Noch ein letztes Wort zu Ihrem Entschließungsantrag. Eine in Ihrem Antrag geforderte Rücknahme des Rundschreibens des Landesverwaltungsamts kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil dieses Rundschreiben, wie ich hoffe deutlich gemacht zu haben, rechtmäßig ist. Daher ist auch Ihr Entschließungsantrag abzulehnen. Vielen Dank.
Danke für den Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags. Wer wünscht die Beratung zum Sofortbericht? Die Fraktion DIE LINKE, CDU-Fraktion, SPD-Fraktion. Danke. Auf Verlangen aller Fraktionen eröffne ich die Aussprache. Als erste Rednerin hat Abgeordnete Berninger, Fraktion DIE LINKE, das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrter Herr Hütte, ich bin nicht überrascht über Ihren „Sofortbericht“, muss aber feststellen, das Berichtsersuchen ist nicht erfüllt worden. Wir hatten Informationen zur Praxis der Leistungsgewährung in den Thüringer Kreisen und kreisfreien Städten erwartet und nicht einen geschichtlichen Abriss, wie das Asylbewerberleistungsgesetz entstanden ist. Ich muss mit Bedauern feststellen, dass Minister Dr. Gasser den Raum verlassen hat, weil ihn anscheinend die Debatte nicht interessiert. Ebenso mit großer Enttäuschung stelle ich fest, dass auch Herr Peters, der Ausländerbeauftragte, nicht im Hause ist.
Meine Damen und Herren, mit dem Ihnen vorliegenden Antrag „Flüchtlinge gleichberechtigt behandeln - Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz in Bargeld gewähren“ hat meine Fraktion zum wiederholten Male eine Praxis der Leistungsgewährung für Asylsuchende auf die Tagesordnung gesetzt, die ungerecht, ausgrenzend, menschenverachtend und diskriminierend ist,
und das sehr wohl in dem Wissen, dass einige der Mitglieder der CDU-Fraktion als auch der Landesregierung dies eigentlich schon nicht mehr hören können, dass sie genervt sind und einfach nicht darüber reden wollen, geschweige denn gewillt sind, die jahrelang geübte Praxis der restriktiven Auslegung der ohnehin schon diskriminierenden Sondergesetze für Flüchtlinge im Sinne der Flüchtlinge ändern zu wollen.
Den aktuellen Anlass für unseren Antrag gab die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Ausländerbeauftragten, die mit Schreiben vom 4. Oktober die Abschaffung des Sachleistungsprinzips zugunsten einheitlicher Geldzahlungen für Asylbewerber und Geduldete nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz fordern. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Ausländerbeauftragten Thüringens machte im Ergebnis einer Konferenz am 05.09. anlässlich der landesweiten Vertragskündigung des Chipkartenanbieters Sodexo in ihrem Schreiben darauf aufmerksam, dass der vom Gesetzgeber zur Einschränkung der Zuwanderung von Flüchtlingen nach Deutschland 1993 formulierte Vorrang von Sachleistungen gegenüber Geldleistungen - ich zitiere - „vergleichsweise wenig Wirkung entfalte“ und „das vermeintliche Regulativ Leistungsgewährung nicht oder kaum dazu beigetragen habe, dass die Asylbewerberzahlen seit Jahren deutlich rückläufig sind.“ Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Ausländerbeauftragten Thüringens sehen den - ich zitiere - „vollständigen Verzicht auf Sachleistungen zugunsten von Geldzahlungen folglich ganz überwiegend im öffentlichen Interesse und sie prognostizieren aus der damit einhergehenden Reduzierung des administrativen Aufwands der Leistungsstellen nicht unbeachtliche Einsparpotenziale“. Und die kommunalen Ausländerbeauftragten bekräftigen damit mit einer administrativen Argumentation die jahrelang und immer wieder sowohl von Flüchtlings- und Wohlfahrtsorganisationen als auch von der LINKEN formulierte Forderung nach der Gewährung der Leistungen in Form von Bargeld. Außerdem stellen die kommunalen Ausländerbeauftragten in aller Deutlichkeit fest, dass durch gesonderte Behandlung in Einkaufsstätten durch Gutscheine oder Ähnliches Flüchtlinge stigmatisiert und durch den Verweis auf bestimmte Einkaufsstätten oder den Ausschluss von Wechselgeldzahlungen benachteiligt werden und dass damit unnötige Angriffsflächen für Fremdenfeindlichkeit geschaffen werden.
Wie verbreitet rassistische Einstellungen in der Thüringer Bevölkerung greifen, das wissen Sie, sehr geehrte Damen und Herren, unter anderem dank des jährlich im Auftrag der Thüringer Landesregierung veröffentlichten Thüringen-Monitors selber. Und dass Sie diese Angriffsflächen durchaus abschaffen können, wenn Sie wollten, nämlich indem Sie von der
restriktiven Auslegung des Paragrafen abrücken und Sachleistungen nicht mehr als vorrangig betrachten, dafür gibt es verschiedene Belege. Bevor ich aber einige davon erläutere, möchte ich versuchen, den Grundsatz unserer Kritik an der Sachleistungsgewährung etwas anschaulicher darzustellen und an einem auch für Sie, meine Damen und Herren, nachvollziehbaren Beispiel aufzeigen, worum es geht.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, liebe Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung, wer von Ihnen hat nicht Neffen oder Nichten, wie viele von Ihnen sind schon Oma oder Opa von Enkelkindern? Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen Gutschein für Kleidung und wollten Ihrem Enkelchen eine Hose oder ein Paar Stiefelchen kaufen. Im Laden angekommen, müssten Sie sich aber dann von der Verkäuferin sagen lassen, Sie könnten mit diesem Gutschein lediglich eine Hose oder ein Paar Schuhe für sich selbst kaufen, schließlich stünde ja Ihr Name auf dem Gutschein und nicht der des Enkelkindes. Für Sie, meine Damen und Herren, völlig unvorstellbar, im Alltag einer asylsuchenden Großmutter aber, beispielsweise in Altenburg, ist das Realität. Sie darf nicht selbst entscheiden, ob ihr ihre Kleidung genügt und sie lieber Schuhe für das Enkelkind kaufen möchte. Oder vielleicht für die etwas jüngeren Kolleginnen und Kollegen - Herr Mohring oder Frau Meißner z.B. -, die noch nicht für Enkelkinder einkaufen, ein anderes Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie haben für das I. Quartal eines Jahres einen Gutschein für Kleidung über einen bestimmten Betrag. Das Kleidungsstück, das Sie sich aussuchen, kostet aber mehr. Daraufhin beschließen Sie, den Gutschein zu sparen und die schicke Hose oder das Paar Laufschuhe erst dann zu kaufen, wenn Sie im nächsten Quartal Ihren Bekleidungsgutschein erhalten. Sie gehen also im April in den betreffenden Laden, suchen sich die begehrte Klamotte aus, packen sie in den Einkaufskorb, gehen zur Kasse und müssen dann leider wieder umkehren, weil der Betrag auf Ihrem Gutschein nicht ausreicht. Wieso, denken Sie jetzt, habe ich mich etwa verrechnet? Nein, ich kann Sie beruhigen, es liegt nicht an Ihren Rechenkünsten, sondern es ist Ihnen nicht erlaubt, den Ihnen im I. Quartal zustehenden Geldbetrag für Kleidung erst im nächsten Quartal auszugeben. Und eine praktische Umhängetasche für die Schule hätten Sie sich im I. Quartal auch nicht kaufen können, Taschen sind schließlich keine Kleidungsstücke. Diese Beispiele als grundsätzliche Kritik formuliert, klingt dann so, meine Damen und Herren: Die verwaltungsaufwändige Praxis der unbaren Ausreichung von Leistungen an Asyl Suchende führt zu einer Diskriminierung dieser Menschen im alltäglichen Leben. Waren des täglichen Bedarfs können nur in ganz bestimmten Geschäften erworben werden, wodurch Flüchtlinge oftmals weit entfernte, im Angebot ein
geschränkte und oft auch teure Einkaufsmöglichkeiten nutzen müssen. Außerdem wird Wechselgeld nicht ausgezahlt, oft verfallen Restbeträge. Zudem können mit Gutscheinen oder Chipkarten bestimmte wichtige Ausgaben, z.B. die Kosten einer Rechtsanwältin oder Fahrtkosten, nicht beglichen werden. Nicht zuletzt erregt das auffällige und zeitaufwändige „Bezahlen“ an der Kasse nicht selten den Unmut anderer Kunden und bedeutet eine zusätzliche öffentliche Stigmatisierung der Flüchtlinge.
Ich hatte eben angekündigt, dass ich Ihnen noch erläutern werde, dass bzw. warum die Landesregierung durchaus den Spielraum hat, Sachleistungen nicht mehr als vorrangig zu betrachten und die festgeschriebenen Leistungen in Form von Bargeld zu gewähren. Als ersten Beleg führe ich ein Rechtsgutachten der Berliner Rechtsanwältin Frau Lederer zur rechtlichen Zulässigkeit der Gewährung von Geld statt Gutscheinen durch die Landkreise und kreisfreien Städte im Land Brandenburg vom 15. Mai 2003 an. Frau Lederer hat die Auslegung des § 3 Asylbewerberleistungsgesetz in Bezug auf einen etwaigen generellen Sachleistungsvorrang sowie in Bezug auf eine etwaige Rangfolge der Alternativleistungsformen geprüft, und zwar jeweils in den anerkannten Auslegungsformen, nämlich der grammatischen und der systematischen Auslegung sowie in der Auslegung entsprechend der Entstehungsgeschichte des Gesetzes und Auslegung entsprechend Sinn und Zweck der Norm. Sie kommt zu dem Zwischenergebnis - ich zitiere: „Eine umfassende Auslegung des § 3 Abs. 2 Asylbewerberleistungsgesetz nach den anerkannten juristischen Methoden kommt zu dem Ergebnis, dass die Vorschrift einen Sachleistungszwang nur bei Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen nach § 44 Asylbewerberleistungsgesetz festschreibt. Für Flüchtlinge außerhalb dieser Einrichtungen soll das Sachleistungsprinzip zwar an und für sich vorrangig zur Anwendung kommen, von diesem Grundsatz lässt aber das Gesetz selbst weitreichende Ausnahmen zugunsten von Ersatzleistungsformen zu. Aufgrund dessen kann von einem Sachleistungsvorrang im eigentlichen Sinne nach der Novellierung des Gesetzes im Jahr 1997 nicht mehr gesprochen werden. Die zuständigen Behörden können hiernach nach pflichtgemäßem Ermessen selbst entscheiden, ob und gegebenenfalls welche andere Leistungsform sie gewähren und aufgrund welcher Umstände sie eine Abweichung von der Sachleistungsgewährung für erforderlich und geboten halten. Bei der Ermessensausübung sind die verfassungsmäßig verbrieften Grundrechte der Leistungsberechtigten zu beachten, insbesondere deren Grundrecht auf ein sogenanntes soziokulturelles Existenzminimum. Zudem sprechen Kosten und verwaltungsorganisatorische Gründe für ein Abweichen vom Sachleistungsprinzip. Die Ersatzformen Wertgutscheine, sonstige unbare
Abrechnungen und Geldleistungen stehen nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Asylbewerberleistungsgesetz gleichrangig nebeneinander. Unter Beachtung der Vorgaben des Grundgesetzes und im Hinblick auf Sinn und Zweck der Vorschrift gibt es gewichtige Gründe dafür, bei den Ersatzformen der Geldleistung den Vorrang zu geben.“
In Hamburg, Bremen und Sachsen-Anhalt wurden schon zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens, nämlich im Jahr 2003, flächendeckend Geldleistungen gewährt, mit Ausnahme weniger Kreise und Kommunen auch in Schleswig-Holstein, NordrheinWestfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz. Auch das Land Mecklenburg-Vorpommern hatte mit Erlass vom 27. März 2003 Geldleistungen bei Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft eingeführt. Frau Rechtsanwältin Lederer führt in ihrem Gutachten weiterhin die Empfehlung des hessischen Landkreistags und des hessischen Städtetags zur Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes sowie das Landesrecht Nordrhein-Westfalens zur Begründung der Abweichung vom Sachleistungsprinzip an. Und Frau Lederer kommt in ihrem Fazit zu dem Schluss - ich zitiere: „Das Asylbewerberleistungsgesetz lässt die Zahlung von Bargeld anstelle von Sachleistungsgutscheingewährung oder sonstigen unbaren Abrechnungen an Flüchtlinge außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen durch die zuständigen Behörden ausdrücklich zu. Angesichts der Entstehungsgeschichte der Vorschriften, ihres Sinns und Zwecks unter Berücksichtigung sonstiger rechtlicher Bindungen und der sich stetig in Richtung eines Geldleistungsvorranges fortentwickelnden Verwaltungspraxis in den Ländern gibt es einen Sachleistungsvorrang im engeren Sinn rechtlich und faktisch nicht mehr. Die kommunalen Entscheidungen zugunsten von Geldleistungen, die aus politischen, humanitären, fiskalischen, verwaltungsorganisatorischen und weiteren grundsätzlichen Einwänden gegen das Sachleistungsprinzip resultieren, stehen damit in Übereinstimmung mit den maßgebenden gesetzlichen Vorgaben“ - eine ganz andere Auslegung als Staatssekretär Hütte sie gerade eben gegeben hat. So weit das Gutachten aus dem Jahr 2003.
Einen aktuellen Beleg dafür, dass es den Ermessensspielraum gibt und durchaus Geldleistungen gezahlt werden können, liefert ein Erlass des Sächsischen Innenministeriums vom 21. September dieses Jahres. Auch aus diesem möchte ich zitieren: „Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage obliegt die Entscheidung, ob Bargeld zur Deckung der Grundleistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz gewährt werden kann, der jeweiligen Unterbringungsbehörde.“ Zwar schreibt das Sächsische Staatsministerium auch, dass eine generelle pauschale Auszahlung von Bargeld rechtswidrig wäre, es weist aber darauf hin, dass - soweit es nach den
Umständen erforderlich ist - anstelle von vorrangig zu gewährenden Sachleistungen Leistungen in Form von Wertgutscheinen, anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen im gleichen Wert gewährt werden können.
Dies ist auch in Thüringen möglich, meine Damen und Herren. Natürlich hat der Ausländerbeauftragte recht, wenn er von der Presse befragt sagt, dass letztlich die Kommunen entscheiden. Ich persönlich finde es sehr schade, dass bisher noch keine Kommune die Entscheidung für Bargeldleistungen an Flüchtlinge rechtlich durchgefochten hat und dass nur wenige Kommunen sich dazu entscheiden. Mir ist jüngst bekannt, dass sich Jena dazu entschieden hat, Bargeld zu leisten.
Aber ich bin mir sicher - das liegt daran, wie der Text der Verwaltungsvorschrift ist, den wir ja mit unserem Antrag ändern wollen -, dass in den Fällen, in denen Kommunen es wirklich probieren würden, die Landesregierung vor Gericht unterlegen wäre.
Zum dritten Teil unseres Antrags - dem Asylbewerberleistungsgesetz: Meine Damen und Herren, das Asylbewerberleistungsgesetz ist ein Gesetz, das völlig zu Recht als inhuman beschrieben wird. Es wird zu Recht immer wieder als Sondergesetz kritisiert, das die Unterversorgung einer ganzen Personengruppe zum Programm erhoben hat, ein Gesetz, das inzwischen schon länger als 14 Jahre in Kraft ist und die soziale Entrechtung und entwürdigende Behandlung von Menschen festschreibt. Menschen, die auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind, können dies seit einigen Jahren nachempfinden. Entsprechend der jahrelang an den Schwächsten der Gesellschaft - den Flüchtlingen - erprobten sozialen Entrechtung wurden in 2004 ähnliche Sondergesetze für eine weitere schwache Betroffenengruppe erlassen. Der Aufschrei in 2004 war schon größer als der, den man 1993 in Bezug auf die Schlechterstellung von Flüchtlingen in der Bundesrepublik vernehmen konnte.
Meine Damen und Herren, seit 14 Jahren manifestiert das Asylbewerberleistungsgesetz in der Bundesrepublik unterschiedliche Existenzminima für Deutsche und Flüchtlinge. Das Leistungsniveau nach dem Asylbewerberleistungsgesetz liegt mittlerweile um mehr als 30 Prozent unter der Sozialhilfe. Und wo in der Praxis minderwertige und mengenmäßig unzureichende Sachleistungen oder vielfach auf teure Geschäfte begrenzte Gutscheine gewährt werden, liegt das Leistungsniveau im Ergebnis vielfach sogar bei weniger als 50 Prozent der Sozialhilfe. Mit der Leistungskürzung einher geht die eben kritisierte Regelung, Sachleistungen vorrangig zu ge
währen. Sachleistungen bedeutet Essens- und Hygienepaket oder Lebensmittelgutschein, Kleidung aus der Kleiderkammer etc. Als einzig verfügbares Bargeld, das den gesamten persönlichen Bedarf - wie Fahrten mit dem ÖPNV, Telefon, Porto, Genussmittel etc. - abdecken soll, wird ein seit 1993 unveränderter Taschengeldbetrag in Höhe von - wenn man es mal durchrechnet - 1,36 € pro Tag ausgezahlt. Das Asylbewerberleistungsgesetz nimmt eine Sonderstellung unter den sozialen Leistungsgesetzen u.a. auch deshalb ein, weil die Leistungen, die nach diesem Machwerk erbracht werden, seit Inkrafttreten - seit 14 Jahren - niemals der Preissteigerung angepasst wurden. Als Sachleistung gilt im Übrigen auch die Unterbringung der Betroffenen in Gemeinschaftsunterkünften. Das beengte Leben in diesen Gemeinschaftsunterkünften, oftmals von Kritikern auch als Sammellager beschrieben, über Jahre macht die Menschen psychisch und vielfach auch körperlich krank. Wer solche Flüchtlingsunterkünfte besucht, begegnet dort Menschen, die durch den Verlust der Privatsphäre, durch das für sie geltende faktische Arbeitsverbot etc. depressiv und passiv geworden sind und die Fähigkeit verlieren, ihr Leben selbst zu gestalten. Viele leiden unter schweren chronischen Erkrankungen. Auch Kinder leben jahrelang unter solchen Umständen.
Meine Damen und Herren, ein Umdenken auch auf Bundesebene ist nicht in Sicht. Die sozialen Folgekosten solcher Desintegrationspolitik sind immens. Der auf eine Notfallversorgung reduzierte Anspruch auf medizinische Versorgung besteht nur, wenn die Krankheit entweder akut oder schmerzhaft oder die Behandlung zur Sicherung der Gesundheit unabweisbar ist.
Meine Damen und Herren, Zweck dieses Gesetzes ist die Abschreckung. Die hier lebenden Asyl Suchenden sollen schlecht behandelt werden, um andere Flüchtlinge vom Kommen abzuhalten. Zweck des Gesetzes ist auch die Ausgrenzung und die soziale Entrechtung. Dieses Gesetz, meine Damen und Herren, diskriminiert Menschen. Meine Damen und Herren, das ist mit der im Grundgesetz verankerten Menschenwürde, mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar.
Niemand, so steht es im Grundgesetz, darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Deshalb meinen wir, um es mit den Worten von PRO ASYL zu sagen, das Asylbewerberleistungsgesetz braucht eine grundlegende Reform, nämlich seine Abschaffung. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, vielen Dingen, die meine Vorrednerin angesprochen hat, kann ich mich gerne und inhaltlich anschließen. Ich möchte aber an dieser Stelle erst mal ganz deutlich ein herzliches Dankeschön an die kommunalen Ausländerbeauftragten in Thüringen richten.
Was deren Arbeitsgemeinschaft mit dem in Ihrem Antrag zitierten Auszug aus dem Schreiben formuliert hat, das ist in Thüringen längst überfällig. Auch wenn Frau Berninger schon darauf hingewiesen hat, so möchte ich doch noch einmal zitieren aus der Begründung des Antrags der Fraktion DIE LINKE. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Ausländerbeauftragten Thüringens machte mit Schreiben vom 4. Oktober 2007 darauf aufmerksam, dass „durch gesonderte Behandlung in Einkaufsstätten durch Gutscheine oder Ähnliches Flüchtlinge stigmatisiert und durch den Verweis auf bestimmte Einkaufsstätten oder den Ausschluss von Wechselgeldzahlung benachteiligt werden und“ - das halte ich für die wesentliche Aussage - „damit unnötige Angriffsflächen für Fremdenfeindlichkeit geschaffen werden.“ Sehr wohl wissen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass vieles, was die Verfahrensweise angeht, in den einzelnen Städten und Landkreisen unterschiedlich gehandhabt wird, aber letztendlich ist es vielleicht genau deswegen auch eine Grundsatzfrage, die wir hier zu entscheiden haben und die wir auch entscheiden können, wie wir in Thüringen handeln.
Warum ist das so wichtig, wenn man z.B. auch über die Frage von Missbrauch redet? Ich habe auch mit Kollegen Günther über die Frage von missbräuchlichen Verwendungen, wenn es denn um Bargeldzahlungen ging, gesprochen. Natürlich gibt es auch diese Varianten und da muss an entsprechender Stelle reagiert werden. Das kann aber nicht zur Folge haben, dass für alle Betroffenen dann nur noch die Scheine ausgegeben werden und das Bargeld zurückgehalten wird.
wegen ist für mich in dieser Entscheidung, ob es denn möglicherweise einen Missbrauch bei der Bargeldauszahlung gibt oder ob wir mit der anderen Variante alle Betroffenen stigmatisieren, der zweite Punkt der wesentlichere und den möchte ich einfach nicht mehr haben. Wir werden uns in Kürze wieder mit dem Thüringen-Monitor befassen müssen. Und die latente Fremdenfeindlichkeit eines durchaus großen Teils der Bevölkerung wird uns erneut bestätigt. Im Verlauf dieser Legislaturperiode haben auch die Kolleginnen und Kollegen der CDU anerkannt, dass Rechtsextremismus und fremdenfeindliche Einstellungen in Thüringen eben nicht mehr zu verleugnen sind und alle drei Fraktionen dieses Hauses haben im Frühjahr des vergangenen Jahres, wenn auch nach einigen Geburtswehen, aber es doch tatsächlich fertiggebracht, eine gemeinsame Initiative für Demokratie und Toleranz gegen Extremismus und Gewalt auf den Weg zu bringen.
Das fand ich eine ganz hervorragende Entscheidung. Aber was bitte muss denn noch alles geschehen an Zahlen und Entwicklungen in diesem Land, damit die Verantwortlichen in Landes- und kommunalen Behörden dann diese Dimensionen auch begreifen? Wie gesagt, was die Kollegen von den LINKEN unter Ziffer 2 ihres Antrags einfordern, das hätte hier längst geschehen müssen. Es ist überfällig, weil es die Menschen, die es ohnehin in unserem Lande schwer haben, zusätzlich diskriminiert. Im Übrigen in dem Zusammenhang auch noch einmal einen Verweis an Herrn Hütte. Ich halte es immer für sehr problematisch, von Wirtschaftsflüchtlingen zu reden. Es gab auch hier einmal eine Zeit, wo Menschen auch aus wirtschaftlichen Gründen das Land verlassen haben vor 1989. Wenn es Menschen gibt, die in einem Lande leben, wo die wirtschaftlichen Bedingungen nicht so sind, dass sie mit ihrer Familie überleben können, dann versuchen sie woanders ein lebenswertes Leben zu gestalten. Ich glaube auch, dass diese Menschen ein Recht darauf haben, und dass wir dann auch unter humanitären Aspekten tätig werden müssen.
Was die Ausführungen der kommunalen Ausländerbeauftragten angeht, habe ich nichts hinzuzufügen. Es ist, wie gesagt, all das überfällig, weil es in anderen Ländern längst gängige Praxis ist, im Übrigen auch in ostdeutschen Ländern und in CDU-regierten Ländern. Hamburg, Hessen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern gewähren ebenso wie Bremen und Berlin flächendeckend Geldleistungen. Im Übrigen spart das auch u.a. Verwaltungsaufwand. Vielleicht ist dieses dann bei dem einen oder anderen Bürokraten ein Argument, um sich für diese
Das Versteckspiel hinter Paragraphen darf also endlich beendet werden. Was in Sachsen-Anhalt möglich ist, sollte doch auch bei uns in Thüringen möglich sein.
Gestern wurde gesagt, „Top Thüringen“, auch an diesem Punkt sollten wir uns endlich in die richtige Richtung entscheiden. Wenn dann in dieser Situation und in Kenntnis des Schreibens der kommunalen Ausländerbeauftragten das Thüringer Landesverwaltungsamt die neuen gesetzlichen Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes tatsächlich so restriktiv und falsch auslegt, so verstehe ich jedenfalls den Antrag der Kollegen der LINKEN, dann ist die Landesregierung hier endlich zum Handeln aufgefordert. Sie hat nämlich eine Dienstaufsicht und die muss sie wahrnehmen.
Ich sage das in aller Deutlichkeit. Durch engstirniges Verwaltungshandeln wird letztlich nichts anderes bewirkt, als das kleine Feuerchen der Fremdenfeindlichkeit zu schüren, und ob das unbewusst oder bewusst erfolgt, ist mir dem Falle auch wirklich egal. Wichtig ist, was dabei herauskommt. Das hat der ehemalige Bundeskanzler einmal gesagt. Deswegen sollten wir auch hier endlich so handeln, dass die Lebensbedingungen für Flüchtlinge in Thüringen nicht erschwert werden, keine Stigmatisierung gefördert wird.
Ich sage dies noch einmal ausdrücklich an dieser Stelle, weil eine gewisse Entwicklung von Ausländerfeindlichkeit, von zunehmendem Rechtsextremismus, von Unterlaufen demokratischer Institutionen und Verbänden von Rechtsorientierten, die genau dieses Gedankengut in sich aufnehmen und es weiter betreiben, mir zunehmend Angst machen in diesem Land.
Und ich sage so deutlich, wem es bis jetzt noch keine Angst macht, vor dem habe ich dann auch wieder Angst.