Es gibt das Recht auf den Generalstreik, also den politischen Streik schlechthin, der aber im Grundgesetz ausdrücklich nicht gewollt ist als Recht im Blick auf Änderungen des demokratischen Rechtsstaats, sondern gerade als Widerstandsrecht,
aber eben gerade nicht zur Beseitigung. Sie drehen ja die Dinge um. Wenn man das alles sieht, kann man nur sagen: Wir sind nicht so weit, dass wir diesem jetzt hier ohne Not folgen sollten.
Lassen Sie mich damit zu einem dritten Punkt kommen - die Inkonsequenz der antragstellenden Fraktion: Wir hatten ja kaum eine Debatte hier, wo Sie nicht im Blick auf Entscheidungen, wo wir sagen, mündige Bürgerinnen und Bürger können das selbstverständlich treffen. Im Blick auf die Kindererziehung, wenn ich nur an diese vielen Debatten denke, das zarte Alter von zwei bis drei Jahren, was haben Sie hier Eltern das Recht abgesprochen, darüber verantwortlich entscheiden zu können.
Wir hatten ja auch Waschkörbe voller Briefe, wo gesagt wird, Eltern seien dazu nicht in der Lage, was das denn wäre mit der Wahlfreiheit. Sie würden alle ihre Kinder zu Hause lassen, Keksrolle und Ähnliches. Das wissen wir doch alles. An dieser Stelle sind Sie nicht in der Lage, aber dann sind Sie natürlich in der Lage, landesweit Trägerkreis, bessere Familienpolitik, Volksbegehren zu unterschreiben. Auch im Erfurter Stadtrat ist da natürlich geworben worden. Kein Mensch hat die Kosten genannt, die jetzt offiziell vorliegen dank unserer ehemaligen Kollegin Tamara Thierbach. Sie war ja so amtsbeflissen
und hat diese Zahlen auch - das finde ich sehr löblich - nach bestem Wissen und Gewissen mit 14,5 Mio. € Mehrkosten beziffert. Kein Wort war davon im Vorfeld gefallen, kein Wort bei den vordergründigen Debatten.
Wir haben uns ja hier noch erwehren müssen, als wir das Argument überhaupt in viel konservativeren Schätzungen mal vorgebracht haben. Wir können weitermachen bei der Frage Wahlfreiheit von Schullaufbahnen, wir können weitermachen - das haben wir nicht im Landtag zu verantworten, Bundesebene, europäische Ebene, wir mögen das beklagen, aber wir wissen, wie die einzelnen Fraktionen dazu stehen - das allgemeine Gleichstellungsgesetz AGG, wo vieles, was im ganz normalen menschlichen Verhalten ganz normal menschlich ordentlich läuft, jetzt durch Gesetz reglementiert wird, was nur eines zur Folge hat: Es ruft die Abzocker auf den Plan, es werden künstlich Klagen initiiert, es werden Entschädigungsprozesse in Gang gesetzt mit einer riesigen bürokratischen Mühle, nur weil man den Menschen nicht traut. Und so kann man das durchdeklinieren.
(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Wa- rum hat die CDU dann das Gesetz be- schlossen, wenn es so schrecklich ist?)
um wieder zur kommunalen Ebene zurückzukommen - wollen Sie die von Ihnen so oft geforderte Gemeinde- und Kreisgebietsreform mit entsprechenden Bürgervoten versehen. Originalton eines Satzes, der inzwischen oft zitiert worden ist hier im Hohen Haus: „Wer den Teich trockenlegen will, der darf die Frösche nicht fragen.“ Der Erste, der das hier gesagt hat, war unser früherer Kollege Bodo Ramelow. So viel zum Demokratieverständnis und zur Bürgermitwirkung der Linkspartei. Jetzt haben wir ja einen praktischen Fall: Sachsen-Anhalt macht ja nun die von Ihnen groß gelobte Reform, aber es gibt eine Volks
initiative „Sachsen-Anhalt 2011 - Bürger gegen die flächendeckende Einführung von Einheitsgemeinden und Zwangseingemeindungen in Ober- und Mittelzentren Sachsen-Anhalts“.
Wir müssen das Gesamtbild sehen; es geht nicht beides zusammen, auf der einen Seite zu misstrauen, zu reglementieren und auf der anderen Seite aber alle Kompetenzen für alle politischen Fragen, egal wo auch immer. Ich plädiere deswegen grundsätzlich für wenige klare Regeln und vor allem für klare Verantwortlichkeiten. Es rächt sich am Ende immer - und da können wir hinsehen, wo wir wollen -, wenn wir den Zusammenhang, den wir auch im letzten Plenum diskutiert haben, von Freiheit, Verantwortung und Ordnung immer wieder meinen aufgeben zu müssen. Wir haben ein viel zu geringes Bewusstsein dafür, dass das zusammengehört, Freiheit, Verantwortung, Ordnung und dafür müssen wir ein Bewusstsein schaffen, um aus diesem Bewusstsein dann heraus ergänzende Elemente zu stärken. Das ist im Übrigen ein Bewusstsein, was in Bayern, weil Sie es so oft anführen, in einer ganz anderen Weise vorhanden ist als hier,
über Jahrzehnte Tradition. Da gibt es keine nennenswerte Kraft, die zumindest in Teilen ein unzureichend geklärtes Verhältnis zur parlamentarischen Demokratie hat; das kann man ja nun von Thüringen nicht behaupten,
wo bedenkenlos die Straße gegen demokratisch gewählte Körperschaften mobilisiert wird oder einem Generalstreik das Wort geredet wird. Wenn im Bayerischen Landtag auch mehr Oppositionsanträge zur Verabschiedung kommen, dann muss man sich einmal die Qualität der Anträge ansehen. Auch das spielt eine Rolle.
Ich denke, daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Wir wollen bayerische Verhältnisse, aber wir haben sie eben noch nicht in jedem Punkt. Das alles mit zu bedenken, wenn über die Balance der demokratischen Instrumente in unseren Kommunen, im Land und im
Bund geredet wird, ist uns unabdingbar und unserer Meinung nach ist es gegenwärtig richtiger und wichtiger, die politischen Institutionen zu stärken, dahin gehend das Vertrauen weiter zu stärken. Vor diesem Hintergrund können wir dem Gesetzentwurf, wie er heute hier vorliegt, nicht unsere Zustimmung geben. Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich begrüße neben Ihnen allen ganz herzlich im Vokabular des Herrn Kollegen Fiedler Beck und Co auf der Besuchertribüne,
die Vertreter des Trägerkreises „Mehr Demokratie“, die einen ganz wesentlichen Anteil daran haben, dass wir heute diesen Gesetzentwurf beraten. Es droht, meine Damen und Herren, ein etwas düsterer Tag für die Demokratie zu werden,
allerdings mit gegebenenfalls lichtem Ausblick. Ich danke Ihnen, Frau Lieberknecht, für die ausführliche Darstellung sowohl des Inhalts des Gesetzentwurfs als auch Ihrer Gegenargumente, denn das sorgt zumindest dafür, dass man nicht irgendwann wird sagen können, Sie wussten nicht, was Sie tun. Nennen wir es doch beim Namen, meine Damen und Herren, Thüringen ist mit seiner kommunalen direkten Demokratie das Schlusslicht in Deutschland.
Das brauche ich Ihnen eigentlich nicht zu sagen; Sie wissen das. Dass es in Bayern mehr als einhundertmal mehr Bürgerbegehren im Jahr gibt als in Thüringen, brauche ich Ihnen eigentlich auch nicht zu sagen, auch das wissen Sie. Eine Reform der direkten Demokratie in Kommunen wäre auch angesichts der wachsenden Politikverdrossenheit - eigentlich besser der Politverdrossenheit - der Politikerverdrossenheit, der Parteienverdrossenheit und der Demokratieverdrossenheit nicht nur sinnvoll, sondern dringend nötig. Doch auch das, meine Damen und Her
Alles das und noch viele andere Argumente mehr konnten die CDU-Mehrheit im Hohen Hause nicht bewegen, sich einer Reform direkter Demokratie auf kommunaler Ebene überhaupt nur anzunähern, geschweige denn dem Gesetzentwurf zuzustimmen, den „Mehr Demokratie in Thüringen“ und die Oppositionsfraktionen im Landtag erarbeitet haben. Diese Verweigerungshaltung war schon beeindruckend. Es entbehrte dann auch nicht einer gewissen Pikanterie, dass die hinlänglich bekannte Mehrheit im Innenausschuss sogar den bayerischen Innenminister Günter Beckstein als Anzuhörenden ablehnte. Beckstein ist inzwischen einer der Befürworter direkter Demokratie auch auf kommunaler Ebene. Er hat die Notwendigkeit der besseren Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern erkannt.
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Berich- ten Sie mal den Rest aus dem Innenaus- schuss und nicht nur, was Ihnen passt.)
Er versteht sie heute als Instrumente der Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit der Demokratie, Herr Kollege Fiedler. Doch sein CSU-Parteibuch und die Herkunft aus bayerischen Verhältnissen, die - das haben wir gerade gehört - Frau Lieberknecht sich eigentlich herbeiwünscht, halfen nicht, der Ablehnung durch die CDU-Abgeordneten zu entgehen. Dafür aber fand der Thüringer Innenminister Gasser bedauerlicherweise umso mehr Gehör. Dieser ist felsenfest davon überzeugt, dass die Ostdeutschen für die Demokratie, insbesondere in ihrer direkten Form, noch nicht ganz reif seien.
Er ignoriert dabei allerdings völlig die jüngste deutsche Geschichte, er ignoriert den Herbst ´89. Wer wollte bestreiten, dass die direkte Demokratie, deren Einführung und Ausbau eine der ganz maßgeblichen Forderungen des Herbstes ´89 ist. Genau diese Grundhaltung bestimmte dann auch den Umgang mit dem Gesetzentwurf. Zwar verkündete Frau Groß in der Fernsehsendung „Thüringen exklusiv“ vollmundig, der Landtag habe sich ein Jahr lang mit dem Gesetzentwurf beschäftigt, aber der Wahrheitswert dieser Aussage ist bedauerlich gering.