Protocol of the Session on January 25, 2007

Herr Aretz, Sie haben darauf verwiesen, dass wir ja die Möglichkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung haben. Aber da muss ich Ihnen sagen, da haben Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht richtig gelesen, da ist Ihre Argumentation ein alter Hut. Ich muss das so deutlich sagen, denn das Verfassungsgericht stellt ausdrücklich fest, dass die Tariftreueerklärung nicht im Widerspruch zu § 5 Tarifvertragsgesetz steht - jetzt zitiere ich: „da die Tariftreueerklärung nicht mit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Tarifvertrags vergleichbar ist“. Dann heißt es weiter: „Die Tariftreueerklärung ist ein neben der Allgemeinverbindlichkeitserklärung stehendes weiteres Mittel, um zu erreichen, dass Außenseiterarbeitgeber Tariflöhne zahlen.“ Dieses Problem ist eben nicht mit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung abzuhandeln. Das hat selbst das Verfassungsgericht in seinem Urteil festgehalten und Sie laufen mit Ihrer Argumentation diesem Urteil weit hinterher, Herr Staatssekretär.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, dass die Unterstützung des Tarifvertragssystems sinnvoll ist, und ich glaube auch, dass es nicht ohne die Vorbildwirkung der öffentlichen Hand geht. Wer seinen Mitarbeitern Tarif zahlt, der darf am Ende nicht der Dumme sein, erst recht nicht bei öffentlichen Aufträgen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Niemandem hilft der Wettbewerb um niedrigste Löhne. Wir wollen einen Wettbewerb um das beste Angebot, und zwar um die beste Qualität und nicht einen

Wettbewerb um den niedrigsten Lohn in Thüringen. Mit unserem Vergabegesetz führen wir deshalb eine Tariftreueklausel ein. Sie soll für alle öffentlichen Aufträge gelten, und zwar im Baugewerbe ebenso wie für die Dienstleistungen. Wer einen öffentlichen Auftrag haben will, der muss sich verpflichten, nach Tarif zu zahlen. Wer das nicht tut und mehrfach gegen diese Auflagen verstößt, dem droht Strafe; im Extremfall nach unserem Gesetz ein Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen bis zu zwei Jahren. Wir sind auch davon überzeugt, dass es solcher Sanktionsmechanismen bedarf.

Wir führen die Debatte über ein solches Vergabegesetz auch nicht erst seit heute. Den ersten Vorstoß haben wir im Jahre 2000 unternommen, damals am bayerischen Modell orientiert. Bayern war übrigens die erste Landesregierung, die eine solche Regelung eingeführt hat - 1999. Wir haben 2005 - ebenfalls die Linkspartei.PDS - erneut Vorschläge für ein Vergabegesetz eingebracht. Wir haben uns damals dann an der Regelung von Niedersachsen orientiert, die das bayerische Modell weiterentwickelt hatte. Andere Länder haben solche Vergabegesetze inzwischen auch übernommen, Hamburg beispielsweise. In Bremen existiert ein solches Gesetz, in Berlin, auch im Saarland und in Schleswig-Holstein und in weiteren Bundesländern ist die Debatte im Gange über solche Vergabegesetze nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. NRW, das Beispiel, was Sie hier anführen, ist das einzige Negativbeispiel in diesem Zusammenhang einer Abschaffung des Vergabegesetzes. Die Entwicklung ist eigentlich eher in die andere Richtung gegangen, dass immer mehr Bundesländer solche Vergabegesetze eingeführt haben.

Das höchste Gericht der Republik beurteilt ein Vergabegesetz - ich zitiere noch einmal - „als geeignetes Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Verbindung mit der Gewährleistung der finanziellen Stabilität des Systems der sozialen Sicherung“. Damit hat nicht nur die Regelung in Berlin Bestand, sondern es gilt generell, dass Tariftreueerklärungen mit dem Grundgesetz im Einklang stehen. Mehr noch, auch das steht in dem Urteil, Herr Aretz, Tariftreueerklärungen sind geeignet, wichtige Verfassungsziele zu verfolgen. Nach Meinung der Verfassungsrichter sind das folgende Ziele, die im Einzelnen auch in dem Urteil aufgeführt werden: 1. die Verhinderung eines Verdrängungswettbewerbs über die Lohnkosten;

2. die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Bausektor;

3. der Schutz der Arbeitnehmer;

4. die Entlastung der Systeme der sozialen Sicherheit;

5. die Unterstützung des Tarifvertragssystems als Mittel zur Sicherung sozialer Standards.

Werte Kolleginnen und Kollegen, die rechtlichen Bedenken der CDU sind damit aus dem Weg geräumt; es gibt sie nicht mehr. Der Urteilsspruch ist eindeutig. Deshalb möchte ich Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, noch einmal auffordern, mit uns erneut in die Diskussion über vernünftige Vergabebedingungen auch hier in Thüringen einzutreten.

Der Thüringer Wirtschaftsminister hat es in der Vergangenheit behauptet - Sie haben es wiederholt, Herr Staatssekretär -, dass die Vergaberichtlinie eine ausreichende Regelung für die Vergabe öffentlicher Aufträge und für die Tarifbindung bei öffentlichen Aufträgen in Thüringen sei.

Ich will Sie dabei auf einen Widerspruch in der Argumentation hinweisen. Zum einen sagen Sie, wir haben genügend andere Instrumente, die das klarstellen und die dafür sorgen, dass die Unternehmen entsprechende Lohnbedingungen einhalten. Zum anderen sagen Sie dann aber auch wieder in Abwehr unseres Gesetzes, wir haben ja diese Richtlinie in Thüringen, mit der wir dafür sorgen sollen. Das ist schon äußerst widersprüchlich. Wenn wir keine anderen Instrumente brauchen, dann bräuchten wir eben auch diese Richtlinie nicht. Es ist aber nicht so, dass wir keine anderen Instrumente brauchen und die Richtlinie ist letztendlich ein stumpfes Schwert. Das wissen Sie auch. Denn gegen eine solche Richtlinie spricht ganz entscheidend, dass bei der öffentlichen Vergabe die Bindung an andere Kriterien als Fachkundigkeit, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit nur aufgrund eines Gesetzes und nicht durch eine Richtlinie verlangt werden darf; das sieht der § 97 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vor. Das heißt, wir haben zwar eine Richtlinie, aber im Konfliktfall hilft diese Richtlinie Unternehmen nicht, ihr Recht durchzusetzen, weil sie vor Gerichten keinen Bestand hat, weil nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen nur aufgrund eines Gesetzes weitere Kriterien durchgesetzt werden können. Deshalb sage ich noch einmal ganz deutlich: Thüringen braucht mehr als die bisher bestehende Richtlinie, Thüringen braucht ein Vergabegesetz. Bitte machen Sie sich mit uns gemeinsam auf diesen Weg!

(Beifall bei der SPD)

Es spricht aber noch mehr für ein Vergabegesetz als die Einhaltung der Tarifverträge bei öffentlichen Aufträgen, denn ein solches Vergabegesetz könnte

auch ein Beitrag dazu sein, das Lohnniveau insgesamt in Thüringen zu stabilisieren und möglichst auch etwas weiter nach oben zu bringen, denn Thüringen ist das Land mit den niedrigsten Löhnen in der Bundesrepublik. Bei uns verdient ein Facharbeiter im Monat im Durchschnitt etwa 1.920 € brutto, so das Bundesamt für Statistik. Damit bekommt er 120 € im Durchschnitt weniger als ein Facharbeiter in Sachsen-Anhalt und 600 € im Monat weniger im Durchschnitt als ein Facharbeiter in den alten Bundesländern. Deshalb glaube ich, dass wir auch an dieser Stelle allen Grund zum Handeln haben, durch geeignete Instrumente dafür zu sorgen, dass das Lohnniveau insgesamt in Thüringen steigen kann. Eine Stabilisierung des Tarifvertragssystems im Bereich der öffentlichen Aufträge kann hierbei helfen. Denn längst ist klar, wir gewinnen keine zusätzlichen Investoren dadurch, dass wir so niedrige Löhne haben. Stattdessen laufen die Fachkräfte weg, fehlen uns die Nachfrage und auch die Einnahmen in den sozialen Sicherungssystemen. Das hat der Minister für Wirtschaft, Technologie und Arbeit ja auch in mehreren öffentlichen Äußerungen so gesagt und gefordert, das Lohnniveau in Thüringen muss steigen, weil uns die Facharbeiter weglaufen. Es reicht aber nicht aus, solche Forderungen in die Welt zu setzen, man muss auch überlegen, was man mit politischen Entscheidungen dazu beitragen kann, das Tarifvertragssystem zu stärken und damit auch das Lohnniveau zu stabilisieren.

Leider behauptet der Thüringer Regierungschef Dieter Althaus immer noch, dass Billiglöhne in Thüringen ein Standortvorteil sind. Erst jüngst in der Regierungspressekonferenz am 9. Januar hat Dieter Althaus wiederholt, dass Billiglöhne als Standortfaktoren nicht zu unterschätzen seien. Mich würde ja einmal interessieren, ob der Thüringer Regierungschef bei seiner USA-Reise versucht hat, mit Niedriglöhnen in Thüringen zu punkten und damit Investoren zu werben. Ich glaube, ein solches Unterfangen könnte kaum gelingen. Nein, Billiglöhne sind keine Lösung, sie sind der falsche Weg und der Widerspruch innerhalb der Landesregierung zwischen Wirtschaftsminister und Ministerpräsident ist hier auch ganz offenkundig.

(Beifall bei der SPD)

Ich bitte Sie einfach, sich auch noch einmal die Bedingungen hier in Thüringen anzuschauen. Die Lage für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist teilweise dramatisch. Sie haben ein Beispiel genannt. Angestellte im Separatwachdienst in Thüringen verdienen 4,32 € die Stunde. Eine Angestellte im Gebäudereinigerhandwerk bekommt 4,16 € die Stunde, eine Floristin 4,54 €. Diese Liste ließe sich noch eine ganze Weile fortsetzen, niedrigste Löhne, die hier in Thüringen gezahlt werden. Das heißt doch, dass

offenkundig auch das Tarifvertragssystem hier an Grenzen der Handlungsfähigkeit stößt. Vor dem Hintergrund einer hohen Arbeitslosigkeit und eines insgesamt sehr niedrigen Lohnniveaus sind die Gewerkschaften nicht mehr in der Lage, in immer mehr Bereichen notwendige Lohnstandards auch durchsetzen zu können. Ihnen fehlt einfach die Verhandlungskraft an dieser Stelle. Das Ergebnis sind Löhne - ich habe sie eben genannt -, von denen niemand mehr unabhängig leben kann. Rund 40.000 Thüringerinnen und Thüringer, die Vollzeit arbeiten, müssen inzwischen trotzdem zum Amt gehen und ihren Lohn aufstocken über Hartz IV, weil der Lohn sonst nicht ausreicht. Bundesweit sind es mittlerweile etwa 1 Mio. Arbeitnehmer, die ihren Lohn aufstocken müssen durch Sozialleistungen. Da will ich mal sehr deutlich sagen: Was für ein Unsinn ist das eigentlich? Auf der einen Seite überlegen wir alle, wie wir die öffentlichen Kassen sanieren und auf der anderen Seite wird Lohndumping über Steuerfinanzierung weiter unterstützt. Das passt nicht zusammen und hier müssen wir andere Lösungen finden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Was können wir tun? Mich bewegt diese Frage seit Langem und ich habe Ihrer Rede entnommen, Herr Aretz, dass auch Sie diese Frage bewegt. Was kann man eigentlich tun, um Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern? Meine Antwort nach unzähligen Gesprächen, Debatten und Diskussionen ist: Deutschland braucht gesetzliche Mindestlöhne.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Dort, wo Tarifparteien die Kraft fehlt, Löhne auszuhandeln, die ein eigenständiges Einkommen sichern, brauchen wir eine Auffanglinie. Deshalb brauchen wir einen Mindeststandard, der auch gesetzlich festgeschrieben ist. Diese Debatte ist inzwischen in Berlin angekommen und ich habe in den vergangenen Jahren selbst erlebt, wie schwierig es war, den Boden für eine solche Diskussion zu bereiten. Auch die Erfahrungen, die wir hier mit Dumpinglöhnen in Ostdeutschland schon seit vielen Jahren machen, sind dort oft zur Seite gewischt worden und erst die Debatte über die weitere Europäisierung des Arbeitsmarkts und die Dienstleistungsrichtlinie haben dazu beigetragen, dass diese Diskussion endlich eine gesamtdeutsche Diskussion geworden ist. Ich bin froh, dass heute intensiv in Berlin über Mindestlöhne diskutiert wird. Ich erwarte auch von der Thüringer Landesregierung, dass sie sich für solche Regelungen stark macht, statt den ostdeutschen Arbeitnehmern wie in der Vergangenheit in den Rücken zu fallen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auch das in aller Deutlichkeit sagen: Ich kann die Theoriedebatten über gesetzliche Mindestlöhne nicht mehr hören, all die angeblichen Wirtschaftsweisen, die uns immer wieder davor warnen, wie viele Arbeitsplätze wegfallen, wenn Mindestlöhne eingeführt werden. Wenn sich nur einer von denen mal mit der Wirklichkeit beschäftigen würde, mal in ein Land reisen würde, das gesetzliche Mindestlöhne hat, und dort den Arbeitsmarkt untersuchen würde, was denn passiert ist.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU)

Aber nein, diese angeblichen Wirtschaftsweisen - auch in Ihren Reihen gibt es einige davon, Herr Kollege - beschäftigen sich lieber mit ihren eigenen Lieblingsideen und Vorurteilen, anstatt sich der Wirklichkeit zu stellen.

(Beifall bei der SPD)

Schauen Sie sich in Europa um - Mindestlöhne funktionieren! Als Tony Blair in Großbritannien den Mindestlohn einführen wollte, gab es eine riesige Debatte. Alle Wirtschaftsweisen waren auf dem Plan und haben erklärt, wie viele Arbeitsplätze dadurch wegfallen, welch ein Desaster in der britischen Ökonomie angerichtet wird. Tony Blair hat die Mindestlöhne trotzdem eingeführt und nichts von alldem, was die Skeptiker da an die Wand gemalt haben, ist eingetreten. Großbritannien hat heute einen Mindestlohn von 7,96 €/Stunde. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 5,3 Prozent, also deutlich niedriger als in Deutschland. Die Niederlande haben einen Mindestlohn von 8,13 €. Die Arbeitslosigkeit liegt dort bei 3,9 Prozent, also noch niedriger als in Großbritannien. Irland hat einen Stundenmindestlohn von 8,30 € - das wagt nicht mal der DGB in Deutschland zu fordern - und Irland hat eine Arbeitslosenrate von 4,3 Prozent. Ich will aber deutlich machen, dass es natürlich auch Länder gibt mit Mindestlohn und hoher Arbeitslosigkeit - auch dafür finden sich die Beispiele. Belgien hat einen Mindestlohn von 7,90 € und 8,6 Prozent Arbeitslosigkeit. Frankreich hat eine Arbeitslosigkeit von 9,3 Prozent bei einem Mindestlohn von 8,30 €. Das heißt, wir haben auf der einen Seite Frankreich mit einer Arbeitslosigkeit von 9,3 Prozent und mit einem Mindestlohn von 8,30 €, auf der anderen Seite Irland mit dem gleichen Mindestlohn und einer Arbeitslosigkeit von 4,3 Prozent. Das zeigt uns ganz deutlich, dass die Frage der Arbeitslosigkeit überhaupt nicht an der Mindestlohndebatte festzumachen ist,

(Beifall bei der SPD)

sondern dass die Arbeitslosigkeit von anderen Faktoren als von einem Mindestlohn beeinflusst wird. Deshalb sage ich Ihnen noch einmal, werte Kolle

ginnen und Kollegen, lassen Sie uns nüchtern eine solche Debatte miteinander führen. Lassen Sie uns die praktischen Erfahrungen in anderen Ländern zurate ziehen. Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland. Stellen Sie sich doch nur einmal vor, was in den nächsten Jahren passiert, wenn die Arbeitnehmerfreizügigkeit in ganz Europa hergestellt ist. Was bedeutet, dass jeder Arbeitnehmer aus jedem EU-Land an jeder Stelle in der Europäischen Union arbeiten kann, seine Arbeitskraft anbieten kann. Sollen denn dann Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Thüringen ihre Arbeitsleistung auch für 2 oder 3 € die Stunde noch verkaufen, weil Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Osteuropa zu diesen Bedingungen ihre Arbeitskraft anbieten können? Ist das die Richtung, in die wir marschieren wollen? Das kann es doch nicht sein. Hier brauchen wir gesetzliche Standards und Regelungen, die das verhindern. Es muss auch in Zukunft so sein, dass vernünftige Löhne gezahlt werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Deshalb will ich noch einmal deutlich sagen, auch zu Ihrer Argumentation, Herr Aretz, wir brauchen beides. Wir brauchen gesetzliche Mindestlöhne, die eine untere Absicherung definieren, die nicht unterschritten werden darf, und wir brauchen auf der anderen Seite Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen, um das Tarifsystem insgesamt zu stabilisieren und zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Wer gute Leute haben will, der muss sie gut bezahlen. Das ist kein Geheimnis. Die Abwanderung, die wir hier in Thüringen haben, spricht Bände. Deshalb lassen Sie uns vernünftig miteinander reden zu diesem Thema. Nehmen Sie Ihre Vorurteile vom Tisch. Schauen Sie sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts genau an. Es ermutigt uns dazu, ein Tariftreuegesetz zu machen. Ich denke, wir haben das dringend nötig. Unser Vorschlag dazu liegt auf dem Tisch. Ich hoffe auf eine konstruktive Zusammenarbeit von Ihrer Seite, damit wir gemeinsam die Bedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hier in Thüringen verbessern können. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Abgeordneter Kretschmer, CDUFraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Bild von Staatssekretär Aretz mit den neuen Hüten aufnehmend, habe ich mich erinnert an den Antrag vom November von Ihnen, Frau Leukefeld, als ich ihn gelesen habe, nicht einen neuen Hut, sondern dass Sie möglicherweise Indianerfedern aufgezogen haben und wie Indianer einen Triumphtanz gemacht haben, nachdem Ihnen das Urteil aus Berlin vorgelegen hat. So sieht Ihr Antrag ja im Grunde genommen aus, der uns jetzt vorliegt, den wir aus dem letzten Jahr hier noch mitberaten werden. Daraufhin hat nun die SPD ihren alten Antrag aus dem Archiv hervorgeholt, der fast wörtlich dem entspricht, der im Jahr 2005 gemacht worden ist. Herr Kollege Matschie, dass Sie nun dazu vortragen, wertet den Antrag nicht auf. Dass Sie uns nun einladen - auch mit deutschlandweiten bundespolitischen

(Unruhe bei der SPD)

Exkursen, insbesondere zur Arbeitsmarktpolitik, die, wenn ich es richtig sehe, noch immer auch Ihr Minister zu verantworten hat - zu einer nüchternen Debatte, aber mit einer Überheblichkeit und Ignoranz von angeblichen Wirtschaftswissenschaftlern glänzen, das erschreckt mich schon ganz erheblich.

(Beifall bei der CDU)

Vor allen Dingen, wenn Sie die Unterlagen der Plenarsitzung aus 2005 zur Hand nehmen, sind gerade die Fragen der Vergleichbarkeit der Mindestlöhne von Irland, Großbritannien und den Niederlanden, die Sie angesprochen haben, auch von mir damals schon angesprochen worden. Sie müssen dann mal auf diese angeblichen Wirtschaftsweisen hören, die darauf hinweisen, dass natürlich das Umfeld ein ganz anderes ist. Die Frage des Kündigungsschutzes und des Arbeitsrechts ist natürlich in Großbritannien eine ganz andere, als wir sie in Deutschland haben. Man muss sich schon entscheiden, auf welches Modell man gehen will. Man kann nicht einfach aus jedem das Gute für sich nehmen und sagen, daraus bauen wir uns einen wunderschönen Baukasten und stellen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine heile Welt dar, die so nicht funktioniert. Für meine Fraktion verwahre ich mich nachdrücklich gegen die in Ihrer Begründung des Gesetzes geäußerte Behauptung, dass die Frage der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vor dem Bundesverfassungsgericht das tragende Argument unserer Ablehnung des Vergabegesetzes bzw. bei Ihnen jetzt Tariftreuegesetzes wäre, noch viel mehr natürlich vor der vorgeschobenen Behauptung, wie Frau Leukefeld jetzt sagte, es wäre von uns vorgeschoben, auf dieses Gerichtsurteil zu warten.

Meine Damen und Herren, es war der Respekt vor diesem Verfassungsorgan,

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

der gesagt hat, solange es nicht geprüft hat, macht es doch keinen Sinn, ein Gesetz zu erlassen, was anschließend möglicherweise nicht verfassungskonform ist. Sie laufen bei jeder Gelegenheit zum Verfassungsgericht. Deshalb muss ich doch sagen, bitte schön, das war der Respekt vor diesem Urteil. Im Übrigen, das werde ich in meinem Beitrag noch darstellen, ist das auch nicht das einzig zu beachtende Gerichtsurteil. Nein, meine Damen und Herren, ich wiederhole - auch das ist nachlesbar aus den Beiträgen von 2005 -, es war der Respekt vor dem Urteil, das wir zu erwarten haben, aber es sind auch inhaltliche Bedenken, die auch heute noch existieren, die zum Teil von Herrn Staatssekretär Aretz benannt wurden und die ich Ihnen auch noch mal benennen will.

Inhaltliche Bedenken waren die Gesetzgebungskompetenz der Länder - gut, darüber hat das Gericht jetzt gesprochen -, der Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit und der Verstoß gegen die Berufsfreiheit. Auch dazu hat der Gerichtshof jetzt gesprochen. Aber, meine Damen und Herren, Herr Matschie, da Sie ja das Urteil und hoffentlich auch die Leitsätze in der Hand hielten, lesen Sie genau nach. Eines der Argumente, die auch ich hier vorgetragen habe, die Abschottungsfunktion, also der Protektionismus, der ist eindeutig erwiesen. Der Berliner Baumarkt sollte abgeschottet werden und wir wissen ganz genau, dass durch die Gesetze insbesondere in Westdeutschland versucht wird, Unternehmen von Ost- und Mitteldeutschland vom Markt abzuhalten.

Der zweite wesentliche Teil, den ich hier deutlich machen will, ist schon immer die Frage der Bürokratie gewesen, die dort aufzutreten hat. Der dritte Teil - zur Bürokratie komme ich gleich noch - ist auch im Gerichtsverfahren durch die Staatsregierung von Bayern angemahnt worden, die Frage, inwieweit es mit europäischem Recht vereinbar ist. Das Oberlandesgericht Celle hat also zum niedersächsischen Gesetz gesprochen, gerade diese Frage, und zum Zweiten - Herr Staatssekretär Aretz hat es hier angebracht -, dass aus der Entscheidung des Verfassungsgerichts heraus kein Handlungsbedarf besteht, sondern dass gerade wegen der europäischen Dimension betont wird, dass der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts das Tariftreuegesetz ebenfalls nicht angewendet werden darf. Das ist die Prüfungsmaterie, die vom Oberlandesgericht in Celle gerade beschieden worden ist mit Blick auf das Tariftreuegesetz in Niedersachsen, und die Anregung der bayerischen Staatsregierung, inwieweit es mit europäischem Recht vereinbar ist, ist im We