Die Einschnitte, die jetzt von Ihnen gemacht werden, die verdanken wir in erster Linie schlechter Politik in Thüringen. Ihre Regierung kommt uns teuer zu stehen, Herr Althaus. Die Menschen spüren, wer die Verantwortung dafür trägt. Knapp sechs Wochen ist es her, auf dem Gemeinde- und Städtetag haben Ihnen, mit Ausnahme eines Bürgermeisters, alle Bürgermeister die gelbe Karte gezeigt und sie haben allen Grund dafür.
Sie behaupten immer wieder, die Thüringer Kommunen wären in den letzten Jahren zu üppig ausgestattet gewesen und müssten jetzt endlich auch einmal an den Steuerausfällen beteiligt werden. Schauen Sie sich doch einmal die Statistik an, Herr Ministerpräsident. Schon jetzt liegen die Kommunen in Thüringen bei den Einnahmen um 140 .
(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das ist doch auch nicht richtig. Das ist doch nur Netto, ohne die Landeszuweisungen. Sie können nicht mal die Statistik lesen.)
Sie kürzen 200 Mio. 1 wir hier als Opposition in die Welt gesetzt haben. Reden Sie mal mit dem Gemeinde- und Städtebund über diese Zahlen,
fragen Sie Ihren Parteikollegen Jürgen Gnauck, der wegen dieser Einschnitte bei den Kommunen sagt, "man muss die Verfassungsmäßigkeit dieser Einschnitte sogar unter die Lupe nehmen", denn indem Sie den Kommunen jede Handlungsmöglichkeit nehmen, gefährden Sie den Verfassungsgrundsatz, dass die Kommunen selbstbestimmt handeln und entscheiden können in diesem Land. Das ist die Situation, die Sie mit dem Haushalt 2005 in diesem Lande schaffen.
Die Folgen vor Ort, die werden wir in den nächsten Monaten alle zu spüren bekommen. Denn zunächst einmal stehen bei den Investitionen die Räder still, solange keine Haushalte in den Kommunen verabschiedet werden können. Investitionsstopp bis April, vielleicht Anfang Mai, den haben Sie hier zu verantworten. Dann werden die Kommunen ein zweites Mal abgestraft. Nachdem sie den Handwerkern, den Bauunternehmen erklären mussten, warum die Investitionen nicht beginnen können, müssen sie den Bürgern hinterher erklären, warum kein Geld mehr da ist beim Winterdienst, beim Nahverkehr, warum bei Museen und Bibliotheken gestrichen werden muss, warum die Investitionen für die Kindergärten runtergefahren werden, warum für Musik- und Kunstschulen weniger Geld da ist, bei der Schulsanierung gespart werden muss, bei den Schulcomputern. Überall streichen Sie die Zuschüsse. Sie verschärfen enorm die Situation der Kommunen und schieben den Kommunalpolitikern den schwarzen Peter zu. Wie müssen sich eigentlich die verantwortlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und Landrätinnen und Landräte fühlen in dieser Situation und die vielen Gemeinderäte? Die haben in den letzten Jahren enorme Anstrengungen gemacht, um ihre Haushalte zu konsolidieren. Die haben es tatsäch
lich geschafft, die Verschuldung in den letzten Jahren zurückzufahren, während Sie Schulden auf Schulden gehäuft haben mit den letzten Haushalten. Und jetzt gehen Sie hin und bedienen sich bei den kommunalen Finanzen, nehmen den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern die Handlungsspielräume und schieben ihnen den schwarzen Peter zu.
Das ist nicht akzeptabel und das wird auch nicht akzeptiert werden von den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern.
Ich komme gleich zu den Vorschlägen, die wir dazu haben. Bleiben Sie ganz ruhig, Herr Mohring, bleiben Sie ganz ruhig.
Auf der kommunalen Ebene, da jammern die CDUPolitiker, weil Gelder fehlen und stellen Anträge, dass dieses oder jenes nicht gekürzt werden darf. Hier im Parlament sitzen sie und werden genau diese Kürzungen beschließen. Wie Sie diese Schizophrenie aushalten, dass müssen Sie mit sich selber ausmachen.
Schauen Sie doch mal nach Sachsen. Dort gibt es 50 Mio. #+ . Kommunen, während Sie hier den Kommunen den Finanzhahn zudrehen. Es geht auch anders. Warum geht denn das in Thüringen nicht, was an anderen Stellen geht? Es geht deshalb nicht, weil die Thüringer Landesregierung schlecht gewirtschaftet hat und auch dieser Haushalt, den Sie uns vorlegen, ist unseriös, er ist voller Tricks und Fallstricke für die Zukunft und er setzt keinerlei politische Schwerpunkte.
Ihre Unfähigkeit zu wirkungsvollen Reformen hängt uns heute wie ein Klotz am Bein und hindert uns am Weiterkommen. Wir müssen uns in den nächsten Jahren eigentlich neuen Herausforderungen stel
len, anstatt Ihre Altlasten abzufinanzieren, denn in den nächsten Jahren werden wir weitere Herausforderungen bewältigen müssen. Die Zuweisungen aus dem Solidarpakt, Sie haben es selber gesagt, werden ab 2009 deutlich degressiv veranschlagt sein. So ist es ausgehandelt worden. Die europäischen Fördermittel werden ab 2007 neu gestaltet werden. Die Einwohnerzahlen in Thüringen sinken weiter und damit natürlich auch die Einnahmen, Frau Diezel, Sie haben es hier gesagt. Aber dann müssen Sie sich endlich mal daran machen und diesen Reformbedarf auch in Angriff nehmen. Bisher unterhalten wir uns ja nur darüber, die Altlasten wegzuräumen, die Sie in den letzten Jahren aufgehäuft haben, und die Finanzrisiken und die Schulden abzutragen, die Sie in den letzten Jahren produziert haben. Was wir dringend brauchen, ist eine Verwaltungsstruktur, die diesen neuen Entwicklungen Rechnung trägt. Ich sage es Ihnen noch einmal: Wir sind für den Übergang zu einer zweistufigen Verwaltung. Wir wollen eine effizientere Verwaltung in Thüringen, die zugeschnitten ist auf die Größe des Landes, die die zukünftige Finanzentwicklung berücksichtigt, die die Bevölkerungsentwicklung berücksichtigt. Das geht nicht damit, dass man einzelne Behörden zumacht. Das ist noch kein Konzept und an vielen Stellen können Sie uns noch nicht einmal sagen, was dabei eingespart werden soll,
das ist ja das Verrückte an der ganzen Geschichte. Wer eine sinnvolle Verwaltungsreform in diesem Lande machen will, der muss sie auch mit Überlegungen zu einer Gebietsreform verbinden. Denn wenn Sie den Kommunen mehr Aufgaben zuweisen wollen, was ja sinnvoll ist im Sinne von mehr Bürgernähe und schnellerer Entscheidungen, dann müssten die Kommunen auch leistungsfähigere Strukturen bekommen. Dann müssen wir auch über eine Gebietsreform in Thüringen reden. Warum scheuen Sie sich eigentlich davor, diese heiße Frage anzufassen?
Einfach den Finanzhahn zuzudrehen, das treibt die Bürgermeister erst einmal in einen Stellungskampf. Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Nein, Herr Althaus, wir brauchen hier Vorschläge der Landesregierung für eine vernünftige Strukturreform in der Verwaltung, verbunden mit einer Gebietsreform. Nur dann können wir mittelfristig die Finanzen in Thüringen in den Griff bekommen.
Aber wir müssen, wenn wir Schulden abbauen wollen, auch die Einnahmen des Staates in den Blick nehmen. Sie reden ja gern davon, dass wir unser Steuerrecht insgesamt umgestalten müssen. Mir wür
de als erster Schritt schon reichen, wenn Sie weniger große Worte machen, sondern einige echte Taten sehen lassen. Schon mehrfach ist im Bundesrat über den Subventionsabbau diskutiert worden und Sie gehören auch in die Reihe derjenigen CDU-regierten Länder, die weiteren Subventionsabbau im Bundesrat verhindert haben.
Fast 25 Mrd. ,002 ,00!+ ' Sie Subventionsabbau blockiert haben. Das bedeutet auch für den Thüringer Haushalt Mindereinnahmen pro Jahr in einer Größenordnung von 150 bis 200 Mio. ' für Aufgaben in Thüringen einzusetzen.
Natürlich muss neben der Verwaltung und neben der Einnahmesituation auch die Ausgabenseite auf den Prüfstand, das bestreitet bei uns niemand. Aber dazu gehört doch eine Analyse der Effizienz von Förderprogrammen. Dazu gehört ein Controlling der Förderprogramme, dazu gehört eine kostengünstige Programmverwaltung. Das ist eben mehr als das kleinliche Einsammeln von Einzelbeträgen. Was gewinnen Sie denn wirklich, wenn Sie der Telefonseelsorge die 51.000 ' nehmen. Sie bringen hier ein System zum Einsturz, das von ganz vielen ehrenamtlichen Helfern getragen wird. Seien Sie froh, dass uns diese Aufgabe nur 51.000 Land.
Das ist eigentlich unschätzbar, was hier von vielen Menschen geleistet wird, und das setzen Sie leichtfertig aufs Spiel, weil Sie an anderen Stellen nicht den Mut haben, konsequent Programme zu überprüfen. Was wollen Sie denn den Leuten von der Telefonseelsorge sagen, wenn Sie 30.000 . Monat zur Verfügung haben, um Miete für eine Spielbank zu bezahlen, die überhaupt nicht existiert, und hier 51.000 : ' chen? Was wollen Sie denen denn sagen? Ich kann mir das schlechterdings nicht erklären, welchen Sinn das macht und dass das für Thüringens Zukunft gut sein soll.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Aufgabe ist klar. Was Thüringen braucht, ist eine effiziente Verwaltung, was Thüringen braucht, sind lebensfähige Kommunen, was Thüringen braucht, sind stabile Einnahmen statt überflüssige Subventionen, und was Thüringen braucht, sind effiziente Landesprogramme und eine kostengünstige Programmver
waltung. Was Sie wollen, Herr Althaus, ist uns bis heute ein Rätsel geblieben. Wir haben uns die Mühe gemacht und alle von Ihnen am 9. September hier im Haus vorgestellten Vorhaben im Einzelnen in den Ministerien abgefragt. Ich muss Ihnen sagen, es ist bei dieser Abfrage nichts herausgekommen, nichts. Ihre Landesregierung kann weder darüber Auskunft geben, wie viel Sie mit den einzelnen Maßnahmen einsparen wollen - keine Aussagen dazu -, noch kann Ihre Landesregierung sagen, wie Sie das, was Sie hier vorgestellt haben, konkret umsetzen wollen. Vor drei Monaten haben Sie uns ein Konzept für November angekündigt, im Dezember ist es noch nicht da, im Januar soll es vielleicht kommen. Alles nur aufgeschoben? Ich glaube, Sie haben an dieser Stelle nicht nur ein Zeitproblem, Herr Althaus, Ihnen fehlt nicht nur die Zeit, sondern Ihnen fehlt für das, was Sie angekündigt haben, ein sachliches Fundament. Wer sich mal mit den Mitarbeitern in den Ministerien unterhält, der wird feststellen, wie verzweifelt die jetzt nach Gründen suchen für das, was Sie hier angekündigt haben, und wie schwer es Ihnen fällt, für die eine oder andere Sache eine wirklich vernünftige Begründung zu finden.
Wo ist denn die Analyse für das, was Sie hier an Veränderungen angekündigt haben? Wo ist denn die Aufgabenkritik, die Sie im Vorfeld gemacht haben, die diesen Änderungen zugrunde liegt? Wo ist denn das Personalentwicklungskonzept, was zu solchen Strukturveränderungen notwendigerweise ja dazugehören muss? Nein, Herr Althaus, Ihr selbstherrlicher Aktionismus stößt immer mehr Menschen in diesem Land vor den Kopf.
In einer Situation, wo das Land vor großen Herausforderungen steht, wo wir alle gesellschaftlichen Kräfte brauchen, um gemeinsam die notwendigen Reformen in diesem Land voranzubringen, in einer solchen Situation bringen Sie mit Ihrer Art des Vorgehens alle da draußen in Abwehrstellung. Sie haben ja kaum noch jemanden, der an Ihrer Seite steht.
Wie wollen Sie denn eigentlich eine solche Reform bewältigen im Land, wenn Sie alle gegen sich haben? Die Beamten aus Suhl und Meiningen protestieren vor der Staatskanzlei, die Juristen aus Mühlhausen und aus anderen Städten standen hier vor dem Landtag, die Jugendverbände standen am Wochenende in Weimar vor der Tür. Überall im Land sammeln besorgte Eltern, Hortnerinnen und Hortner Unterschriften gegen das, was Sie mit den Horten
Ich frage Sie: Ist das eigentlich für Sie alles nur das Jammern von Lobbyisten? Sind das alles nur Einzelinteressen, die man nicht weiter berücksichtigen muss und gegen die man sich einfach mit der Brechstange durchsetzen muss? Hat da jeder nur sein Eigenes im Auge und den Blick für das Große und Ganze verloren? Nein, Herr Althaus, was hier in den letzten Monaten, insbesondere seit Ihrer Regierungserklärung im September, passiert ist, ist etwas anderes. Der Streit, den die Landesregierung mit den Kommunalverbänden, mit den Kammern, mit den Wohlfahrtsverbänden, mit den Vereinen, mit den Trägerorganisationen und selbst zum Teil mit den eigenen Mitarbeitern hat, reicht viel, viel tiefer. Der Präsident der IHK Erfurt, Herr Chrestensen, hat das vor einigen Monaten richtig erkannt und mit einem Satz auf den Punkt gebracht: "Das hätte es unter Vogel nicht gegeben!" Warum hat er das eigentlich gesagt? Ist das auch nur das Jammern eines ewigen Lobbyisten, Herr Althaus, oder steckt dahinter nicht vielmehr die Sorge, dass hier eine Kultur der Gemeinsamkeit in Thüringen verloren zu gehen droht, dass hier eine Kultur des Dialogs, die es einmal in diesem Land gab, des Miteinanderredens, des Miteinander-Probleme-Besprechens verloren geht durch die Art und Weise, wie Sie Politik machen, Herr Althaus?