Überwiegendes Dauerparken im Ausschuss ist nicht eigentlich - beruhigen Sie sich, Herr Fiedler, bitte beruhigen Sie sich.
Herr Fiedler, Dauerparken im Ausschuss ist nicht eigentlich parlamentarische Beschäftigung mit einem Gegenstand, sondern im Grunde genommen deren Verweigerung.
Fachleute hören und Ihnen Fragen stellen können, das wollten Sie nicht. Bürgerinnen und Bürger, um die es eigentlich bei diesem Thema geht, blieben dabei außen vor. Sie sollten gleich gar nicht die Möglichkeit erhalten, von der parlamentarischen Diskussion öffentlich Kenntnis zu nehmen oder sich gar an ihr zu beteiligen. Selbst eine ordentliche schriftliche Anhörung - Herr Fiedler, ich erinnere Sie daran - war nicht etwa eine Selbstverständlichkeit. Die Oppositionsfraktionen konnten Anzuhörende erst mithilfe eines Gutachtens
des Wissenschaftlichen Dienstes der Landtagsverwaltung durchsetzen. Sie, meine Damen und Herren, waren es, die den Oppositionsfraktionen nicht einen einzigen Anzuhörenden über die von Ihnen bestellten Anzuhörenden hinaus gestatten wollten. Das ist Demokratie, wie Sie sie meinen, und da passt der Umgang mit den Zuschriften aus dieser schriftlichen Anhörung ins Bild. Sie nahmen im Grunde genommen nur die ablehnenden Stellungnahmen des Gemeinde- und Städtebundes und des Landkreistages zur Kenntnis. Dass auch die von Ihnen selbst benannte Bertelsmann Stiftung den vorliegenden Gesetzentwurf in weiten Teilen positiv bewertete, ignorierten die Abgeordneten der Mehrheitsfraktion mehr oder weniger, meistens weniger elegant. Als sich 8 Oberbürgermeister, 5 Bürgermeister und 5 Landräte, darunter auch parteilose Amtsinhaber, an die Ausschussmitglieder mit der Aufforderung wandten, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, war die Empörung groß. Die kommunale Familie sei brüskiert worden, das war zu vernehmen. Gemeinde- und Städtebund wie Landkreistag hätten ein...
Gemeinde- und Städtebund und Landkreistag hätten ein klares Votum abgegeben. Von Spaltung der kommunalen Familie war gar die Rede. Dabei wurde völlig ignoriert, dass nach der Abgabe der Stellungnahmen Kommunalwahlen stattgefunden hatten und sich die politische Landschaft erheblich verändert hatte. Auch das wurde ignoriert. Wer, meine Damen und Herren, ist denn jene ominöse kommunale Familie? Sind das nur die Bürgermeister und Landräte? Ist nicht die kommunale Familie mehr als der Rat ihrer Oberhäupter? Sind nicht die Bürgerinnen und Bürger diejenigen, die die kommunale Familie ausmachen?
Das war es auch, Frau Kollegin Groß, was mich an der Fernsehdebatte insbesondere gestört hatte. Kollegin Groß hatte festgestellt in einem ebenso intensiven Plädoyer für die gewählten Vertreter, wie das Ihre eben war, Frau Lieberknecht: Erstens, die gewählten Vertreter haben ein Problem, auf die Bürgerinnen und Bürger zuzugehen. Das können Sie wörtlich in der Fernsehsendung hören. Wenn das aber so ist, dann sollte man doch dankbar sein, wenn Bürgerinnen und Bürger
Als Zweites hat Frau Kollegin Groß im Fernsehen verkündet: Die direkte Demokratie ist eine zu sehr aus der Sicht der Betroffenen. Entschuldigung, was ist denn Demokratie anderes als Handeln im Sinne, aus der Sicht und mit Blick auf die Betroffenen? Man kann doch nicht nur immer den einen Aspekt hervorheben. Handeln für die Betroffenen und sich im Übrigen dann wundern, wenn die Betroffenen sich daran gewöhnen, dass permanent für sie gehandelt wird bzw. sie auch am Ende misshandelt werden.
Da hat man doch tatsächlich nach diesem Brief der Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte überlegt, ob nicht die Landtagspräsidentin einen Brief schreiben müsse, um solche Spaltungsaktionen in der Zukunft zu verhindern. Dass sich hier in einem offenen Brief ganz einfach 17 Amtsträger zu Wort meldeten, die gerade vor wenigen Monaten direkt von Bürgerinnen und Bürgern in ihre Ämter gewählt worden waren, auch das wurde ignoriert.
Von parlamentarischer Beschäftigung mit dem Gesetzentwurf kann also im Grunde genommen gar nicht geredet werden. Eher schon davon, dass man hinter verschlossenen Türen eine ziemlich geistlose Abwehrschlacht gegen jeden und alles geführt hat, was eine vorgefasste Haltung der totalen Ablehnung auch nur am Rande hätte verunsichern können.
Dann lassen Sie es sein, doch es gibt im Grunde genommen, Herr Fiedler, keinen Grund, zu lamentieren. Das alles ist typisch für die Situation im Land. In anderen politischen Bereichen sieht es hier im Land nicht viel besser aus. Auch dort tobt sich mangelnde politische Kultur einer herrschenden CDUMehrheit mit voller Macht aus.
Die sogenannte Familienoffensive wurde gegen alle politische und vor allem auch fachliche Kritik durchgedrückt. Vorhergesagte Ergebnisse werden jetzt sichtbar, sowohl praktisch in den Kindertagesstätten als auch politisch auf der Straße. Der erste Schritt hin zu einem Volksbegehren wurde mit 23.000 Unterschriften abgeschlossen, 5.000 wären nötig gewesen. Es muss nicht verwundern, dass der Landesregierung daraufhin nur der Gang zum Verfassungsgerichtshof nach Weimar einfiel. Das ist die Antwort etablierter Politik auf Bürgerwillen, doch es ist nichts anderes als eine trotzige Notbremse. Der Trägerkreis hat schon angekündigt, egal wie das Urteil ausfallen wird, die Arbeit auf dem Weg der direkten Demokratie wird weitergehen.
Ein ähnlich verächtliches Vorgehen der CDU-Mehrheit hat auch die Gruppe der blinden und sehbehinderten Menschen getroffen. Das Landesblindengeld wurde faktisch abgeschafft. Nur noch wenige Betroffene sind nach der Neuregelung im Kreis der Leistungsberechtigten verblieben. Nun denken die Betroffenen - und das zu Recht - über den Weg der direkten Demokratie nach, das heißt über ein Volksbegehren. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat der Blinden- und Sehbehindertenverband schon erarbeitet. In Niedersachsen übrigens gibt es das positive Beispiel für eine erfolgreiche Volksinitiative. Das ist das Pendant zum Bürgerantrag in Thüringen. Ziel:
Erhalt des Landesblindengeldes. Sollte sich der Blinden- und Sehbehindertenverband tatsächlich mit einem parlamentarischen Versuch anfreunden, stehen die Oppositionsfraktionen - das glaube ich, hier sagen zu können - als parlamentarische Arme bereit, dessen Gesetzentwurf in den Landtag einzubringen. Und Sie, meine Damen und Herren, sollten ihn anders behandeln als den, über den wir jetzt beraten. Mit den Themen „Schulen“ und „Hochschulgesetz“ sind weitere potenzielle Themen für direkte Demokratie auf Landesebene in Sicht. Nicht wir, meinen Damen und Herren, sind es oder ein Abgeordneter Kuschel oder irgendwelche Querulanten, die Bürgerinnen und Bürger in die Stimmensammlung treiben und die Landespolitik plebiszitär beleben; nein, es ist Ihre arrogante und ignorante Politik.
Ebenso wichtig wie die Landesebene ist die kommunale Ebene. Die Menschen wollen vor ihrer Haustür mitbestimmen. Deshalb müssen Instrumente direkter kommunaler Demokratie wirksamer ausgestaltet werden. Das ist kein Allheilmittel, aber es ist ein Mittel gegen die Politik-, die Parteien-, gegen die Demokratieverdrossenheit bei Bürgerinnen und Bürgern. Es ist doch auch verständlich. Wer weiß, dass er tatsächlich die Chance hat, Einfluss zu nehmen, wird dafür auch aktiv werden. Aber eben nur der, der weiß, dass er eine Chance hat, wird aktiv werden.
Die Mehrheit dieses sogenannten Hauses will den Gesetzentwurf einfach ablehnen. Nicht einmal den bewährten Weg der Kompromissverhandlungen will man gehen. Und diese arrogante und ignorante Haltung zu Vorschlägen für eine Verbesserung direkter Demokratie auf kommunaler Ebene könnte das nächste Volksbegehren nach sich ziehen.
(Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Demo- kratisch heißt nicht, dass sich die Min- derheit immer durchsetzt.)
Nach Ende dieses Tagesordnungspunkts, meine Damen und Herren, wird draußen vor der acht Meter hohen Kommunalverfassung ein Pressetermin stattfinden, bei dem mehr zum weiteren Vorgehen des Trägerkreises von „Mehr Demokratie in Thüringen“ zu erfahren sein wird. Wenn die im Bündnis zusammengeschlossenen Organisationen auf diesen Weg gezwungen werden sollten, sagen wir als Fraktion der Linkspartei.PDS den Vertretern schon jetzt und von hier aus unsere volle Unterstützung zu.
Die Vertreter dieses Bündnisses machen dies nicht aus Jux und Tollerei, sondern sie machen es deswegen, weil sie von der etablierten Politik dazu gezwungen werden, von ihrem Verhalten und für dieses Verhalten, Frau Kollegin Lieberknecht, war Ihr Hohelied auf die Gewählten, auf die politische Klasse im Weber’schen Sinne der schlimmste Beleg. Egal, ob wieder 380.000 Unterschriften zustande kommen oder nicht, egal, ob Sie einen Volksgesetzentwurf zu Fall bringen oder nicht, egal, ob wir einen Volksentscheid haben werden oder nicht, irgendwann in nicht allzu ferner Zeit werden auch Sie, meine Damen und Herren, im Landtag wieder über direkte Demokratie auf kommunaler Ebene reden müssen. Und sollten Sie auf Dauer deren Potenz nicht erkennen oder akzeptieren und sich diesem Teil der Demokratie anhaltend verweigern, dann werden Sie von Bürgern irgendwann - vielleicht schon bald - die Quittung erhalten.
Richtig. Sie haben nämlich recht, Frau Kollegin Lieberknecht, es rächt sich am Ende immer. Und bitte beklagen Sie sich insbesondere dann nicht, wenn sie irgendwann Sprüche von Patrick Wieschke, Ralf Wohlleben oder Thorsten Heise aus der parlamentarischen Fassung bringen. Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich will wiederholen, was ich im Innenausschuss gesagt habe: Ich bin enttäuscht und die SPD-Fraktion mit mir, dass der Umgang mit dem Gesetzentwurf, den wir eingebracht haben, so gelaufen ist, wie es schon dargestellt wurde. Es hat keine richtige Auseinandersetzung mit den Inhalten des Gesetzentwurfs gegeben. Es fand eine Pauschalablehnung statt. Ausschließlich Pauschalableh
nung wegen Gefährdung der repräsentativen Demokratie durch renitente und/oder radikale Gruppen wurde als Hauptargument geäußert.
Frau Lieberknecht sagte, man hätte sich auch mit dem Thüringischen Landkreistag und dem Gemeinde- und Städtebund auseinandersetzen müssen. Wir sind die Gesetzgeber und wir müssen uns umfassend mit den Belangen der Bürgerinnen und Bürger und natürlich auch mit den Spitzenverbänden auseinandersetzen, aber wir haben doch nicht nur eine Seite zu betrachten. Denn wenn die CDU-Fraktion immer so ein feuriges Plädoyer für die Bemerkungen der Spitzenverbände hier im Landtag halten würde, dann würden wir manche Gesetzgebung so nicht gehabt haben im Thüringer Landtag.