Protocol of the Session on January 25, 2008

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, „eine barrierefrei zugängliche Umwelt ist für etwa 10 Prozent der Bevölkerung zwingend erforderlich, für 30 bis 40 Prozent notwendig und, ich glaube, für 100 Prozent komfortabel“. Dieses Zitat aus der Studie „Ökonomische Impulse eines barrierefreien Tourismus für alle“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zeigt, dass die Bedeutung des barrierefreien Tourismus nicht zu unterschätzen ist. Nach einer im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellten Studie bescheren derzeit rund 3,64 Millionen schwer behinderte Reisende dem deutschen Tourismus immerhin einen Umsatz von 2,5 Mrd. € und sichern damit rund 65.000 Vollzeitarbeitsplätze.

Derzeit leben in Deutschland bei steigender Tendenz fast 7 Millionen Menschen mit einer Behinderung. Ein großer Teil dieser Zielgruppe würde häufiger verreisen und mehr Geld für Urlaub ausgeben, wenn es mehr passende Angebote für sie gäbe. Deshalb gehört barrierefreier Tourismus zu den wachsenden und innovativen Segmenten innerhalb der Tourismuswirtschaft.

Mein Eingangszitat verdeutlicht auch die Notwendigkeit, sich von dem eng gefassten Verständnis zu verabschieden, dass sich Barrierefreiheit lediglich auf die Zielgruppe der behinderten Menschen bezieht. Die Herstellung von Barrierefreiheit nützt allen und nicht nur einer bestimmten Personengruppe und auch nicht nur dem Tourismus. Wenn man sich das alles vor Augen führt, erkennt man die Notwendigkeit und auch die Chancen des barrierefreien Tourismus für unseren Freistaat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Antrag und die einvernehmliche Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses zeigen, dass es durchaus Verbesserungsbedarf im Bereich des barrierefreien Tourismus gibt. Insbesondere der Vergleich mit anderen Bundesländern, wie z.B. Brandenburg, verdeutlichen die Versäumnisse im Bereich der konzeptionellen Überlegungen sowie in der barrierefreien Ausrichtung touristischer Infrastruktur in Thüringen.

Wenn man barrierefreien Tourismus tatsächlich fördern möchte, dann kommt es darauf an, die gesamte Tourismuskette von der Information und Buchung über die An- und Abreise bis hin zu Freizeitsport und Kulturangeboten im Blick zu haben. Dazu ist vor allem eine verstärkte Vernetzung der Leistungsträger unabdingbar. Dem wird aus Sicht der SPD-Fraktion die vorliegende Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses als Ergebnis eines sachlich geführten Diskussionsprozesses weitgehendst gerecht.

Allerdings ist es mir in diesem Zusammenhang wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, wie die über Jahre hinweg entstandene Kompetenz und das aufgebaute Netzwerk in Sachen barrierefreier Tourismus in der Region Oberhof/Ohrdruf zu nutzen ist. Dabei ist mit Sicherheit auch der Regionalverbund Thüringer Wald, der ohnehin flächenmäßig etwa die Hälfte des Freistaats abdeckt, für die Federführung einer solchen zentralen Anlaufstelle sehr hilfreich.

Im Hinblick auf einen weiteren integralen Bestandteil der vorliegenden Beschlussempfehlung, nämlich der Weiterentwicklung barrierefreier Angebote, muss ich hier feststellen, dass sich die von der CDU-Fraktion, von der Mehrheit hier im Landtag, beschlossene Kürzung der Mittel zum Ausbau der touristischen Infrastruktur als nicht förderlich für die Entwicklung

des Thüringer Tourismus erweist. Ich möchte an dieser Stelle nur noch mal daran erinnern, dass die SPDFraktion diesen Haushaltstitel zur Förderung von Investitionen im Tourismus um 1 Mio. € aufstocken wollte, was an der Mehrheitsfraktion gescheitert ist.

Dies, meine Damen und Herren, wäre ein klares Signal zur Entwicklung der touristischen Infrastruktur und des barrierefreien Tourismus gewesen. Möchte man barrierefreien Tourismus ernsthaft fördern, so muss man zuallererst den barrierefreien Ausbau touristischer Infrastruktur auch finanziell untersetzen. Anderenfalls bleibt es an einer für die Entwicklung unseres Landes so wichtigen Stelle bei bloßen Lippenbekenntnissen. Bei einer notwendigen finanziellen Untersetzung des Bekenntnisses für barrierefreien Tourismus würde außerdem auch die eine oder andere sinnvolle Idee, die im Rahmen des InnoRegio-Projekts - wie ich schon erwähnt habe - entwickelt wurde, doch noch eine Realisierungschance haben.

Abschließend möchte ich sagen, dass die SPD nach wie vor die Auffassung vertritt, dass in einer Ausrichtung der Thüringer Tourismusangebote auf eine stärkere Barrierefreiheit für die Zukunft große Chancen und im Umkehrschluss natürlich fatale wirtschaftliche Risiken liegen, wenn man nichts dafür tut. Daher ist es aus unserer Sicht gut, wenn nun das Parlament in großer Einvernehmlichkeit die Regierung an dieser Stelle zum Handeln auffordert. Wir stimmen selbstverständlich der Beschlussempfehlung zu. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich Abgeordneter Heym zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich bin schon verwundert über die Erkenntnisse, die Herr Baumann hier präsentieren konnte.

(Beifall CDU)

Er war weder bei den Sitzungen noch bei Anhörungen anwesend.

(Zwischenruf Abg. Baumann, SPD: Das stimmt nicht ganz.)

Lieber Rolf, ich würde dir schon empfehlen, hin und wieder noch einmal genau hinzuschauen, was da so aufgeschrieben wird, denn da sind einige Sachen

drin, die entbehren jeglicher Grundlage, die hier vorgetragen worden sind.

(Beifall CDU)

Um gleich noch einmal bei dieser Rede zu bleiben: Thüringen an dieser Stelle Nachholbedarf vorzuwerfen, das finde ich auch nicht ganz anständig. Wenn man sich mit den anderen Bundesländern vergleicht, dann hat Thüringen mit Sicherheit eine Vorreiterrolle und ist beispielgebend dafür, was für barrierefreien Tourismus in den letzten Jahren gemacht worden ist. Wir sind noch lange nicht am Ende des Weges,

(Beifall CDU)

das werden wir wahrscheinlich auch nie sein. Aber andere wären froh, wenn sie das zunächst als Grundlage hätten, was in Thüringen geschaffen worden ist.

Noch eine Anmerkung: Ich glaube, die Berichterstattung zu diesem Thema war umfänglicher als alle Redebeiträge, die es hier offensichtlich zu erwarten gibt. Es ist aber so, dass wir uns vor fast genau einem Jahr zum ersten Mal an dieser Stelle mit dem Antrag zum barrierefreien Tourismus von der Fraktion DIE LINKE beschäftigt haben, es war der 27. Januar 2007. Damals wurde der Antrag in den dafür zuständigen Ausschuss überwiesen. Dass der Bereich „Barrierefreiheit“ eine immer größere Rolle spielt, ist bei allen Fraktionen dieses Hauses unstrittig. Unstrittig ist auch, dass Thüringen auf dem Gebiet schon vor Jahren gehandelt hat, bei uns eine Vielzahl von Projekten, aber auch ganz konkrete Umsetzungen und Angebote realisiert worden sind. Wir haben erkannt, dass Barrierefreiheit nicht nur für Menschen mit Behinderungen eine gewichtige Rolle spielt, sondern auch für Familien, insbesondere mit Kleinkindern, aber auch für Senioren, die nun kein ausgewiesenes Handicap haben. Schlicht, die allgemeine demographische Entwicklung fordert eine weitere intensive Befassung mit dem Thema „Barrierefreiheit“.

Die im Zusammenhang mit der Behandlung des Antrags durchgeführte Anhörung - Kollege Grob ist schon darauf eingegangen - hat eine Reihe von Argumenten und Fakten offenbart, die den guten Weg, den wir eingeschlagen haben, bestätigen, die aber auch aufgezeigt haben, wo die Akteure die Schwerpunkte sehen, die nun in den nächsten Jahren weiter ausgebaut werden müssen. Wie gesagt, eine Vielzahl von Akteuren, angefangen von den einzelnen Tourismusverbänden, kommunalen Büros, Tourismusgesellschaften bis hin zu Hotels und anderen Leistungsträgern, die sich mit dieser Barrierefreiheit befassen. Ziel, und das wird bis heute diskutiert, ist eine Koordinierungsstelle, bei der zunächst alle relevanten Richtlinien, rechtlichen Grundlagen und Infos

zusammenlaufen, die dort abrufbar sind für die, die sie brauchen. Der Tourismus ist dabei allerdings nur ein Teilbereich von Barrierefreiheit. Es fängt beim ÖPNV an, geht weiter über städtebauliche Aspekte bis hin zu ganz pragmatischen Problemen wie abgesenkten Bordsteinen, behindertenfreundlichen Straßenbelägen, die nicht selten im Konflikt mit dem Denkmalschutz stehen, und geht weiter bis zu den Fragen, die anstehen, wenn sich ein Hotel barrierefrei ausrichten will.

Ich hatte mir die Einrichtung einer solchen Kompetenzstelle am Anfang auch leichter vorgestellt. Aber wir müssen bei unseren Überlegungen wirklich abwägen, ob eine Stelle die ganze Bandbreite überhaupt abdecken kann. Da erscheint mir das Andocken an die TTG für den touristischen Bereich noch das am ehesten lösbare Problem zu sein, aber wenn wir es richtig machen wollen, müssen wir den Blick weiter fassen.

Eine immer wieder gehörte Anregung ist - wie gesagt - auch die Vernetzung der Akteure in diesem Bereich. Zum Beispiel auf Ebene einer Stadt wie Erfurt kann durchaus eine Bündelung aller Aspekte, z.B. bei der Tourismus GmbH, zusammengefasst werden. Erfurt gehört, was die Barrierefreiheit angeht, ohnehin zu den Städten in Deutschland, die da schon weit vorgearbeitet haben. Seit 1999 - fast zehn Jahre - ist man kontinuierlich in Erfurt an diesem Thema. Allein bis September vergangenen Jahres hat Erfurt - also von Januar bis September vergangenen Jahres - über 60 Stadtführungen speziell für behinderte Gäste durchgeführt. Es kommen inzwischen immer mehr behinderte Individualgäste nach Erfurt, was sicher auch schon mit dem Image dieser Stadt auf diesem Gebiet zu tun hat. Aber auf Landesebene ist das alles etwas komplizierter.

Auch barrierefrei abrufbare Datenbanken gibt es in Deutschland schon. Aber da ist auch nichts so gut, als dass man es unkritisiert übernehmen sollte. Anknüpfend an die Ergebnisse des InnoRegio-Projekts muss in den nächsten Jahren an einer stärkeren Vernetzung gearbeitet werden und natürlich auch an der Vernetzung der Leistungsträger.

Diesem Bestandteil unseres Beschlussantrags widmet sich die Landesregierung bereits in ihren Anfängen. Die Gespräche mit den entsprechenden sich anbietenden Institutionen sind angelaufen, insbesondere nach der Anhörung hat das begonnen. Allerdings müssen wir, wenn wir mit diesem Thema ehrlich umgehen, auch sagen, dass in manchen Bereichen der Wunsch und das wirklich Machbare meilenweit auseinanderliegen. Wenn man bedenkt, dass für den behindertengerechten Umbau nur eines Hotelzimmers inklusive Nasszelle und allem, was dazugehört, ungefähr 15.000 € anzusetzen sind, dann

werden schnell die Grenzen des Machbaren offenbar. Gerade das Gastronomie- und Hotelgewerbe hat ohnehin große Hürden zu nehmen, wenn es einen Kredit von der Bank haben möchte. Und wenn das geschafft ist, will natürlich die Bank regelmäßig die Rückzahlung dieses Kredits. Da ist es verständlich, wenn die Branche sich nur zögerlich dem Thema „Barrierefreiheit“ nähert, denn ein Umbau des eigenen Hauses kann im Nachhinein existenzbedrohend werden.

Dennoch haben wir mit dem vorliegenden Antrag eine solide, auch realistische Handlungsgrundlage für die Regierung, um die Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen - natürlich insbesondere im Tourismus - weiterzuentwickeln. Ich darf mich im Namen meiner Kollegen, meines Arbeitskreises für die konstruktive Bewertung der Anhörungsergebnisse und des dann einstimmig verabschiedeten Beschlusses bedanken. Das gelingt nicht immer, aber es zeigt eben auch, dass wir in diesem Bereich die gleichen Ziele verfolgen. Ich möchte Sie bitten, dieser Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses zuzustimmen.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich der Abgeordnete Buse zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, über ein Jahr hat unser Antrag „Barrierefreier Tourismus für alle in Thüringen“ in der bekannten Drucksache 4/2502 den Thüringer Landtag beschäftigt. Dies allein will gar nichts bedeuten, weder Positives noch Negatives. Vielleicht hat es zu einer etwas ausführlicheren Berichterstattung geführt, aber sei es, wie es sei. Bedeutungsvoll war für mich und ist sicherlich auch für den Thüringer Landtag vor allen Dingen die Tatsache, dass es im Jahr 2007 - im Europäischen Jahr der Chancengleichheit - in Thüringen bezüglich des barrierefreien Tourismus zahlreiche weitere Aktivitäten und Initiativen gegeben hat. Diese wurden nicht vorrangig oder vordergründig durch die Behandlung des Antrags initiiert, sondern es wahr vielmehr zu spüren, dass die Abgeordneten, insbesondere auch die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses, bemüht waren, diese Aktivitäten aufzunehmen, zu verallgemeinern und für die Weiterentwicklung des Bereichs Tourismus, insbesondere den Bereich der Barrierefreiheit, im Freistaat zu nutzen. Diese Einigkeit hat das auch in der Beschlussempfehlung zum Ausdruck gebracht, wie das Herr Heym in seinem Redebeitrag gesagt hat. Sie werden meines Erachtens in der vorliegenden Beschluss

empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Technologie und Arbeit, wie sie heute dem Thüringer Landtag zur Beschlussempfehlung vorliegt, verdichtet. Als antragstellende Fraktion möchte ich unsere ausdrückliche Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung des Ausschusses zum Ausdruck bringen, auch, weil es nicht üblich ist, dass Anträge der LINKEN durch einen Ausschuss zur Annahme empfohlen werden.

(Beifall DIE LINKE)

Werte Damen und Herren, unter dem Eindruck der Behandlung des Themas und der vorliegenden Beschlussempfehlung habe ich nicht die Absicht, auf einzelne Fragen näher einzugehen, obwohl die Umsetzung der Beschlussempfehlung weitere Diskussionen mit sich bringen bzw. nach sich ziehen wird. Herr Heym hat auf einzelne hingewiesen. Eine wesentliche Frage wird die Einrichtung des Kompetenzzentrums sein und es wird viele weitere Detailfragen geben.

Es bleibt jedoch festzustellen, dass sich im vergangenen Jahr mehr und mehr Leistungsträger im Thüringer Tourismus, aber auch in der Stadt- und in der Regionalplanung dieses Themas angenommen haben. Dies liegt sowohl an der wachsenden ökonomischen Bedeutung - als Stichwort sei hier nur demographischer Wandel genannt - als auch an der verbesserten Gesetzeslage, wenn ich zum Beispiel an die Gleichstellungsgesetze denke. Auch haben die Akzeptanz und das Selbstbewusstsein behinderter und älterer Menschen deutlich zugenommen. Wir konnten uns insbesondere auch im Rahmen der durch den Ausschuss durchgeführten Anhörungen zum Thema davon überzeugen, dass es in Thüringen auf dem Gebiet des barrierefreien Tourismus zahlreiche Initiativen und interessante Projekte gibt, gegeben hat und weitere auch schon angedacht sind. In diesem Zusammenhang sei unter anderem auch aktuell darauf hingewiesen, dass an der Anhörung des Ausschusses für Tourismus im Deutschen Bundestag zum Thema „barrierefreie Reisen“ im November 2007 auch die Erfahrungen der Tourismus GmbH Erfurt eingeflossen sind.

Mit der heutigen Beschlussvorlage, insbesondere mit der Verankerung des barrierefreien Tourismus für alle in der Landestourismuskonzeption, stärken wir die örtlichen, regionalen und Bereichsinitiativen zum barrierefreien Tourismus, weil er damit auch Bestandteil des Monitorings zur Umsetzung der Tourismuskonzeption wird. Zu diesem Monitoring zähle ich auch die in der Beschlussempfehlung verankerte Berichterstattung der Landesregierung zum Thema im 1. Halbjahr 2009.

Liebe Kollegen, das Institut für Geographie der Universität Münster - Herr Grob wies darauf hin -, wel

ches der Ausschuss auch in seine Anhörung einbezogen hat, hat im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Berliner Büro Lorenz Tourismusberatung eine Bestandsanalyse in allen deutschen Bundesländern durchgeführt und an ausgewählten deutschen Urlaubsregionen exemplarisch die Erfolgsfaktoren für einen Tourismus für alle untersucht. In wenigen Wochen wird das Institut seine diesbezüglichen Ergebnisse vorstellen. Ich bin sicher, diese Analyse wird die Ergebnisse in Thüringen positiv bewerten und einordnen, aber sicherlich auch weitere Schlussfolgerungen für unser diesbezügliches Handeln im Freistaat aufzeigen. Die Behandlung dieser Analyse betrachte ich auch als Bestandteil des Monitorings zu dieser Thematik.

Werte Kollegen, während der Behandlung des Antrags hier im Landtag vor fast genau einem Jahr hatte es den Anschein - lassen Sie mich das sagen -, dass es möglicherweise einen Wettbewerb um die Autorenschaft des barrierefreien Tourismus für alle in Thüringen gibt. Aber ich denke immer noch an die Worte von Herrn Minister Reinholz zurück, der formulierte und ich darf zitieren: „Die Forderung nach barrierefreiem Tourismus stammt von mir selbst.“ Als fragwürdigen Beweis dafür führte er damals ein Zitat aus seiner eigenen Rede zum Thüringer Tourismustag in Gera 2006 an. Lassen wir es so stehen, wie es steht.

Wir wollten als Fraktion dem Minister ein Thema nicht streitig machen. Wir betrachten uns nicht als Erfinder des barrierefreien Tourismus für alle. Wir haben dieses Thema, die bisherige Arbeit der Leistungserbringer in Thüringen, versucht aufzugreifen und verfolgen das Ziel, eine neue Qualität im barrierefreien Tourismus für alle in Thüringen zu erreichen. Dass dies auch 2007 und in den nächsten Jahren notwendig ist, zeigt unter anderem auch die viel gelobte Bundesgartenschau.

Hinweise von Verbänden, Betroffenen und auch von Abgeordneten des Thüringer Landtags hinsichtlich der Verbesserung der Barrierefreiheit der BUGA wurden vor und zu Beginn der BUGA lapidar abgetan. Das von Ihnen, Herr Minister, damals hier im Landtag aufgeführte Gutachten des Landesbehindertenbeauftragten, Herrn Dr. Brockhausen, zur Barrierefreiheit des BUGA-Geländes, erstellt durch die Fachhochschule Erfurt, zeigt aber dann im Nachhinein, dass doch noch zahlreiche Mängel hinsichtlich der Barrierefreiheit der - man muss ja nun schon sagen, damaligen - BUGA, zu verzeichnen waren. Dies lässt nur das Resümee zu, dass dem barrierefreien Tourismus auch in Thüringen trotz allem Erreichten weiterhin viel Beachtung geschenkt werden muss.

Bekanntlich nimmt der Stellenwert des barrierefreien Tourismus eine immer größere Bedeutung für den

Tourismus insgesamt und damit auch für die Wirtschaft ein, die Vorredner haben darauf bereits verwiesen. Dies gilt insbesondere auch für unseren Freistaat. Der typische Thüringer Urlauber gehört zu der Altersgruppe 50 plus. Gerade in dieser Altersgruppe findet sich ein Großteil der Menschen mit Mobilitäts- und Aktivitätseinschränkungen. Laut Statistik sind knapp 75 Prozent der Menschen mit Behinderungen über 55 Jahre alt. Diese Altersgruppe wird darüber hinaus durch den demographischen Wandel weiterhin an Bedeutung gewinnen. Barrierefreier Tourismus bietet zurzeit noch eine Chance, sich von den übrigen Anbietern auf dem hart umkämpften Markt abzuheben. Er entwickelt sich mehr und mehr zu einem Qualitätsmerkmal, meine Vorredner sind darauf eingegangen, nicht nur für die Zielgruppe der behinderten Menschen. Der Wunsch nach einer qualitativ hochwertigen und komfortablen Urlaubsregion nimmt zu. Somit leistet die Herstellung von Barrierefreiheit einen wichtigen Beitrag zur Kundenbindung und zur Akquise von Neukunden, die Wert auf Bequemlichkeit und Komfort legen. In diesem Sinne wünsche ich allen Beteiligten, Initiatoren und Aktiven auf dem Gebiet des barrierefreien Tourismus weiterhin viel Erfolg und mit unserer heutigen Beschlusslage eine wachsende landespolitische Unterstützung und Förderung. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Künast zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mein Kollege Baumann hat auf die Bedeutung des Beschlusses für den Bereich der Tourismusförderung bereits ausführlich hingewiesen, aber ich möchte gern noch auf zwei wesentliche Gesichtspunkte ergänzend hinweisen.

Erstens: Wenn wir in Thüringen zukünftig den Ausbau des barrierefreien Tourismus beschleunigen und stärker als bisher im Blick haben, hilft das nicht nur Menschen mit Behinderungen, es hilft genauso Familien und Senioren, die als Touristen zu uns kommen und es verbessert die Lebensbedingungen einer älter werdenden Bevölkerung. Barrierefreiheit ist eben kein Luxus, wie es von der CDU damals zur Diskussion um das Behindertengleichstellungsgesetz klammheimlich zu spüren war, nein, es profitieren alle davon, Touristen genauso wie die einheimische Bevölkerung. Was in dem gemeinsam getragenen Beschluss als Zielstellung formuliert wird, das ist nicht nachrangig und die Umsetzung der Ziele sollte

nicht auf die lange Bank geschoben werden. Eltern mit kleinen Kindern und Kinderwagen wissen davon zu reden, ältere Menschen, denen das Treppensteigen zudem schwerfällt, wissen, wovon ich rede und Menschen mit Behinderungen wissen es ohnehin und haben es für ihre Verbände eingefordert. Deshalb begrüße ich ausdrücklich, dass keine Insellösungen angestrebt werden, sondern, dass es um den flächendeckenden Ausbau barrierefreier Angebote gehen soll. Gut so und es wurde Zeit. Auf diesem Wege gelingt es hoffentlich, dass das dank der CDU wenig aussagefähige Thüringer Behindertengleichstellungsgesetz ernster genommen wird. Ich erinnere mich gut daran, wie damals mit Blick auf die Barrierefreiheit und die damit verbundenen Kosten seitens der Landesregierung und der Kollegen der CDU die größtmögliche Unverbindlichkeit formuliert wurde. Wenn wir uns nun parteiübergreifend dazu bekennen, dass der Tourismus in diesem schönen Land Thüringen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist und dass deshalb die Barrierefreiheit möglichst schnell und umfassend angestrebt werden soll, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird zumindest über den Umweg des Tourismus für mehr Verbindlichkeit bei der Behindertengleichstellung gesorgt. Da kann sich der Behindertenbeauftragte bei den Wirtschaftspolitikern der CDU bedanken. Es ist eigentlich schade, dass Herr Dr. Brockhausen heute nicht anwesend ist. Offenbar waren die Wirtschaftspolitiker einsichtiger als damals die Sozialpolitiker, die kräftig bremsten und für Unverbindlichkeit sorgten. Deshalb noch einmal: Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen ist familienfreundlich und ist seniorenfreundlich und Barrierefreiheit ist eine Verbesserung der Lebensbedingungen für unsere Bevölkerung. Gut, dass es auf dem Weg über den Tourismus von den CDUKollegen eingesehen wird. Da verfahre ich gern nach dem Motto Ihres Altkanzlers: „Wichtig ist, was hinten rauskommt.“