Zu Frage 1: Statistische Angaben, wie viel Prozesskostenhilfe-Berechtigte mit einem Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenzen in den letzten drei Jahren an Gerichtsverfahren beteiligt waren, wurden nicht erhoben. Aus diesem Grund können auch keine Angaben dazu gemacht werden, wie viele Berechtigte davon Bezieher von Arbeitslosengeld II bzw. Sozialhilfe waren.
Zu Frage 2: Die Entwicklung der Ausgaben und Einnahmen im Bereich der Prozesskostenhilfe in den letzten drei Jahren kann ich wie folgt angeben: Für das Jahr 2003 ist es nur eine Schätzung, weil getrennte Zahlen nicht erhoben wurden, da sind noch andere Ausgaben mit drin, da kommt es auf etwa 11 Mio. €, für 2004 auf 12,2 Mio. €, für 2005 auf 13,1 Mio. €. Die Frage nach den Einnahmen lässt sich deswegen nur für 2005 beantworten, weil zuvor die Einnahmen aus der Einzahlung von Prozesskostenhilfe von den Berechtigten dem allgemeinen Haushalt zugeflossen sind und nicht gesondert erfasst wurden. Für 2005 beträgt der Einnahmeanteil 3,30 Mio. €. Wenn man einen Blick in die Zukunft wirft, was bei Zahlen schwierig ist, dann rechnen wir mit einem weiteren Ansteigen in 2006 auf der Ausgabenseite und einem Absinken auf der Einnahmeseite. Die Ursachen für das Ansteigen der Ausgaben für die Prozesskostenhilfe sind in mehreren Gründen zu suchen, zunächst erst einmal im zunehmenden Bekanntheitsgrad des Instituts Prozesskostenhilfe. Das ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass Rechtsanwälte rechtsuchenden Parteien mehr und mehr den Hinweis geben, sie könnten doch Prozesskostenhilfe beantragen. Ein weiterer Grund ist sicherlich die wirtschaftliche Situation der Bürger ganz allgemein und hier in Thüringen im Besonderen. Auch das wird sicherlich dazu beitragen, dass Prozesskostenhilfeausgaben ansteigen. Bildlich gesprochen, wir haben sehr häufig inzwischen Scheidungssachen, auf denen beide Seiten - Mann und Frau - prozesskostenhilfeberechtigt sind. Zudem sind die Kosten für die beigeordneten Rechtsanwälte aufgrund des am 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes angestiegen.
Zu Frage 3: Der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Begrenzung der Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe verletzt in keiner Weise verfassungs
rechtliche Verpflichtungen des Staates, bedürftigen Parteien den Zugang zu Gerichten zu ermöglichen. Ich verhehle nicht, dass die Gegenäußerung der Bundesregierung einen anderen Standpunkt vertritt. Er wird aber von uns nicht geteilt. Im Einzelnen:
Zu Frage 1 - Einführung einer Bearbeitungsgebühr: Der Ausdruck „Bearbeitungsgebühr“ trifft den Sachverhalt nicht ganz. Eine Gebühr von 50 € wird dann erhoben oder soll dann erhoben werden, wenn Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, nicht schon für das bloße Bearbeiten eines Antrags. Das ist in etwa mit dem vergleichbar, was eine Bank an Gebühren geltend macht, wenn sie ein Darlehen gewährt.
Zu Frage 2 - Absenkung der Freibeträge: Insoweit handelt es sich um eine Angleichung der Freibeträge für die Prozesskostenhilfe an das Sozialhilferecht. Diese Angleichung ist systematisch richtig, da die Freibeträge das vor einer Eigenbeteiligung geschützte Einkommen und Vermögen der Antragsteller definiert. Die Sicherung des Existenzminimums der bedürftigen Partei als Prinzip des soziales Rechtsstaats und des Gleichheitsgrundsatzes wird dadurch nicht gefährdet.
Zu Frage 3 - Aufhebung der Ratenobergrenze: Die bisherige Kostenbefreiung nach 48 Monaten ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Die Aufhebung der Begrenzung der Ratenzahlung ist sachgerecht und verstärkt den Darlehenscharakter der Prozesskostenhilfe.
Zu Frage 4: Zusammenhänge zwischen der Kostenentwicklung im Bereich von Prozesskostenhilfe und Rechtsänderung im Bereich des Sozialrechts sind der Landesregierung nicht bekannt im Sinne von kausaler Untersuchung. Wie bereits bei der Frage 2 gesagt, gibt es Zusammenhänge zwischen der Kostenentwicklung im Bereich der Prozesskostenhilfe, den Anwaltsgebühren, den Gerichtsgebühren und der finanziellen Situation von Teilen der Bevölkerung insgesamt.
Danke, Frau Präsidentin. Herr Minister, in Antwort auf die Frage 1 haben Sie betont, dass hier keine statistischen Erhebungen bisher getätigt worden sind. Können Sie mit Rückblick auch auf die Beantwortung der gestrigen Frage und der Zukunfts
entwicklung bei der Sozialgerichtsbarkeit über die entsprechenden abschließenden Verfahren sich vorstellen, hier eine entsprechende Statistik einführen zu wollen?
Eine solche Statistik kann man einführen, wenn man das, ich sage es einmal ganz simpel, bundeseinheitlich macht, weil wir an bundeseinheitlichen Programmen hängen. Das ist eine technische Frage. Man kann es wollen, aber man muss es dann auch können. Ich möchte allerdings, das sage ich Ihnen ganz offen, gerade bei den Sozialgerichten nicht noch mehr Verwaltungsaufwand organisieren. Da ist es sowieso schon recht eng. Im Übrigen würde sich folgende Frage stellen - ich muss das mal so offen fragen: Worin liegt dann das Informationsbedürfnis außerhalb der Politik oder muss der Bürger sich eine solche Befragung gefallen lassen?
Herr Minister, im Vorwort zur Beantwortung der Frage 1 formulierten Sie, dass Sie die Prozesskostenhilfe nicht übermäßig beschränken wollen. Sie sagten: „ohne die Prozesskostenhilfe übermäßig zu beschränken“. Wie definieren Sie "übermäßig zu beschränken" und wie wollen Sie das jemandem erklären, dem Sie zwar die Prozesskostenhilfe bewilligen, der aber - er bekommt aber nicht irgendwelche pekuniäre Dinge in seinem Portemonnaie anders - die Gebühren, die er dann zu zahlen hat, aus seinem so genannten sichernden Existenzminimum von 345 € bezahlen soll?
Frau Abgeordnete, übermäßig begrenzen oder übermäßig einzuschränken - die Messlatte lautet: Wann wäre Prozesskostenhilfe so eingeschränkt, dass man sagt, der Zugang zum Gericht wird verfassungswidrig eingeschränkt? Das ist die Messlatte. Wir sind mit der Prozesskostenhilfe, was die Grenzwerte betrifft, in einigen Punkten erheblich über dem, was sonst für Sozialhilfeleistungen vorausgesetzt wird. Das ist der Anlass. Sie fragten nach der Bezahlung und nannten eben das Beispiel eines Beziehers, der nichts Weiteres hätte als den Eckwert von ALG II. Der würde im Zweifel keine Raten zahlen und wenn er keine Raten und keine Beteiligung bezahlt, dann zahlt der auch die 50 € nicht.
Danke, Frau Präsidentin. Herr Minister, Entschuldigung, dass ich Sie etwas länger am Pult festhalte. Gab es in dem Zusammenhang bei der Einreichung des Gesetzentwurfs Überlegungen oder Nachforschungen, Überprüfungen hinsichtlich der Fragestellung für die Leute, die jetzt Prozesskostenhilfe empfangen und dann nach dem neuen Gesetz gegebenenfalls keine mehr bekommen? Können Sie da irgendwelche Aussagen treffen?
Es gibt keine weiteren Nachfragen. Ich rufe als letzte Mündliche Anfrage in der Fragestunde und übrigens auch als letzte Frage, die uns vorliegt, die Anfrage des Abgeordneten Schwäblein in der Drucksache 4/2314 auf.
Nach Zeitungsberichten im Juli dieses Jahres im Anschluss an die Sitzung des Stiftungsrats der Klassik Stiftung Weimar soll „der ursprünglich für 2008 avisierte Baubeginn in der Residenz... jetzt erst ab 2011 beginnen“ (Zitat aus der TLZ vom 19. Juli 2006). Die Meldung über einen „Baubeginn“ verwunderte insofern, als meines Wissens bereits seit Übergang des Eigentums an die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten jährlich ein nicht unbeträchtlicher Betrag in die Erhaltung und schrittweise Sanierung des Schlosses investiert worden ist und ein Fortgang dieser Maßnahmen auch in den Folgejahren bislang vorgesehen war.
1. Bedeutet die Planung des weiteren Vorgehens für das Weimarer Residenzschloss tatsächlich einen Baustopp zum Ende dieses Jahres?
2. Welche Bedeutung misst die Landesregierung angesichts der bereits vorliegenden Gesamtkonzeption für das Schloss der vom Stiftungsrat vorgesehenen Machbarkeitsstudie bei?
3. In welcher Höhe stehen der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten als Eigentümerin des Schlosses ggf. unter Einbeziehung von EFRE-Mitteln für das kommende Jahr und für die Folgejahre Mittel zum Weiterbau am Weimarer Stadtschloss zur Verfügung?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Schwäblein beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1: Es trifft zu, dass die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten bereits zum jetzigen Zeitpunkt recht intensiv investiert. Die Durchführung weiterer umfangreicherer Baumaßnahmen hängt allein an der Abstimmung zwischen der Klassik Stiftung Weimar als alleiniger Nutzerin des Schlosses und der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten als Eigentümerin ab.
Zu Frage 2: Die Vorlage der Machbarkeitsstudie ist wesentliche Voraussetzung für die Landesregierung, um mit dem Bund als Mitfinanzierer der Klassik Stiftung Weimar über die weiteren Entwicklungen des Stadtschlosses und besonders Investitionsmaßnahmen in Millionenhöhen in Umsetzung der Empfehlungen der Strukturkommission entscheiden zu können. Mit der Machbarkeitsstudie, die Ende des Jahres vorliegt, soll überprüft werden, ob das Stadtschloss als neue Mitte der Klassik Stiftung Weimar und damit als nach außen klar erkennbarer inhaltlicher und funktionaler Ausgangspunkt des gesamten Angebotsprofils der Klassik Stiftung Weimar dienen kann.
Zu Frage 3: Die Bereitstellung von finanziellen Mitteln für Baumaßnahmen am Weimarer Stadtschloss hängt von der Prioritätensetzung der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten und den jährlichen Haushalten des Bundes und des Landes ab. In welcher Höhe EFRE-Mittel eingesetzt werden können, entscheidet sich nach Abschluss der Vorbereitungen zur EU-Förderperiode 2007 bis 2013 und entsprechenden Genehmigungen durch die EU im Laufe des Jahres 2007.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, dass es nachrangig ist, wer die Eigentümerschaft über das Schloss hat? Oder andersrum gefragt: Sind die Konzepte der Klassik Stiftung nicht auch so umzusetzen, ohne eine Eigentumsübertragung dieser Immobilie auf die Klassik Stiftung vorzunehmen?
Zum einen glaube ich, dass die Klassik Stiftung Weimar und auch die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten derzeit hervorragend zusammenarbeiten und dass man die Frage sicherlich sowohl in dieser als auch in jener Art und Weise beantworten kann.
Ja, eine weitere Nachfrage. Nachdem nun offensichtlich die Mittel für die weitere Sanierung des Schlosses im Jahre 2007 noch ein Stück im Nebel liegen, frage ich Sie, ob die Landesregierung bezüglich dieser Gelder für das Stadtschloss auf ein neuerliches Rosenwunder der HE, Entschuldigung, der Heiligen Elisabeth hofft.
Die Landesregierung geht derzeit davon aus, dass die Machbarkeitsstudie auch im Sinne der Empfehlung der Strukturkommission zu positiven Ergebnissen für das Stadtschloss führen wird und damit möglicherweise auch Investitionen in entsprechenden Größenordnungen möglich werden. Das setzt aber voraus - und das muss man deutlich sagen -, dass tatsächlich dieses Stadtschloss inhaltlicher und funktionaler Ausgangspunkt des gesamten Angebotsprofils der Klassikstiftung Weimar auch ist.
Es gibt keine weiteren Nachfragen. Ich schließe damit die Fragestunde, und zwar genau 60 Minuten nach ihrem Beginn. Das ist beeindruckend.
Bericht über die Sicherheits- lage in Thüringen sowie über Entwicklungen und Maßnah- men im Bereich der inneren Sicherheit seit den Anschlä- gen in den USA am 11. Sep- tember 2001 Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/2224 -
Gut. Die Landesregierung hat angekündigt, den Sofortbericht gleich zu geben und dazu bitte ich Herrn Minister Dr. Gasser.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, mit den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA erreichte der internationale Terrorismus eine bis dahin nicht gekannte Dimension. In brutalster Art und Weise wurde der Welt verdeutlicht, zu welchen Handlungen fanatisierte Islamisten fähig sind.
Fünf Jahre sind seitdem vergangen, in denen die allgegenwärtige Bedrohung der Welt durch islamitischen Fanatismus unser Sicherheitsempfinden tiefgreifend verändert hat. Die wiederkehrenden Anschläge auf touristische Ziele in Europa und Asien, die Terroranschläge auf den Nahverkehr in Madrid im Jahr 2004 und in London im Jahre 2005, die geplanten Anschläge auf die zivile Luftfahrt in Großbritannien in diesem Jahr und nun auch die versuchten Kofferbombenanschläge auf zwei Regionalzüge in Nordrhein-Westfalen im Juli dieses Jahres, alle diese Ereignisse haben in jedem von uns das Bewusstsein geprägt, einer möglichen Gefahr ausgesetzt zu sein, und unser Leben als Bürger, als Touristen, als Reisende verändert. Dies wird sich nach unserer Einschätzung fortsetzen.
Diese Ereignisse und Veränderungen finden ihren Niederschlag in einer intensiven politischen Diskussion. Wir erleben diese vorrangig als Auseinandersetzung über Präventivmaßnahmen und Sicherheitsstandards. Die aktuelle Diskussion über die Absetzung der Mozartoper durch die Deutsche Oper zeigt jedoch sehr eindrücklich, dass die zur Debatte stehenden Fragen im Kern weit darüber hinausgehen. Wir diskutieren letztlich über den Wertekanon unserer westlichen Demokratien.
Sehr geehrte Damen und Herren von der SPDFraktion, mit Ihrem heute eingebrachten Antrag fordern Sie einen Bericht über die bisherige Entwicklung und Maßnahmen im Bereich der inneren Sicherheit in Thüringen. Diesem Anliegen komme ich gerne nach, gibt mir dies doch die Möglichkeit, bereits heute um Ihre Unterstützung für die anstehenden sicherheitspolitischen Maßnahmen in unserem Land zu werben.
Dem Antrag folgend, werde ich zunächst die aktuelle Sicherheitslage für die Bundesrepublik Deutschland und den Freistaat Thüringen darstellen. Daran anschließend möchte ich Ihnen die bisherigen und geplanten Maßnahmen der Landesregierung berichten und dabei auch auf die Bedeutung der Organisationsoptimierung der Thüringer Polizei eingehen. Denn, und das möchte ich bereits an dieser Stelle betonen, um die innere Sicherheit in Thüringen jetzt und gerade auch in der Zukunft gewährleisten zu können, müssen wir Polizei und Verfassungsschutz vor dem Hintergrund begrenzter finanzieller Ressourcen besser als bisher aufstellen.
Zunächst zur Sicherheitslage: Deutschland ist Teil eines weltweiten Gefahrenraums. Die versuchten Kofferbombenanschläge auf Regionalzüge haben uns diese Gefahrenlage nachdrücklich aufgezeigt. Nur ein Konstruktionsfehler hat Deutschland letztlich vor ähnlichen Folgen wie nach den Anschlägen in Madrid und London bewahrt. Die abstrakte Gefährdung bestimmter Staaten durch den islamistischen Terrorismus bemisst sich im Wesentlichen nach folgenden Kriterien: Haltung in den Konfliktfeldern Afghanistan und Irak, direkte Erwähnung durch die Führungspersonen der Al Kaida, Bin Laden und Al Zavahiri, sichtbare Beteiligung am internationalen Kampf gegen den islamistischen Terrorismus, Vorwurf der Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Islam bzw. der Muslime, pro westlich ausgerichtete Politik im Hinblick auf die arabischen Staaten und auf den Staat Israel.