Protocol of the Session on October 8, 2004

bitte ich jetzt um das Handzeichen.

(Zwischenrufe aus dem Hause: Innenausschuss.)

An den Innenausschuss. Danke. Die Gegenstimmen bitte. Gibt es hier Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit ist das gleiche Ergebnis erzielt und die Ausschussüberweisung ist abgelehnt. Ich schließe damit den Tagesordnungspunkt 6 b.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 15

Soziale Grundsicherung statt Almosen Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 4/139

Die Antrag stellende Fraktion hat beantragt, dass der Antrag begründet wird durch Frau Abgeordnete Jung. Die Landesregierung hat darauf hingewiesen, dass sie den Sofortbericht dann gibt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, Sozialabbau hat einen Namen: Agenda 2010.

(Beifall bei der PDS)

Unter diesem Logo ist die Bundesregierung dabei, den Sozialstaat abzuschaffen. Nahezu unbemerkt von den Medien und der Öffentlichkeit wurde mit dem so genannten Reformpaket Ende Dezember 2003 auch das Sozialhilfegesetz geändert. Versteckt im Gesetzeswust von Hartz IV sollte laut Willen des Gesetzgebers das Sozialhilferecht weiterentwickelt, vereinfacht und kostengünstiger gestaltet werden. Allein ab 1. Januar 2005, also im Jahr des In-KraftTretens des SGB XII, sollen nach Vorstellung der Bundesregierung 66 Mio.   +   : Angaben des zuständigen Bundesministeriums sind dabei die Abgänge von erwerbsfähigen Sozialhilfebezieherinnen und -beziehern ins Arbeitslosengeld II nicht mit eingerechnet. Wer von Sozialhilfe lebt oder sich in dieser Materie auskennt, weiß, dass die zu niedrige Sozialhilfe bereits heute nicht zum Leben reicht. Bereits im ersten Armutsbericht der rotgrünen Bundesregierung aus dem Jahr 2001 wurde diese Feststellung getroffen. So klingt es schon paradox, dass bei der eher schon zu niedrigen Sozialhilfe nun künftig Einsparungen in Millionenhöhe geplant und vorbereitet wurden und werden. Finanzielle Kürzungen erfahren vor allem Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen, indem ihr Barbetrag auf eine einheitliche Höhe von 89,70   gelegt wird. Dies hat zur Folge, dass einem Drittel der Heim

bewohner weniger Geld zur Verfügung steht. Für die Gewährung von Eingliederungshilfen, ambulante Behandlungen, Pflege und Hilfe bei Krankheit wurden die Einkommensgrenzen gesenkt. Das Gleiche gilt für die Gewährung von Blindenhilfe. Zukünftig wird als Maßstab der zweifache Eckregelsatz, also ca. 660 " zugrunde gelegt. Würde das neue SGB XII auf die Beseitigung von Armut zielen, so wie es oft von führenden Bundespolitikern formuliert wurde, dann stünden die vorgegebenen Einsparungen im krassen Widerspruch dazu. Das 1962 in Kraft getretene BSHG war vor rund 40 Jahren so etwas wie der Schlussstein bei der Errichtung des Sozialstaates Bundesrepublik Deutschland. Es wurde als unterstes soziales Netz für in Not Geratene installiert. Nun wird es außer Dienst gestellt. Bisher war es unerheblich, ob jemand erwerbstätig oder erwerbslos, verheiratet oder allein erziehend, ob Frau oder Mann, ob Greis oder Kind ist. Dreh- und Angelpunkt war das vorhandene Einkommen und Vermögen. Wenn dies nicht den täglichen Bedarf zum Leben deckte, musste die Sozialhilfe einspringen. Ab 01.01.2005 werden Menschen in erwerbsfähig und nicht erwerbsfähig eingeteilt. Erstere bekommen eine Grundsicherung für Arbeit Suchende; nicht Erwerbsfähige beziehen Sozialhilfe. Auf die Länder und Kommunen kommt also eine Vielzahl von neuen Regelungen zu, deren Auslegungen und Auswirkungen in Form von Ausführungsgesetzen bzw. Richtlinien und Verordnungen bis heute in Gänze nicht absehbar sind. In den verbleibenden knapp zehn Wochen muss nach Auffassung der PDS-Fraktion die Landesregierung ein Ausführungsgesetz zum SGB XII vorlegen und verabschieden lassen, damit die Verantwortlichen auf unterster Ebene zukünftig Rechtssicherheit bei dessen Umsetzung haben. Gleichzeitig sieht die PDS-Fraktion es als dringend notwendig an, dass die Landesregierung im Bundesrat unverzüglich aktiv wird, damit das kritikwürdige Gesetz zum SGB XII menschliche Antlitze erhält. Unsere Vorstellungen dazu haben wir im Antrag formuliert. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Die Landesregierung hat angekündigt, den Bericht sofort zu geben. Herr Minister Dr. Zeh, bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, mit Beginn des nächsten Jahres treten die leistungsrechtlichen Vorschriften des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches, kurz SGB XII, in Kraft. Zur Regelung des Übergangs vom Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zum SGB XII ist ein entsprechendes Landesausführungsgesetz zum

SGB XII notwendig. Mit diesem Gesetz soll der bisherige Ansatz der Landesregierung fortgeführt werden, eine zeit-, eine orts- und eine bürgernahe kontinuierliche Hilfe aus einer Hand sicherzustellen, und zwar durch Bündelung der gesamten Einzelfallhilfe bei den Kommunen. Damit wird die Verantwortung der Aufgaben, die Steuerung der Ausgaben und die Verantwortung der Kosten bei den Kommunen zusammengefasst. Durch Stärkung des ambulanten Bereichs wird zudem der Übergang von der stationären in die kostengünstigere ambulante Eingliederungshilfe sichergestellt.

Nun zu Ziffer 1 - Umsetzung des SGB XII auf Landesebene: Derzeit befindet sich das Ausführungsgesetz zum SGB XII in der Abstimmung. Daher kann ich noch nicht auf Einzelheiten eingehen. Aber ich möchte dennoch die wichtigsten inhaltlichen Punkte ansprechen. Entsprechend der bisherigen Regelung im Thüringer Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz wird die sachliche Zuständigkeit für nahezu alle Hilfen nach SGB XII auf die örtlichen Träger der Sozialhilfe übertragen. Beim überörtlichen Träger der Sozialhilfe verbleiben die Zuständigkeiten, die aufgrund bundesgesetzlicher Regelungen beim Land bleiben müssen, wie z.B. die Sozialhilfe für Deutsche im Ausland oder die Kostenerstattung bei Einreise aus dem Ausland, entsprechend § 108 des SGB XII. Wie schon im Thüringer Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz geregelt, verbleibt auch die Verantwortung für Planung und Steuerung beim überörtlichen Träger der Sozialhilfe. Damit wird eine einheitliche Standort- und Bedarfsplanung unter Berücksichtigung landesweiter Erfordernisse sichergestellt. Die Belange der örtlichen Träger der Sozialhilfe finden durch die Beteiligung in der Planungskommission Berücksichtigung. Wie bisher beteiligt sich das Land an den Kosten der Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt, der Hilfe in besonderen Lebenslagen und an den Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Dabei wird berücksichtigt, dass mit In-Kraft-Treten des SGB II ein Großteil der bisherigen Empfänger der Hilfe zum Lebensunterhalt aus dem Leistungsbereich der Sozialhilfe herausfallen und künftig Leistungen der Grundsicherung für Arbeit Suchende nach dem SGB II erhalten wird. Das sind also Regelungen des Arbeitslosengelds II, wie allgemein bekannt.

Angesichts der großen Zahl der Rechtsverordnungen der Bundes- und Landesseite, die dort erlassen werden können, die teils auch erlassen werden müssen, würde es den Rahmen brechen, wenn ich auf jede einzelne gesondert eingehen wollte. Das betrifft jetzt den Punkt 2 - Stand der Arbeit und der zu erlassenden Rechtsverordnungen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir uns bei der Erarbeitung der seitens des Landes notwendigen Verordnungen - hier insbesondere der Regelsatzverordnung, auf die gleich noch ein

zugehen ist - im Zeitplan befinden und eine rechtzeitige Fertigstellung garantiert ist.

Zu Ihrem Punkt 3 - Auswirkung der Umsetzung des SGB XII: Die Umsetzung des SGB XII bringt weit reichende Veränderungen mit sich. Ich möchte speziell auf die Personengruppen eingehen, die von der Fraktion der PDS angesprochen worden sind. Für die Bewohner von Pflegeheimen und für Menschen mit Behinderungen werden vor allem vier Änderungen eintreten:

1. Die Einkommensgrenzen werden vereinheitlicht. Das Bundessozialhilfegesetz sah bisher eine Staffelung von allgemeinen und besonderen Einkommensgrenzen vor, die an unterschiedlichen Leistungsarten geknüpft waren. Mit dem SGB XII wurden diese besonderen Einkommensgrenzen abgeschafft. Stattdessen wird der Grundbetrag des nicht anrechenbaren Einkommens für Hilfeempfänger der Leistungen der Eingliederungshilfe ab dem 01.01.2005 662  betragen. Dies entspricht dem doppelten Grundbetrag von 331     Eckregelsatz.

2. Die Vermögensfreigrenze wird vereinheitlicht. Die Vermögensschonbeträge erhöhen sich im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt von bislang 1.279  auf 1.600  , *%  6 1  Vollerwerbsgeminderten. Bei den bisherigen Hilfen in besonderen Lebenslagen, z.B. der Eingliederungshilfe, erhöhen sich diese von 2.301  6  Die besondere Vermögensfreigrenze bei der Blindenhilfe entfällt. Diese Vereinheitlichung ist logische Folge der neu konzipierten Regelsätze. Denn wenn die Leistungsberechtigten Ansparungen für größere Anschaffungen machen sollen, dürfen diese bei der Vermögensanrechnung nicht berücksichtigt werden.

3. Der Barbetrag zum notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen entsprechend § 35 SGB XII wird abgesenkt, und zwar auf 26 Prozent des Eckregelsatzes. Zuvor lag er bei 30 Prozent. Auch das ist Folge der Neukonzeption der Regelsätze. Bei der Neufestsetzung wird künftig ein Großteil der bisherigen einmaligen Leistungen pauschal berücksichtigt. Da somit der Eckregelsatz angehoben wurde, war eine entsprechende Anpassung des Prozentsatzes für den Zusatzbarbetrag erforderlich. In absoluten Zahlen wird der Barbetrag dann sogar auch noch steigen.

4. Der zusätzliche Barbetrag für Hilfeempfänger in stationären Einrichtungen, die einen Teil der Aufenthaltskosten selbst erbringen, wird gestrichen. So soll die bestehende Ungleichbehandlung von Leistungsberechtigten inner- und außerhalb von Einrichtungen beendet werden. Nur so ist der Grundsatz "ambulant vor stationär" auch in der Praxis durchzusetzen. Für Haftentlassene und Obdachlose, die er

werbsfähig sind, greifen vorrangig die Regelungen des SGB II, sofern keine stationäre Unterbringung erforderlich ist. Anderenfalls erhalten diese Personen auch weiterhin Leistungen im Rahmen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Diese umfasst dann auch die Hilfe zur Ausbildung oder zur Erlangung und Sicherung eines Arbeitsplatzes. Asylbewerber erhalten in Zuständigkeit des Innenministeriums Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Zu Ziffer 2, was die Regelsätze angeht: Unter allen zu erarbeitenden Rechtsverordnungen ist die Regelsatzverordnung die wichtigste. Mit der Regelsatzverordnung vom 3. Juni 2004 hat das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung die Vorschriften über Inhalt, Bemessung und Aufbau der Regelsätze sowie ihre Berechnung und Fortschreibung festgelegt. Zurzeit wird im Thüringer Sozialministerium der Referentenentwurf einer Regelsatzverordnung erarbeitet und er orientiert sich an den Eckwerten, die die Bundesregierung vorgegeben hat. Zwar ermöglicht eine Öffnungsklausel den Ländern die Höhe des jeweiligen monatlichen Regelsatzes entsprechend den regionalen Gegebenheiten abweichend festzulegen, dennoch wollen wir uns an den Eckwerten, die die Bundesregierung vorgegeben hat, orientieren. Ob tatsächlich konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die eine Abweichung erforderlich machen, wird zurzeit geprüft.

Zu Ziffer 3 - die Novellierung des SGB XII. Die unter Ziffer 3 gestellten Forderungen lehnt die Landesregierung ab, und zwar aus verschieden Gründen. Lassen Sie mich kurz auf die einzelnen Punkte eingehen. Die Pauschalierung der Sozialhilfe steigert unseres Erachtens nach die Selbstverantwortung der Leistungshilfeempfänger. Den Leistungshilfeempfängern wird die Möglichkeit eröffnet, selbst über die erhaltenen Mittel zu bestimmen und einen Teil dieser Mittel anzusparen. Zudem führt die Pauschalierung der Sozialhilfe zum Abbau von Bürokratie und trägt zur Deregulierung bei. Insofern begrüße ich die Pauschalierung ausdrücklich.

Zur Überprüfung der Regelsätze habe ich eben schon Stellung genommen. Was die Forderung nach Einführung eines zweijährigen Überprüfungsturnus angeht, weise ich die Fraktion der PDS darauf hin, dass mit der jährlichen Festsetzung der Regelsätze zum 1. Juli eines jeden Jahres eine jährliche Überprüfungsmöglichkeit bereits gesetzlich festgeschrieben ist. Bei gründlicher Lektüre der Bestimmungen hätten Sie meines Erachtens selbst zu dem Schluss kommen können, dass diese Forderung eigentlich unsinnig ist. Schließlich fordern Sie die Verbesserung der Regelungen über die Vermögensanrechnung. Ich weise abermals darauf hin, dass sich die bisher festgelegten Vermögensgrenzen mit der bereits erlassenen

Durchführungsverordnung erhöht haben, und zwar im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt von 1.279  auf 1.600   , *%  6 1ren oder Vollerwerbsgeminderten und bei den bisherigen Hilfen in besonderen Lebenslagen von 2.301  auf 2.600 4%      . standslos.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Umsetzung des SGB XII in Thüringen ist auf gutem Wege, so lässt sich auf jeden Fall erst einmal feststellen. Angesichts der Tatsache, dass die Forderungen der PDS-Fraktion offensichtlich unbegründet sind, kann ich dem hohen Haus nur die Ablehnung des Antrags empfehlen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Soll über den Sofortbericht die Aussprache geführt werden? Beantragt das die PDS-Fraktion? Gut. Dann werden wir jetzt die Aussprache zum Sofortbericht und für die Nummern 2 und 3 des Antrags der PDSFraktion führen und ich rufe als ersten Redner auf für die SPD-Fraktion den Abgeordneten Pilger.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die von der PDS-Fraktion eingebrachte Drucksache 4/139 ist wieder einmal eine Vermischung von unterschiedlichen Anliegen, die es uns dann unmöglich macht, zuzustimmen, obwohl wir einige Punkte gern unterstützen würden. Im vorliegenden Antrag finden wir ein Berichtsersuchen an die Landesregierung, einen Antrag, der sich auf Landesregelungen bezieht, und Anträge, die auf die Änderung des SGB XII gerichtet sind. Ihrem Berichtsersuchen ist die Landesregierung ja bereits nachgekommen.

Die Forderung in Punkt 2 des Antrags der PDS-Fraktion nach einer Erhöhung der Regelsätze für Thüringer Betroffene können wir grundsätzlich unterstützen. Wir hätten nur gern von der PDS-Fraktion gewusst, von welcher Grundlage aus die Erhöhung der Thüringer Regelsätze berechnet werden soll. Eine nominale Erhöhung gegenüber den bisherigen Zahlbeträgen erfolgt ja ab 2005. Es hat uns auch nicht weitergeholfen, dass Sie den geforderten Anhebungsbetrag im Antrag nicht beziffert haben.

Und noch eine Frage muss geklärt werden: Wie wird die finanzielle Belastung der Träger der Sozialhilfe ausgeglichen? Dazu sollten wir auf jeden Fall eine Antwort geben.

Ich bin überzeugt, wir brauchen zu dieser Frage eine umfassendere grundsätzlichere Diskussion in unserem Staat. Wir können nicht die Frage nach Mindestlöhnen, das Lohnabstandsgebot, Kleinstrenten und sonstige niedrige Einkommen außer Acht lassen, wenn wir Regelsätze der Sozialhilfe anheben. Wir müssen gegen die immer unverschämtere Forderung von Verbandsfunktionären der Wirtschaft nach weiteren Absenkungen von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe einen Damm bauen. Ich bin froh, dass gestern der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPDBundestagsfraktion Klaus Brandner hierzu deutliche Worte gefunden hat. Genau deshalb treten wir für einen Mindestlohn ein, der deutlich über dem Sozialhilfebedarf liegen muss.

(Beifall bei der PDS)

Wir sollten nach Wegen suchen, wie wir gemeinsam Niedrigeinkommen auf ein auskömmliches Niveau bringen. Welchen Beitrag zur Erhöhung der Regelsätze die Landesregierung zu leisten gewillt ist und welche Möglichkeiten sie sieht, werden wir übrigens auch aus der Antwort auf die Kleine Anfrage 98 meiner Kollegin Künast ersehen.

Nun zu dem schwierigen Teil 3 Ihres Antrags: Nicht nur wir hier in Thüringen, nein auch die Europäische Union wäre Ihnen von der PDS sehr dankbar, wenn sie endlich erführen, welches die allgemein gültige und allumfassende Definition des soziokulturellen Existenzminimums ist. Wahrscheinlich haben Sie aber auch keine, die allgemein gültig ist. Die Bundesrepublik Deutschland richtet sich in ihrer Definition nach der der Europäischen Gemeinschaft von 1984, nach der Personen, Familien und Gruppen als arm gelten, die über so geringe materielle, kulturelle und soziale Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist. Das hilft ihnen bei der Quantifizierung der Ansprüche wahrscheinlich auch nicht weiter.

Mir ist auch nicht ersichtlich, wo es eine Verbesserung für die Sozialhilfeempfänger geben soll, wenn Sie eine Überprüfung der Regelsätze alle zwei Jahre verlangen. Herr Minister Zeh hat schon darauf hingewiesen, dass vom Gesetzgeber eine jährliche Festsetzung der Regelsätze durch die Landesregierung zum 1. Juli eines jeden Jahres gefordert wird. Aber vielleicht haben Sie sich nur unklar ausgedrückt und meinen die Regelsatzbemessung. Da hätten wir auch lieber eine dichtere Folge der Einkommens- und Verbrauchsstichproben inklusive der Auswertung.

In Bezug auf die Anrechnung von Vermögen für die Altersvorsorge verweise ich Sie auf den § 90 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII. Staatlich geförderte Altersvorsorge wird nicht angerechnet. Weiterhin verweise ich dann

noch auf den Absatz 3 desselben Paragraphen, nachdem die Bewilligung von Sozialhilfe u.a. nicht abhängig gemacht werden darf vom Einsatz bzw. von der Verwertung des Vermögens, das einer angemessenen Alterssicherung dient. Die Vermögensanrechnung ist aus unserer Sicht im SGB XII für die Altersvorsorge ausreichend geregelt.

Ihre nächste Forderung - Rücknahme der Pauschalierung der Regelsätze - ist für uns nicht annehmbar, und ich will mich da auch der Argumentation von Herrn Minister Zeh anschließen. Die Praxis, ständig neue Anträge für Einzelleistungen auf dem Sozialamt stellen zu müssen, haben die Leistungsempfänger als herabwürdigend und als Bevormundung empfunden. Von Seiten der Verwaltung wurde dies ebenfalls als ein bürokratischer Aufwand, weil immer mit dem gleichen Ergebnis, angesehen. Alle Betroffenen - Leistungsempfänger, Verbände und die Leistungserbringer - haben mehr Selbständigkeit gefordert. Die PDS-Forderung widerspricht ja auch den Ergebnissen der zuvor in der Praxis durchgeführten Modellversuche. Sowohl die Leistungserbringer wegen des geringeren Verwaltungsaufwands als auch die Leistungsempfänger, die sich dadurch nicht ständig als Almosenempfänger gegängelt fühlten, haben sich für eine pauschale Auszahlung der Beträge ausgesprochen.

Für Betroffene, die Schwierigkeiten mit einer wirtschaftlichen Haushaltsführung haben, besteht von uns die Forderung nach Erfüllung eines bestehenden gesetzlichen Anspruchs: Hilfe durch umfangreiche Beratung. Sozialhilfe besteht eben nicht bloß aus finanziellen Leistungen des Staates, sondern auch aus Beratungs- und Unterstützungsangeboten, die leider oft zu kurz kommen. Gegen eine Verbesserung der Situation von Sozialhilfeempfängern wird hier im Raum wohl keiner etwas haben. Die Situation als solche ist schlimm genug. Aufgabe der Sozialhilfe ist es, die Betroffenen, soweit wie es geht, wieder zu einer selbstständigen Lebensführung zu bringen. Wenn durch die Pauschalierung den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sozialämter mehr Zeit gegeben wird, mit den Betroffenen zu reden und sie zu beraten, wäre dies ein nicht zu unterschätzender weiterer positiver Effekt der Pauschalierung der Sozialhilfe.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, die Anliegen aus dem 3. Teil des Antrags verhindern, dass die SPD-Fraktion der Drucksache 4/139 zustimmen kann. Eine Ausschussüberweisung werden wir jedoch unterstützen. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Tamara Thierbach von der PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, werte Kollegen, es ist richtig, Herr Pilger, der Antrag hat eine Dreigliedrigkeit, und zwar eine bewusste Dreigliedrigkeit, weil dem Problem des SGB XII keiner allein begegnen können wird, sondern wir werden mit dieser Dreigliedrigkeit in der Verantwortung, solange es solche Regelungen gibt, leben müssen, denn genau dieses war schon das Problem beim bestehenden Bundessozialhilfegesetz. Diese Dreigliedrigkeit war auch deswegen gewollt, weil wir wissen wollten, wie ist der Stand der Landesregierung an den Vorbereitungen, damit dieses Gesetz am 01.01.2005 in Kraft treten kann und eher irgendjemand überhaupt irgendeine Klarheit zu diesem Zeitpunkt hat.

Ich werde mich auf den Bericht des Ministers nicht weiter beziehen, außer an einigen ausgewählten Punkten, wo ich glaube, er sollte bekennen, wie der Landtag in einer sachlich, fachlich korrekten Art diesen Gesetzentwurf, der ja bis zum 01.01.2005 dann auch verabschiedet sein muss, überhaupt realisieren will. Wenn ich richtig bin, haben wir heute den 8. Oktober. Wenn ich richtig bin, haben wir im November ein Plenum und wir haben auch im Dezember ein Plenum. Ich glaube aber, einfach zu sagen, da sind 4 Wochen dazwischen, das kommt einer Umsetzung eines neuen Gesetzes, das ein Gesetz ist, das seit 1962 bestand, überhaupt nicht entgegen. Das ist dann der so genannte Schnellschuss, das wäre nämlich auch eine unverantwortliche Diskussion. Ich glaube, wir müssten schon längst über ein Ausführungsgesetz in seinem Entwurf diskutieren, damit freie Träger, Leistungserbringer, Leistungsempfänger, Vereine und Verbände beteiligt hätten werden können und nicht nur im Kabinettsvorlauf, sondern tatsächlich auch im Gesetzgebungsverfahren hier im Haus, denn alle Abgeordneten mögen bitte auch die Konsequenzen des Gesetzes dann einigermaßen bekennen.

(Beifall bei der PDS)

Wir haben gegenwärtig 59.000 Menschen in Thüringen, die auf eine finanzielle Unterstützung, um ihr tagtägliches Leben gestalten zu können, angewiesen sind. Davon sind über 20.000 Kinder und Jugendliche. Keiner weiß gegenwärtig, wie viele tatsächlich in die so genannte Erwerbsfähigkeit, nämlich in das Arbeitslosengeld II davon überführt werden. Keiner weiß, wie viele Kinder und Jugendliche damit in ihren Familien vielleicht eine andere Situation haben. Da aber der Betrag, das Einkommen, das

Ersatzeinkommen Arbeitslosengeld und Sozialhilfegeld gleich hoch sind, nämlich 331 "(  sich für die Kinder gar nichts. Wir werden weiter erleben, dass die Kinder und Jugendlichen, diese 20.000, eine Lebensbiographie beginnen, die sie in Armut erleben, und diese Armut zu verhindern war das Ziel bzw. den Menschen daraus einen Ausweg zu zeigen. Das haben Sie heute in Ihrem Herangehen an das Ausführungsgesetz mit keinem Wort, auch nicht mit einer Tendenz von Handeln beschrieben, wie Sie das machen wollen. Ihre Ausführungen zum Berichtsersuchen waren beschreibende Formen, wie Sie vielleicht verwaltungsrechtlich etwas regeln wollen und wie Sie dann den Kommunen die Aufgabe delegieren. Unser Problem bei dem Antrag ist die Tatsache, dass man über Höhen, über Regelsätze und über ein so genanntes Existenzminimum - was jeder zur Teilhabe am Leben haben soll - diskutieren muss. Da gibt es unterschiedliche Auffassungen. Ist es tatsächlich so, wenn keiner verhungert, dass er dann den Sockelbetrag hat, um am Leben teilzunehmen? Reicht das Wohngeld aus? Diese Fragen sind überhaupt nicht beantwortet.

Ich möchte jetzt konkret zu dem Teil 2 unseres Antrags kommen. Die Landesregierung wird aufgefordert, die gesetzlichen Regelungen im Sozialgesetzbuch XII auszuloten und so anzuwenden, dass eine Erhöhung der Regelsätze für Thüringer Betroffene zum 1. Januar 2005 erreicht wird. Sie haben gesagt, Sie hätten keinen Spielraum, Sie haben gesagt, es wird gegenwärtig untersucht,