Schauen Sie doch mal nach draußen, weil Sie immer ein Horrorszenario an die Wand malen. Christine Lieberknecht hat es in ihrer Rede in der letzten Plenarsitzungsfolge gesagt, als Sie die Regierungserklärung schon eingefordert hatten, schauen Sie doch nach Thüringen, schauen Sie nach draußen in unsere Städte und Gemeinden, unsere Dörfer. Wo, sagen Sie, sind wir unserer Aufgabe nicht gerecht geworden? Wo finden Sie denn unglückliche Leute, die sagen: „Thüringen hat sich schlecht entwickelt“. Wo sind die denn? Dieser Freistaat hat sich stark und gut entwickelt und es war die Leistung der CDU in Thüringen.
Deshalb ist ganz klar: Wir haben keine Angst vor der Zukunft! Uns macht die Zukunft nicht Bange, weil wir die Hausaufgaben, die für Thüringen notwendig sind, lösen werden. Das war der erste Punkt.
Ich will einen zweiten Punkt nennen, der sich aus der demographischen Entwicklung ergibt und der genau unter der Überschrift zu verstehen ist, so wie es Dieter Althaus gestern in seiner Regierungserklärung gesagt hat: Dieser Doppelhaushalt für 2008/2009 will nachhaltige Politik gestalten und untersetzen. Es ist auch wichtig, weil eine der größten Herausforderungen, aber auch Glücksfall zugleich - so will ich es auch bezeichnen - für die Chancengesellschaft in Deutschland die demographische Entwicklung ist. Sie ist Herausforderung deshalb, weil wir unsere Arbeits- und unsere Sozialwelt auf eine alternde Gesellschaft, aber womöglich auch auf eine Gesellschaft mit weniger Kindern ausrichten müssen. Es wird in allen Teilen Deutschlands zu großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen führen. Ich denke deshalb nicht umsonst - weil wir das gestern auch besprochen haben - an die Debatte, die uns einholen wird bei der Frage des Fachkräftemangels, wo wir uns besonderen Wettbewerben stellen müssen. Genau deshalb legt doch die Regierung richtig die Hände an, wenn sie sagt, verstärkt Kofinanzierungsmittel absichern, verstärkten Mitteleinsatz zu bewerkstelligen, um im Wettbewerb überhaupt bestehen zu können. Im Jahr 2020 wird niemanden mehr interessieren, wenn Thüringen sich entwickelt hat, dann noch in diesen Freistaat zu kommen. Jetzt müssen die Weichen gestellt werden und wir haben sie in den letzten 16 Jahren richtig gestellt. Wir müssen sie auch in den nächsten 12 Jahren richtig stellen, um der demographischen Entwicklung Herr zu werden, weil jeder weiß, dass wir 300.000 Einwohner womöglich - wenn man den Berechnungen Glauben schenken mag - bis 2020 in Thüringen verlieren werden. Da hat Herr Pidde - ich will es an dieser Stelle mal einflechten - eben da
von gesprochen, dass eines der Ziele, die die SPD beschreibt - wir haben das in der letzten Plenarsitzung ausführlich für die CDU getan -, ist, auch die Pro-Kopf-Verschuldung in Thüringen stabil zu halten. Jetzt sind Sie Doktor der Mathematik, lieber Herr Pidde, aber ich bin ein Stück verwundert über Ihre Rechnung. Da sagen Sie, es bedarf der kleinen Zahl - Sie sagen klein, ich finde es ist viel - von 16 Mio. € jährlich, damit kann man die Pro-Kopf-Verschuldung gleichhalten. Jetzt will ich mit Ihnen mal rechnen. Ich meine, vielleicht haben die vielen Doppel-Nullen von Birgit Diezel auch etwas verwirrt, dass Sie auf einmal ein paar Nullen vergessen haben. Aber ich will Ihnen das mal vorrechnen. Bei einer Pro-KopfVerschuldung von 6.800 € mal 23.000 Thüringer, die uns jährlich verloren gehen, dann brauchen wir - das kann man ganz simpel mit dem Taschenrechner nachvollziehen - 160 Mio. €, um die Pro-KopfVerschuldung gleichzuhalten, nicht 16 Mio. €. Da ist Ihnen auf dem Weg nach hier vorn eine Null verloren gegangen. Ich will Sie Ihnen gern nachher bringen.
Aber das zeigt, das Problem ist schwieriger, als Sie versuchen, hier glaubhaft zu machen. Die Herausforderung ist größer für diesen Freistaat, sie ist nicht so klein und simpel zu beschreiben, wie man das als Oppositionspolitiker gern mal tun möchte.
Wenn er rechnen würde, wäre es leicht. Ich bin ganz unruhig, dass er es nicht noch findet. Aber er wird es nicht finden, er hat sich verrechnet. Ihnen fehlt wirklich eine glatte Null und das ist entscheidend. 160 Mio. € brauchen wir, um bis 2020 dann die ProKopf-Verschuldung stabil zu halten. Wir hatten im letzten Plenum beschrieben, welche dramatische Herausforderung das für uns bedeutet. Es weiß jeder, wir verlieren nicht nur 2,5 Mrd. € Einnahmen, sondern wir müssen aus dem bestehenden Ausgabevolumen von 7 Mrd. € - wir haben das so geschrieben - dann auch noch das generieren an Ausgaben zusätzlich, um die Pro-Kopf-Verschuldung gleichzuhalten. Eigentlich haben wir nichts weiter getan, außer einen statistischen Effekt nachvollzogen zu haben. Der bringt uns in manchen Statistiken dann gut voran, aber führt nicht weiter, um die Zukunftsfähigkeit voranzubringen.
Deshalb bleibt es natürlich eine große Aufgabe für die Politik insgesamt in Thüringen, dass wir auch alle Chancen daran setzen müssen, dass auch junge Leute, dass auch andere zu uns kommen und ihre Heimat in diesem Freistaat finden. Deshalb sind wir ausdrücklich dieser Landesregierung dankbar, dass sie mit ihrer Pro-Exzellenzinitiative genau so einen
Schritt geht, Werbung für diesen Forschungsstandort Thüringen, für den Universitätsstandort Thüringen zu machen, dass junge Leute sehen, hier lohnt es sich zu sein, hier lohnt es sich, Bildung anzunehmen und hier lohnt es sich, seine Wurzeln zu schlagen und auch Arbeit aufzunehmen. 2,8 Mrd. € für die ProExzellenzinitiative sind ein Meilenstein in dieser Zukunftsaufgabe. Das, Herr Pidde, ist unsere Antwort auf Ihre Rechenkünste.
Ich will einen dritten Punkt ansprechen - Gebietsreform: Ich habe ja darauf gewartet, es ist wie ein Knopfdruck, wenn einer von der Opposition ans Mikro geht oder eins vor die Nase gehalten kriegt und hineinbeißt, dann kommt immer das Stichwort Gebietsreform. Das kommt sofort wie ein Reflex, wie wenn man einem Hund einen Knochen hinwirft, der rennt hin zu dem Kochen und holt ihn wieder zurück. Bei den Oppositionspolitikern muss man nur Gebietsreform durch den Raum werfen, schon beißen die zu.
Jetzt wollen wir mal gemeinsam in die Nachbarländer gucken. Sie sagen das doch immer, guckt nach Sachsen-Anhalt, CDU-Regierung, die machen Gebietsreform. Wir wollen das mal gemeinsam tun und wollen, damit das alles schön seriös und neutral zugeht, ein Gutachten des Lehrstuhls für Öffentliches Recht der Martin-Luther-Universität in Halle und des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle zu Hilfe nehmen. Die haben nämlich ein Gutachten zur Wirtschaftlichkeit gemeindlicher Verwaltungsstrukturen in Sachsen-Anhalt gemacht. Die Endversion des Abschlussberichts ist vom 19. Juni 2007, also ziemlich neu und gar nicht so lange her. Ich will Ihnen mal vorlesen, was die zur Gebietsreform beschreiben. Vielleicht verstehen Sie dann, warum wir sagen, dass wir von Ihren Großstrukturen, von Ihren Bezirksstrukturen - was auch immer Sie an Anonymität für Thüringen aufdrücken wollen - nichts halten. Da sagen die Professoren in Ihrem Gutachten, und ich will daraus zitieren, Frau Präsidentin: „Das bürgerschaftliche Engagement im Sinne einer freiwilligen Durchführung von Maßnahmen, die üblicherweise von den hauptamtlichen Gemeindeverwaltungen oder den von ihr beauftragten Privatfirmen übernommen werden, ist gerade im ländlichen Bereich innerhalb der Verwaltungsgemeinschaft noch immer stärker ausgeprägt“. In Einheitsgemeinden ist dies tendenziell anders. Es heißt weiter in dem Gutachten: „Tendenziell führt dies zu Effizienzminderungen. Schließlich, aber nicht zuletzt, leisten die ehrenamtlichen Bürgermeister in den Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemein
schaften ein hohes Maß an freiwilliger Arbeit“. Jetzt kommt der entscheidende Satz: „Hierdurch kommt es zu Kostensenkungen.“
Und jetzt, ich kann Ihnen das seitenweise vortragen, was zur Effizienz und zur Effektivität von den Strukturen beschrieben wurde, was Sie sagen. Das ist genau für uns der Grund. Das will ich Ihnen deutlich sagen. Wir wollen, dass Ehrenamt in Thüringen weiter möglich ist, dass sich Menschen für diese Gesellschaft einsetzen, dass sie nicht zurückschrecken in anonymen Strukturen und dass sie nicht sich die Mär aufsetzen lassen, die sie behaupten: große Strukturen bringen Kostensenkung. Das hat Seitz widerlegt und das hat dieses Gutachten widerlegt. Dieses Gutachten wird für uns Maßstab in allen weiteren Beratungen, auch in der Enquetekommission sein. Das soll so sein!
Ich will auch unseren Abgeordneten Heym noch mal zitieren, weil ja der Landesvorsitzende, der Fraktionsvorsitzende der SPD, der jetzt nicht der Debatte beiwohnt, gestern unseren Abgeordneten Heym falsch zitiert hat. Wir waren zunächst kurz erschüttert und haben gedacht, na, der Michael Heym fällt vom Glauben ab.
Aber es ist nicht so. Ich will Ihnen, weil das so unfair ist, wenn man jemanden aus dem Sachzusammenhang heraus zitiert, gerne auch noch mal Teile des Interviews vorlesen, Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten, weil Michael Heym in einem Interview in seiner Lokalzeitung dazu Stellung genommen hat, dass es Ideen gibt, bei ihm im Landkreis eine GroßVG zu gründen aus jetzt bestehenden 3 VGs.
(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Das hat mit Kreisgebietsreform über- haupt nichts zu tun, Herr Höhn.)
Herr Abgeordneter Mohring, Abgeordneter Hauboldt steht dort, um Ihnen eine Frage zu stellen. Gestatten Sie das?
Dann möchte ich Michael Heym zitieren. Der hat nämlich gesagt: „Eine Groß-VG ist kein zukunftsweisendes Modell und aus meiner Sicht auch zu großflächig“. Er sagt weiter: „Der CDU-Politiker favorisiert stattdessen freiwillige Gemeindezusammenschlüsse. Die Pro-Kopf-Prämie ist eine Ermunterung, Fusionsgedanken zu fördern.“
Letztendlich sagt er auch noch - und das hängt genau mit der politischen Frage zusammen, die Sie auch immer beschreiben: „Die Groß-VG ist doch nur die Schreibstufe von politisch eigenständischen Gemeinden. Mit einer gemeinsamen Schreibstube wächst doch der politische Einfluss nicht an.“ Recht hat er, der Michael Heym.
Das ist es ja. Ihr habt euch selbst von eurem Fraktionsvorsitzenden einen Esel aufbinden lassen. Das macht er ja oft und er hat es an dieser Stelle auch wieder getan.
Deshalb ist es richtig, wenn wir auch zu Protokoll geben, was unsere Leute sagen. Diese CDU-Fraktion wird keine Landkreisgebietsreform machen, sie wird sie nicht machen.
Christian Carius hat als Vorsitzender der Enquetekommission einen Antrag hier vorgelegt für die Arbeit. Wir werden unser Leitbild für eine Verwaltungsreform auf Gemeindeebene vorlegen. Warten Sie es ab! Seien Sie nicht so ungeduldig!
Aber alle Gutachten, die Sie in Auftrag gegeben haben und die andere in Auftrag gegeben haben, geben uns recht, dass wir auf einem richtigen Weg sind bei der Beurteilung dieser Frage.
Herr Abgeordneter Mohring, jetzt darf der Abgeordnete Hauboldt seine Frage stellen. Bitte, Herr Abgeordneter Hauboldt.
Danke schön, Frau Präsidentin. Herr Mohring, Sie haben ja ein Gutachten zitiert, es gibt ja noch weitere, die durchaus schon Gegenstand in der Enquetekommission waren, die zu einem anderen Ergebnis gekommen sind. Ich nehme an, Sie kennen vielleicht auch diese Passagen. Meine Frage an Sie, weil Sie jetzt auch auf ein Leitbild verwiesen haben durch Ihre Fraktion, was ich noch nicht kenne, aber da bin ich sehr gespannt darauf: Stellen Sie denn gänzlich die Arbeit der Enquetekommission in Frage. Ihr Ministerpräsident hat gestern gesagt, er geißelt größere Strukturen und ist gegen eine Gebietsreform. Das hieße ja de facto, die Arbeit innerhalb der Enquetekommission wäre für sie hinfällig.
Nein, das ist halt Ihr Kleingeist, der Sie umtreibt. Ich weiß gar nicht, wie Sie auf so eine Frage kommen. Wir schätzen die Arbeit der Enquetekommission hoch ein, so hoch wie niemand anderes.
Unser Vorsitzender, Christian Carius, wird, das werden Sie sehen, am Ende der Arbeit der Enquetekommission genau dieses Ergebnis vorlegen und die Leitbildbeschreibung abgeschlossen haben.