Protocol of the Session on May 8, 2008

Auch der Versuch, die Stichwahlen in den Kommunen abzuschaffen, ist ein Verzweiflungsakt der CDU. Sie haben Angst vor einem weiteren Erstarken der SPD und dafür nehmen Sie sogar in Kauf …

(Heiterkeit CDU)

Ich weiß gar nicht, warum Sie lachen, das wird Ihnen spätestens im nächsten Jahr vergehen.

(Beifall SPD)

Wenn Sie so selbstbewusst wären, dann müssten Sie nicht das Wahlgesetz ändern, denn Sie nehmen in Ihrer Panik sogar in Kauf, die Legitimation unserer Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und Landrätinnen und Landräte zu untergraben. Nichts anderes tun Sie mit diesem Gesetz, denn die starke Stellung - da brauchen Sie gar nicht mit dem Kopf zu schütteln, vielleicht muss ich es noch einmal erklären - der Bürgermeister und Landräte in unserer Kommunalverfassung hat einen Gegenanker. Der Gegenanker heißt, diese starke Stellung muss dadurch untermauert werden, dass sie in Wahlen mehr als die Hälfte der Wähler hinter sich bringen. Das beides gehört zusammen, starke Stellung von Bürgermeistern und Landräten und die absolute Mehrheit der Wählerstimmen in den Wahlen. Wer diesen Gegenanker herausreißt - und das versuchen Sie gerade -, der untergräbt die starke Stellung von Bürgermeistern und Landräten hier in Thüringen. Und da sage ich Ihnen aus unserer Sicht, die Kommunalverfassung so, wie sie ist, hat sich bewährt und wir werden sie gegen Ihre Angriffe verteidigen. Das sage ich Ihnen ganz klipp und klar.

(Beifall SPD)

(Unruhe CDU)

Ihre Begründungen, Herr Mohring, für die Abschaffung der Stichwahlen sind absolut fadenscheinig. Da heißt es, die Bürger sollen am Sonntag wissen, wen sie gewählt haben. Die Bürger sollen das am Sonntag wissen. Nun kann man zunächst einmal sagen, in mehr als zwei Dritteln unserer Gemeinden ist das sowieso so. 2006 gab es 139 Wahlen. In 38 Fällen waren Stichwahlen nötig, in den anderen Fällen hat sich der Bürgermeister/die Bürgermeisterin im ersten Wahlgang durchsetzen können. Das heißt, nur weniger als ein Drittel der Gemeinden brauchte eine Stichwahl, die anderen wussten schon am ersten Sonntag, wie die Entscheidung ausgegangen war. Aber um die Legitimation zu erhalten, die starke Stellung zu erhalten, sollten wir es dabei belassen, dass in den Fällen, wo im ersten Wahlgang eben nicht die absolute Mehrheit zustande kommt, die Bürger noch einmal zur Wahlurne gehen und ihren gewählten Repräsentanten die Legitimation der Mehrheit der Wähler auch mit an die Hand geben können.

(Beifall SPD)

Das nächste Argument ist genauso fadenscheinig - schwindende Wahlbeteiligung beim zweiten Wahlgang. Ich kann Sie - und das sage ich in aller Ruhe - nur davor warnen, die Notwendigkeit von Wahlen an der Wahlbeteiligung zu messen. Überlegen Sie mal einen Moment lang, wo eine solche Debatte hinführt. Ich will Ihnen ein Beispiel sagen. 2006 beteiligten sich im zweiten Wahlgang in Gera mehr als 38 Prozent an der Stichwahl. Im Eichsfeld kamen beim ersten

Urnengang nur 37 Prozent der Wähler. Was wollen Sie denn mit Ihrer Argumentation machen? Wollen Sie Wahlen, bei denen eine bestimmte Wahlbeteiligung unterschritten wird, dann für ungültig erklären? Überlegen Sie doch mal, wo solche Argumente hinführen. Ich sage Ihnen, das ist alles an den Haaren herbeigezogen. Der einzige Grund ist, sich einen taktischen Vorteil zu verschaffen, den Sie dann haben, wenn es keine Stichwahlen mehr gibt. Das kann doch aber nicht der Grund sein, einen tragenden Pfeiler dieser Kommunalverfassung einzureißen.

(Beifall SPD)

Sie haben ein drittes Argument gebracht, den Kostenfaktor. Da sage ich, darüber lässt sich sogar reden. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass uns Demokratie etwas Wert sein sollte und dass man nicht nur mit Kosten argumentieren kann. Ich sage aber auch, dass es dort, wo es möglich ist, Kosten zu sparen, indem man zum Beispiel Wahlen zusammenlegt, sofort auf unsere Zustimmung treffen wird. Dort kann man nämlich dann tatsächlich Wahlkosten sparen und das schützt auch vor Wahlmüdigkeit. Wenn Sie dieses Argument ernst meinen, dann müssten Sie zum Beispiel Landtagswahl und Bundestagswahl zusammenlegen. Das spart uns in Thüringen rund 1 Mio. €. Das wollen Sie aber, wie man hört, nicht. Deshalb sage ich Ihnen, Sie suchen auch hier nur den parteitaktischen Vorteil genau wie bei der Abschaffung der Stichwahl. Das werden wir nicht akzeptieren, hier wird es klaren Widerstand geben. Wir wollen die Kommunalverfassung erhalten, so, wie sie sich bewährt hat.

(Beifall SPD)

Eigentlich gäbe es nach dem Debakel der letzten Wochen ohnehin nur eine konsequente Lösung: Machen Sie den Weg frei für Neuwahlen. Die Glaubwürdigkeit des Thüringer Ministerpräsidenten und seine Handlungsfähigkeit sind auf einem Tiefpunkt angekommen. Die Liste der Pannen von Dieter Althaus ist lang, ich will Ihnen nur einige noch einmal in Erinnerung rufen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Neu- wahlen kosten wohl nichts?)

Da ist die Blindengeldabschaffung, da ist die Büchergeldpleite, da ist das Kulturkürzungschaos, da ist der Gasser-Rücktritt und da war zum Schluss der Kultusministerkonflikt; eine lange Liste, die sich noch weiter verlängern ließe. Aber noch länger als die Liste der Pannen ist die Liste der ungelösten Probleme. Lauter Baustellen, Herr Mohring, die für Dauerstau hier im Land sorgen. Das fängt an bei der verkorksten Familienpolitik, die auf Kosten der Eltern und der Kommunen geht. Sie haben mehr als 50 Mio. € den Kindergärten gestrichen. Ich sage Ihnen noch einmal:

Das ist keine verantwortliche, zukunftsgerichtete Familienpolitik. Nehmen Sie dieses Geld wieder in die Hand, investieren Sie es in die Thüringer Kindergärten, es ist gut investiertes Geld. Wir brauchen mehr Investitionen in die frühkindliche Bildung.

(Beifall SPD)

Eine Baustelle bleibt auch die Thüringer Polizei. Die Reform ist irgendwo im Nichts hängen geblieben und nicht einmal der neue Innenminister weiß, wie es weitergehen soll. Das geht nicht nur auf die Knochen der Beamten, die endlich Klarheit brauchen, wie es bei der Polizei weitergehen soll, das geht auch auf die Kosten der Sicherheit der Bürger in Thüringen. Deshalb sage ich Ihnen: Packen Sie endlich an, es reicht nicht, die Baustellenschilder wegzunehmen, Sie müssen den Bau sinnvoll zu Ende führen. Darauf warten die Bürger in diesem Land.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Darum haben wir die zweitbeste Aufklärungs- quote aller Bundesländer.)

Herr Fiedler, Sie gehören doch zu den heftigsten Kritikern dieser Polizeireform.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Richtig, die Fläche muss gestärkt werden.)

Aber auch Sie haben bisher in diesem Thüringer Landtag nicht klarmachen können, wohin die Thüringer CDU eigentlich steuert bei der Polizeireform. Es hängt doch alles in der Luft, Herr Fiedler.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Sie werden es in Kürze sehen.)

Es hängt doch alles in der Luft bei dieser Reform. Es geht weder vor noch zurück, noch kann irgendeiner in dieser Thüringer CDU sagen, was die nächsten Schritte bei der Polizeireform sind. Wir haben ja ein Berichtsersuchen an die Landesregierung gestellt, in dem wir fragen, was konkret passieren soll. Ich bin auf die Antworten gespannt.

(Beifall SPD)

Alle Untersuchungen aus den letzten Jahren legen uns auch nahe, das Schulwesen zu verbessern. Auch das eine Baustelle, an der Sie nicht vorankommen. Längeres gemeinsames Lernen plus individuelle Förderung, das ist das Erfolgsrezept der erfolgreichen Bildungsnationen. Deshalb sage ich Ihnen, das ist der Weg, den wir auch in Thüringen beschreiten müssen. Aber Sie packen nicht an, Sie verweigern sich auch an dieser Baustelle. Sie wollen keine Lösung, die dieses Land voranbringt.

(Beifall SPD)

Wer sich in der Wirtschaft umhört - und wir hatten ja Gelegenheit gerade vor kurzem beim Empfang von IHK und Handwerkskammer -, der hört, dass Fachkräfte allerorten fehlen. Auch hier keine Antwort, über Ihren sogenannten Fachkräfteservice schütteln alle nur mit dem Kopf.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das hat ja mit dem Gesetz nichts zu tun.)

Herr Matschie, ich nehme an, Sie kommen gleich wieder zum Gesetz zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements.

Ganz genau, Frau Präsidentin.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Da bin ich aber einmal gespannt.)

Und weil die CDU dort, wo sie arbeiten müsste, wo sie Konzepte vorlegen müsste, tragfähige Lösungen vorlegen müsste, keinen Schritt vorankommt, versucht sie, das Wahlrecht zu manipulieren, um Wahlchancen bei den nächsten Wahlen zu verbessern.

(Beifall SPD)

Dagegen Ihre Ankündigung, das alles in einem gemeinsamen Gesetz zu regeln mit der Umsetzung der Gemeindereform, da stockt es plötzlich. Wo ist denn Ihr Vorschlag? Es war doch angekündigt, es gab sogar eigens eine Pressekonferenz dazu, auf der auch der Ministerpräsident gesagt hat, man wolle die Umsetzung der Gemeindereform mit den anderen Projekten, die Sie jetzt vorgelegt haben, verbinden. Wo ist eigentlich das Problem? Warum liegt nichts auf dem Tisch? Gibt es nach der Einigung, so wie bei der Polizeireform, doch keine wirkliche Einigung? Vielleicht können Sie dazu nachher eine Antwort geben, Herr Mohring.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Gern, Herr Matschie.)

Ich sehe jedenfalls nicht, dass diese Landesregierung irgendeinen Vorschlag hier vorzulegen hätte. Das ist bezeichnend für das Bild, was diese Regierung abgibt: Ankündigungen, Stolpern auf der politischen Bühne, nichts, was Hand und Fuß hat, nichts, was dieses Land voranbringt.

Ich will eine letzte Ankündigung anfügen - auch hier bisher Fehlanzeige. Diese Ankündigung ist auch

schon fast ein Jahr her, es war im Juli letzten Jahres beim Landesparteitag der CDU, da wurde versprochen, es soll eine Stichtagsregelung für die Straßenausbaubeiträge geben. Wir warten, wir warten, wir warten und wir warten.

(Zwischenruf Abg. Schröter, CDU: Wo ist der Bezug zu diesem Gesetz?)

Das ist das Bild, was diese CDU und diese Landesregierung abgeben. Ankündigungen - nichts, was das Land voranbringt, nichts, was dazu in der Lage ist, Probleme zu lösen. Deshalb sage ich es noch einmal: Diese Regierung ist mit ihrem Latein am Ende, da hilft auch kein Personalkarussell mehr. Thüringen braucht einen neuen Aufbruch. Und wenn Sie schon sonst nichts mehr auf die Reihe kriegen, haben Sie wenigstens den Mut, machen Sie den Weg frei, damit Neuwahlen möglich werden.

(Beifall SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Mohring zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wissen Sie, warum die Thüringerinnen und Thüringer 2004 der CDU die Verantwortung gegeben haben, dieses Land zu gestalten? Weil sie wollen, dass dieses Land gut, solide und zukunftsfähig regiert und weiter aufgebaut wird.

(Heiterkeit DIE LINKE)

(Beifall CDU)

Und wissen Sie, warum die Wähler Sie 2004, aber auch 1999 und auch davor, Sie beide, in die Opposition geschickt haben? Weil Sie es nicht können. Weil Sie nicht mal Opposition können und weil Sie - ich will das den Zuschauern hier auf der Tribüne auch gern sagen -

(Heiterkeit DIE LINKE, SPD)