Protocol of the Session on December 9, 2004

Denn Sie regieren seit mehr als fünf Jahren mit absoluter Mehrheit in diesem Landtag. Sie haben 1999 "Sparen und Gestalten" angekündigt. Wir müssen heute feststellen, Sie haben weder gespart noch gestaltet, Sie haben sich einfach das Gestalten gespart. Das reicht für Thüringen nicht aus, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD)

Statt zu Ihrer Verantwortung zu stehen, haben Sie jahrelang die Bürger an der Nase herumgeführt. Noch vor knapp einem halben Jahr, wenige Tage vor der Landtagswahl, haben Sie den Leuten in Thüringen weismachen wollen, wir haben zusätzliche Spielräume für millionenschwere Ausgaben im Wasserund Abwasserbereich. Jetzt, da Sie das Versprechen einlösen müssen, streichen Sie beim Essengeld und bei der Schuljugendarbeit. Ich finde ein solches Vorgehen unverantwortlich, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben am 1. Mai dieses Jahres - nicht irgendwann, dieses Jahr, 2004 - auf dem CDU-Wahlparteitag versprochen, ich zitiere Sie: Wir stehen zu dieser Aussage, den Beitrag zum Kommunalen Finanzausgleich nicht entsprechend der Steuerausfälle zu reduzieren. Herr Ministerpräsident, Sie haben Ihr Wort gebrochen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben vor der Wahl mit dem Beamtenbund ein Sonderzahlungsgesetz vereinbart und jetzt nach der Wahl kassieren Sie diese Vereinbarung mit dem Haushaltsstrukturgesetz wieder ein. Herr Althaus, wer soll Ihnen eigentlich noch Glauben schenken? Wer soll sich eigentlich auf Vereinbarungen mit Ihnen noch verlassen, wenn Ihr Wort eine so kurze Halbwertszeit hat?

(Beifall bei der SPD)

Sie haben vor der Landtagswahl wissentlich die Bürger in diesem Land getäuscht. Sie kannten die Haushaltssituation. Sie wussten damals schon, dass die Landesregierung seit Jahren über ihre Verhältnisse lebt. Am sichtbarsten wird das an einem Haushaltsposten, den wir jetzt im Haushalt 2005 wiederfinden. Der heißt: Ausgaben zur Deckung von Fehlbeträgen aus dem Vorjahr. 219 Mio.   Thüringerinnen und Thüringer dafür im kommenden Jahr zahlen - 219 Mio.    ,00>  nicht in die Bücher packen wollten; 219 Mio.    ;  nanzministerin jetzt nachreicht und natürlich irgendwie gegenfinanzieren muss. Diese 219 Mio.  Herr Althaus, das ist nur die Spitze des Eisbergs versteckter Schulden und jahrelanger Misswirtschaft, die Sie hier in Thüringen zu verantworten haben. Dieser Haushalt 2005 ist Ihr persönlicher Offenbarungseid nach Jahren unehrlicher Haushaltspolitik. Aber es ist noch mehr als Ihr persönlicher Offenbarungseid, es ist auch eine politische Bankrotterklärung, Herr Althaus. Ideen für die Zukunft des Landes - wo sind die denn in diesem Haushalt?

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wo sind Ihre?)

In Ihrem Reformhaushalt ist keine Linie erkennbar, keine Vision, nichts, was Ihnen wirklich wichtig scheint. Bildung, Familie, Mittelstand, das sollten die drei Schwerpunkte Ihrer Regierungspolitik sein. Das war die Aussage Ihrer Regierungserklärung im September. Ich zitiere Sie auch noch mal aus Ihrer Regierungserklärung: "Deshalb werden wir unsere Kräfte bündeln, den Haushalt konsolidieren und vor allem in die Bereiche investieren, die Zukunft bedeuten - Wirtschaft, Bildung und Familie." Am Wochenende haben Sie das auf Ihrem Landesparteitag noch einmal wiederholt. Schauen wir uns doch mal an, was im Haushalt 2005 von diesem Versprechen übrig geblieben ist. Ich fange mal mit der Bildung an. Hier summieren sich die Kürzungen auf sage und schreibe 34,5 Mio.  ?'   3   GEW in diesem Schuljahr schon rund 800 Lehrerinnen und Lehrer fehlen, machen Sie weiter beim Personalabbau. Mit dem Haushalt 2005 sollen mehr als 1.000 weitere Stellen gestrichen werden. Frei werdende Hortnerinnenstellen werden schon heute nicht mehr besetzt. Bei den Lernmitteln planen Sie, beinahe 3 Mio.          1 kunft die Eltern aufbringen. Mehr als 2,5 Mio.  werden bei der Schülerspeisung wegfallen, der komplette Beitrag des Landes. Die noch von Kultusminister Krapp als Reaktion auf PISA verkaufte Schuljugendarbeit wird ebenfalls wegrasiert. Hier kürzen Sie mehr als 50 Prozent gegenüber dem Haushalt dieses Jahres. Auch die Erwachsenenbildung und die politische Bildung kommen bei Ihnen unter den Hammer. 4 Mio.       & '    weg und halbieren damit beinahe den Landeszuschuss. Den Ernst der Lage in den Volkshochschulen nutzen Sie, Herr Althaus, für billigen Sarkasmus und machen sich lustig über Handy-Kurse und Jazzdance. Dabei müssten Sie eigentlich wissen, Herr Ministerpräsident, dass beim Wegfall der öffentlichen Zuschüsse zuerst die Kurse gefährdet sind, die teuer sind und die nur über geringe Gebühreneinnahmen verfügen. Das sind eben nicht die von Ihnen angesprochenen Handy- und Jazzdance-Kurse. Hier reden wir über Alphabetisierungskurse, hier reden wir über nachholende Schulabschlüsse. Da brechen die Strukturen weg und das haben Sie mit Ihrem Landeshaushalt zu verantworten.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Herr Althaus, Sie investieren nicht in die Bildung, wie Sie es angekündigt haben, Sie streichen in der Bildung, und zwar an vielen Stellen. Wie sieht es bei der Familienförderung aus? Auch hier finde ich im Haushalt jede Menge weitere Kürzungen. Vor der Wahl haben Sie den Haushaltsposten für Familiencard, den Arbeitskreis "Thüringer Familienorganisa

tion", Familientag, Familienbündnisse und Gründung von Elternakademien ordentlich ausgestattet. Jetzt, da die Wahl vorbei ist, wird dieser Etat für die Familien um zwei Drittel gekürzt. Der Landesjugendförderplan wird um 22 Prozent gekürzt, die Jugendpauschale um weitere 2 Mio.   *  vor wenigen Tagen, Herr Althaus, beim Landesjugendring ein Jugendwertpapier gezeichnet und in eine Kamera gelächelt, aber mit echter Wertschätzung der Jugendarbeit hat das, was Sie hier zumindest im Haushalt machen, überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Familienpolitik muss natürlich auch Angebote an die Älteren beinhalten, Sie aber streichen die Förderung der Seniorenclubs und -begegnungsstätten. Sie kürzen die Zuwendungen an Selbsthilfegruppen, an Kontaktgruppen und Informationsdienste, insbesondere für ältere Menschen, fast um die Hälfte des Ansatzes von 2004. Das dokumentiert Nichtachtung vor der Familie, Nichtachtung vor den älteren Menschen.

Der dritte Schwerpunkt soll der Mittelstand sein. Lassen Sie uns auch da mal in den Haushalt hineinschauen: Wie sieht es hier aus? Heute vor einer Woche hat der Wirtschaftsminister Reinholz in höchsten Tönen die Gemeinschaftsaufgabe Wirtschaftsförderung gelobt und dargestellt, was alles an Arbeitsplätzen damit gesichert und geschaffen werden konnte. Aber schon heute ist klar, dass Sie auch in diesem Jahr Bundesmittel, die für diese Wirtschaftsförderung zur Verfügung stehen, in Größenordnungen verfallen lassen. 15 bis 30 Mio.  auch in diesem Jahr, werden der Thüringer Wirtschaft verloren gehen, weil Sie Bundesmittel verfallen lassen. Für das nächste Jahr werden wir das Gleiche wieder konstatieren müssen, denn das ist strukturell angelegt, dass wir die Bundesmittel nicht mehr ausschöpfen können. Auch das wissen Sie! Sie, Frau Diezel, haben nämlich das früher praktizierte Investitionsmanagement gestrichen. Deshalb ist eine auf Ausschöpfung angelegte Mittelbewirtschaftung nicht mehr möglich. Weitere Bundesmittel, die wir hier dringend brauchen, um Arbeitsplätze zu schaffen, verfallen. Damit gefährden Sie unmittelbar Beschäftigung in Thüringen. Das als Mittelstandspolitik zu verkaufen, das will mir überhaupt nicht einleuchten. Nicht nur die Finanzministerin richtet Schaden in der Wirtschaftsförderung an, auch der Wirtschaftsminister selbst liegt ja im heftigen Streit mit den Wirtschaftsverbänden, mit den Kammern, weil diese verengte Förderrichtlinie, die Sie hier auf den Weg gebracht haben, dafür sorgt, dass keine Neuinvestitionen mehr gemacht werden, die die Wettbewerbsfähigkeit erhalten.

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Und was ist mit Rolls Royce?)

Rolls Royce, Herr Reinholz, damit brauchen Sie sich nun nicht zu brüsten. Diese Investition ist vom IIC angebahnt und gemanagt worden.

(Heiterkeit bei der CDU)

Nur weil Rolls Royce seine Turbinen in Zukunft in Thüringen warten lässt, was ich gut finde,

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Wenn man keine Ahnung hat, muss man ein- fach nicht reden!)

brauchen Sie als Wirtschaftsminister noch längst keine Höhenflüge zu kriegen.

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Wahr- scheinlich von Schröder gekommen, nicht von mir.)

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Wenn es nach Ihrem Chef gegangen wäre, wäre es nach Brandenburg gekommen und nicht nach Thüringen.)

Herr Reinholz, es ist einfach eine Tatsache, dass Sie unter heftiger Kritik

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Er kann es nicht begrüßen, auch nicht von mir.)

der Wirtschaftsverbände und der Kammern stehen, was Ihre Förderpolitik angeht. Beim letzten Gespräch haben Sie ja deshalb dieses heiße Eisen auch ausgeklammert. Sie haben sich immer noch nicht mit der Wirtschaft über eine vernünftige Förderpolitik einigen können.

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Was Sie so alles wissen.)

Ja. Das ist ja sogar in den Zeitungen nachzulesen.

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Wenn das Ihre einzige Informationsquelle ist.)

Das ist sicher nicht meine einzige Informationsquelle, aber natürlich eine wichtige für die Öffentlichkeit. Deshalb, Herr Reinholz, versuchen Sie doch erst einmal, Ihre Förderpolitik in Ordnung zu bringen und Förderrichtlinien so auszugestalten, dass sie auch wirklich positive Effekte hier in Thüringen bewirken können. Einen weiteren Bärendienst erweisen Sie dem Mittelstand durch Ihre Kürzungen bei der Verbundforschung. Denn klar ist, insbesondere der Mittelstand ist auf diese Forschungskooperationen angewiesen. Hier sollen auch schon wieder 1 Mio.  weggestrichen werden.

Herr Althaus, Sie handeln gegen Ihre eigenen Ankündigungen mit dem so genannten Reformhaushalt 2005. Ich kann in diesem Haushalt jedenfalls keine Reformlinie erkennen. Sie kürzen bei der Bildung, Sie kürzen bei den Familien und Sie kürzen beim Mittelstand. Ihr Wort hat eine erstaunlich kurze Halbwertszeit und viele im Land fragen sich natürlich inzwischen, was dieses Wort noch wert ist. Sie können sich auch nicht mit einer sich dramatisch verschlechternden Situation herausreden. Auch die Finanzministerin hat die Daten hier noch einmal genannt. Die Wirtschaft wächst wieder, 1,8 Prozent in diesem Jahr, auch im nächsten Jahr in dieser Größenordnung. Diese Größenordnung liegt im Durchschnitt des Wirtschaftswachstums der letzten 15 Jahre. Die Steuereinnahmen steigen ebenfalls wieder an in ganz Deutschland, auch in Thüringen. Im Bundeshaushalt kann man diese verbesserte Situation auch klar ablesen.

(Unruhe bei der CDU)

Die Einnahmen wachsen auch im Bundeshaushalt wieder und die Verschuldung halbiert sich beim Bundeshaushalt gegenüber der Verschuldung des Nachtragshaushalts 2004. Sie legen auf die Verschuldung des Nachtragshaushalts 2004 noch neue zusätzliche Schulden oben drauf. So unterschiedlich eben geht man mit der gleichen Situation im Lande um.

(Beifall bei der SPD)

Auf Ihrem Landesparteitag am Wochenende haben Sie, Herr Althaus, gesagt, dass in Berlin, ich zitiere Sie hier, "die beschissene Politik gemacht wird".

(Unruhe bei der CDU)

Mit dem Blick auf die Zahlen rate ich Ihnen, lassen Sie die billige Polemik, Sie hilft Thüringen überhaupt nicht weiter.

(Beifall bei der SPD)

Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, es kann ja sein, dass sich die CDU mit solcher Polemik zufrieden gibt.

(Unruhe bei der CDU)

Sie haben ja auf Ihrem Landesparteitag erstaunlicherweise auch überhaupt nicht über die Reformpolitik im Lande diskutiert. Das ganze Land ist in Aufruhr, diskutiert über die Kürzungen, die Sie hier angekündigt haben,

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Lassen Sie ihn doch kommen.)

diskutiert über die Kürzungen, die Veränderungen, die Sie hier in Gang setzen wollen, und der CDU-Parteitag schweigt dazu. Es war ein seltsames Schweigen, das über diesem Parteitag lag und es lässt nichts Gutes verheißen für die Politik in diesem Land. Wie weit müssen Sie eigentlich von der Realität weg sein,

(Beifall bei der SPD)

wenn Sie auf einem Landesparteitag die Fragen, die viele Menschen hier draußen interessieren, überhaupt nicht ansprechen.

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Das waren die Wahlergebnisse.)

Die Thüringer bezahlen mit dem Haushalt 2005 für die unehrliche Haushaltspolitik der CDU in den letzten Jahren, da gibt es kein Drumherumreden.

(Unruhe bei der CDU)