Protocol of the Session on November 14, 2008

(Beifall SPD)

Die Begründung ist auch sehr widersprüchlich in Ihrem Antrag. Rückblickend betont da die CDUFraktion die Berücksichtigung der UN-Diskussion bei der damaligen Thüringer Verfassungsgebung. Dann wundert es mich doch sehr, dass angesichts unserer Verfassung die CDU für Thüringen den Handlungsbedarf offensichtlich in Teilen - habe ich eben schon erwähnt - erkannt hat, aber ihn völlig unverständlich auf der Bundesebene dann wiederum nicht sieht - da ich die Hoffnung noch nicht aufgebe, sage ich: noch nicht sieht. Oder Ihr Alternativantrag ist ein Versuch, Zeit zu schinden, vielleicht positiv gedacht, Zeit für eine andere Einsicht.

Immerhin scheint es da in der CDU/CSU andere Meinungen zu geben. Ein Zitat habe ich eben von Herrn Seehofer schon gebracht. Es gibt noch ein

zweites von Ursula von der Leyen, die davon spricht, dass die Zeit dafür reif ist, dass Kinderrechte ins Grundgesetz gehören. Trotz allem scheitert oder trotz eindeutiger Positionierung der SPD und der Oppositionsparteien scheitert die Debatte auf Bundesebene immer wieder an der Mehrheitsmeinung nur der CDU. Wir Sozialdemokraten sind überzeugt, dass wir alles dafür tun müssen, um für das Wohl unserer Kinder zu sorgen, und dazu gehört auch die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz.

(Beifall SPD)

Noch ein Beispiel zum ergebnisorientierten Handeln oder praktischen, wie Sie das sagten, was nicht rechtstheoretisch ist. Die Beispiele Kinderschutzgesetz und Antrag noch mal zur Kinderarmut zusammenfassend: Es ist wirklich schon traurig, dass sich die CDU-Fraktion bei dem Thema „kostenfreies Essen für bedürftige Kinder“ überhaupt keinen Millimeter bewegt hat. Das war eine Chance und wir werden auch nicht nachlassen. Ich erinnere - es ist schon eine Weile her -, in der 2. Legislaturperiode ging es um die Entwicklung einer Kultur der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Die CDU wusste damals auch nichts Besseres, als die entsprechenden Haushaltsmittel für den Jugendetat wieder zu streichen.

Berichte helfen beim Ausbau der Kinderrechte ebenso wenig wie Gutachten, die sich lange hinziehen. Was wir brauchen, das sind konkrete Leistungsgesetze zur Verbesserung des Kinderschutzes und zur Bekämpfung der Kinderarmut, was ein Grundrecht der Kinder sein müsste. Wir brauchen eine Kultur der altersgerechten Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, von Teilhabe und dort überall ist auch dringender Handlungsbedarf.

Ein wesentlicher Grund dafür liegt schlicht und einfach darin, dass Kinder mit ihren spezifischen Bedürfnissen allzu oft und allzu lange ignoriert werden und wurden, z.B. die schlimmen Tötungen von Kindern. Erst dann, zu diesem Zeitpunkt, als das geschah und immer öfter geschah, hat die Landesregierung angefangen zu handeln. Das darf so nicht sein. Die Kinderrechte gehören ins Grundgesetz hinein, damit solche Sachen insgesamt ins Bewusstsein hineingetragen werden und nicht wieder wie ein Tropfen auf den heißen Stein und immer nur dann reagiert wird, wenn etwas passiert.

Deshalb noch einmal der Appell an die Kolleginnen und Kollegen der CDU: Mit dem Artikel 19 der Thüringer Verfassung gibt es gute Argumente, wenn auch nicht alle, die wir uns gewünscht haben, und innerhalb Ihrer Partei und der Bundestagsfraktion gibt es auch Kollegen, die eine veränderte Einstellung dazu haben. Sie sollten diese Chance nutzen. Die

ser vorliegende Antrag gibt Ihnen erneut eine Möglichkeit dafür. Wer sich aber auf der Bundesebene nicht für das einsetzt, was er in der eigenen Landesverfassung für unabdingbar hält, nämlich dass Kinder vor körperlicher und seelischer Vernachlässigung, Misshandlung, Missbrauch und Gewalt zu schützen sind, wer diese Forderung im Bundesrat für die nationale Gesetzgebung ablehnt und/oder verschleppt, der ist dann wiederum politisch unglaubwürdig. Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Meißner zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnetenkollegen, ich begrüße es ausdrücklich, dass wir heute hier im Rahmen dieser langen Plenartagesordnung auch über das Thema „Kinder“ reden. Aber, ich denke, wenn wir über die Kinderrechte und ein Grundrecht auf Bundesebene sprechen, sollten wir zuerst anfangen vor unserer eigenen Haustür zu kehren und deswegen auch einen Blick auf Thüringen werfen.

Thüringen ist ein kinderfreundliches Bundesland und ist auch in Sachen Kinderrechte auf dem richtigen Weg.

(Beifall CDU)

In Thüringen existiert eine verfassungsrechtliche Verankerung der Kinderrechte und das kann nicht jedes Bundesland von sich sagen. In Artikel 19 der Thüringer Verfassung - wir haben es ja schon gehört - wird Kindern das Recht auf eine gesunde geistige, körperliche und psychische Entwicklung zugesichert. Außerdem sind hier der Kinderschutz, die Förderung von Kindertageseinrichtungen und Gesundheitsschutz zugesichert. In Thüringen bleibt es jedoch nicht bei dieser Verankerung. Die Kinderrechte und der Kinderschutz werden auch umgesetzt und daher hat die CDU-Fraktion Ihnen einen Alternativantrag vorgelegt, der sich nicht nur mit der gesetzlichen Verankerung beschäftigt, sondern eine Darstellung des Handelns der Landesregierung in diesem Bereich fordert. Es sollte uns eben nicht nur um die deklaratorische und formelle Diskussion über die Bundesratsinitiative gehen, sondern um das, was auch bei unseren Kindern ankommt. Da ist wirklich die Frage: Wer lenkt da von was ab? Dass die Landesregierung und dass Thüringen nicht ablenken, das zeigt die Berichterstattung. Ich denke, wir sind in Thüringen auf einem guten Weg und im Zusam

menhang mit einer Diskussion auf Bundesebene ist es eine gute Gelegenheit, hier darüber zu sprechen.

Weil Sie fragten, warum dieser Zeitpunkt erst jetzt bei dem dritten Aufruf dieses Tagesordnungspunkts hier im Plenum erfolgt, kann ich Ihnen eine Erklärung geben: Weil erst zum Thema „Kinderschutz“ in der vergangenen Woche wieder eine Fortentwicklung durch die Landesregierung erfolgt ist.

Die Vorgaben hat sich Thüringen nicht nur durch die UN-Kinderrechtskonvention gegeben, sondern auch durch die Verfassung, durch das Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetz sowie durch den Maßnahmekatalog der Landesregierung zum Kinderschutz, der seinesgleichen in der Bundesrepublik sucht. Die Landesregierung ist sich der Verantwortung für ihre Kinder bewusst. So ging bereits aus dem Bericht der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention hervor, dass Thüringen einen großen Teil der Forderungen der Verwirklichung der UN-Kinderrechtskonvention bereits erfüllt. Auch bezüglich des Kinderschutzes hat die Landesregierung in den vergangenen Jahren einiges getan und kürzlich auch eine Fortentwicklung des Maßnahmeplans beschlossen. Wir möchten diese Parlamentsdebatte nutzen, um uns berichten zu lassen, was ja bereits geschehen ist, welche Ergebnisse für unsere Kinder diesbezüglich erreicht wurden und was zukünftig auf Landes- und kommunaler Ebene geplant ist. Die CDU-Fraktion wollte auch diesen Bericht der Landesregierung, um zu erfahren, in welcher Form Kinderrechte deutschlandweit umgesetzt werden und welche Maßnahmen auf Landes- und Bundesebene dazu bereits beschlossen wurden.

Ich möchte es aber natürlich nicht versäumen, auch auf den Antrag der Fraktion DIE LINKE einzugehen. Aus unserer Sicht werden im Grundgesetz Kinder bereits indirekt geschützt und auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat dies klargestellt, denn Kinder sind wie Erwachsene auch Grundrechtsträger. Erst im April urteilte es, dass Eltern ihr Handeln am Wohl der Kinder ausrichten müssen. Flankierend dazu verpflichtet auch Artikel 6 Grundgesetz die Eltern zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Neben Artikel 6 des Grundgesetzes wird aber auch mit einer Vielzahl von gesetzlichen Regelungen die Umsetzung von Kinderrechten unterstützt. Ich will nur nennen das SGB V, das SGB VIII, die Kindertagesstättengesetze, Schulgesetze und spezielle Verordnungen, die eine kindgerechte Entwicklung fördern. Bei aller staatlichen Hilfe bleibt es aber dabei - und darum werden auch die Kollegen von der Opposition nicht herumkommen -, dass die Pflege und die Erziehung der Kinder zuerst eine Sache der Eltern ist. Gemeinden, Jugendämter, Sozialämter, die ARGEn, die Bundesagenturen für Arbeit sowie Beratungsangebote von freien Trägern

helfen den Eltern, ihren Erziehungsauftrag umfassend zu erfüllen. Doch was bringt uns eigentlich dazu, darüber nachzudenken, die Kinderrechte im Grundgesetz stärker zu verankern? Kein Jurist bestreitet Rechte von Kindern; auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist in diesem Zusammenhang eine Quelle des Verfassungsrechts und ist mit heranzuziehen. Diese Rechtsprechung hat es bisher nicht an kinderfreundlichen Festlegungen fehlen lassen. Aber immer mehr - und da muss ich Ihnen recht geben, auch wenn Sie es nicht gesagt haben - ereilen uns Urteile, durch welche Kindergärten in Wohngebieten verpflichtet werden, beispielsweise eine Schallschutzmauer wegen Kinderlärm zu errichten. Genauso wie jeder Abgeordnete dieses Hauses verurteile auch ich dieses, weil ich glaube, es ist das falsche Signal in unserer Gesellschaft.

(Beifall CDU)

Immer öfter treten auch Fälle von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung auf oder es bieten sich erschreckende Einblicke in manches Kinderzimmer. Doch was ist die Ursache davon bzw. was bringt in diesem Zusammenhang eine Erweiterung des Grundgesetzes um Kinderrechte? Zwischen Recht und Wirklichkeit klafft meiner Ansicht nach oftmals eine Lücke. Es existiert ein Vollzugsdefizit der vorhandenen gesetzlichen Regelungen und eine mangelnde Umsetzung kinderfreundlicher Politik. Daher darf diese Diskussion über Kinderrechte auch hier im Thüringer Landtag keine rein juristische sein. Ich halte nichts davon, die Diskussion über die Erweiterung des Grundgesetzes um die Rechte von Kindern von vornherein aus rein juristischer und formeller Sicht abzulehnen. Aber diese Diskussion schützt uns nicht vor weiteren Fällen der Kindesmisshandlung und Kindesvernachlässigung. Wäre dieses Grundrecht eine Garantie, ich glaube, dann wären wir uns alle einig, nicht nur auf Landes-, sondern auch auf Bundesebene, sofort dieses Grundrecht einzufügen.

Die Hineinformulierung in den Verfassungstext kann nur ein symbolischer Akt für die Gesellschaft sein. Ein Signal in die Gesellschaft hinein unterstütze ich auch, aber wichtig ist vor allem die Umsetzung vorhandener gesetzlicher Regelungen zum Wohle der Kinder in Thüringen, in Deutschland und auf der Welt. Die Rechte der Kinder, ihre Interessen und Chancen müssen in die alltäglichen Entscheidungen von Politik und Gesellschaft einfließen. Dazu sollten jedem Kind seine Rechte aber auch bewusst gemacht werden. Dazu nutzen keine Diskussionen hier im Landtag oder an anderer Stelle, wo es um die Umsetzung von Kinderrechten oder überhaupt um die Einfügung eines Kinderrechts in die Verfassung geht, bei der nicht einmal ein Kind anwesend ist.

Das Grundgesetz darf nicht leichtfertig geändert werden. Der Entschließungsantrag der Bundesländer Bremen und Rheinland-Pfalz ist aus meiner Sicht für eine Grundgesetzänderung zu umfassend gewesen. Ich kann daran nachvollziehen, wie es zur abschließenden Ablehnung im Bundesrat kommen konnte. Ich persönlich könnte mir eine Einfügung einer knapperen Formulierung vorstellen, aber, ich denke, dafür ist jetzt der falsche Zeitpunkt. Zu gegebener Zeit sollte eine neue Initiative umfassend geprüft und mit allen anderen Bundesländern abgestimmt werden. Doch dafür müssen zunächst einige Bundesländer ihre Hausaufgaben machen. Wir sollten zunächst dafür sorgen, dass kinderfreundliche Verfassungstexte und einfache Gesetze flächendeckend in allen Bundesländern existieren. Ich möchte es in diesem Zusammenhang auch nicht unerwähnt lassen, dass auch die Kollegen der LINKEN und der SPD im Bundesland Berlin Nachholbedarf haben. Denn regiert von diesen beiden, hat es Berlin nicht einmal im Ansatz geschafft, die Kinderrechte in seine Verfassung zu bringen.

Letztlich sollte der Blick auf politische Initiativen und Hindernisse meiner Meinung nach aber nicht ablenken von den Möglichkeiten und der Verantwortung nicht nur jedes einzelnen Abgeordneten, sondern auch jedes einzelnen Bürgers hier in Deutschland. Dazu möchte ich abschließend, mit Ihrer Erlaubnis, eine kleine Anekdote zitieren: „Als neulich Schnee lag und meine Nachbarskinder ihre kleinen Schlitten auf der Straße ausprobieren wollten, sogleich war ein Polizeidiener nahe und ich sah die armen Dingerchen fliehen, so schnell sie konnten. Jetzt, wo die Frühlingssonne sie aus den Häusern lockt und sie mit ihresgleichen vor ihren Türen gerne ein Spielchen machten, sehe ich sie immer geniert, als wären sie sich nicht sicher und als fürchteten sie das Herannahen irgendeines polizeilichen Machthabers. Es darf kein Bube mit der Peitsche knallen oder singen oder rufen - sogleich ist die Polizei da, es ihm zu verbieten. Es geht bei uns alles dahin, die liebe Jugend frühzeitig zahm zu machen und alle Natur, alle Originalität und alle Wildheit auszutreiben, so dass am Ende nichts übrig bleibt als der Philister.“ Diese Anekdote stammt von Johann Wolfgang Goethe. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich der Abgeordnete Bärwolff zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Meißner, ich weiß nicht so richtig, ob das jetzt eine Anekdote war oder Ausdruck Ihres Weltbildes. Frau Präsidentin, Deutschland ist, das zeigt der internationale Vergleich, im Umgang mit seinen Kindern leider oftmals nur das Mittelmaß - so jedenfalls die ehemalige UNICEF-Vorsitzende Heide Simonis beim parlamentarischen Abend zur Umsetzung der UNKinderrechtskonvention. Müssen die Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden? Wir, die Fraktion DIE LINKE, sind der Meinung, ja. Weil in diesem Bereich bislang so wenig passiert ist und die Anträge, die es beispielsweise im Bundesrat gab, abgelehnt wurden, stellen wir diesen Antrag wiederholt, denn aus unserer Sicht sind die Argumente dafür gewichtiger als die Argumente dagegen. Für uns ist es eine Verpflichtung, dieses Anliegen hier wieder auf die Tagesordnung zu setzen.

(Beifall DIE LINKE)

Am 19. September, wie Frau Kollegin Strathausen schon gesagt hat, also einen Tag vor dem UNOWeltkindertag, hat der Bundesrat die Anträge der Bundesländer Bremen und Rheinland-Pfalz, die genau dieses Ansinnen hatten, abgelehnt.

Frau Meißner, der Berliner Senat hat in dieser Bundesratsabstimmung ebenfalls für diesen Antrag von Bremen und Rheinland-Pfalz gesprochen, also hat sich auch dazu bekannt. Die Gründe der Ablehnung sind unterschiedlich. Es wird argumentiert, dass mit dem Schutz der Menschenwürde in Artikel 1 und mit dem Schutz der Ehe und Familie in Artikel 6 die Kinder bereits hinreichend geschützt seien. Außerdem sei der Artikel 6 ganz bewusst so und nicht anders formuliert worden, denn aus dem Umgang der Nationalsozialisten mit Familie und Kindern habe man eine Lehre gezogen - ich zitiere -, „dass Pflege und Erziehung der Kinder vornehmste Pflicht und das vornehmste Recht der Eltern ist und dass es keinen Anspruch des Staates auf die Lufthoheit über den Kinderbetten geben kann.“ So jedenfalls der Ministerpräsident des Saarlandes, Peter Müller. Ich denke, dem kann man durchaus zustimmen.

Ein anderer Grund: Fast alle Länder hätten die Kinderrechte in ihrer Landesverfassung verankert, zum einen würde das ausreichen und zum anderen habe es nichts Wesentliches zu einem verstärkten Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch beigetragen. Gegen die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz spräche außerdem, dass es dann zu Rechtskonflikten zwischen Elternrechten und Kinderrechten käme.

Ich finde es aber auch nicht sehr zielführend, wenn dem Aktionsbündnis von UNICEF, dem Deutschen Kinderschutzbund und dem Deutschen Kinderhilfswerk, unterstützt von zahlreichen gesellschaftlichen Akteuren, quasi durch die Hintertür unterstellt wird, sie wollten die Rechte der Eltern aushöhlen, die Kinder wieder völlig dem Staat ausliefern. Lassen Sie uns also von dieser Ebene Abstand nehmen und überlegen, welche Gründe diejenigen haben, die eine Verfassungsänderung anstreben, und auf welche Erfahrungen diese Forderung aufbaut.

Einer der Gründe, der immer wieder gegen die Aufnahme der UN-Kinderrechtskonvention aufgeführt wird, ist der der entgegenstehenden Rechte von Eltern und Kindern. Ja, es wird unter Umständen zu Rechtskonflikten zwischen Elternrechten und Kinderrechten kommen, aber genau das wollen wir, denn nur wenn dieser Konflikt da ist, wird in der Gesellschaft auch über den Stellenwert von Kindern diskutiert. Dann, wenn Eltern die Rechte an ihren Kindern einklagen, diese Eltern aber dauerhaft die Rechte ihrer eigenen Kinder missachten, würde nicht mehr das eine Recht über dem anderen stehen, sondern sie wären gleichrangig und müssten auch dementsprechend verhandelt werden. Dann, wenn Gesetze daraufhin abgeklopft werden, ob sie auch mit dem Verfassungsrang der Kinderrechte übereinstimmen, können Verbesserungen für Kinder und Jugendliche erreicht werden.

Es ist richtig, wir haben bereits den § 8 a im SGB VIII, der Kindeswohlgefährdung in den Blick nimmt und ahndet. Aber warum greift er so häufig nicht? Unsere These ist, nach 60 Jahren bundesrepublikanischer und fast 20 Jahre gesamtdeutscher Wirklichkeit mit dem Artikel 6 ist in vielen, vielen Köpfen auch von Fachleuten das Vorrecht der Eltern fest zementiert. Zahlreiche Fälle in den letzten Jahren haben gezeigt, dass es quasi hilferessistente Erwachsene gibt und es keinen Sinn macht, deren Kinder Monat um Monat, Jahr um Jahr weiter in einer ihrerseits wieder traumatisierenden Situation zu belassen. Hier brauchen wir einen Mentalitätswechsel, der da heißt: Kinder zuerst.

(Beifall DIE LINKE)

Es darf in Situationen der Kindeswohlgefährdung nicht länger um die Rechte der Eltern an ihren Kindern gehen; entscheidend ist, was die Situation mit den Kindern macht. Das kann natürlich auch heißen, die Familien bekommen verstärkte Hilfe und die Kinder bleiben bei ihren Eltern. Viele Eltern, die in Überforderungssituationen kommen, sind nicht per se unfähig oder gar böswillig, ihnen ist durchaus zu helfen. Kinder aus Familien herauszunehmen, hat für diese Kinder selbst immer schwerwiegende Folgen. Aber es gibt nun mal Situationen, die für Kinder

keinen einzigen Tag länger beibehalten werden sollten. Darin sind wir uns, denke ich, im Grunde alle einig und die Diskussionen um den verbesserten Kinderschutz haben das auch immer wieder gezeigt.

Eine Stärkung der Kinderrechte durch eine Aufnahme ins Grundgesetz könnte aber genau diesen Mentalitätswechsel befördern und es könnte zudem dazu führen, dass die Kinder das eine oder andere Mal schneller geschützt werden. Interessant ist das bereits angesprochene Urteil des Bundesverfassungsgerichts - Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich: „Das Elternrecht dem Kind gegenüber findet seine Rechtfertigung darin, dass das Kind des Schutzes und der Hilfe bedarf, damit es sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln kann, wie sie dem Menschenbild des Grundgesetzes entspricht. Dieses Recht ist deshalb untrennbar mit der Pflicht der Eltern verbunden, dem Kind diesen Schutz und diese Hilfe zu seinem Wohl angedeihen zu lassen. Dabei bezieht sich diese Pflicht nicht lediglich auf das Kind, sie besteht auch gegenüber dem Kind, denn das Kind ist nicht Gegenstand elterlicher Rechtsausübung, es ist Rechtssubjekt und Grundrechtsträger, dem die Eltern schulden, ihr Handeln an seinem Wohl auszurichten.“ Und es ist richtig. Dieses Urteil wurde auf Grundlage der jetzigen Gesetzgebung gefällt. Aber diese Klarstellung des Rechts der Kinder, diese Klarstellung des Kindes auch als Rechtssubjekt und als Grundrechtsträger ist nicht in allen Köpfen so stark verankert, dass es in der Praxis nicht allzu oft hinter dem Elternrecht zurückstünde. Ich stimme dem saarländischen Ministerpräsidenten zu, wenn er fordert, das Grundgesetz solle nur dann geändert werden, wenn sich damit auch substanzielle Veränderungen ergäben. Aber im Gegensatz zu ihm sind wir der vollen Überzeugung, dass es diese substanziellen Veränderungen mit den Kinderrechten im Grundgesetz geben wird. Denn zum einen werden die sich durch die Grundgesetzänderung ergebenden Diskussionen einen Mentalitätswechsel befördern, der sich, wenn vielleicht auch erst mittelfristig, dafür aber nachhaltig, auch auf den Schutz von Kindern auswirken wird. Zum anderen wird eine Handhabe gegeben, Gesetzgebungsverfahren ebenso wie politische Entscheidungen an den Grundrechten der Kinder zu messen.

Aus Sicht der LINKEN ist aber nicht nur der Gegensatz zwischen Eltern- und Kinderrechten mit der UN-Kinderrechtskonvention zu klären, auch die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Gestaltung ihrer Umwelt ist ein gewichtiges Argument, weshalb die Kinderrechte ins Grundgesetz müssen. Dann käme es vielleicht auch weniger zu solch absurden Entscheidungen, dass ein Kindergarten wegen Lärmbelästigung geschlossen werden

muss, wie z.B., um das Beispiel von Frau Meißner noch zu illustrieren, als im Sommer 2005 der Kindergarten „Marienkäfer“ in Marienthal bei Hamburg wegen einer Klage von Nachbarn vor dem Hamburger Landgericht umziehen musste. Kinder wurden dort sicherlich als Lärmquelle angesehen. Dass Kinderlärm Zukunftsmusik ist, schien dort keinen zu interessieren.

Es reicht also offensichtlich nicht, dass wir in Artikel 1 des Grundgesetzes den allgemeinen Schutz der Menschenwürde haben, und auch nicht, dass die Länderverfassungen den besonderen Schutz der Kinder beinhalten. Im Zweifel ist dann das ausdrückliche Recht der Eltern mehr Wert, weil es ausformulierten Verfassungsrang hat.

Nun aber zur Thüringer Verfassung und zum Antrag der CDU: Aus Sicht der LINKEN ist der CDUAntrag eine Art Placebo-Antrag. Er dient lediglich dazu, der Landesregierung hier ein Podium zu bieten und sich über die bereits im Landtag diskutierten Maßnahmen zur Stärkung des Kinderschutzes zu verständigen. Jedoch der Antrag der Linksfraktion zur UN-Kinderrechtskonvention und zu den Kinderrechten im Allgemeinen besteht eben nicht nur aus dem Thema „Kinderschutz“, wenngleich unstrittig ist, dass das Thema „Kinderschutz“ eine ganz hohe Priorität haben muss. Aber hier geht es nicht nur um Kinderschutz, sondern hier geht es um mehr. Die CDU hat ja einen Alternativantrag zu unserem Antrag vorgelegt, der sich lediglich auf die Landesverfassung bezieht und der auch gar keine konkreten Maßnahmen zur Stärkung der Kinderrechte vorsieht, sondern lediglich ein Podium für einen Bericht liefern möchte. Eigentlich können wir gegen diesen Bericht auch gar nichts haben. Auch wir wüssten nämlich gern, was sich denn substanziell für die Thüringer Kinder verbessert hat, seitdem es durch die Regierung den Maßnahmekatalog gibt. Wo gibt es jetzt mehr Personal, um sich um die vernachlässigten Kinder zu kümmern? Wo sind denn die 40 Familienhebammen tätig und welche Anstrengungen werden seitens der Landesregierung unternommen, zu einer langfristigen und vor allem finanziell abgesicherten Verstetigung des Einsatzes dieser Familienhebammen zu kommen? Warum sieht die Landesregierung keinen Bedarf, die Jugendämter mit weiteren Stellen zu unterstützen, wenn sie auch noch jedem Verdacht nachgehen sollen, der aufgrund der Nichtteilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen auftaucht? All das können wir aber auch im Sozialausschuss weiter diskutieren und das hätte des Berichts der Landesregierung hier im Hohen Hause nicht unbedingt bedurft. All das hat meines Erachtens nur wenig mit unserem Antrag zu tun, denn wir wollen, dass die Landesregierung nicht nur berichtet, sondern tatsächlich etwas unternimmt. Wir wollen die nachhaltige Aufwertung der Rechte

von Kindern, indem sie in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen werden. Hierzu sagt der CDU-Antrag leider nichts. Es geht natürlich um den besseren Schutz von Kindern vor Vernachlässigung und Misshandlung, aber es geht auch um viel mehr. Es geht z.B. darum, dass Kinder tatsächlich als Rechtssubjekte wahrgenommen werden, dass sie erweiterte Mitbestimmungsrechte in unserer Gesellschaft haben. Wir wollen, dass Gesetze auf Kinderfreundlichkeit hin überprüft werden.

(Beifall DIE LINKE)

Es geht darum, unserer kinderentwöhnten Gesellschaft die Notwendigkeit vor Augen zu führen, dass Kinder nicht nur theoretische Rechte haben, sondern dass diese ihnen aktiv zugestanden werden müssen. Aber selbst wenn wir uns mit dem Antrag der CDUFraktion befassen, stellen wir als LINKE fest, dass den dort geregelten Verfassungsaufträgen nur teilweise entsprochen wird. Artikel 19 der Thüringer Verfassung definiert das Recht auf Entwicklung von Kindern und Jugendlichen als individuelles Grundrecht bzw. als dem gleiches Recht. Daraus kann also jedes Kind und jeder Jugendliche einen Anspruch auf Fördermaßnahmen mit den Zielen der Unterstützung seiner persönlichen Entwicklung ableiten, denn für die Erfüllung dieser Staatsaufgaben sind die angemessenen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen und konkrete gesetzgeberische und andere Maßnahmen durchzuführen. Kürzungen in diesem Bereich verstoßen also gegen diese Förderverbote, genauso wie Verschlechterungen durch die Maßnahmen der Verwaltung. Hier steht z.B. die Kürzung der Jugendpauschale zur Debatte, hier steht die Kürzung der Schulsozialarbeit zur Debatte und hier steht auch die unsägliche Kürzung damals der kommunal belastenden Standards zur Debatte, die dazu geführt hat, dass in den Kinderschutzdiensten weniger Personal finanziert wird.

Wir als LINKE sehen in der Aufnahme der UN-Kinderrechte in das Grundgesetz einen wesentlichen Schritt hin zu einer Politik, die das Kind im Zentrum sieht, hin zu einer Art Kinderpolitik, wie es sie heute leider noch nicht gibt. Solch ein Klimawandel im positiven Sinne, wie es Heide Simonis, damals Vorsitzende von UNICEF, benannt hat, ist aus unserer Sicht dringend notwendig. Gerade wenn es um Kinderarmut geht, ist ein anderes Klima vonnöten. Mit Kinderrechten im Grundgesetz können auch Politik und Gesellschaft anders an dieses Problem herangehen, denn die bisherigen Ergebnisse im Kampf gegen Kinderarmut sind kaum der Rede wert. Mir fiele auch nicht eine einzige Maßnahme der Landesregierung hierzu ein. Die entsprechenden Artikel im Grundgesetz, in der Verfassung können wir freilich zu diesem Thema ergänzen, aber selbst dazu gibt es von Ihnen keine Initiative.

Ich glaube, deswegen werden sowohl der Deutsche Kinderschutzbund als auch UNICEF, als auch das Kinderhilfswerk sich nicht, aber auch wir als LINKE uns nicht mit einer Nichtbefassung bzw. Ablehnung im Bundesrat zufriedengeben. Wenn der Schutz der Tiere im Grundgesetz sogar ein eigens festgeschriebenes Staatsgebot ist, dann sind die Rechte der Kinder aus unserer Sicht längst überfällig. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt Abgeordneter Panse, CDU-Fraktion.