Protocol of the Session on November 16, 2007

Umso weniger kann ich es verstehen, Frau EhrlichStrathausen, wenn Sie uns hier vorn verkünden, es hätte der Initiative der SPD bedurft, um diesem Thema des Schutzes von Kindern überhaupt die nötige Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen. Das ist mitnichten so. Gerade die Beispiele, die Sie aufgeführt haben, sind ausgesprochen schlechte Beispiele, weil es eben nicht so ist. Wir haben Kinderschutzdienste systematisch seit Beginn der 90er-Jahre in Thüringen aufgebaut. Thüringen hat das dichteste Netz an Kinderschutzdiensten in diesen wenigen Jahren entwickelt, bis heute anerkannt das dichteste Netz bundesweit. Wir fördern die Kinderschutzdienste weiter, genau deswegen ist es eben nicht so, dass ein Umdenken an dieser Stelle vor anderthalb Jahren eingesetzt hat: Wir haben systematisch Kinderschutzdienste aufgebaut.

Ein zweiter Punkt, auch wenn Sie auf die Betreuungsangebote immer wieder eingehen: Betreuungsangebote sind etwas, das wir in Thüringen in einer Dichte mit einem Rechtsanspruch entstehen haben lassen, fort- und weiterentwickelt haben, wie es vergleichsweise nirgendwo in der Bundesrepublik zu finden ist. Genau deswegen wird Thüringen bei der Familienfreundlichkeit von aktuellen Studien bescheinigt, dass wir ganz weit vorn sind, weil wir genau solche Unterstützungsformen haben, weil wir Bedingungen für junge Familien haben, die durchaus gut sind. Auch wenn Sie das immer wieder beklagen und kritisieren, dazu gehört auch das Landeserziehungsgeld. Da bin ich mal der SPD ausgesprochen dankbar, nicht der SPD in Thüringen, sondern der SPD in Sachsen, die vor genau einer Woche gemeinsam mit der CDU, mit der sie sich in einer Koalition befindet, ein Landeserziehungsgeld genau nach dem Thüringer Modell eingeführt hat.

(Zwischenruf Abg. Pilger, SPD: Aber nur gezwungen.)

Die sächsische SPD ist an dieser Stelle augenscheinlich deutlich lernfähiger als die Thüringer SPD. Nun wage ich nicht zu prognostizieren, ob die Thüringer SPD, wenn sie bei ähnlichen Prozentzahlen nach Wahlen angelangt ist, vielleicht auch lernfähig wird.

Gleichwohl sage ich,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das kommt davon, wenn man mit Leuten eine Koali- tion macht.)

die sächsische SPD hat an dieser Stelle verstanden, worum es geht. Auch Familien, die ihre Kinder nicht in Einrichtungen betreuen lassen, sollen unterstützt werden. Es gehört sich an dieser Stelle, dass man hier mal darauf hinweist. Es ist vielleicht ganz gut, Herr Kollege Höhn, wenn Sie bei Ihren sächsischen Kollegen anfragen, was sie dazu motiviert hat, das zu tun.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Ich kann Ihnen das sagen.)

Ich kann es begrüßen. Ich finde es gut, dass Sachsen genauso wie zwei andere Bundesländer - und da ist Thüringen vorbildlich in diesem Bereich - ein Landeserziehungsgeld zahlt.

Ein weiterer Punkt: Frau Ehrlich-Strathausen, Sie haben die Stiftung in ihrer Funktion kritisch angemerkt. Da sage ich Ihnen schon, gerade die Stiftung „Hilfe für schwangere Frauen und Familien in Not“ ist doch ein gelungenes Beispiel dafür, wie Stiftungen funktionieren, wie wir regelmäßig unkompliziert helfen können und wie hilfreich es sein kann, Haushaltsmittel in diese Stiftung zu geben und dort bewirtschaften zu lassen. Ihr permanentes Misstrauen gegenüber der Familienstiftung mag damit begründet sein, dass Sie lieber dieses Geld für andere Sachen verwendet hätten. Gleichwohl sage ich Ihnen aber, dieses Misstrauen ist unangemessen. Wir wollen, dass diese Stiftung Familien fördert und unterstützt, im Übrigen in unkomplizierter Form, nicht in langwierigen Verwaltungsverfahren und nach Prüfung von Anträgen und Bescheinigungen und Ähnlichem. Insofern warten wir doch erst einmal ab, wie die Stiftung arbeitet. Zurzeit werden die Leistungen, die künftig die Stiftung erbringen soll, immer noch in Verantwortung des Sozialministeriums in ordentlicher Form geleistet.

(Zwischenruf Abg. Ehrlich-Strathausen, SPD: Und was ist mit den Rechten des Parlaments?)

Das gilt im Übrigen auch für die Kinderschutzdienste, weil Herr Bärwolff ansprach, wir hätten bei den Kinderschutzdiensten in der Vergangenheit gekürzt und heute das Geld mit dem Haushaltsentwurf in die Jugendpauschale geschoben. Herr Bärwolff, das ist falsch. Wir haben das mehrfach erklärt, die Jugendpauschale ist von 9 Mio. € auf 10 Mio. € erhöht worden. 1 Mio. € mehr Jugendpauschale bedeutet für jeden Kreis, für jeden Landkreis, selbst für die kreis

freie Stadt, in der Sie zu Hause sind, 10 Prozent mehr an Haushaltsmitteln für die Jugendförderung. Ich will erst einmal sehen, ob das die kommunale Seite genauso mitträgt, das werden wir gemeinsam als Stadträte dann prüfen. Das hat aber mitnichten etwas mit den Kinderschutzdiensten zu tun. Das Geld der Kinderschutzdienste, über 500.000 €, ist in den KFA gewandert und wird aus dem KFA heraus - das wissen Sie als Stadtrat in Erfurt - für die Kinderschutzdienste eingesetzt. So tut es die Stadt Erfurt, so tun es inzwischen alle anderen 15 Landkreise und kreisfreien Städte, die Kinderschutzdienste haben. Hören Sie also auf, sich hier hinzustellen und per se zu behaupten, wir hätten etwas gegen die Kinderschutzdienste, wir würden denen schaden. Das Gegenteil ist der Fall, wir haben Kinderschutzdienste vorbildlich aufgebaut. Es entstehen immer wieder neue, weil sie gut funktionieren, und sie werden auch vorbildlich weiter gefördert.

Ich hätte mir sehr gewünscht, bei dem, was Sie skizziert haben zur Einigkeit - wo Sie zunächst gesagt haben, Sie bejahen diesen Antrag auch, Sie finden diese Maßnahme „Ja zu Kindern“ sehr vorbildlich -, dass Sie diese Einigkeit an dieser Stelle, die für alle drei Faktionen offensichtlich zutrifft hier im Landtag, nicht im nächsten Moment gleich wieder kaputtmachen und behaupten, es wäre ein Schaufensterantrag, wenn wir über diese Kampagne, die neu ist, hier sprechen. Das Gegenteil ist der Fall. Eine neue Kampagne, die wir hier vorstellen, hat es verdient, öffentliche Beachtung zu finden - wo denn bitte öffentliche Beachtung, wenn nicht in den Medien und auch in den Debatten, die wir hier im Thüringer Landtag führen! Herr Bärwolff, das ist nicht redlich, wenn Sie auf der einen Seite sagen, Sie befürworten einen Antrag, auf der anderen Seite aber sagen, eigentlich halten Sie ihn für einen Schaufensterantrag.

Ein weiterer Punkt, weil Sie die Vorsorgeuntersuchungen so detailliert eingefordert haben: Sie haben nicht zugehört. Das haben wir in den letzten Plenarsitzungen geklärt, sogar das Verfahren, wie wir die Vorsorgeuntersuchungen haben wollen, sehr wohl, nach dem Vorbild des Saarlands. Die Landesregierung wird jetzt dazu einen Gesetzentwurf vorlegen. Das Verfahren ist schon ganz klar beschrieben und dieses Verfahren dient dazu, lückenlos nach Möglichkeit alle die Kinder rauszufiltern, die so ein Stück weit nicht die Vorsorge von ihren Eltern angetragen bekommen, wie sie sie verdient hätten.

Wir haben - das hatte der Minister gesagt - ein ganzes Bündel an sinnvollen und klasse Maßnahmen, die weiterentwickelt werden. Jüngst bei einer Fachtagung der AGETHUR im Sommer dieses Jahres wurde das alles sehr detailliert vorgestellt. Ich kann Ihnen nur vorschlagen, schauen Sie sich die Un

terlagen dazu an. Da finden Sie sehr vieles zur Förderung der Kindergesundheit, zum neuen System der Familienhebammen, was ja sehr früh in dieser Phase bei Kindern ansetzt, aber auch zu den Vorsorgeuntersuchungen, zum Projekt „Guter Start ins Kinderleben“ oder zu den Schwangerschaftsberatungen. Alles das finden Sie bei solchen Fachtagungen durchaus in vernünftiger Form dokumentiert.

Dazu gehört auch, dass der Sozialminister angekündigt hat, in der nächsten Woche einen Leitfaden für Ärzte vorzustellen, einen Leitfaden für Ärzte mit Hilfemöglichkeiten, Kontaktdaten, Adressen, aber genau mit diesen Möglichkeiten, die auch für Ärzte von uns immer wieder eingefordert wurden. Ärzte sollen wissen, wo es Hilfemöglichkeiten für junge Eltern gibt, für junge Eltern im Übrigen, Herr Kollege Bärwolff, nicht nur im Sinne von Mütterberatung - ich sage an der Stelle Mütter- und Väterberatung, ich erlaube mir schon den Hinweis, es gibt eine ganze Menge an jungen Vätern, die sich sehr wohl für ihre Kinder interessieren und engagieren. Allein 10 Prozent der jungen Väter beantragen in Thüringen das Bundeselterngeld. Damit sind wir in Thüringen auch sehr weit vorn im Vergleich der Bundesländer. Deswegen gehört es schon dazu, dass wir uns auch selbstverständlich den jungen Vätern zuwenden. Wir müssen uns aber auch - und das sage ich auch - den wenigen, glücklicherweise wenigen Kindern zuwenden, die nicht die umfängliche Förderung bekommen. Die World Vision Studie, über die wir gestern diskutiert haben, sagt, dass eine kleine Gruppe von Eltern, etwa 1 bis 2 Prozent, offensichtlich nicht umfänglich erziehungsfähig ist, dass sie offensichtlich nicht in der Lage sind, ihre Kinder vernünftig zu fördern. Genau für diese 1 bis 2 Prozent brauchen wir nicht nur die Hilfe, sondern auch die Intervention der Jugendhilfe. Diese World Vision Studie sagt uns gleichzeitig, rund 30 Prozent der Eltern brauchen Unterstützung, um Eltern so weit stark zu machen, dass sie ihre Kinder dann fit fürs Leben machen können. Genau darum geht es, diese Ressourcen für diese Eltern zu aktivieren, diesen Eltern auch zu helfen. Aber es bleibt eben auch festzustellen - und das hatte ich gestern schon mal gesagt -, 70 Prozent der Eltern funktionieren im Sinne ihrer Kinder sehr gut und auch diesen Eltern sollten wir hin und wieder ein Dankeschön dafür sagen und das würdigen, was sie tun.

Wir haben bei all den Maßnahmenbündeln, die der Minister dargestellt hat, sicherlich nie den hundertprozentigen Schutz. Dieses Problem, wie eine Gesellschaft mit defizitären Situationen in Familien umgeht, gab es immer, gibt es wahrscheinlich auch in Zukunft. Die Gesellschaft muss sich dazu bekennen; es ist keine neue Diskussion. Ich erinnere mich aus meiner Jugend an ein Lied von Jürgen Kerth, wo er sich auch mit dieser Problematik „Gewalt gegen

Kinder“ auseinandergesetzt hat und die Frage formuliert hat: „He, junge Mutti, warum schlägst du denn dein Kind?“ Es ist ein Phänomen, ein Problem, wo ich schon sage, wir sind als Gesellschaft da gefordert, zu intervenieren und einzugreifen und Fragen zu formulieren, aber auch Kritik deutlich zu machen, wenn wir der Auffassung sind, dass das, was den Kinderschutz angeht, Kinder vor Misshandlungen zu schützen, übertreten wird. Das gehört in der Öffentlichkeit genauso dazu wie im persönlichen Umgang und im Bekannten- und Freundeskreis. Deswegen sage ich auch, es ist eine Frage des gesellschaftlichen Klimas, deswegen sage ich aber auch, es ist keine ganz neue Diskussion, sondern eine kontinuierliche Diskussion, der wir uns auch hier immer wieder im Thüringer Landtag stellen müssen, stellen werden. Der Antrag, den wir heute beraten, „Thüringen sagt Ja zu Kindern“ diente dazu, zu sagen oder zu zeigen, wir erkennen durchaus Probleme in Familien, in Familienstrukturen, aber wir wollen Eltern helfen, wir wollen Kindern helfen. Wir wollen helfend in diese Familien eingreifen, aber wir wollen sie nicht bevormunden, sondern wir wollen da Hilfe anbieten, wo Hilfe notwendig ist.

In diesem Sinne, glaube ich, werden wir fortlaufend immer wieder hier miteinander diskutieren und das ist gut und richtig so. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Mir liegen seitens der Abgeordneten keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Für die Landesregierung Minister Dr. Zeh.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte mich als Erstes ganz herzlich bedanken, dass alle Fraktionen zu der Aktion „Thüringen sagt Ja zu Kindern“ nicht nur Zustimmung, sondern auch Unterstützung signalisiert haben. Ich würde Sie ganz herzlich bitten, dass - wenn es um diese Kampagne geht - wir es im Interesse dieser Kampagne eigentlich bei dieser Aussage stehen lassen sollten. Wir können die politischen Schlachten zu den anderen Themenfeldern dann austragen, wenn es auch um diese Themen geht. Das ist doch klar, dann kämen wir wieder in politische Rituale, die dann ein Thema, von dem ich ausgehe, dass es ein gutes Thema mit einer guten Kampagne ist, auch sehr kaputtmachen. Es wäre meine herzliche Bitte, deswegen will ich es an dieser Stelle auch so stehen lassen. Es gäbe zu den anderen Argumenten natürlich noch vieles zu sagen, aber das würde ich dann tun, wenn wir diese Themen aufgreifen. Herzlichen

Dank.

(Beifall CDU)

Damit kann ich, glaube ich, die Aussprache zum Sofortbericht schließen. Kann ich davon ausgehen, dass sich kein Widerspruch dagegen erhebt, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist? Das ist so, ich schließe damit auch den Tagesordnungspunkt 8.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf

Privatisierung der Deut- schen Bahn AG Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 4/3493 -

Die Landesregierung hat angekündigt, dass sie den Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags gibt. Aber ich sehe den zuständigen Minister Trautvetter im Moment nicht. Ich möchte eigentlich, dass Minister Trautvetter den Bericht zu Nummer 1 des Antrags hält, weil davon abhängig ist, wie die weitere Debatte verlaufen wird. Früher gab es da mal so eine schnelle Eingreiftruppe in der Staatskanzlei, die hatte eine Mappe und da wurde dann das Problem gelöst.

(Unruhe im Hause)

Der Minister ist jetzt in der Einlaufkurve. Herr Minister Trautvetter, bitte Ihren Sofortbericht zu Tagesordnungspunkt 9, Punkt 1, es geht um die Deutsche Bahn AG.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, das geht doch wahnsinnig schnell in diesem Gebäude. Lassen Sie mich zunächst einige allgemeine Ausführungen zum aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Neuordnung der Eisenbahn des Bundes machen. Die von der Bundesregierung beabsichtigte Teilprivatisierung der Deutsche Bahn AG ist die Fortsetzung der 1993 begonnenen Bahnreform. Bereits damals wurde festgelegt, dass die Deutsche Bahn AG als Wirtschaftsunternehmen zu führen sei mit dem Ziel, profitabel am Markt zu agieren. Der von der Bundesregierung im August 2007 beim Bundesrat eingebrachte Gesetzentwurf soll eine teilweise Kapitalprivatisierung der Deutsche Bahn AG ermöglichen. Auch nach einer Beteiligung privater Investoren soll die Deutsche Bahn AG im Interesse der Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit die Möglichkeit erhalten, Schienenverkehr und Infrastruktur in einer wirtschaftlichen Einheit zu betreiben und zu bilan

zieren. Andererseits soll die steuerfinanzierte Eisenbahninfrastruktur aber entsprechend den Vorgaben des Artikels 87 e Abs. 4 Grundgesetz im Eigentum des Bundes verbleiben. Zu diesem Zweck sollen die Anteile der Deutschen Bahn AG an den Infrastrukturunternehmen formaljuristisch auf den Bund übergehen. Der Übergang wird als Sicherungsübertragung bezeichnet und die mit den Anteilen verbundenen wirtschaftlichen Chancen und Risiken sollen aufgrund des Sicherungszwecks der Anteilsübertragung weiterhin der Deutschen Bahn AG zustehen. Gerade diese Eigentumskonstruktion des Gesetzentwurfs mit dem Ziel, das juristische und wirtschaftliche Eigentum voneinander zu trennen, wirft einige Probleme auf. Behält der Bund nicht die erforderlichen Einflussrechte, wird das Mehrheitseigentum nach Artikel 87 e Abs. 3 Grundgesetz verletzt. Erhalten die privaten Anlieger aber nicht das versprochene wirtschaftliche Eigentum, werden ihre grundrechtlich geschützten Interessen verletzt. Die im Gesetzentwurf geregelte Rechtsmaterie ist außerordentlich komplex und betrifft die Rolle der Länder als Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs im besonderen Maße, auch wenn der geplante Börsengang der Deutschen Bahn AG in erster Linie Sache des Bundes ist. Die besondere Betroffenheit der Länder könnte sich unter anderem infolge der wachsenden Gefahren von betriebswirtschaftlich bedingten Streckenstilllegungen, von steigenden Trassen- und Stationspreisen sowie ihrer unzureichenden Beteiligung an der Gestaltung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sowie von deren Kontrolle ergeben. Daher haben die Länder von Anfang an vom Bund gefordert, dass sie in die Erarbeitung des Gesetzes sowie der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung einzubinden sind. Dies ist bisher nicht erfolgt. Ziel eines von den Ländern im Rahmen der Verkehrsministerkonferenz in Auftrag gegebenen Gutachtens war die Prüfung, ob der neue Gesetzentwurf den verfassungsrechtlichen Vorgaben und der Aufgabenverantwortung der Länder im Schienenverkehr Rechnung trägt. Das Gutachten hat die Betroffenheit der Länderinteressen bestätigt. Der Gutachter kommt darüber hinaus in seiner verfassungsrechtlichen Bewertung zu dem Ergebnis, dass das Gesetz mit den sich aus Artikel 87 e Abs. 3 - sprich Mehrheitseigentum - und Abs. 4 - Gemeinwohlverpflichtung - des Grundgesetzes ergebenden Vorgaben kollidiert. Zur Sicherung der Vorgaben des Grundgesetzes sowie der Berücksichtigung der Belange der Länder haben die Länder neben dem allgemeinen Entschließungsantrag über 20 konkrete Änderungsvorschläge zum Gesetzentwurf über den Bundesrat eingebracht. Diese Änderungen zielen unter anderem darauf ab, die mit dem Gesetzentwurf verbundenen Probleme und Risiken für die Besteller des Schienenpersonennahverkehrs zu verhindern, und dabei soll der Bestand und die Leistungsfähigkeit auch des überwiegend für den Nahverkehr

genutzten Teils des Schienennetzes sichergestellt werden. Weiterhin soll eine stärkere Belastung der Länderhaushalte vermieden sowie die Kompetenzen der Regulierungsbehörde gestärkt werden.

Der von der Fraktion DIE LINKE gestellte Antrag bezieht sich insbesondere auf die Frage, welche Auswirkungen der Entwurf des Eisenbahnneuordnungsgesetzes auf die Eisenbahninfrastruktur in Thüringen hat. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen viele andere Faktoren eine Rolle spielen. Hierzu zählen beispielsweise die Preisentwicklung für Bauleistungen, die Personalkosten, die Energie- und Rohstoffpreise. Entscheidend für den Umfang der Regionalnetze ist zuallererst die von den Ländern verantwortete Bestellmenge. Diese wiederum ist abhängig von der Höhe der vom Bund bereitgestellten Mittel gemäß Regionalisierungsgesetz, der Entwicklung der Leistungspreise bei den Verkehrsunternehmen sowie der zukünftigen Trassen- und Stationspreisentwicklung.

Der Landesregierung ist bekannt, dass bei der Deutschen Bahn Netz AG schon heute Trassenpreissteigerungen von ca. 2 Prozent pro Jahr bis 2011 fest eingeplant sind, was eine Mehrbelastung für die Länder bedeutet. Damit würden in etwa 5 bis 10 Prozent des Gesamtangebots des Schienenpersonennahverkehrs gefährdet. Ohne einen Ausgleich der Regionalisierungsmittel kann dann das heutige Verkehrsangebot nicht gehalten werden. Eine Festschreibung von Kompensationen könnte die wirtschaftlichen Nachteile der Länder verringern. Es ist allerdings fraglich, ob sie mit dem Bund verhandelbar sind.

Aussagen zum künftigen Umfang der Eisenbahninfrastruktur sind aus heutiger Sicht kaum möglich, da sie ebenfalls von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren abhängig sind. Ich nenne hier nur beispielhaft die konkrete Gesetzesformulierung, die für die Infrastruktur zur Verfügung stehenden Mittel bei Bund und Infrastrukturbetreibern sowie die weitere Entwicklung des eisenbahnspezifischen Rechtsrahmens. Allen Privatisierungsmodellen ist gemein, dass einer Stilllegung von Eisenbahnstrecken Verfahren gemäß § 11 Allgemeines Eisenbahngesetz vorgeschaltet sind. Eine Stilllegung ist demnach nur nach Zustimmung durch die Aufsichtsbehörde des Bundes bei nachweislicher Unwirtschaftlichkeit sowie fehlender Bereitschaft Dritter zum Weiterbetrieb möglich. Mittlerweile gibt es eine entsprechende Rechtsprechung, dass unterlassene Instandhaltung, die zur Unwirtschaftlichkeit führt, im Prinzip durch die Deutsche Bahn Netz AG entsprechend korrigiert werden muss. Das Urteil liegt uns noch nicht vor, aber ich glaube, das bringt uns in eine gute Verhandlungslage bezüglich den Zuständen des Netzes.

Unabhängig vom dargestellten Rechtsrahmen ist die Bestellung von Leistungen des Schienenpersonennahverkehrs durch das Land eine wesentliche Voraussetzung für den wirtschaftlichen Betrieb von Eisenbahnstrecken und damit kommt der Bestellung des Schienenpersonennahverkehrs und der hier erforderlichen finanziellen Ausstattung der Länder durch den Bund eine erhebliche Bedeutung zu. Wenn infolge bundesgesetzlicher Regelungen oder sonstiger Umstände höhere Trassen- und Stationskosten auszugleichen sind und kein Ausgleich über das Regionalisierungsgesetz erfolgt, muss regelmäßig der Bestellumfang an die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel angepasst werden. Dies würde zu der vorhin schon skizzierten Gefährdung des Schienenangebots im Schienenpersonennahverkehr führen, weil eigene Landesmittel für die Bestellung des Schienenpersonennahverkehrs nicht zur Verfügung stehen. Insofern ist eine Mehrbelastung des Landeshaushalts ausgeschlossen. Dies entspricht dem Grundgedanken der Regionalisierung infolge der Bahnreform im Jahr 1993, wonach die Verantwortungsübernahme für den Schienenpersonennahverkehr durch die Länder bei vollem Finanzierungsausgleich durch den Bund vereinbart war. Daher haben die Länder im Bundesrat entsprechende Ausgleichsregelungen im Falle der überproportional steigenden Infrastrukturpreise beim Bund eingefordert.

Der zukünftige Investitionsumfang für die Eisenbahninfrastruktur ergibt sich insbesondere aus den im Entwurf des Eisenbahnneuordnungsgesetzes vorgesehenen Regularien. Der Bund verpflichtet sich demnach, bis zu 2,5 Mrd. € für die Bestandsnetzerhaltung bereitzustellen. In diesem Zusammenhang fordern die Länder, dass dieser Betrag als Mindestbetrag festgeschrieben wird. Der Bund sieht hier eine Degression dieser Mittel vor. Die Forderung der Länder erklärt sich auch schon aus der Tatsache, dass dieser Betrag heute schon nicht ausreicht, um den gegenwärtigen Netzumfang in hoher Qualität zu erhalten. Gemäß Entwurf der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung entfallen vom Finanzierungsbetrag des Bundes für das Bestandsnetz 88 Prozent auf die Deutsche Bahn Netz AG, 10 Prozent auf die Deutsche Bahn Station & Service sowie 2 Prozent auf die Deutsche Bahn Energie.

Die Infrastrukturbetreiber sollen verpflichtet werden, mindestens 20 Prozent der Mittel für Maßnahmen des Schienenpersonennahverkehrs aufzuwenden, wobei diese Maßnahmen mit den Ländern abzustimmen sind. Hierzu sollen die Infrastrukturunternehmen mit den Ländern regelmäßig Gespräche über den Stand der Planungen und Realisierung wesentlicher Investitionsvorhaben führen. Die Auswirkungen der geplanten Bahnprivatisierung auf den Schienengüterverkehr in Thüringen ergeben sich

im Wesentlichen aus dem Risiko steigender Infrastrukturnutzungsentgelte. Der Schienengüterverkehr agiert in einem freien Wettbewerbsumfeld. Der Markt ist hier gekennzeichnet aus intermodalem und intramodalem Wettbewerb. Insbesondere die intermodale Wettbewerbsposition des Eisenbahngüterverkehrs ist wesentlich von den Kosten der Infrastrukturnutzung abhängig, so dass sich steigende Trassen- und Anlagepreise negativ auf den Markterfolg auswirken würden. Abschätzungen über konkrete Auswirkungen sind aus heutiger Sicht jedoch nicht möglich. Seit Ende Oktober stellt sich allerdings die Frage, ob die Bundesregierung ihr bisheriges Privatisierungsmodell weiter verfolgt. Gemäß dem aktuellen Beschluss des SPD-Bundesparteitags zur Bahnprivatisierung vom 27. Oktober 2007 hat die SPD als Zustimmungsvorbehalt zur Bahnprivatisierung unter anderem die Ausgabe von stimmrechtslosen Vorzugsaktien, sogenannten Volksaktien, gemacht. Diese Forderung wird jedoch vom Koalitionspartner CDU/ CSU abgelehnt, da damit eine Verteuerung des Börsengangs bei gleichzeitig geringeren Privatisierungserlösen eintreten würde.

Seit Montag scheint das sogenannte Eigentumssicherungsmodell vom Tisch zu sein. Der Koalitionsausschuss hat eine Reihe von Prüfaufträgen zum sogenannten Holdingmodell erteilt, das in der letzten Woche auf bundespolitischer Ebene nunmehr zur Diskussion gestellt wurde. Bei diesem Holdingmodell soll nicht die Deutsche Bahn AG teilprivatisiert, sondern lediglich die Transport- und Logistiksparten unter dem Dach einer neu zu gründenden Zwischenholding zusammengefasst werden. Die Privatisierung würde damit nicht mehr die Infrastrukturgesellschaften, also Deutsche Bahn Netz AG, Deutsche Bahn Station & Service AG sowie Deutsche Bahn Energie GmbH, erfassen. Sollten sich für dieses Modell politische Mehrheiten finden, würden die von den Ländern befürchteten Probleme im Falle der Privatisierung der Infrastruktur deutlich abgeschwächt bzw. neutralisiert. Angesichts der neu entfachten grundsätzlichen Modelldiskussion muss zunächst das weitere Vorgehen innerhalb der Bundesregierung abgewartet werden und unabhängig von der gewählten Privatisierungsform ist die Bundesregierung auch weiterhin gefordert, die Belange und Forderungen der Länder bei den zukünftigen Beratungen zu berücksichtigen.

(Beifall CDU)

Wird die Aussprache zu diesem Bericht gewünscht? Das signalisieren alle Fraktionen, so dass wir jetzt in die Aussprache zum Bericht und zu Nummer 2 des Antrags gehen. Ich rufe als Erstes für die SPDFraktion Frau Abgeordnete Doht auf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Deutschland wird in Zukunft schon allein aufgrund seiner zentralen Lage in Europa besonders von der anhaltenden Expansion des Weltmarkts und des internationalen Handels profitieren. Der Handel mit den mittel- und osteuropäischen Staaten in Deutschland wird deutlich zunehmen und dies wird zunächst allgemein positive wirtschaftliche Folgen auch auf die Entwicklung der Güterverkehrsnachfrage haben. Das Verkehrsaufkommen - so wird prognostiziert - wird in den nächsten Jahren deutlich zunehmen.

Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das Güterverkehrsaufkommen bis zum Jahr 2050 um knapp die Hälfte von gut 5,5 Mrd. Tonnen dann auf fast 7,3 Mrd. Tonnen zunehmen und die Güterverkehrsleistung sich mehr als verdoppeln wird. Auch bereits kurzfristig wird ein deutlicher Anstieg des Güterverkehrs prognostiziert. Laut einer Studie der Beratergruppe Verkehr und Umwelt nimmt zwischen den Jahren 2004 und 2008 die Güterverkehrsleistung aller Verkehrsträger um rund 22,4 Prozent zu. Dieser Verkehr soll nach Willen der SPD-Fraktion auf die Schiene und nicht in der Masse auf der Autobahn abgefertigt werden.

(Beifall SPD)

Auch im Personenverkehr sind weitere Zunahmen prognostiziert und deswegen spielt die Bereitstellung einer bedarfsgerechten Transportinfrastruktur in der Zukunft eine noch stärkere Rolle. Durch eine Teilprivatisierung der Bahn soll die notwendige Kapitalausstattung des Unternehmens wesentlich gestärkt, ihr Mobilitätsangebot verbessert und erweitert und sie soll wettbewerbsfähig für die Anforderungen von morgen gemacht werden. Dabei kann es uns nicht egal sein, ob die Bahn im Wettbewerb mit europäischen Konkurrenten ins Hintertreffen gerät, denn die Globalisierung und die Einigung auf dem europäischen Markt hat auch zur Folge, dass ausländische Anbieter dann das Schienensystem in Deutschland nutzen werden. Deswegen müssen wir umgekehrt die Bahn auch für das europäische Ausland fit machen. Um sich dieser Aufgabe stellen zu können, braucht die Bahn Geld für Investitionen, Investitionen in die Schiene, Investitionen in die Fahrzeuge etc.

Der Bund hat hierzu zwei grundsätzliche Möglichkeiten. Er kann diese Investitionen zum einen wie in der Vergangenheit über Steuergelder finanzieren - der Zustand unseres Schienennetzes sagt uns, dass das auch in der Vergangenheit nicht immer zielführend war - oder man versucht, an der Börse, auf dem Kapitalmarkt an private Gelder zu kommen. Die Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD sieht den zweiten Weg vor. Das hat zum einen den Vor

teil, dass der Steuerzahler nicht belastet wird. Die Gelder sollen von privaten Investoren aufgebracht werden. Aber damit steht der Bund auch vor der nicht ganz einfachen Aufgabe, zum einen seiner verfassungsmäßigen Verantwortung gemäß Artikel 87 e Abs. 4 des Grundgesetzes für die Infrastruktur gerecht zu werden und auf der andren Seite die Bahn nicht zu zerschlagen. Denn eine Trennung von Netz und Betrieb wird nicht nur von den Gewerkschaften, sondern auch von der SPD abgelehnt. Ich weiß, dass es in der CDU da auf Bundesebene andere Auffassungen gibt. Wir sind allerdings der Auffassung, dass die Bahn so ein kompliziertes Unternehmen ist und dass allein jetzt schon die Aufsplitterung in die verschiedenen Bereiche Netz, Betrieb, Station & Service doch zu einigen Reibungsverlusten bei der Bahn führt, die sich dann letztendlich noch vergrößern würden.