nicht in der Zuschauerrolle zu verharren, die Demokratie mitzugestalten. Herr Althaus, ich habe mich in dem Moment gefragt, wollen Sie eigentlich die Bürger in diesem Land verhöhnen mit solchen Aufforderungen?

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das ist unverschämt.)

Es waren Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, es waren Eltern, die ein Elternvolksbegehren auf den Weg gebracht haben, weil sie sich einmischen wollten in die Demokratie, weil sie nicht einverstanden waren mit den Entscheidungen dieser Landesregierung, weil sie selbst aktiv gestalten wollten. Und was hat diese Landesregierung gemacht? Sie ist gegen das Volksbegehren vor das Gericht gezogen und hat das Volksbegehren juristisch gestoppt, statt Menschen zu ermutigen, sich in Demokratie einzumischen.

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU)

Oder, Herr Panse, wenn Sie jetzt aufgeregt dazwischenrufen, darf ich Sie erinnern, wie Sie damit umgegangen sind, dass Menschen sich für mehr Demo