Protocol of the Session on June 20, 2007

Im Übrigen wissen wir doch in der modernen Gesellschaft auch, dass die Situation so ist, dass es immer schwieriger ist und schwieriger wird, Familie und Beruf miteinander zu verbinden, und das besonders für Frauen, dass also lange Zeiten des Aussetzens von beruflicher Tätigkeit für den Einstieg ganz schwierig sind, dass es hohe zeitliche Anforderungen in diesen Fragen gibt. Alle diese Dinge haben letzten Endes damit zu tun, ob es gute inhaltliche, qualitative und natürlich auch zugängliche Kinderbetreuung geben kann. Das haben Sie zumindest behindert mit Ihrer Politik. Sie wussten dann den Weg nicht anders, nachdem es ein Volksbegehren gibt, als vor das Verfassungsgericht zu ziehen. Glauben Sie mir, dem Land tun Sie keinen Gefallen mit dieser Vorgehensweise.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Sie zeigen damit ein weiteres Mal, dass Sie nicht gewillt sind, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen bei den Prozessen, die wir im Land zu bestreiten haben und die wir miteinander zu diskutieren haben. Da will ich sagen, auch hier liegen die Alternativen zu einer Sozialpauschale vor. Es liegen die Initiativen vor, auch hier Mittel zu bündeln. Aber Ihre Politik bleibt weiter stur, Sie sehen noch nicht einmal ein, an sozialen Brennpunkten Ihre Positionen des Abbaus aufzugeben. Allein das Stichwort „Frauenhäuser“ genügt, um sich die Kalamität der Folgen Ihrer politischen Grundsätze anzusehen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es gibt eine entscheidende Reduzierung. Wir werden dann nur noch wenige Frauenhäuser im Land haben. Frauen, die den Schutz brauchen wegen Gewaltbedrohung durch den Partner, werden ihn viel schwerer finden können.

Meine Damen und Herren, das Ganze wird dann noch dadurch zugespitzt, dass Sie dann wieder meinen, die Finanzierung geben wir aber einmal ganz stark in die Kommunen unter Ihrem Stichwort „Kommunalisierung“. Das ist ja im Prinzip eine richtige Richtung, aber wie das dann laufen soll, wenn die eine Gemeinde das Frauenhaus in der 30 Kilometer entfernten anderen Gemeinde finanzieren soll, die Antwort sind Sie uns bisher schuldig geblieben, meine Damen und Herren. Das zeigt doch die Unseriösität dieser Politik.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hatte gerade gesagt, die Landesregierung zog vor das Verfassungsgericht. Es ist ihr gutes Recht. Aber überhaupt hat unsere Landesregierung viel mit Gerichten zu tun, das kann man Ihnen auf alle Fälle attestieren. Sie waren dort mit der Unrechtmäßigkeit der erhobenen Lehrmittel, Lernmittelpauschale. Sie haben dadurch eine Rückzahlung von 9 Mio. € in Kauf nehmen müssen. Wir haben zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Im Zuge neuer Haushaltsgesetze - das ist allerdings jetzt Ihre Überlegung, wie ich vernommen habe - wird dann die Lernmittelfreiheit in Thüringen vollständig gestrichen. Das sind Ihre Lernprozesse, Herr Althaus, und die der Landesregierung offensichtlich - unzumutbar für dieses Land. Die zweite juristische Ohrfeige gab es dann vom OVG zur Unrechtmäßigkeit der erzwungenen Teilzeitbeschäftigung von verbeamteten Lehrern. Die Folgen sind bekannt, ich möchte sie hier nicht alle im Einzelnen aufführen. Die Kommunalisierung des Hortpersonals an den Grundschulen zeigt diese Probleme insgesamt, die Reduzierung der Mittel für die Schulen, Jugendarbeit, dramatische Streichung der Mittel für die Schulsozialarbeit an freien Schulen und Musikschulen und man könnte die Aufzählung fortsetzen. Nicht viel anders, obwohl ich vorhin vernommen habe, dass Sie sich auf diesem Gebiet offensichtlich bewegen wollen, sieht es im Bereich der Hochschulen aus. Auch hier will ich noch einmal deutlich sagen, dieses Land braucht endlich eine Bildungsreform. Gehen Sie endlich in die Debatte mit vielen Menschen im Land, die das sagen. Gehen Sie mit uns in die Debatte, wir haben entsprechende Vorschläge unterbreitet, um ein modernes Schulsystem für dieses Land und für die Zukunft Thüringens auf den Weg zu bringen. Sie verweigern sich dieser Situation permanent.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Holen Sie doch einmal Luft.)

Kulturlandschaft in Thüringen - das ist eine leidvolle Erfahrung, wie Sie diese in den letzten Monaten und Jahren behandelt haben. Dabei will ich auch hier noch einmal sagen, ich war bisher immer davon ausgegangen, dass wir uns der gemeinsamen Verantwortung bewusst sind, welches Potenzial gerade Thüringen in dieser Hinsicht zu bieten hat. Da sage ich gerade auch Ihnen, ja, die Heilige Elisabeth machte von hier auf soziale Verantwortung aufmerksam. Luther erneuerte von hier das Christentum. Goethe und Schiller haben eine weltweite Ausstrahlung gehabt. Ich muss das nicht alles aufzählen. Ja gerade, man muss das gerade tun.

Wir hatten zuletzt den Streit um das Bauhaus, das Hin und Her in allen diesen Fragen, und auch da sage ich Ihnen mal ganz deutlich: Das ist auch ein Stück dem geschuldet, dass Sie sich immer konzeptionellen Debatten verweigern. Wir haben ein Landeskulturkonzept hier zur Debatte gestellt, wo wir diese Fragen aufgreifen. Sie haben das abgelehnt. Sie setzen dem aber kein eigenes Konzept entgegen

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

und das ist nicht haltbar für eine Landesregierung. Wenn Sie sich mit uns auseinandersetzen, ist das in Demokratie doch selbstverständlich, aber bewegen Sie sich auf diesem Weg.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will die Aufzählung weiterer Beispiele Ihrer Fehlleistungen an dieser Stelle nicht fortführen.

Wir haben vorhin etwas zur Behördenstruktur gehört. Letztens hatten wir hier die erste Debatte zu OPTOPOL. Da muss ich Ihnen aber auch sagen, wir haben unterdessen bemerkt, dass offensichtlich der Innenminister hier etwas andere Positionen hat als der Generalsekretär der CDU.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist auch Demokratie.)

Ja, Moment, dazu komme ich schon noch. Der Ministerpräsident äußert sich recht wenig in dieser Angelegenheit. Nun will ich mal sagen, ich könnte ja die Hoffnung haben, dass die CDU zu einer pluralen Partei mutiert. Ich könnte ja die Hoffnung haben, aber ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, ich habe diese Hoffung nicht, weil Ihr Vorgehen auch auf diesem Gebiet wieder völlig klarlegt, Sie machen das alles über die Köpfe der Betroffenen hinweg und Sie machen das alles unter dem Gesichtspunkt,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

dass Sie einer grundlegenden Strukturreform, die dieses Land nämlich braucht, aus dem Weg gehen.

Ich sage Ihnen: Solange Sie dieser Frage aus dem Weg gehen, wird Ihre Behördenstrukturreform immer nur im Behördenstrukturchaos enden können, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Ergebnisse oder besser gesagt vielfach auch Nicht-Ergebnisse sehen wir auch.

Nun habe ich wieder auf einige Punkte aufmerksam gemacht, die wir einfordern oder vorschlagen. Da ist natürlich - heute habe ich es noch gar nicht gehört - der Ruf nach dem „wer soll das bezahlen?“ noch gar nicht erschallt, aber es ist natürlich ein zentrales Thema. Ich will mich da gar nicht drum herummogeln, weil ich zum Beispiel sage, bei der Situation, die wir vorfinden, brauchen wir eine doppelte Gangart. Wir brauchen zum Beispiel und müssen die Entwicklung der zusätzlichen Steuereinnahmen einerseits nutzen - und das muss ich so deutlich sagen -, um wenigstens die wichtigsten Fehlleistungen dieser Landesregierung auf sozialem, ökonomischem und in gewisser Weise auch demokratischem Gebiet zu kompensieren, meine Damen und Herren. Darum werden wir nicht herumkommen, wenn wir verantwortlich vor den Bürgerinnen und Bürgern dastehen wollen.

Wir sehen zweitens genauso, dass die hohe Schuldenlast, die es im Land gibt, einem Abbau zugeführt werden muss, allerdings einem Abbau, der auch soziale und wirtschaftliche Perspektiven für das Land eröffnet und nicht nur dazu da ist, um die Sparbüchse der Finanzministerin ein Stück zu bedienen und um überall im Land den Ruf der größten Schuldenmacher loszuwerden, meine Damen und Herren. Das können nicht unsere Positionen sein beim Umgang mit dieser Frage.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich kann Ihnen auch auf diesem Gebiet - gerade weil es so zentral ist - nicht ersparen, dass Sie natürlich für die finanzielle Situation des Landes Thüringen die Hauptverantwortung tragen, meine Damen und Herren. Da können Sie sich gar nicht herausreden. Und Sie haben sie noch fortlaufend verschärft, nicht nur durch die Schuldenproblematik. Wenn sie in wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geflossen wäre, wenn sie in soziale Entwicklung geflossen wäre, dann könnte man darüber ja tatsächlich noch ein Stück anders reden. Aber was haben Sie uns denn vorgeführt, u.a. Landesgesellschaften, in denen Sie Millionen verschwinden lassen, die niemand mehr kontrollieren kann, ohne dass auch nur jemand von Ihnen einigermaßen darlegen kann, welche Arbeitsplätze damit zum Beispiel geschaffen wurden, meine Damen und Herren. Das nenne ich Verschwendung von öffentlichen Mitteln und zusätzliche Belastung un

seres Haushalts.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Von dieser Politik müssen wir wegkommen.

Aber die Zukunft Thüringens hängt auch von den Einnahmen des Landeshaushalts ab. Hier spielt die Steuergesetzgebung des Bundes tatsächlich eine Riesenrolle. Die Interessen Thüringens werden im Bund durch diese Thüringer Landesregierung vertreten, sollte man meinen. Aber ob die Zustimmung der Landesregierung im Bundesrat zu verschiedenen Steuergesetzen wirklich immer im Interesse dieses Landes Thüringen gewesen ist, das muss ich schon stark bezweifeln. Die Thüringer Landesregierung war für weniger Steuereinnahmen, meine Damen und Herren, das wollen wir doch mal ganz deutlich festhalten. Die Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer für die Besserverdienenden und die Senkung des Körperschaftsteuersatzes für die Unternehmen, das haben Sie vertreten, meine Damen und Herren. Und der Refinanzierung dieser Geschenke haben Sie auch zugestimmt, nämlich für höhere Steuern auf der anderen Seite, meine Damen und Herren, zum Beispiel die Abschaffung der Pendlerpauschale und die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Da sage ich, das ist die Umverteilungspolitik, die Sie offensichtlich betreiben, Herr Althaus,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

aber eine Umverteilungspolitik, die nicht im Interesse der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ist.

Da nenne ich mal ein aktuelles Beispiel: Wer einerseits sich jetzt wieder freut über diese Steuergeschenke und andererseits über den Kommunalen Finanzausgleich den Städten und Gemeinden dieses Landes aber aufgibt, ihre Steuern zu erhöhen, insbesondere die Gewerbesteuern, der vergeht sich doppelt an den Interessen der Städte und Gemeinden und der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Sie regieren zweimal in die falsche Richtung - nach oben und nach unten in diesem Fall. Das nennen wir schon eine Politik eigentlich ohne Konzepte im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, aber im Grunde genommen doch wahrscheinlich mit einem Konzept einer unsozialen Umverteilung.

Für uns, meine Damen und Herren, bleibt im Grunde die Aufgabe, dass wir eine Politik gestalten müssen, die sozial gerecht, wirtschaftlich effektiv und arbeitsplatzschaffend die Mitbeteiligungsmöglichkeiten für die Menschen in diesem Land, das auch von

Ihnen ja manchmal deklarierte Einbeziehen der Menschen in diesem Land, befördert, um die Probleme zu lösen. Das alles kann ich bei der Thüringer Landesregierung nicht erkennen. Sie haben uns heute erklärt, Sie werden uns am 12. Juli diese Auskünfte geben, Herr Althaus. Meine Hoffnung mittlerweile darauf, das muss ich sagen, ist schwach. Und wenn Sie nicht baldmöglichst gangbare Antworten finden, da muss ich einfach sagen,

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Das sind aber Ihre Fragen.)

sind Sie an dem Platz dann offensichtlich im Augenblick fehl.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich erteile dem Abgeordneten Fiedler für seinen Einspruch während dieser Rede „Ihr Lumpen“ - zweimal wiederholt - einen Ordnungsruf und erteile das Wort dem Abgeordneten Matschie.

(Beifall bei der SPD)

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, Sie haben zum Schluss Ihrer Rede gesagt, Sie haben keine Lust, uns heute im Einzelnen zu erläutern, was Sie vorhaben. Mit Verlaub, Herr Ministerpräsident, den Eindruck, dass Sie keine Lust haben, den hatten wir des Öfteren in den letzten Monaten.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Sie haben uns eine „ausgeprägte Ungeduld“ vorgeworfen. Ich weiß nicht, was Sie damit meinen. Sie haben die Behördenstrukturreform in ihren Zielen und Grundzügen im Herbst 2004 in diesem Landtag vorgetragen. Wenn zweieinhalb Jahre später die kommunale Seite die Verhandlungen abbricht,

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Quatsch!)

weil diese Landesregierung nicht in der Lage ist, ein einigungsfähiges Konzept auf den Tisch zu legen, dann frage ich mich, wie Sie da von „ausgeprägter Ungeduld“ sprechen können.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich Sie erinnern darf, Herr Ministerpräsident, das Landesverfassungsgericht hat sein Urteil zu den Kommunalfinanzen im Juni 2005, also vor zwei Jah

ren, auf den Tisch gelegt. Wenn Sie heute, nach zwei Jahren, immer noch nicht ein einigungsfähiges Konzept mit den Kommunen haben, dann verstehe ich nicht, dass Sie hier von „ausgeprägter Ungeduld“ sprechen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen ja alle, dass der Fortschritt eine Schnecke ist, aber diese Schnecke, die würde Sie im ICE-Tempo, glaube ich, überholen, Herr Althaus.