Protocol of the Session on May 3, 2007

Für die Fraktion der Linkspartei.PDS hat sich Frau Abgeordnete Wolf zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, Frau Tasch, ich gebe Ihnen recht, bisher war das Thema immer noch relativ weit weg. Kindstötungen gab es in Bremen, in Sachsen-Anhalt, in Brandenburg - und plötzlich ist die Situation doch ganz nah gekommen. Erst Thörey und jetzt ein Steinwurf von hier. Ich glaube, und da spreche ich sicherlich im Namen aller hier, die Betroffenheit, die wir alle hier im Haus gespürt haben in der Situation, als wir gehört haben Tschaikowskystraße, war bisher sicherlich in der Art noch nie erlebt von uns. Es ist unbestritten gesellschaftlich, dass man schwangere Frauen in Not nicht allein lassen kann, dass es eine gesellschaftliche Verantwortung gibt. Sie

werden sicher in der Bevölkerung eine 99-prozentige Zustimmung kriegen, wenn Sie fragen, braucht es Hilfe für schwangere Frauen in Not. Das spiegelt sich ja auch in der Thüringer Verfassung wider. Trotzdem stellt sich die Frage: Wie sind tote Babys zu verhindern? Wir haben in Thüringen eine gute Versorgung an Frauenärzten, auch wenn ich sage, an der Stelle sind die 10 € Praxisgebühr ausgesprochen destruktiv. Wir haben ganz wunderbare Hebammen und das auch in einem guten Netz. Wir haben professionelle Beratungsstellen und Jugendämter sind in Thüringen besser als ihr Ruf. Die Frage: Warum können wir trotzdem nicht jede Frau in der Situation erreichen? stellt sich natürlich ganz klar.

Frau Künast, Sie haben recht, eine Aktuelle Stunde ist an der Stelle viel zu kurz gefasst, man kann nicht in fünf Minuten eine solch schwierige und umfassende Thematik hier diskutieren.

Die Landesregierung führt immer wieder an, dass niedrigschwellige Angebote fehlen. Es kommt immer wieder der Hinweis auf die Babyklappen und anonymen Geburten, die Kindstötung verhindern sollen und die als Lösung hier angeführt werden. Ich sage ganz ehrlich, ich habe Respekt vor allen, die hier mit Engagement versuchen, Gutes zu tun, ich persönlich - und ich weiß, dass das in meiner Fraktion nicht vollständig geteilt wird - halte den Weg trotzdem für falsch, hier für anonyme Geburten und Babyklappen zu werben. Ich möchte das begründen. Ich glaube, dass man die Zielgruppe, nämlich die völlig verzweifelten Frauen, die allein in der Situation sind, die eine Schwangerschaft über neun, über sechs Monate verheimlicht haben, die ihr Kind ganz allein, völlig auf sich gestellt, ohne jede Hilfe und ohne jeden Beistand auf der Toilette bekommen, die psychisch in einem völligen Ausnahmezustand und unglaublich verzweifelt sind, ich glaube, diese Frauen werden nicht fähig sein, sich rational in ein Auto zu setzen, ihr Kind notdürftig zu versorgen und in die nächste Klinik oder zum nächsten Babykorb zu fahren. Das alles erfordert rationales Handeln und dazu sind die Frauen, fürchte ich, in der Situation nicht in der Lage. Die Frauen, die es sind - und die gibt es natürlich auch, ist ja ganz klar -, glaube ich, sind zu erreichen für ein ganz normales Adoptionsverfahren, was immer der bessere Weg ist.

Frau Tasch, da haben Sie völlig recht, hier muss es uns gelingen, eine gesellschaftliche Akzeptanz dafür zu schaffen, da muss man weg vom Rabenmutterimage, da muss man hin, dass man das respektiert und dass man der Frau auch in Achtung gegenübertritt.

Ich fürchte, die Zahlen geben uns recht, weil wir das Angebot inzwischen thüringenweit haben und wir haben Babyklappen oder Babykörbe - der Name

variiert, das wissen Sie - auch inzwischen deutschlandweit angeboten. Die Zahl der getöteten Kinder ist aber nahezu gleichbleibend. Selbst terre des hommes - ein Kinderhilfswerk - spricht sich gegen die Einrichtung dieser Angebote aus und sie sprechen davon, dass ein Drittel der toten Kinder aus Orten kommen, wo es Babykörbe als Angebot gibt.

Einen Punkt möchte ich noch ganz schnell nennen, der mich besonders betroffen macht. Das ist, dass wir sowohl in Erfurt als auch in Altenburg die Fälle hatten, dass es Frauen waren, die ihre Kinder getötet hatten, die schon größere Kinder hatten, die gute Mütter nach Meinung ihrer Kinder waren und die als liebevolle Mütter bekannt waren, die also wissen, wie ein Leben mit Kindern ist. Ich denke, hier zeigt sich, dass gesellschaftlich einfach ganz, ganz viel getan werden muss, dass wir zu einem Klima kommen, was kinderfreundlich und elternfreundlich ist.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir brauchen keine Sonntagsreden, wir brauchen keinen auch gut gemeinten Aktionismus, sondern wir müssen Stück für Stück gesellschaftlich dahin kommen, dass Kinder wirklich als wertvoll und Elternarbeit als etwas ganz Wichtiges angesehen wird. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Sehr gut, Frau Wolf!)

Für die CDU-Fraktion hat sich Abgeordneter Panse zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Wolf, vielen Dank, das war, denke ich, ein durchaus sachlicher Beitrag, ich sage das hier auch ehrlich. Aber, Frau Kollegin Künast, das war Ihr Beitrag nicht, es geht an dieser Stelle in der Tat nicht um ein Abfeiern, es geht nicht um ein Verunglimpfen von Frauen und es geht auch nicht um die Frage des Rufs nach mehr Geld und Personalstellen. Das sind alles, denke ich, nicht die Rezepte, über die wir heute hier miteinander reden sollten, sondern das werden wir in den Fachausschüssen fortsetzen können. Ich kann nur für die CDU-Fraktion sagen, wir werden es im Sozialausschuss und sicherlich auch im Gleichstellungsausschuss als Antrag stellen.

Aber es war in der Tat so, die aktuellen tragischen Fälle waren für uns Anlass zu dieser Aktuellen Stunde, denn wir wollen mit der Aktuellen Stunde deutlich machen, welche Hilfen es gibt, wo diese verbessert werden können, aber wo auch Grenzen der bestehenden Hilfen bestehen. Ich möchte den Blick auf zwei Punkte lenken. Wir haben, wenn wir bei Hilfen für Schwangere miteinander ins Gespräch kommen, zwei Punkte zu berücksichtigen. Das ist zum einen die gesundheitliche Entwicklung der Mutter und des Kindes in der Schwangerschaft und selbstverständlich die darüber hinausgehende lebensbejahende Einstellung der Mutter, die wir befördern wollen. Wir wollen selbstverständlich demzufolge auch Perspektiven für Kinder und für Eltern - „für Eltern“ sage ich bewusst auch an die Adresse von Vätern - aufzeigen, denn Väterverantwortung ist an dieser Stelle, denke ich, genauso gefragt.

Wenn wir über die Gefährdung von Kindern reden, von Kindern, die oftmals leider auch schon in der Schwangerschaft von Gefährdung betroffen sind, müssen wir sehr wohl auch die Frage der hohen Zahl von Frühgeburten ins Gespräch bringen. Wir haben ungebrochen seit vielen Jahren, seit Jahrzehnten eine hohe Anzahl von über 8 Prozent Frühgeburten. Diese Kinder sind in einem hohen Maß gefährdet. Dass Frühgeburten entstehen, hat auch Ursachen. Gefährdungsmerkmale sind ganz klar die soziale Situation der Mutter, Belastung, Stress, alleinstehende Mütter, aber auch Rauchen und Alkohol, Infektionserkrankungen; alles dies gehört dazu. Da müssen wir auch als Politik die Frage stellen, wie weit wir da helfen können. Es gab, wie Sie ja alle wissen, im Jahr 2000 vom Sozialministerium eine Aktion, eine Frühgeburtsvermeidungsaktion, sehr erfolgreich, inzwischen im Präventionsbereich auch von Kassen übernommen, Vorsorgemöglichkeiten, Vorsorgeuntersuchungen. Es gibt die Früherkennungsuntersuchung. Wir haben ganz neu jetzt die Situation der Familienhebammen, wo man diesen Übergang auch schafft von der Schwangerschaft hin zur geburtlichen Phase und zur nachgeburtlichen Betreuung. Darüber hinaus haben wir den zweiten Teil, nämlich Hilfen für junge Mütter, für Schwangere, für Eltern in Konfliktsituationen. Das sind zum einen die Schwangerschaftsberatungsstellen, ein dichtes Netz von 34 Beratungsstellen mit 11 Außenstellen, die wir in Thüringen haben. Es ist die Schwangerschaftskonfliktberatung, die gesetzlich normiert ist, wie Sie wissen, und es sind eben auch die Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen und auch als Instrument die Stiftung „Hilfe für schwangere Frauen und Familien in Not“, eine Stiftung, die durchaus hilft und wirkt, insbesondere auch bei dem weiteren Punkt, auf den ich zu sprechen kommen möchte, bei der anonymen Geburt. Wir haben inzwischen - Frau Wolf hatte das gesagt - die anonyme Geburt als Möglichkeit in ganz Thüringen, inzwischen 26 Fäl

le seit der Einführung der anonymen Geburt, die so stattfanden. Wir haben darüber hinaus den Babykorb in Erfurt und in Eisenach, 4 Fälle, alle in Erfurt, alle schon einige Jahre her. Trotzdem bin ich überzeugt davon, dass wir beide Instrumente brauchen, auch wenn wir nicht offensiv um beide Instrumente werben, aber wir brauchen sie. Die Idee „Babykorb“ ist nicht neu. Sie wissen, diese Idee gab es schon vor 400 Jahren in Florenz mit dem Babyrad. Es gab Findelhäuser. Wir hatten hier im Thüringer Landtag 2000/2001 auch als Reaktion auf den Fund von drei Babyleichen eine Diskussion um die Einführung der anonymen Geburt und des Babykorbs. Damals haben die Kolleginnen Arenhövel und Bechthum, denen auch an dieser Stelle zu danken ist, gemeinsam mit der Caritas, gemeinsam mit Prof. Hoyme in Erfurt ein Konzept entwickelt. Es gab vorher das Modell des Sterniparks in Hamburg, es gab andere Städte in Deutschland, die dies versucht haben, aber wir haben in Thüringen erstmals den Weg geschafft, dass auch auf eine rechtlich saubere Situation zu bringen. Denn es geht in der Tat nicht darum, dies als Form der Spätabtreibung zu suggerieren, sondern es geht beim Babykorb darum, und das war die Intention auch hier im Landtag, den Müttern eine Möglichkeit aufzuzeigen, ihnen die Tür offenzuhalten für eine spätere Annahme des Kindes. Sie wissen, dass das ein Problem in anderen Bundesländern ist, wo die bis jetzt mit ihrem Meldegesetz, mit ihrem Personenstandsgesetz nicht klarkommen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte zum Schluss betonen: Wir haben Hilfemöglichkeiten in Thüringen, wir haben ein dichtes Netz an bestehenden Hilfemöglichkeiten. Es muss auch darum gehen, diese Hilfemöglichkeiten bekanntzumachen. Wir haben heute eine Vielzahl an Besuchern, auch Schüler auf der Tribüne, es ist schon wichtig, dass sie um die Hilfemöglichkeiten von Polizei, von Jugendämtern, auch von Kliniken und von Ärzten wissen. Wir können in Aktionen helfen, Aktionen in Schulen, in Apotheken, aber auch Aktionen, dass wir hier im Thüringer Landtag uns dessen bewusst sind und in einer Aktuellen Stunde über dieses Thema sprechen. Ich danke Ihnen sehr herzlich.

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung hat sich Minister Dr. Zeh zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, als Erstes, Frau Künast, ich glaube schon, dass dieses Thema eine Aktuelle

Stunde wert ist. Es muss uns immer wieder darum gehen, dass die bestehenden Hilfsangebote in die Öffentlichkeit getragen werden. Diese Aktuelle Stunde ist eine Möglichkeit, auch diese Hilfsangebote in die Öffentlichkeit zu tragen.

Frau Wolf, ich bin auch für Ihren Beitrag ausgesprochen dankbar. Es ist uns allen so gegangen, dass wir sehr betroffen waren, dass jeder in irgendeiner Weise sprachlos war als die Fälle von Erfurt, Thörey und Sömmerda bekannt geworden sind. Man muss das immer wieder thematisieren, gerade in einer Gesellschaft, die so einen hohen Wohlstand hat, dass so etwas immer wieder vorkommt. Dass Sie darauf hingewiesen haben, dass dies eben nicht nur in Thüringen stattfindet, sondern auch in Bremen, in Sachsen-Anhalt und in Bayern, das ist, denke ich, auch wichtig. Ich denke, das sollte man noch mal ausdrücklich feststellen, dass dies eben kein OstWest-Thema ist, wie es in einigen Medien thematisiert worden ist. Die Häufung in Thüringen ist statistisch nicht signifikant. Es gibt hier keine gesicherten Erkenntnisse und kaum in einem Bereich ist eine Dunkelziffer so unbestimmt wie in diesem Bereich. Wenn Thörey und Erfurt nicht durch Zufall entdeckt worden wären, hätten wir leider keine Kenntnis davon, aber es wäre statistisch gesehen günstiger.

Ich denke, wir müssen erst einmal ganz allgemein feststellen, dass es keinen Bereich gibt, in dem wir im Freistaat, aber auch in Deutschland, ein so dicht geknüpftes Netz von Hilfsangeboten vorhalten, wie für schwangere Frauen und Familien in Not. Gerade wir bei uns in Thüringen haben in den letzten Jahren ein bundesweit vorbildliches Netz im Bereich der Schwangeren- und Familienhilfe aufgebaut und über diese Angebote auch öffentlich umfänglich informiert. Die bestehenden Angebote werden auch rege genutzt. Auch die junge Mutter aus Erfurt, die mutmaßlich ihre Kinder getötet hat, kannte nach eigenen Aussagen diese Möglichkeiten. Wenn jedoch Schwangerschaften verheimlicht werden, wenn bestehende Hilfsangebote nicht angenommen werden, sind dem staatlichen Handeln Grenzen gesetzt. Hier spielt ein hohes Maß an Eigenverantwortung eine wichtige Rolle. Bei uns in Thüringen wird sehr viel dafür getan, dass schwangere Frauen in Konfliktsituationen nicht alleingelassen werden. Es muss keiner seine Kinder töten. Ich denke, es gibt dafür keinerlei Rechtfertigung.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Wenn jemand diese Hilfe, wie Babykorb oder anonyme Geburt, kennt und dennoch das Töten seiner Kinder vorzieht, dann muss die Frage möglich sein, welchem Wertefundament wir uns verpflichtet fühlen im Allgemeinen aber auch im Besonderen.

Ich bin Frau Tasch ausdrücklich dankbar, dass Sie die Frage auch einmal zugespitzt hat auf die Frage des Umgangs mit ungeborenem Leben.

Aber ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, auch einmal die Hilfsangebote darzustellen. Es wäre natürlich in der Aktuellen Stunde zu viel, um alles darzustellen, aber doch einige Punkte.

Als Erstes, Frau Wolf, die medizinischen Vorsorgeuntersuchungen sind für die Frauen kostenlos und sie werden von den Krankenkassen übernommen und das gilt meines Erachtens auch für die Praxisgebühr. Ich bin mir hier allerdings nicht 100 Prozent sicher, das räume ich ein, aber ich weiß, dass Vorsorgeuntersuchungen in der Regel kostenlos sind und von den Krankenkassen übernommen werden müssen.

(Zwischenruf Abg. Wolf, Die Linkspar- tei.PDS: 10 €.)

Ich glaube auch die Praxisgebühr. Das würde mich wundern. Vorsorgeuntersuchungen werden generell auch von der Praxisgebühr befreit. Aber ich werde mich da noch erkundigen; wir können uns darüber im Ausschuss sicherlich noch einmal austauschen.

Zu den Hilfsangeboten gehören die 34 Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen der verschiedenen Träger. Darüber hinaus gewährt die Thüringer Stiftung „Hilfe für schwangere Frauen und Familien in Not“ ergänzend finanzielle Hilfen für werdende Mütter und Familien in Not und Konfliktsituationen. Am 27. April 2007 haben auch in Thüringen die ersten 20 Familienhebammen ihre Qualifizierung abgeschlossen und das Abschlusszertifikat erhalten. Ich denke, das ist eine ganz wichtige Hilfsmaßnahme. Da Hebammen die ersten Vertrauens- und Bezugspersonen bei der Entbindung sind, ist es sinnvoll, diese auch im Sozialrecht zu schulen, damit sie auch über entsprechende Hilfsangebote informieren können. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Meine Tochter hat vor eineinhalb Jahren entbunden und alles, was ich gesagt habe, war natürlich falsch, wenn es die Hebamme anders gesagt hat. Sie merken, dass dann eine solche Person ein unglaubliches Vertrauensverhältnis aufbaut. Ich denke, dass das System Familienhebammen ein gutes System sein kann. Des Weiteren bieten gemeinsame Wohnformen für Eltern und Kinder, sogenannte Mutter-Kind-Einrichtungen, im Bedarfsfall Betreuung und Unterstützung für Mädchen und junge Frauen in der Schwangerschaft oder nach der Geburt an. In Thüringen halten 29 Einrichtungen diese Leistungen vor. Auch die Beratung der Hilfe der Jugendämter soll die Potenziale der künftigen Eltern aktivieren und sie auch unterstützen.

Meine Damen und Herren, die Möglichkeit, das Kind ganztags oder auch nur für einige Stunden bei einer Tagesmutter in einer Kinderkrippe oder in einer anderen Kindertagesstätte unterzubringen, ist auch hier eine wichtige Hilfe. Wenn Erwerbstätigkeit, Schule oder Ausbildung sich nicht mit der Erziehung des Kindes vereinbaren lassen, kann dessen Unterbringung in einer Vollzeitpflegestelle eine angemessene Lösung sein. Manchmal sind die Lebensverhältnisse jedoch so schwierig, dass die Betroffenen trotz verschiedenster Hilfsangebote keine Möglichkeit sehen, mit ihrem Kind zusammenzuleben und es auf Dauer selbst zu versorgen und auch zu erziehen. In solchen Situationen können sich Mütter an ihr Jugendamt oder auch eine Adoptionsvermittlungsstelle ihres Vertrauens wenden. Gerade diese Möglichkeiten sollten stärker als bisher genutzt werden, um Kindern eine Chance zum Leben zu geben. Auch für die aktuelle Notfall- und Krisensituation gibt es ein umfassendes Angebot an Beratungsdiensten und -einrichtungen. Hier gehören sogenannte niederschwellige Zufluchtsstätten und Einrichtungen zur Inobhutnahme dazu. Sie bieten in Eil- und Notfällen Unterkunft und Betreuung, insbesondere für in Not geratene werdende Mütter. Ich möchte hinzufügen, die Telefonseelsorge in Thüringen bietet auch seit Jahren qualifizierte offene und anonyme Gespräche in Krisensituationen an. Das von der Landesregierung geförderte Thüringer Kinder- und Jugendsorgentelefon unterbreitet ebenfalls Angebote für junge Menschen in Krisensituationen. Auch das Netz von 35 Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen unterstützt Rat Suchende in Fragen der Erziehung, Familie, Ehe, Partnerschaft sowie bei Problemen der Lebensgestaltung. Besondere Erwähnung verdienen auch die vom Land finanzierten 14 Kinderschutzdienste in Thüringen.

Ich möchte auch das Stichwort anonyme Geburt aufgreifen. Ich denke, anonyme Geburt, das Angebot ist sehr wichtig! Auch wenn einige immer wieder sagen, hier ist eine rechtlich ungeklärte Situation, weil das Recht auf Herkunft auch ein Rechtsgut ist. Ich meine, es muss dem Rechtsschutz auf Lebensschutz aber gegenübergestellt werden und deshalb plädiere ich ausdrücklich für die Möglichkeit der anonymen Geburt. Hier können Kinder vor allem in guter medizinischer Versorgung geboren werden, ohne dass die Mutter ihren Namen nennen muss und weitere Verpflichtungen hat. Schließlich verweise ich auf die beiden Babykörbe in Erfurt und Eisenach.

Meine Damen und Herren, was noch verbessert werden kann, ist die Zusammenarbeit und die frühzeitige Information aller Institutionen und Organisationen. Alle diese Hilfsangebote müssen stärker als bisher vernetzt werden. Der Maßnahmekatalog der Landesregierung Ende letzten Jahres zielt genau in diese Richtung, nämlich alle Akteure mehr zu vernetzen,

mehr zu verbinden, dass hier gemeinsam abgestimmtes Handeln möglich ist. Ich denke, darüber bin ich auch ausdrücklich Frau Tasch dankbar, dass Sie noch einmal darauf hingewiesen hat, dass wir auch eine intensive Bewusstseinsbildung über den Wert des menschlichen Lebens in unserer Gesellschaft brauchen. Kinder sind keine Sachen, sondern sind Lebewesen. Das gilt auch für ungeborene Kinder. Es geht um das gleichberechtigte Lebensrecht des Kindes. Wenn eine Frau sich in einer für sie ausweglos scheinenden Situation befindet, dann sollen wir darauf hinwirken, dass ihr das Bewusstsein und in ihr das Bewusstsein geweckt wird, nach dem Motto: „Auch wenn ich Schwierigkeiten habe, dann soll mein Kind leben!“ Ich will dieses Anliegen in der nächsten Zeit in der Form weiterentwickeln unter dem Stichwort: „Mein Kind soll leben“.

(Beifall bei der CDU)

Ich lade alle ein, dieses Anliegen zu unterstützen, denn ich bin überzeugt davon, dass hinsichtlich der Notwendigkeit, das Leben unserer Kinder zu schützen, parteiübergreifend Einigkeit besteht. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt noch eine Redemeldung von Frau Abgeordnete Pelke für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zunächst möchte ich mich auch ehrlichen Herzens bei allen Vorrednerinnen und Vorrednern bedanken, diese Thematik sehr sensibel hier zu diskutieren, nicht parteipolitisch geprägt, sondern unter dem Aspekt, wie wir alle gemeinsam darüber nachdenken können, das, was schon an Leistungen, an Beratungsleistungen vorhanden ist, noch besser zu gestalten im Interesse der Kinder, aber im Interesse natürlich auch der Familien, der Frauen insbesondere. Die Sprachlosigkeit, die der Minister angesprochen hat, habe ich aber das Gefühl, wird uns trotz alledem möglicherweise und leider Gottes immer einmal wieder einholen werden und das erscheint mir das Problem zu sein. Frau Wolf hat es auch deutlich gesagt, mit allen möglichen Maßnahmen werden wir und - wir können auch gar nicht in die Frauen hineinschauen, die eine solch grausame Tat letztendlich durchführen. Diese Frauen sind in einer solchen Situation allein und wir werden mit all den angebotenen Maßnahmen nicht an sie herankommen können. Insofern wäre ich sehr dankbar, wenn wir diese Thematik im Ausschuss auch in Auswertung der Anhörung über Kinderschutzdienste und alle familienbegleiten

den Maßnahmen weiter zum Thema machen, darüber nachdenken, wie wir noch intensiver an Frauen in solchen Situationen oder an schwierige Familiensituationen herankommen können. Das Thema aufsuchende Familienarbeit wird immer wieder diskutiert, aufsuchende Jugendarbeit, zu schauen, ob wir über Vernetzung, über eine noch weitere Stärkung der Kindertageseinrichtungen und andere Möglichkeiten versuchen können, so etwas zu verhindern. Ob es uns in jedem Fall gelingt, so schwer wie einem das fällt, dieses zu sagen, das werden wir erproben müssen, alle gemeinsam. Ein ganz großes Augenmerk sollte natürlich auf den Bereich der Schulen und insbesondere auf den Bereich Hilfe für junge Mädchen gelegt werden. Die Zahl der jungen minderjährigen schwangeren Mädchen ist ja nicht rückläufig und auch dieses sind Lebenssituationen, wo oftmals die Familie dann nicht den Rückhalt geben kann. Die gibt es Gott sei Dank auch, aber nicht in jedem Fall kann die Familie das ableisten, was das junge Mädchen in der Situation dann braucht. Es gibt auch hier Beratungseinrichtungen, sehr gute sogar, aber auch da sollten Aufklärung und frühzeitige andere Umgehensweisen in den Schulen gewährt werden. Es gibt Anfragen, dass auch sehr viele Beratungsstellen gerne in den Schulen regelmäßig präsent wären und Beratung machen würden, das scheint aber an der einen oder anderen Schule nicht zu funktionieren. Ich glaube, wir sollten darüber noch einmal reden, um dieses zu einem festen Teil der schulischen Abläufe zu machen. Eines lassen Sie mich trotzdem noch einmal sagen - ich weiß, wie schwierig und wie sensibel das Thema ist, aber Frau Wolf hat es auch gesagt, es wird möglicherweise nicht jeder Ansatz geteilt, aber man sollte ihn auch sagen dürfen: Die Diskussion um die Frage der Schwangerschaftsabbrüche im Zusammenhang mit den schrecklichen Geschehnissen in Erfurt zu diskutieren, möchte ich nicht, ich sage das so deutlich.

(Beifall bei der CDU)

Wir können, Frau Tasch - und ich weiß auch, wie Sie es gemeint haben - sicherlich über die Lebenssituation von Frauen, die sich so oder so entscheiden, reden - ich sage das auch aus Sicht von jemandem, dem das nicht vergönnt war, Kinder zu bekommen und deshalb wie der eine oder andere auch geprägt und betroffen ist -, aber ich möchte diese Verknüpfung des einen mit dem anderen nicht. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Mir liegen keine weiteren Redeanmeldungen vor, so dass ich den ersten Teil der Aktuellen Stunde schließen kann und ich rufe nun den zweiten Teil

der Aktuellen Stunde auf

b) auf Antrag der Fraktion der Links- partei.PDS zum Thema: „Beschäftigungs- und strukturpoli- tische Auswirkungen der Ausglie- derungspläne der Deutschen Tele- kom auf Thüringen“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 4/2930 -

Ich rufe als Erstes für die CDU-Fraktion Abgeordneten Kretschmer auf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Antrag kommt aus der Zorro-Abteilung der PDS-Fraktion, eine Bedrohung an die Wand malen, sich dann aufspielen als Schützer von Entrechteten und Unterdrückten, Öl ins Feuer zu gießen, wenn der Showdown vorbei war zu verschwinden und die Betroffenen auf der kalten Asche sitzen zu lassen, meine Damen und Herren. Worum geht es? Parallel zu unserer Sitzung tagt in Köln der Hauptvorstand, die Hauptversammlung der Deutschen Telekom. Der Konzernchef der Deutschen Telekom hat sehr deutlich gemacht, dass die Telekom in einer wettbewerblichen Schieflage ist und dringend reformbedürftig ist. Ja, meine Damen und Herren, was muss man dort tun? Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Konzernleitung in Verhandlungen mit der Gewerkschaft ist über einen Stellenumbau. Das ist nur erst einmal eine Sache, die zwischen dem Unternehmen und den Gewerkschaften stattfindet und den Thüringer Landtag nach meinem Empfinden höchsten marginal zu interessieren hat, weil wir dafür nicht zuständig sind. Nichtsdestotrotz habe ich mir angesehen, was denn die Angebote sind, die für diese missliche Situation, in der sich die Telekom befindet, auf dem Tisch liegen? Es ist also das Ziel, langfristig Arbeitsplätze zu sichern. Wenn ich von der Situation der Deutschen Telekom ausgehe, kann es also nur an den Möglichkeiten der Frage, die Kosten zu minimieren, losgehen. Denn wenn Sie mal schauen, im letzten Jahr in dem starken Wettbewerb hat die Telekom immerhin ca. 2 Mio. Festnetzanschlüsse verloren. Also was ist zu tun? Da sind die Vorschläge, die von der Unternehmensleitung auf dem Tisch liegen, die nicht Ausgliederung heißen - auch das hat Herr Obermann deutlich gesagt -, sondern die Serviceeinheiten sollen in drei Firmen zusammengefasst werden, damit man einigermaßen wettbewerbsfähige Bedingungen schaffen kann, die immer noch deutlich besser sind als bei vergleichbaren Serviceunternehmen, also in der Frage Arbeitszeit und Lohnhöhe, mit dem langfristigen Ziel, die Arbeitsplätze zu halten. Wenn Ihre Anfrage „Beschäftigungspolitische und strukturpoli