Protocol of the Session on January 26, 2007

Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben der traditionellen Einzelfallberatung spielt die Beratung von Lehrkräften eine immer größere Rolle. Schulpsychologen unterstützen in kritischen Situationen, geben Hilfen bei Kommunikationsstörungen im Kollegium und helfen im Berufsalltag. Daneben gibt es, ich erwähnte es schon, die schulpsychologische Beratung von Schülern als Individualberatung. Die Fachkompetenz der Schulpsychologen wird in der Einzelfallarbeit von Familien mit Kindern aus allen Schularten in unterschiedlichsten Anliegen und Problemlagen gesucht. Hier hat der Schulpsychologe die Rolle des Diagnostikers, Beraters, aber auch als Anwalt des Kindes. Schulpsychologen initiieren, empfehlen, planen und begleiten vorbeugende fördernde Maßnahmen im Bereich von Lernen und Verhalten. Das Erkennen und Fördern sowohl von besonders begabten Schülern als auch von Schülern mit Problemen ist eine der großen Herausforderungen für die schulpsychologische Arbeit. Es gilt, die Einheit von Diagnose, Beratung und Förderung zu sichern. Therapie ist nicht Aufgabe des Schulpsychologen. Um einen zeitlich begrenzten stark erhöhten Beratungsbedarf nach Gutenberg in Thüringen abdecken zu können, wurden damals 16 Psychologen befristet beschäftigt. Auch diese 16 Psychologen waren nicht therapeutisch für die Betroffenen, sondern im Bereich der Beratungstätigkeit des Schulpsychologischen Dienstes tätig. Unverzichtbar für die Arbeit des Schulpsychologischen Dienstes ist die Beibehaltung der Aufgabenbereiche Beratung für die Schule, Fortbildung, Einzelfallhilfe, Suchtprävention, Gewaltprävention, Krisenintervention und Krisenbewältigung. Der bisher vorherrschenden Defizitorientierung ist eine Entwicklungsorientierung gegenüberzustellen. Die Schulpsychologen sind verständlicherweise nicht in der Lage, sich in allen Arbeitsbereichen gleichermaßen auf dem neuesten Erkenntnisstand zu halten. Deshalb haben die Schulpsychologen den Weg der Bildung von Kernteams beschritten, in dem sich ein Team von Psychologen intensiv mit der Entwicklung eines speziellen Aufgabenbereichs beschäftigt und als Multiplikator fungiert. Die Kernteams geben regelmäßig Orientierung und Hilfestellung für die Arbeit aller Mitarbeiter des Schulpsychologischen Dienstes, erbringen Serviceleistungen, informieren über aktuelle psychologische Forschungsergebnisse. Sie erarbeiten gemeinsam Konzepte und wirken bei deren Umsetzung in die Schulpraxis mit. Sie unterstützen damit die Qualitätsentwicklung in den Schulen. In unseren Schulämtern gibt es Kernteams zu folgenden Themen: Weiterbildung der Beratungslehrer, Schulentwicklung, Assessment, Krisenintervention, besondere Begabung und Lernförderung, Sucht- und Drogenprävention, Psychohygiene und übrigens auch Lehrergesundheit. Die Schulpsychologen beraten, unterstützen in kritischen Situationen, bei Notfällen und auch dramatischen Krisen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, derzeit sind - das hatte ich eingangs erwähnt - an den 13 Schulämtern 16 Diplom-Psychologen und 26 Beratungslehrer mit je der Hälfte ihrer Arbeitszeit beim Schulamt tätig; insgesamt ein Äquivalent von 29 Vollbeschäftigten.

Das Thüringer Kultusministerium beabsichtigt, wie in der Kleinen Anfrage Nummer 855 „Personelle Ausstattung der Schulpsychologischen Dienste in Thüringen“ vom 20. Juli 2006 und in der ergänzenden Stellungnahme vom 1. September 2006 bereits formuliert, vier zusätzliche Schulpsychologen einzustellen und damit eine weitere Verbesserung der Schulpsychologen-Schüler-Relation zu erreichen. Einen zusätzlichen Weg zur Gewinnung von Schulpsychologen sieht das Thüringer Kultusministerium in einem Modellvorhaben, in dem geeigneten Lehrern eine Weiterbildung zum Schulpsychologen ermöglicht werden soll. Es ist beabsichtigt, ein solches Modellvorhaben als weiterbildenden Studiengang an der Friedrich-Schiller-Universität Jena anzusiedeln. Hierzu finden Gespräche mit der Friedrich-Schiller-Universität in Jena statt. Angestrebt wird die erstmalige Ausbildung einer Gruppe von 20 bis 25 Lehrkräften im Rahmen eines Modellversuchs. Es ist mir dabei wichtig, noch einmal zu betonen, dass die psychologische Kompetenz unserer Unterstützungsthemen nicht ausschließlich durch die Diplom-Psychologen, auf die die einschlägigen Statistiken die Schulpsychologie immer reduzieren, getragen wird. In den vergangenen Jahren wurden über 1.600 Beratungslehrer ausgebildet, deren Ausbildung einen Schwerpunkt im psychologischen Bereich hatte. An jeder Schule arbeitet mindestens ein Beratungslehrer, der zusammen mit dem Schulpsychologischen Dienst, wenn man es so formuliert, das grundwasserspiegelpsychologische Wissen und die psychologischen Fähigkeiten, die bei jedem Lehrer im Studium grundgelegt werden, erhalten und heben sollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Thüringer Unterstützungssystem mit Fachberatern, Beratungslehrern, dem Schulpsychologischen Dienst, dem Mobilen Sonderpädagogischen Dienst sowie den vielfältigen Beratungs-, Bildungs- und Unterstützungsmöglichkeiten, die das ThILLM und die staatlichen Schulämter anbieten bzw. auch extern organisieren, findet bundesweit durchaus große Anerkennung.

Das Thüringer Modell eines umfassenden Unterstützungssystems für die Schulen hat sich bewährt, wie sich auch die Organisation des Schulpsychologischen Dienstes innerhalb des Unterstützungssystems bewährt hat. Er wird im Zuge der Umsetzung des Entwicklungsvorhabens „Eigenverantwortliche Schule“ weiter an Bedeutung gewinnen und entsprechend kontinuierlich weiterentwickelt werden. Herzlichen

Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Wird die Aussprache zu diesem Sofortbericht gewünscht? Dies signalisieren alle Fraktionen. Demzufolge gehen wir jetzt in die Aussprache zu diesem Sofortbericht und natürlich auch zum Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS. Als Erster in dieser Aussprache hat Herr Staatssekretär Illert angekündigt, dass er das Wort nehmen möchte. Bitte schön.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, in Anlehnung an Punkt 8 a will ich einen Beitrag zum Thema Schulsozialarbeit geben. Dies ist ein professionelles sozialpädagogisches Angebot. Dadurch wird der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schulen unterstützt. Jugendhilfe und Schule arbeiten in verbindlicher Kooperation im Schulalltag eng zusammen. Auch bei uns in Thüringen gibt es eine Fülle derartiger Angebote. Im Jahr 2000 wurde in Verantwortung des Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit und in enger Abstimmung mit Kultusministerium und Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur das Projekt „Sozialarbeit an Thüringer Berufsbildenden Schulen“ gestartet. Von Beginn des Projektes an war vorgesehen, diese Maßnahme in kommunale Strukturen der Jugendhilfe zu überführen. Dies war bei allen Beteiligten seit Langem bekannt. Das Land hat hier seine Anregungsfunktion im Rahmen des SGB VIII wahrgenommen. Die Finanzierung des Projekts wurde bis 2005 ausschließlich aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes getragen. Mit der Zusammenführung der Richtlinie Schuljugendarbeit und der Jugendpauschale zur örtlichen Jugendförderung wurde folgerichtig auch das Aufgabengebiet schulbezogene Jugendsozialarbeit vollständig in die örtliche Zuständigkeit übergeben. Danach kann der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe nun selbst über den jeweiligen Einsatz der Mittel entscheiden. Vor Ort wissen die Verantwortlichen nämlich am besten, welche Maßnahmen am sinnvollsten sind. Dies gilt natürlich auch für den Einsatz von Schulsozialarbeitern. Die kommunalen Entscheidungsträger haben die Möglichkeit, in Absprache zwischen Jugendamt, Staatlichem Schulamt und den Schulen die Entscheidung über den Einsatz von Sozialpädagogen zu treffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, trotz der Kassandrarufe der PDS-Fraktion wurde dieses Projekt 2006 nach der Änderung der Fördermodalitäten in 17 Landkreisen und kreisfreien Städten mit einer 40-prozentigen Förderung aus dem

Europäischen Sozialfonds fortgeführt. Darüber hinaus haben drei weitere Jugendämter schulbezogene Jugendsozialarbeit auch ohne jegliche Förderung in ihr normales Angebot aufgenommen. Auch in diesem Jahr, nachdem die Förderung des Europäischen Sozialfonds vollständig ausgelaufen ist, fördern 12 Jugendämter die Stellen nahtlos weiter. Drei Jugendämter prüfen derzeit eine Weiterförderung. Befürchtungen, wie sie etwa in unsachlicher Form vom Abgeordneten Bärwolff geäußert worden sind, sind nicht eingetreten. Die meisten Thüringer Kommunen sind sich ihrer Verantwortung bewusst und leisten ihren finanziellen Anteil. Das Arbeitsfeld Schulsozialarbeit ist bei der kommunalen Jugendhilfe in guten Händen. Es gibt aus unserer Sicht derzeit überhaupt keinen Handlungsbedarf, die Richtlinie „Örtliche Jugendförderung“ zu verändern; sie hat sich bewährt.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, selbstverständlich wurde durch das Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit und das Kultusministerium bei der Erstellung des neuen Operationellen Programms zum Europäischen Sozialfonds Wert darauf gelegt, dass Maßnahmen der Berufsorientierung mit sozialpädagogischer Begleitung ebenso auch weiterhin förderfähig sind wie die sozialpädagogische Betreuung zur Prävention des Schulabbruchs von Jugendlichen im Rahmen der Projekte. Spezielle Schwerpunkte der zukünftigen Förderung sind erstens die Senkung des Schulabbrecheranteils um 50 Prozent gegenüber dem Wert von 2000 und zweitens die Unterstützung und Begleitung Jugendlicher bei ihrer beruflichen und sozialen Integration. Gerade bei diesen Zielen ist die Erfahrung und Kompetenz der Akteure vor Ort unverzichtbar. Wir sollten ihnen vertrauen und sie in ihren Entscheidungen nicht bevormunden. Eines eigenen Landesprogrammes bedarf es nicht. Die Mitarbeiter des Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit werden natürlich die Jugendämter bei ihrer Arbeit unterstützen. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, den Antrag der Linkspartei.PDS, der übrigens jedes Jahr hier gestellt wird, nicht zu verfolgen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der Linkspartei.PDS hat sich der Abgeordnete Bärwolff zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrte Schülerinnen und Schüler auf der Tribüne, heute geht es um euch. Ja, meine Damen und Herren, man muss auch das Publikum begrüßen. Es ist ja sonst keiner da, ich finde das sehr bedauerlich an

gesichts der Wichtigkeit dieses Themas.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Fraktion der Linkspartei.PDS hat heute einen Antrag auf die Tagesordnung gesetzt mit dem Titel „Sicherung und Ausbau von Schulsozialarbeit in Thüringen“. Dass dieser Antrag gemeinsam mit dem Antrag „Situation der Schulpsychologie in Thüringen“ beraten wird, halte ich für schwierig. Aber es ist nun mal so und wir werden das schon hinbekommen. Wir hatten bereits im November versucht, diesen Antrag auf die Tagesordnung zu setzen. Das ist uns leider nicht gelungen, es wurde von der Mehrheitsfraktion abglehnt.

Aber erlauben Sie mir bitte einige grundsätzliche Bemerkungen zur Bedeutung von Schulsozialarbeit, bevor ich auf die landespolitische Debatte und unseren aktuellen Auftrag als Parlament eingehe. Meine Damen und Herren, die Schulsozialarbeit verfügt über eine Fülle an Möglichkeiten und Aufgaben - drei wesentliche möchte ich hervorheben:

Erstens geht es um eine kompensatorische Leistung für Schüler, denen bei der Bewältigung von Alltagssorgen geholfen werden soll. Dafür haben Lehrerinnen und Lehrer im Schulalltag häufig keine Zeit mehr. Zudem können Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter anders auf Jugendliche zugehen. Sie stellen den Kontakt auf einer anderen Ebene her und finden bei Problemen oft auch eher das Vertrauen der Schülerinnen und Schüler. Dies ist ausdrücklich kein Vorwurf an die Lehrerinnen und Lehrer in Thüringen, sondern es ist eine Bereicherung des Systems Schule.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ein zweiter Aufgabenbereich besteht in einer komplementären, in einer ergänzenden Funktion. Schulsozialarbeit kann auf kompliziertere Gruppen und individuelle Probleme ganz anders und mit einem erweiterten Methodenspektrum reagieren als der Lehrer. Sie kann das eigene Wirken in und mit der Schule effizient mit außerschulischen Hilfeangeboten der Jugendlichen verbinden und so Potenziale zur Verbesserung individueller Motivation und zur Eindämmung von Ausgrenzungs- und Benachteiligungserfahrungen aufschließen.

Der dritte Aspekt von Schulsozialarbeit ist die kooperative Funktion, die Vernetzung von Lebensbereichen. So können mit Schulsozialarbeit viele neue Erfahrungen gerade aus dem außerschulischen Bereich in die Arbeit an der Schule einfließen. Freizeitangebote der musischen, sportlichen und intellektuellen Bildung können auf völlig neue Art Teil des schulischen Lebens werden, Schule bereichern und

sie dadurch auch attraktiver machen.

In der Zusammenbindung dieser drei Wirkungsrichtungen von Schulsozialarbeit liegt die große Chance, Benachteiligungen und Defizite von Kindern und Jugendlichen früher zu erkennen und ihnen effizienter und vor allem flächendeckend entgegenzuwirken.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Danke schön.

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS)

Ziel der Schulsozialarbeit ist unter anderem die Bewältigung von Alltagsproblemen, die immer häufiger zu Schulabstinenz, also Schulbummelei, und zu Demotivation führen, aber auch die bessere berufliche Integration, unter anderem durch eine intensivere Berufswahlorientierung. Zudem wird wohl auch eine Verbesserung des Schulklimas Folge sein. Auch der Aufbau sinnvoller Freizeitangebote für Schüler, die ihrerseits Motivation und mitmenschliches Verhalten stärken, kann ein Ziel der Schulsozialarbeit sein. Die Beratung von Schülerinnen und Schülern bei Konflikten mit Lehrern ist ebenso möglich wie die frühe Erkennung von Ausgrenzungs- und Gewalterfahrungen bei Kindern. Hier kann mit sozialpädagogischen Maßnahmen schnell gehandelt werden. Hier kann auch, meine sehr verehrten Damen und Herren der CDU, viel für die Werteorientierung der jungen Menschen getan werden. Und es muss aufhorchen lassen, dass die an den Berufsschulen angesiedelten wenigen Schulsozialarbeiter nach Aussagen der Berufsschulen allein mit der Bekämpfung von Benachteiligungen und Defiziten fast immer hoffnungslos überlastet sind.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Für Projekte, die im Freizeitbereich angesiedelt sind, die auf die allgemeine Verbesserung des Schulklimas abzielen, bleibt fast immer keine Zeit. Ganz ähnlich ist der Bedarf an solchen Unterstützungsangeboten in vielen Regelschulen einzuschätzen. Hier gibt es neben den beschriebenen Effekten für die Bildungslandschaft auch verstärkt die Chance, die Schule zugleich als wichtigen Teil des Sozialraums und der sozialräumlichen Planung auszugestalten. In Suhl etwa gibt es insgesamt fünf Schulsozialarbeiter, die nach Aussagen des Sozialdezernenten auch stabilisierend in dem Sozialraum wirken. Dies kann nur positiv sein und etwa die Wirksamkeit von Strategien zur Bekämpfung von Armutsfolgen und Gewalt verbessern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Sozialverhalten wird heute zunehmend von einem Klima des aggressiven Wettbewerbs nach dem Motto

„jeder gegen jeden“ geprägt. Hier kann gerade die Schulsozialarbeit einen entscheidenden Beitrag zur Minderung dieser Negativfolgen, wie etwa eben der benannten Gewalterfahrung, leisten. Der Schulsozialarbeiter kann und muss nicht nur aktiv in das Geschehen an der Schule eingreifen, er hat, wie gesagt, auch eine wichtige Rolle bei der Werteerziehung der Schülerinnen und Schüler. Wenn wir franktionsübergreifend von der Notwendigkeit sprechen, dass die Schule von einem Ort des reinen Wissenserwerbs zu einem Ort des sozialen Lernens werden muss, dann hat hier der Schulsozialarbeiter eine ganz wichtige Funktion. Dabei soll und darf er nicht als Gegner oder Kontrahent des Lehrers auftreten, er ist auch nicht der Dompteur von Schülerinnen und Schülern und erst recht nicht der verlängerte Arm der Eltern, nein, er hat einen ganz eigenen Platz im System Schule, und dort muss er einen angemessenen Platz finden, um seine Aufgaben zum Nutzen aller, der Schüler, der Lehrer, aber auch der Eltern zu erfüllen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Thema „Schulsozialarbeit“ ist in diesem Haus nicht neu. Seit den 90er-Jahren taucht es immer mal wieder in den Debatten auf und taucht dann auch wieder ab. Es wurden in verschiedenen Abständen verschiedene Programme aufgelegt, die nach einigen Jahren ausliefen und es wurde still um das Thema. Begonnen hat es, um die außerschulischen Angebote, die aus DDR-Zeiten übrig geblieben waren, mit einem Landesprogramm „Jugendarbeit in Schulen“ abzufedern, welches 1994 aufgelegt wurde. In 44 Schulen wurden damals modellhaft zusätzliche Angebote geschaffen, die der Freizeitbeschäftigung der Schüler, der kulturellen, der musischen, aber auch der sozialarbeiterischen Bearbeitung von Problemen dienten. In den Jahren 1994 bis 1997 förderte der Freistaat die von freien Trägern geleistete Jugendarbeit an diesen Schulen zusätzlich zu den Personalkosten mit fast 5 Mio. DM. Die unter der Leitung von Frau Prof. Saite vorgenommene wissenschaftliche Auswertung dieses Programms konstatierte einen vollen Erfolg. Trotz anfänglicher Berührungsängste, unter anderem aufseiten der Schulleiter und der Lehrer, versicherten am Ende dieses Programms fast alle beteiligten Schulen, wie positiv sich die Tätigkeit der Schulsozialarbeiter auf ihren Schulalltag ausgewirkt habe. Unter anderem war ein Rückgang von Gewaltbereitschaft, eine Entlastung der Lehrer durch die Bearbeitung individueller Problemfälle und eine deutliche Verbesserung des Schulklimas zu konstatieren. Leider ging es diesem Modellprojekt auch so wie vielen etlichen anderen guten Ansätzen, die im Jugendbereich ausprobiert wurden, eine fortsetzende Regelfinanzierung war nicht geplant und fand damit nicht statt.

Zu einem neuerlichen Aufwärts kam es, als die Thüringer Landesregierung auf die zunehmenden Proble

me im Bereich Schule im Haushalt 2002/2003 mit einem eigenen Haushaltstitel reagierte, den sie „Schuljugendarbeit“ nannte. Etwas über 400 Schulen teilten sich eine Summe von etwa 2,5 Mio. €, die schwerpunktmäßig für die Verbesserung der Freizeitangebote an Schulen verwendet wurden. Nicht zuletzt sollten hierdurch auch Ganztagsschulkonzepte unterstützt werden. Allerdings enthielt dieses Programm keinerlei Personalkosten und konnte deswegen auch fachlich keineswegs die Anforderungen erfüllen, die die vielfältigen Problemlagen im schulischen Bereich an eine gute Schulsozialarbeit stellen. Diese Nachteile, Herr Carius, die Sie ja vorhin so in Abrede gestellt haben, hat unsere Fraktion damals auch schon ganz klar benannt. Im Rahmen der Richtlinie „Schulsozialarbeit an berufsbildenden Schulen“ konnte dann seit 2002 zumindest im Schwerpunktbereich der Berufsschulen ein gewisser Bestand an Kräften und Projekten der Schulsozialarbeit gefördert werden. Dies betraf 47 Schulen. Es war bei aller Kritik an den Finanzansätzen und der inhaltlichen Ausrichtung der Projekte aus unserer Sicht immerhin eine richtige Politik des Landes, die Steuerungsverantwortung im Jugendbereich nicht völlig aus der Hand zu geben. Umso schärfer müssen wir die Anfang 2006 vollzogene Zusammenführung der Mittel der Richtlinien der Jugendpauschale und der Schuljugendarbeit und auch der Schulsozialarbeit an berufsbildenden Schulen und die damit einhergehende absolute und krasse Kürzung der Mittel kritisieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was Sie mit dieser Richtlinie zusammengeführt haben, das, was Sie mit dieser Richtlinie gekürzt haben, kann auf kommunaler Ebene auf keinen Fall kompensiert werden; das wissen Sie genauso gut wie ich. Und - Herr Illert, Sie haben es so vorhin gesagt - von vormals 17 Landkreisen und kreisfreien Städten, die von den Angeboten der Schulsozialarbeit Gebrauch gemacht haben, führen gerade einmal 12 Landkreise diese Projekte durch. Allein in Erfurt hat der Unterausschuss Jugendhilfeplanung mit der Bedarfsplanung … Wie bitte?

(Zwischenruf Illert, Staatssekretär: Bis- her, 15 wahrscheinlich, 5 x 3 macht 15.)

Da fehlen trotzdem zwei Landkreise. Wenn Sie sich anschauen, wie z.B. im Jugendhilfeausschuss in Erfurt in dem Unterausschuss Jugendhilfeplanung gerüttelt werden muss, um die Stellen auch zu finanzieren. Denn das Geld ist einfach knapp und das wissen Sie genauso gut wie alle anderen. Es ist einfach heuchlerisch, wenn Sie die Mittel, die zur Finanzierung bereitstehen, kürzen und dann die Verantwortung den Kommunen in die Schuhe schieben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Dass das nicht abgefedert und nicht kompensiert werden konnte, das mussten Sie wissen und, ich glaube auch, Sie haben es gewusst. Von den im Dezember 2004 in Thüringen immerhin noch 50 an den Berufsschulen tätigen Sozialarbeitern sind heute noch etwa 20 nach unseren Recherchen tätig. In Erfurt beispielsweise war es nur durch einen Kraftakt der Kommune möglich, die bis dahin maßgeblich durch das Land finanzierten fünf Schulsozialarbeiterstellen zu retten. Ähnliches gelang auch im Altenburger Land, wo es um eine Schulsozialarbeiterstelle ging.

Sie sehen schon an diesen Unterschieden, dass das Land die Kommunen mit der Aufgabe der Schulsozialarbeit unmöglich alleinlassen kann, umso mehr, wenn man diese wenigen Stellen dem tatsächlichen Bedarf gegenüberstellt.

Meine Damen und Herren, nicht nur der Thüringer Landtag beschäftigt sich heute mit diesem Thema, auch der Landesjugendhilfeausschuss, der am 4. Dezember 2006 hier tagte, hat die Notwendigkeit der Schulsozialarbeit bestätigt und ihren Aufbau auch an allen allgemeinbildenden Schulen, mit Ausnahme der Grundschulen, gefordert. Nachzulesen ist das im Beschluss des Jugendhilfeausschusses 64 aus dem Jahre 2006. In der Begründung dieses Beschlusses steht, Frau Präsidentin, ich zitiere: „Eine Ausweitung von Schulsozialarbeit erweist sich zur Bewältigung der Problemsituation an Schulen als unumgänglich.“ Frau Präsidentin, ich möchte noch einmal zitieren: „Die Schulsozialarbeit an den berufsbildenden Schulen hat sich in den vergangenen Jahren bewährt und wird als ausschließlich positiv eingeschätzt. Sie sollte auch in Zukunft als wichtiger Bestandteil eine Brückenfunktion zwischen den berufsbildenden Schulen, den Angeboten der Jugendhilfe und den Anforderungen der Ausbildungs- und Beschäftigungsbetriebe wahrnehmen.“ Dieser Satz stammt von niemand anderem als Herrn Prof. Dr. Goebel, dem Minister für Bildungs- und Kulturabbau. Er zeigt wie viele andere, was von der Qualität zu halten ist, in der die Landesregierung fachliche Dinge beurteilt. Denn jedes fachliche Statement, jede fachliche Beurteilung fällt sofort um, wenn es ums Geldsparen geht. So war das bei den Horten und so war das auch in Bezug auf die Finanzierung von Jugendhilfe allgemein und so ist es in der Frage der Schulsozialarbeit im Speziellen. Sie sagen, ja, die Sache ist vernünftig und wichtig, trotzdem lassen Sie sie auslaufen und wegbrechen - das ist Ihre Politik. Und das, meine Damen und Herren, wo es doch im Bereich der Berufsschulen noch nicht einmal um ein halbes Hundert Projekte ging - so kleine Brötchen backen Sie. Indem Sie hier und in der Jugendarbeit ein paar Tausend Euro sparen, glauben Sie, retten Sie die Zukunft. Meine Damen und Herren, das tun Sie nicht - Sie verspielen sie!

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Kosten, die eine nach und nach verwahrlosende Jugend produziert, übersteigen Ihre Einsparungen um das Zehn-, ach, um das Hundertfache. Haben denn die 6 Mio. €, die Sie bei der letzten Kürzung gespart haben, an der Verschuldung von Thüringen etwas geändert? Ich glaube nicht. Ich sage Ihnen, wenn es um das Abfedern der momentan krassen Orientierungsprozesse, der Krisen und Probleme unserer Jugend geht, da müsste man größere Brötchen backen, im Interesse nicht nur der Jugendlichen, sondern der gesamten Gesellschaft. Wer das will, der kann es auch.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem Antrag der Linkspartei.PDS wird der fachlichen Diskussion Rechnung getragen, die eine stärkere Vernetzung von Schul- und Jugendhilfe fordert, da die Schule einen wichtigen Teil der Lebenswelt junger Menschen darstellt. Nicht nur aus der fachlichen Diskussion, sondern auch aus den PISA-Ergebnissen geht hervor, dass das System Schule in Deutschland nicht in der Lage ist, den Defiziten von Jugendlichen angemessen entgegenzuwirken. Im Gegenteil, im heutigen Bildungssystem werden diese Benachteiligungen systematisch verstärkt.

Meine Damen und Herren, in den §§ 1 und 13 des Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes wird ein Recht auf Förderung von Kindern auf ihre Entwicklung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten unterstrichen sowie die Pflicht, Benachteiligungen zu vermeiden bzw. sie abzubauen. Von der umfassenden Verwirklichung dieses Rechts von Kindern und Jugendlichen sind wir in Thüringen weiter denn je entfernt. Im Gegenteil, mit den umfangreichen Kürzungen in den letzten Jahren wurde dieser Grundsatz grob missachtet.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Versteht das einer?)

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Natürlich.)

Frau Tasch, wenn Sie das nicht verstehen, das ist echt traurig.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)