Selbst die eigene CDU-Nachwuchsorganisation hält diese Entscheidung für falsch, wie wir in der Zeitung nachlesen konnten.
Deshalb fordere ich Sie als Landesregierung auf: Kehren Sie um, verzichten Sie auf die Klage und stellen Sie sich endlich der inhaltlichen Debatte!
Denn die Familien in Thüringen brauchen keinen langen Streit vor den Gerichten; was sie brauchen, ist eine gute Familienpolitik. Die jetzige Politik der Landesregierung ist nicht gut. Das zeigen die massiven Proteste der Eltern und über 20.000 Unterschriften zur Zulassung des Volksbegehrens.
Die Landesregierung behauptet, sie müsse das Verfassungsgericht anrufen - das ist falsch. Artikel 82 Abs. 2 unserer Verfassung sagt: „Volksbegehren zum Landeshaushalt, zu Dienst- und Versorgungsbezügen, Abgaben und Personalentscheidungen sind unzulässig.“ Dann heißt es im Kommentar von Linck/Jutzi/Hopfe: „Haushaltsauswirkungen geringfügiger Art, die im Haushalt ohne grundsätzliche Umstrukturierungen aufgefangen werden können, führen nicht zur Anwendbarkeit des Artikels 82 Abs. 2. Dann heißt es weiter: „Ein anderes Verständnis bedeutete im Hinblick auf die Haushaltswirksamkeit der meisten Gesetze ein vom Verfassungsgeber nicht gewolltes, nahezu vollständiges Verbot der Volksgesetzgebung.“ Wenn man sich das genauer anschaut, dann heißt das: Die Landesregierung hat einen deutlichen Ermessensspielraum bei der Beurteilung, ob die Haushaltswirkung sich im verfassungsmäßigen Rahmen bewegt. Die Landesregierung will aber unbedingt klagen. Das sieht man schon an den behaupteten zusätzlichen Kosten des Volksbegehrens. Wenn die Regelungen in Kraft treten, die das Volksbegehren will, muss das Land - das haben wir sehr konkret durchgerechnet - rund 184 Mio. € an Förderung zahlen. Jetzt nehme ich mal die Zahlen Familienförderung aus dem letzten Jahr, die Ist-Zah
len des Landeshaushalts 2005, das waren 176 Mio. €. Die Differenz zwischen den Ist-Zahlen 2005 und dem, was die Initiative will, beträgt ganze 8 Mio. €. Und wenn man die Haushaltsplanung von 2007 nimmt, so will das Land insgesamt 162 Mio. € ausgeben, dann beträgt die Differenz zum Volksbegehren 22 Mio. € - und das Ganze bei einem Landeshaushalt von über 9 Mrd. €.
Die Landesregierung behauptet in ihrer Presseerklärung, sie müsse über 100 Mio. € mehr zahlen. Das ist eine völlig falsche Angabe und ich weiß nicht, wie Sie zu diesen Zahlen kommen. Die Zahlentrickserei zeigt aber eines: Die Landesregierung musste nicht klagen, sie wollte klagen.
Ich sage Ihnen eines: Die CDU klagt damit gegen das Volk, zumindest gegen die mehrheitliche Auffassung in der Thüringer Bevölkerung.
Denn laut Thüringen-Monitor 2002, den die Landesregierung selbst in Auftrag gab, wollen fast zwei Drittel der Thüringer lieber eine bessere Kinderbetreuung statt mehr Geld für die Eltern - eine klare und eindeutige Aussage. Das interessiert die Landesregierung aber nicht. Herr Althaus setzt stur sein konservatives Familienbild in Politik um. Er zahlt eine Prämie dafür, dass Mütter zu Hause bleiben und die Kinder nicht in den Kindergarten gehen.
Und jetzt spielen Sie auf Zeit. Sie glauben, dass dem Volksbegehren damit die Puste ausgeht. Ich sage Ihnen, da täuschen Sie sich. Die Menschen sind es immer mehr leid, von dieser CDU am Gängelband geführt zu werden. Sie werden sich zur Wehr setzen und wir werden sie dabei unterstützen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrter Herr Kollege Matschie, also ich finde schon, Ihre Auffassung ist wirklich an Ignoranz der rechtlichen Grundlagen nicht zu überbieten.
Wir sind hier auch nicht die Rechenmeister der Nation. Allein diese verschiedenen Berechnungen zeigen schon, dass Zweifel sehr wohl angebracht sind, und ich möchte ganz deutlich die Position der CDULandtagsfraktion hier in dieser Aktuellen Stunde sagen.
Das Erste ist: „Recht muss Recht bleiben.“ Das ist keine Erfindung unserer Fraktion und auch keine Erfindung der CDU; das hat sich medien-öffentlich, wie in Thüringer Tageszeitungen zu lesen ist, herumgesprochen. Wir sind hier nicht bei „Wünsch Dir was“, wir sind hier auch nicht bei „Mensch ärgere Dich nicht“, sondern wir sind bei einem ganz klaren Grundsatz, der in diesem Hause im Übrigen schon einmal die Mehrheit und nicht nur die Mehrheit, sondern Einigkeit hervorgerufen hat. Selbstverständlich gilt für die Volksgesetzgebung, was für jedes andere Gesetz auch gilt: Es muss verfassungskonform sein. Das gilt von Beginn dieses Landtags an: kein Gesetz vonseiten der Fraktion ohne Prüfung im Justizausschuss, kein Gesetz der Landesregierung ohne Prüfung im Justizministerium und natürlich auch keine Volksgesetzgebung, bei der Zweifel nicht das Gebot einer juristischen Prüfung nach sich ziehen. Schmerzvoll - ich erinnere daran, die damals dabei waren in der letzten Legislatur - haben wir und die ganze Thüringer Öffentlichkeit beim Volksbegehren über mehr Demokratie in den Jahren 2001/2002 erfahren, was es heißt, wenn diese Überprüfung erst nach Hunderttausenden eingeholter Stimmen erfolgt, damals 360.000 Stimmen und etwas mehr, die zwar moralisch und politisch galten, da gebe ich Ihnen Recht, aber rechtlich eben dann doch keinen Bestand hatten. Alle drei Fraktionen dieses Landtags waren sich damals einig und haben gesagt, das wollen wir nicht noch einmal, diese Überprüfung an dieser Stelle. Wenn es denn Zweifel gibt, muss sie am Beginn des Verfahrens stehen und so haben wir es dann auch einstimmig in diesem Haus beschlossen.
Also: „Recht muss Recht bleiben“ und nicht nur das, sondern - wie andere Beobachter auch öffentlich inzwischen kommentieren, auch das ist in der Thüringer Presse nachzulesen - „die Landtagsopposition sollte deshalb aufhören, den Gang vor das Verfassungsgericht madig zu machen. Nicht dieser mehrt die Politikverdrossenheit, sondern das Entwerten demokratischer Spielregeln.“
Also sage ich, Recht hat dieser Kommentator. Halten wir uns an diese - nein, es war ein freier Journalist, der für Thüringer Tageszeitungen schreibt -, halten wir uns an diese Spielregeln. Nun weiß ich
sehr genau, dass nicht nur die Opposition ob ihres Populismus gescholten wird, sondern dass es klare Erwartungen - und Sie haben sie auch ausgedrückt, Herr Matschie - an die CDU-Landtagsfraktion, an jeden Kollegen, jede Kollegin, die hier sitzen, gibt, an die Landesregierung, an die CDU. Dass es natürlich nicht nur bei der Klage bleiben kann, sondern dass wir das tun, was wir nun schon anderthalb Jahre und länger in diesem Land tun, dass wir uns inhaltlich auseinandersetzen. Diese inhaltliche Auseinandersetzung zeigt ja auch Früchte, wenn wir allein die Stellungnahme der Industrie- und Handelskammern nehmen - immerhin hier in Erfurt Vertreter für 58.000 Unternehmen im Land, wo ja auch Belegschaften dazugehören -, die sagen, diese Familienoffensive ist im Kern richtig; ihr müsst offensiver sein, stellt doch das Positive noch mehr heraus.
Dass Akteure natürlich bei Kritik im Einzelnen sagen, jawohl, Familien müssen gestärkt werden, dass es inzwischen die Meldungen gibt, wo ganz klar festgestellt wird, Abmeldung der Zwei- bis Dreijährigen blieb aus. Und selbst die Osterländer Volkszeitung führt ins Feld: „Familienfördergesetz noch ohne negative Folgen“. Einzelbeispiele stelle ich wirklich nicht in Abrede.
Die ganze Debatte führen wir selbstverständlich und am Ende - sage ich mal - wird es sein wie immer, wenn der Pulverdampf allgemeiner Entrüstung erst mal verflogen ist, wird auch die Opposition hier im Hause zu manch weiterführender Erkenntnis vielleicht kommen. Die CDU-Landtagsfraktion steht vorbehaltlos hinter der Landesregierung und dem Entschluss, den sie von Verfassungs wegen machen musste, nämlich den Verfassungsgerichtshof anzurufen. Danke schön.
berknecht, die Frage, dass es natürlich trotz Gerichtsurteils weiter in der Angelegenheit, so habe ich Sie verstanden, Debatte geben soll und geben kann, da muss ich natürlich mal ganz deutlich sagen an der Stelle: Die Debatte über die Fragen und Probleme, die hätten wir mehr als ein Jahr haben können.
Hier haben Sie sich verweigert, Sie haben hier Ihre Gesetzesvorlage durchgebracht ohne jede Rücksicht auf die öffentliche Debatte.
Jetzt wollen Sie sich - und das muss man schon in dem Zusammenhang deutlich sagen - mit dem Gerichtsurteil sozusagen nachträglich die Richtigkeit Ihrer Politik bestätigen lassen an dieser Stelle. Da gibt es rechtlich sicherlich keine Einwände, aber politisch muss ich da noch mal ganz deutlich sagen, Sie werden damit die Kritiken und die Proteste nicht mundtot machen, die es im Lande gibt, weil Sie einfach aus Erfahrung Berechtigung haben, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion.
Wenn wir die Debatte mit Ihnen in anderer Art und Weise hätten führen können, dann brauchten wir auch nicht in diese rechtliche Möglichkeit, die Sie nun nach Ihrer Auslegung für sich in Anspruch nehmen, und dann hätten wir nicht die Frage, dass Sie nämlich jetzt politisch in einer Sackgasse angekommen sind, meine Damen und Herren, weil Sie nicht in der Lage sind, im Land politisch für Ihre Mehrheiten zu werben, weil die inhaltlichen Fragen und Stolpersteine viel zu groß sind an dieser Stelle.
Ich will Ihnen mal sagen, ich sehe auch den Blick auf die zurückliegende Zeit durchaus ein bisschen anders, Frau Lieberknecht. Sie sind damals beim „Volksbegehren für mehr Demokratie“ vor den Verfassungsgerichtshof gezogen. Sie haben ein Urteil erhalten, was in Ihrer Richtung durchaus ein positives gewesen ist. Dennoch haben Sie sich hinterher - und ich denke, das war nicht so sehr die Folge des Gerichtsurteils, sondern das war die Folge der Tatsache, dass die öffentliche Debatte weitergegangen ist, dass die Diskussion weiter stattgefunden hat - mit uns an den Tisch gesetzt und wir haben gemeinsam zwischen den Fraktionen dieses Hauses damals den Kompromiss, der dann mehrheitsfähig gewesen ist, ausgearbeitet. Müssen wir denn immer diesen Umweg gehen in dieser Frage? Hätten wir uns denn nicht im Interesse der Betrof
fenen viel eher - und könnten es auch jetzt noch - zusammensetzen und die inhaltlichen Probleme noch einmal aufwerfen und debattieren können? Ja, so ist das, meine Damen und Herren. Ich muss Ihnen deutlich sagen, Herr Matschie - da kann ich Ihnen nur zustimmen - hat hier darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Zwang, dieser Automatismus zur Klage nicht besteht. Es gibt auch andere, zweifelsfrei viel liberalere Umgangsformen in anderen Bundesländern mit ähnlich gearteten Fragen, auch die könnte man zur Grundlage nehmen; aber das ist nicht Ihre Sicht der Dinge. Sie gebrauchen das ja selbst bei uns eher sehr sparsam formulierte Gebot des Haushaltsvorbehalts in einer ganz extensiven Art und Weise, die der Angelegenheit und der öffentlichen Meinung in dem Zusammenhang einfach aus meiner Sicht nicht gerecht wird.
Ich bleibe in diesem Zusammenhang dabei, dieser Gang ist letzten Endes nicht nur wegen der politischen Auseinandersetzung, meine Damen und Herren, ein großes Problem, er ist auch deshalb ein großes Problem, weil Sie vor der Öffentlichkeit erneut deutlich machen, im politischen Dialog wollen Sie keine Lösung erreichen. Sie wollen das jetzt per Gerichtsurteil klären lassen und glauben Sie mir, Sie stellen damit der Demokratie, ihrer Funktionsfähigkeit und gar dem politischen Handeln und der Angemessenheit der Arbeit einer Landesregierung kein gutes Zeugnis aus. Sie stärken nicht das Vertrauen in die Institutionen dieses Landes, in diesen Landtag, sondern Sie schwächen das eher an dieser Stelle und das ist darüber hinausgehend ein viel weitergehendes Problem, meine Damen und Herren. Ich rufe Sie dennoch auf zur Debatte und zur Umkehr.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich habe, als wir das letzte Mal über dieses Thema hier in diesem Saal gesprochen haben, sowohl der Landesregierung als auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Kommunikationsprobleme unterstellt und ich muss sagen, mit Ihrem Redebeitrag, Frau Lieberknecht, haben Sie das heute unterstrichen. Sie haben Angst vor Kommunikation, insbesondere mit dem eigenen Volk. Dass Sie das mit uns als Oppositionsparteien haben, das kann man ja vielleicht noch nachsehen, das andere allerdings nicht. Und wenn Sie ausgerechnet von demokra
tischen Spielregeln sprechen, dann gehört es dazu nach demokratischen Spielregeln - und das war eigentlich schon immer so -, dass es eine inhaltliche Auseinandersetzung gibt über ein Thema, bevor man es entscheidet. Genau das haben Sie nie gemacht und jetzt reden Sie von demokratischen Spielregeln - erster Punkt.