Protocol of the Session on December 9, 2004

Warum wir umschalten müssen, hat sich doch in den letzten drei Jahren ganz eindeutig erwiesen.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS)

Wir haben seit drei Jahren... Beides sind Zahlerländer, beides sind Zahlerländer, Herr Ramelow Bayern und Nordrhein-Westfalen; Nordrhein-Westfalen steht nur derzeit an der Schwelle zu einem Nehmerland, weil es so bescheiden regiert wird, sehr geehrter Herr Ramelow.

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Bayern war Nehmerland...)

Aber doch nicht in den Jahren, die ich hier aufführe - 1989 ist Bayern zu einem Nehmer- und Geberland geworden. Das wissen Sie doch ganz genau.

Es war doch genau die Umschaltzeit Ende der 80er.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Ende der 80er-Jahre.)

Sie leben auf einem anderen Stern, Herr Matschie, da waren Sie vielleicht noch nicht... Ende der 80er Anfang der 90er ist Bayern zum Geberland geworden.

(Unruhe bei der CDU)

Meine Damen und Herren, warum wir jetzt als Land schwierigere Prozesse zu gestalten haben, ist ebenfalls sehr einleuchtend. Seit drei Jahren nehmen wir in Deutschland und auch in diesem Land weniger Steuern ein als ursprünglich für die Haushalte prognostiziert durch die Steuerschätzer - 2,2 Mrd.  seit drei Jahren.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Trotz- dem haben Sie Geld für eine Spielbank.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die haben wir eingespart und wir haben zusätzlich die Ausgaben des Landes begrenzt, d.h., wir haben selbstverständlich in der letzten Legislaturperiode unsere Verantwortung für solide Haushaltsgestaltung auch wahrgenommen.

(Beifall bei der CDU)

Und wenn Sie sich dann hier hinstellen und reden von Haushaltssteigerung, dann bitte ich Sie wenigsten redlich zu sein. Sonderversorgungssystem plus 20 Mio.  )3(B  :  

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es macht doch keinen Sinn,

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Haben Sie mehr Geld in der Kasse oder nicht?)

alle fünf Minuten das Thema zu wechseln. Das ist mir bei Ihrer Rede so vorgekommen, Herr Matschie. Entweder wir reden über unsere Verantwortung hier, dann wollen wir ganz klar sagen - und wir werden als Union und als Fraktion auch dazu stehen -, wir werden mit diesem Haushalt einen Einstieg vornehmen und deswegen heißt er "Reformhaushalt", aber

natürlich geht der Strukturwandel weiter. Auch der nächste Doppelhaushalt wird ein Haushaltsbegleitgesetz haben, in dem wieder wichtige Verfahren neu geregelt werden, weil wir in den nächsten drei/vier Jahren die Strukturen des Landes umbauen werden, weil wir Personal abbauen müssen, weil wir Behördenstrukturen

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Das haben Sie doch 1999 schon erzählt.)

reduzieren müssen, weil dieser Staat sich übernimmt. Und immer, wenn ein Staat sich übernimmt, leiden die Menschen darunter und vor allen Dingen die sozial Schwachen.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Grüner, CDU: Hör doch mal zu.)

Deswegen bitte ich Sie, auch die Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen, dieser Reformhaushalt setzt noch keine Behördenstrukturreform um - es ist auch an keiner Stelle gesagt worden -, sondern wir werden diese Behördenstrukturreform jetzt diskutieren und entscheiden und sie dann mit dem Doppelhaushalten 2006/07, 2008/09 umsetzen. Das heißt, der Weg, den wir jetzt einschlagen, die Weichenstellung, die wir jetzt vornehmen, ist eine Weichenstellung für die nächsten Jahre. Wir versprechen uns davon, dass wir unsere Verantwortung wahrnehmen, um die Gestaltungsmöglichkeiten des Landes in den nächsten Jahren wieder besser nutzen zu können für Familie, für Bildung und für Mittelstand. Weil wir spüren, dass wir zu wenig dafür tun können, müssen wir für diese Quellen unserer Gesellschaft wieder mehr tun und deswegen müssen wir heute die Weichen für die Zukunft stellen.

(Beifall bei der CDU)

Aber natürlich, meine sehr verehrten Damen und Herren - und deswegen ist es schon richtig, dass alle Redner das angesprochen haben -, wir leben in Deutschland und genau dieses Deutschland bestimmt die Rahmenbedingungen. Grundsätzlich bestimmt Deutschland für alle wesentlichen Wachstumsfragen die Rahmenbedingungen. Das sind keine landesspezifischen Rahmenbedingungen, das wissen Sie ganz genau. Natürlich sind in den letzten Jahren einige Entscheidungen gefällt worden, auch unter Beteiligung der Union im Bundesrat. Weil immer gefordert wurde, dass wir nicht blockieren, sondern bei vernünftigen Entscheidungen auch mittragen. Aber nicht alle diese Entscheidungen haben am Ende auch die Resultate hervorgebracht, die ursprünglich mit den Entscheidungen vorgesehen waren. Das hat etwas mit unserer grundsätzlichen Pro

blematik zu tun. Herr Ramelow hat hier von einer OECD-Vergleichsstudie der 21 Staaten gesprochen. Es ist richtig, dass 21 Staaten verglichen worden sind, und es ist auch richtig, dass Deutschland, wenn es um das Verhältnis Steuereinnahmen zum BIP geht, am unteren Ende ist. Aber Sie hätten natürlich weiter erklären müssen, warum dies so ist. Sieben Staaten von den 21 haben eine Unternehmensteuerbelastung unter 20 Prozent, sieben Staaten von 20 bis 30 Prozent und weitere sieben Staaten über 30 und Deutschland steht auf dem drittvorletzten Platz. Die Reaktion ist ganz eindeutig. Das ist eine Unternehmensreaktion der Konzerne. Sie gehen mit dem, was gewinnträchtig ist, ins Ausland und geben dann über Dividenden nach Deutschland in die Mutter das Geld zurück und die Dividende wird mit 2 Prozent versteuert. Deswegen ist es eine unternehmensfeindliche Politik, wenn man bei diesen Steuersätzen bleibt. Sie bestraft auch den Mittelständler, weil er diese Möglichkeit nicht hat, aber sie bestraft auch Deutschland, weil wir die Konzerngewinne und die Steuereinnahmen in Deutschland verlieren. Und deswegen ist ein vernünftiges Unternehmensteuerrecht ein vernünftiges Wachstumskonzept für Beschäftigung und Einnahmen in Deutschland.

(Beifall bei der CDU)

Herr Matschie sagt hier, vor welchem Hintergrund weiß ich nun wirklich nicht, dass es für diese Aussagen mit Blick auf Steuerrecht keine Begründungen geben würde. Ich habe gerade vor zwei Tagen - vielleicht Sie auch - von der Bertelsmann Stiftung das "Internationale Standortranking" zugeschickt bekommen - 2004 - neueste Daten. Die Bertelsmann Stiftung steht nicht im Geruch, irgendwo mit oder für die Union zu schreiben. Ganz im Gegenteil, sie berät die Bundesregierung und z.B. hat Ihr Bundesminister Clement vor nicht allzu langer Zeit mit der Bertelsmann Stiftung gemeinsam für die so genannten Sondergebiete ein Verfahren entwickelt bis heute gibt es zwar kein Resultat, aber immerhin. Wenn Sie dieses Buch jetzt mal in Ruhe zur Hand nehmen und lesen, finden Sie die gesamten Aussagen, die Sie zum Standort Deutschland getätigt haben, ad absurdum geführt. Ich zitiere Ihnen zum Standortranking: "Am schlechtesten schneiden im internationalen Vergleich die großen EU-Gründungsmitglieder Frankreich, Italien und Deutschland ab. Sie haben in den vergangenen zehn Jahren kaum Fortschritte auf Ihren verkrusteten Arbeitsmärkten erzielt." Es steht dann zu der Frage "Erfolgsindex im Blick auf Wachstum und Beschäftigung": "Der Alarmbereich wird angeführt von Portugal, dahinter folgen Finnland, Spanien, Italien, Frankreich und mit einigem Abstand - Deutschland als absolutes Schlusslicht." Sie können dann, wenn es darum geht zu fragen, seit wann die Dramatik noch zugenommen hat, auf Seite 19 nachlesen: "Noch extremer

ist die Entwicklung Deutschlands zu bewerten. Hatte Deutschland noch Ende der 80er-Jahre deutlich über der 90-Punkt-Marke gelegen und im Zuge des Wiedervereinigungsbooms sogar kurzzeitig in den grünen Bereich vorstoßen können, ging die Entwicklung seitdem stetig abwärts." Jetzt kommt ein wichtiger Satz für Sie: "1999 rutschte das Land in den Alarmbereich ab. Mittlerweile ist Deutschland das Schlusslicht im Erfolgsindex." Dann können Sie einmal nachlesen, welche Gründe es gibt. Da finden Sie all die Dinge wieder: Arbeitsmarkt, Abgabenlast, Flexibilität, Staatsverschuldung und Staatsausgaben.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Und die Wiedervereinigung, die wir alle woll- ten.)

Bei den Aktivitäten steht ebenfalls ein interessanter Satz: "Ein besonders krasses Negativbeispiel ist Deutschland, das zwar nie zu den besten Ländern im Aktivitätsindex gehörte, aber 1991 zumindest mit 95 Punkten einen annehmbaren Platz im Mittelfeld einnahm. Seitdem sank die Indexpunktzahl des Landes bis 2004 auf 77 Punkte." Und die Resultate? Die Resultate sind ganz eindeutig: zum einen, dass die internationale Wirtschaftsbewegung an Deutschland vorbeigeht, und genau deshalb entscheidet Detroit auch, wenn es um GM und Opel geht und nicht ein Standort in Deutschland. Das Zweite und das ist genau so fatal - da bitte ich Sie ganz einfach auch mal, die Entscheidung vom letzten Jahr vor diesem Hintergrund zu spiegeln -,

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Deutschland ist Exportweltmeister!)

auch das steht auf Seite 42, das darf ich Ihnen einmal sagen, die Gründe, Deutschland krankt. "Ungeachtet der guten weltwirtschaftlichen Entwicklung kommt derzeit die Binnenmarktnachfrage nicht in Gang und" - jetzt kommt der Grund - "Grund dafür sind vor allem die unsicheren Zukunftserwartungen der Verbraucher und der Investoren. Zurzeit beträgt die Unterauslastung der deutschen Volkswirtschaft 3 Prozent." Das ist ein Spitzenwert in der Welt. Genau das ist unser Problem.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Wieder Verunsicherung!)

Wir sind Exportweltmeister, mein sehr geehrter Herr Matschie, wir müssen aber wieder die Binnennachfrage ankurbeln, deswegen müssen wir auf den Mittelstand schauen.

(Beifall bei der CDU)

(Unruhe bei der SPD)

Die Binnennachfrage werden Sie nur ankurbeln, wenn Sie für den Mittelstand hier wieder Wachstumschancen schaffen und wenn Sie das internationale Kapital wieder für Deutschland interessieren. Lesen Sie dieses Standortranking, es ist aktuell gedruckt und Sie finden die ganze Theorie, aber auch die Beweise, dass Ihre Theorie eine Sackgassentheorie ist, sehr geehrter Herr Matschie.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen auch ganz klar unsere Haltung bei Subventionen, weil es eng damit zusammenhängt. Erstens will ich einmal deutlich widersprechen, wir haben dem Subventionsabbau nicht widersprochen, wir haben ihn auf den Weg gebracht, die Länder. Die Koch-Steinbrück-Liste ist nicht vom Bund vorgelegt worden, sondern - wie die beiden Namen schon zeigen - von den Ländern. Die Ministerpräsidenten haben nämlich Ministerpräsident Koch und Ministerpräsident Steinbrück gebeten, eine solche Subventionsabbauliste vorzulegen.

Moment bitte mal. Gestatten Sie - Herr Matschie, Sie können sich auch zu Wort melden - eine Zwischenfrage durch die Frau Abgeordnete Dr. ScheringerWright?

Ja.

Sie zitieren Bertelsmann, aber gerade Bertelsmann ist ein Verlagsriese, der die ganzen mittelständischen Verlagsunternehmen schluckt und fertig macht. Wie sehen Sie das, wenn Sie gerade den zitieren?

Anders als Sie mit Ihrer kommunistischen Grundidee hasse ich Unternehmer nicht, das gilt für die großen wie für die kleinen.

(Beifall bei der CDU)

Damit Sie es wissen, wir haben sogar einer höheren Eigenheimszulagekürzung zugestimmt. Vorgeschlagen waren 10 Prozent und im Bundesrat, im Vermittlungsausschuss haben wir auf 30 Prozent erhöht. Jetzt sind wir einfach dafür, dass erst einmal umgesetzt wird, was wir beschlossen haben, nämlich diese 70 Prozent, die verbleibende Eigenheimzulage stärker zu nutzen, um in die Altbausubstanz zu gehen. Das hilft unseren Kommunen, unseren Dörfern und unseren Städten. Aber ich will

auch noch ein Zweites sagen zum Subventionsabbau, damit wir da vielleicht auch vollkommen einer Meinung sein können. Ich bin auch dafür, dass man z.B. bei der Pendlerpauschale und anderen Dingen streicht, auch bei der Eigenheimzulage. Aber wissen Sie, derzeit erfüllen die Subventionen häufig das ungerechte Steuerrecht ein wenig erträglich für die Menschen zu gestalten. Deswegen gehört ein neues Steuergesetz auf den Tisch und dann kann man gleichzeitig auch über die Subventionen reden. Aber man kann nicht heute die Subventionen verbrauchen und morgen ein neues Steuerrecht einführen.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ja.

Herr Abgeordneter Schwäblein, bitte.