Protocol of the Session on September 29, 2006

Das fängt damit an, dass die Landesregierung falsch gerechnet hat, wie jetzt auch Herr Minister Goebel zugibt. Sie hätten die Zahlen falsch eingeschätzt. Richtig ist, dass 14 Prozent der unter Zweijährigen und 62 Prozent der Zwei- bis Dreijährigen in die Kindertageseinrichtungen gegangen sind. Die Landesregierung ist jedoch von 50 Prozent ausgegangen. Bei den älteren Kindern, Herr Emde hat es jetzt gerade bestätigt, waren es 98 Prozent. Die Landesregierung sprach von 94 Prozent. Mehrere tausend Kinder wurden nicht mitgerechnet, womit die vielbeschworenen Überkapazitäten dahinschmelzen. Dazu - und ich wiederhole es immer wieder sehr gern - kommt der gern vergessene Unterschied zwischen Kapazitäten und Bedarfsplänen, die regelmäßig natürlich den Kinderzahlen angepasst werden.

Aber diese großen Zahlen schlagen sich jetzt in konkreten Einzelfällen nieder. In der Presse ist zu lesen, und viele Einrichtungen, Träger, Kommunen schicken uns das auch immer wieder zu, ich will nur ein paar Beispiele nennen: In Stützerbach bleiben nun fast 50 Prozent der Kinder zu Hause, weil die Gebühren zu hoch sind, früher waren es nur 20 Prozent im Kindergartenalter. In der Verwaltungsgemeinschaft wird über die Zusammenlegung der Kindertagesstätten in Schmiedefeld, Frauenwald und Stützerbach diskutiert, um Kosten zu sparen.

Sie haben gesagt, es gibt keine Schließungen von Kindertagesstätten. Der Kindergarten in Kaltenlängsfeld steht mit seinen 12 Kindern, wie angekündigt, auf der Kippe. Ob es den Kindergarten in Bremen bei Geisa nächstes Jahr noch geben wird, ist ebenfalls unklar. Und selbst der Heimatkreis des Ministerpräsidenten wird auch nicht verschont und das sehr aktuell in der Presse. Ich zitiere nur die Überschriften „Steht der Kindergarten vor dem Aus“ in Bockelnhagen oder für Heiligenstadt „Für die Stadt sehr große Belastung - Kindergärten als finanzielle Bürde“. Die Landesregierung bemüht sich eifrig, das Familienfördergesetz schönzureden. Bei der Vorstellung des Bildungsmonitors 2006 vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln behaupteten Sie, Kultusminister Goebel, Thüringen belege den ersten Platz bei der frühkindlichen Bildung. Und der Mitautor der Studie betonte, das Land hat sehr gute Kindergärten. Dieses wird auch von der OECD gelobt. Unterschlagen wird dabei aber, dass sich sowohl der Bildungsmonitor als auch diese Studie auf die Daten aus dem Jahr 2004 beziehen, und da hatten wir die Kürzungen der Landeszuschüsse aufgrund des Familienfördergesetzes noch lange nicht vorgenommen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Schämen Sie sich nicht, das zu behaupten und sich damit zu brüsten? Uns liegen demgegenüber eher Informationen vor, die die negativen Auswirkungen des Gesetzes bestätigen. Diese finden auch immer wieder Eingang in die Presse. Auch war zu vernehmen, dass die Umstellung des Erziehungsgeldes mit hohem Verwaltungsaufwand und zeitlichen Verzögerungen einherging. Herr Ministerpräsident Althaus unterstellte der Opposition, sie stelle die Eltern unter Generalverdacht, dass diese ihre Kinder nicht erziehen könnten. Ich zitiere: „Weil 5 oder vielleicht 10 Prozent der Eltern mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind, kann und darf der Staat nicht alle Eltern bevormunden und entmündigen.“

(Beifall bei der CDU)

Das ist richtig, Herr Althaus. Richtig ist aber auch, wo Eltern tatsächlich überfordert sind, muss der Staat helfend eingreifen. Hier nehmen wir die Jugendämter auch ganz bewusst in die Pflicht. Das unterstellt uns zum Teil auch, dass die Gegner der Familienoffensive die Kindergartenpflicht ab Geburt wollten. Das ist mit Verlaub grober Unfug. Gleichzeitig werden diejenigen, die tatsächlich überfordert sind und die selbst Herr Althaus auf 5 bis 10 Prozent schätzt, im Regen stehen gelassen. Wie sieht es denn da wirklich mit dem staatlichen Helfen aus?

Die Zuschüsse sind so zusammengestrichen worden, dass Eltern für die Kinder mit Behinderungen - das haben wir ja heute wieder bei der Beantwortung von

Anfragen geantwortet bekommen - seit dem 01.07. in integrativen Kindertagesstätten die Gebühren zu bezahlen haben, oder wenn sie auch weiterhin eine Unterstützung bekommen, müssen die Kosten für Fahrdienste und das Essen übernommen werden. Das ist aber nicht für jede Familie zu machen, schon gar nicht dann, wenn sie die 150 €, die sie zuvor als Landeserziehungsgeld bekommen haben, jetzt direkt an die Kitas weitergeben müssen.

Von den drohenden Behinderungen sind aber viel mehr Kinder betroffen. Hier geht es nicht in erster Linie um körperliche Gebrechen, die ein Kind beispielsweise an den Rollstuhl fesseln, sondern um eklatante Entwicklungsverzögerungen. Ein Viertel unserer Kinder kann nicht bei der Einschulung richtig oder so sprechen, wie es seinem Alter angemessen wäre. Und diesem Kind soll nun geholfen werden, wenn es zum Teil zu Hause bleiben muss oder in der Einrichtung nicht ausreichend Fachpersonal zur Verfügung gestellt wird?

Die Liga der freien Wohlfahrtspflege berichtete bereits im Juni von 30 gestrichenen Stellen in nur 50 Einrichtungen. Im Landkreis Altenburg wurden bereits 13 Vollzeiterzieherinnenstellen eingespart. Einzelbeispiele wie der Montessori-Kindergarten in Westenfeld bei Hildburghausen werden regelmäßig in der Presse vorgestellt, dort mussten zwei von drei Erzieherinnen entlassen werden, darunter die Leiterin, oder die drei Erzieherinnen in der Kita Villa Kunterbunt in Tabarz, die seit Einführung des Gesetzes reduziert wurden.

Herr Althaus sagte auch, ich zitiere: „Es ist eine bewusste Irreführung der Bevölkerung, wenn die Oppositionsparteien behaupten, durch die Umstellung der Kindergartenfinanzierung würden die Gebühren für Eltern steigen.“ Auch hier die Fakten: In Peilsdorf muss eine Mutter mit drei Kindern jetzt 150 € mehr Kindergartengebühr bezahlen. Nach Liga-Angaben vom Juni haben die Kitas, die Angebote und Personal nicht reduziert haben, ihre Gebühren um 30 Prozent erhöht. Im kommunalen Kindergarten Seega im Kyffhäuserkreis werden die Gebühren von 50 € auf 100 € erhöht. In Bad Tennstedt werden die Gebühren für den Kindergarten „Haus Sonnenschein“ ab Januar von 83 € auf 102 € klettern, obwohl dort die Gemeinde zusätzlich 60.000 € investieren will. In Bad Berka wird mit einer Gebührenerhöhung bis zu 40 € gerechnet.

Sie antworteten mir in einer Kleinen Anfrage, dass Sie die Gebühren statistisch nicht erfassen. Das kann ja sein. Aber woher nehmen Sie dann die Dreistigkeit, solche Behauptungen aufzustellen, dass es keine Gebührenerhöhungen gibt?

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es kommt noch ein Fakt dazu und da bin ich bei Ihnen, Herr Emde, weil Sie sagen, wir müssen das Geld in Qualität stecken. Es gibt auch Gemeinden, wie Stützerbach zum Beispiel, die die Gebührenerhöhung nicht beschlossen haben, das zulasten der Kinder, weil, sie haben da beschlossen, zwei Erzieherinnen zu belasten.

Meine Damen und Herren, das ist die Praxis in diesem Land und ich könnte das fortsetzen. Auf die Kommunen entfallen ebenfalls hohe Kosten und ich will nur ein paar Zahlen nennen: In Stützerbach hat die Kommune 10.000 € zusätzlich einstellen müssen; Menteroda 40.000 €; in Greiz in 2006 366.000 €; in Jena für 14 Monate 600.000 €; in Ilmenau 62.000 €. Und Sie sagen, Sie wollen die Kommunen unterstützen! Aber Sie sagen auch, die Opposition macht Panik, verunsichert, wenn Sie genau diese Entwicklung vorausgesagt hat.

Meine Damen und Herren, wenn ich das hier darstelle, verspüre ich keine Genugtuung, dass das eingetreten ist, was wir schon lange vorausgesagt haben. Und da bin ich bei unserem gemeinsamen Entschließungsantrag: Wir fordern deshalb jetzt und auch heute, die schrittweise Gebührenbefreiung einzuführen, durch das Land gestützt, aber natürlich in der Kommune umgesetzt. Ich fordere Sie auf, beseitigen Sie das Chaos auf diesem Gebiet im Rahmen der Kindertagesstätten, weil, anders kann man das nicht bezeichnen. Ich bin gespannt, Herr Panse, was Sie heute darauf antworten werden. Ich möchte Sie gern noch einmal aus der Plenartagung vom Januar zitieren. Ich zitiere: „Jetzt denken wir mal zu Ende, was Sie fordern: Sie wollen Gebührenbefreiung. Sie wollen also, dass die Gebühren der Eltern vom Land, von der Kommune, vom Bund, von wem auch immer übernommen werden. Das bedeutet zuallererst, dass Sie denjenigen, die bis jetzt keine Gebühren bezahlen, zunächst gar nichts anbieten, denn sie bezahlen auch nichts. Diejenigen, die durchaus über Einkommen verfügen, denen sagen Sie, ihr könnt diese Gebühren sparen. Das ist ein ziemlich abenteuerlicher Vorschlag, wenn ich den von der SPD und von der PDS höre. Das hören wir bei jeder anderen Debatte sonst hier genau andersherum. Was werden denn die Sozialhilfeempfänger sagen: Die Gebührenbefreiung wollen wir für all die, die Einkommen haben, für alle anderen, die bis jetzt nichts bezahlt haben, ist es halt nicht so? Völliger Unfug.“ Es ist mir schon sehr schwer gefallen, das von Ihnen vorzulesen, Herr Panse, wenn ich dann in der Presse lesen muss, dass Sie im Erfurter Stadtrat diese gebührenlose Betreuung von Kindern fordern. Ich habe mich in dem Moment wirklich gefragt, ob Sie schwer krank sind.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Eine gespaltene Persönlichkeit ist eine wirklich schwere Erkrankung.

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU: Frau Kollegin, bei Ihnen stelle ich mir diese Frage gar nicht.)

Was Sie damals schon nicht verstanden haben, und ich erkläre es heute auch noch einmal, auch Ihnen, Herr Emde, sehr gern noch mal wieder, dass wir von einem völlig anderen Ansatz ausgehen. Wir sagen: Bildung von Anfang an, Kindertagesstätten sind Bildungseinrichtungen und nicht nur formal am Ministerium angesiedelt. Wenn das so ist, dann sind sie auch dem Bildungssystem zuzuordnen wie Schulen etc. Daraus ergeben sich auch die Verpflichtungen des Landes. Etwas sehr Entscheidendes unterscheidet uns: Wir gehen davon aus, dass das Kind den Anspruch auf Bildung, auf gleiche Entwicklung, auf gleiche Chancen hat, und das unabhängig davon, in welchem Elternhaus es geboren wird, ob die Eltern über Geld verfügen oder nicht und - nach Ihrem Ausflug, Herr Panse - auch unabhängig davon, in welcher Stadt oder Gemeinde es aufwächst. Welche Unterschiede wollen wir uns in der frühkindlichen Bildung in diesem Land Thüringen noch erlauben? Diese Frage stelle ich mir sehr besorgt. Wenn Sie Bildung für unsere Kinder in diesem kleinen Land Thüringen auch noch abhängig davon machen, wie arm oder reich eine Kommune ist, dann sagen wir ganz klar: Mit uns nicht!

Um auf Sie zurückzukommen, Herr Emde: Wenn Sie sagen, es ist doch legitim, dass Eltern Kindertagesstättengebühren bezahlen, so könnte man doch auch daraus schlussfolgern, dass wir dann irgendwann vielleicht mal die Schulgebühren einführen. Also die Logik erschließt sich mir in keinster Form, wenn wir davon ausgehen, dass Kindertagesstätten Bildungseinrichtungen sind.

Meine Damen und Herren, das Familienfördergesetz ist aber nicht nur das Kindertagesstättengesetz und ich will nur ein paar wenige Ausführungen zu den anderen Inhalten machen. Immer wieder wird gern als gerechtes Geschenk an die Eltern das Erziehungsgeld benannt. Nicht mehr einkommensabhängig ist es, sondern für alle Eltern, wenn sie ihre Kinder nicht in die Kita geben. Erstaunlich nur, dass das große Geschenk an diejenigen, deren Familienplanung durch die Vollendung der Landesregierung belohnt werden soll, nicht besser vorbereitet worden ist. Noch Ende August gab es massive Auszahlungsschwierigkeiten in Eisenach und Jena und es sind in Größenordnungen heute, Ende September, Anträge nicht bearbeitet. Die Verwaltungen stöhnen über den erhöhten Aufwand, der unnötige Arbeitskapazitäten verschlingt. Auch unklar ist, wie die nicht in Anspruch genommenen Kita-Stunden mit dem

zuvor abgetretenen Elterngeld verrechnet werden. Zu der Praxis, wenn jemand sein Kind ab dem ersten Lebensjahr in eine Kindereinrichtung gibt, will ich gar nicht sprechen. Es ist einfach nach wie vor nicht einzusehen, dass dann ab dem zweiten Lebensjahr mehrere umfangreiche Formulare ausgefüllt werden müssen, mit dem gleichen Zustand, dass die Kinder doch in der Kindertagesstätte verbleiben. Ich warte im Prinzip nur - jetzt muss ich mich hier rüber wenden an Minister Zeh - auf die Erfolgsmeldung, so viel Prozent der Eltern beantragen das einkommensunabhängige Landeserziehungsgeld.

Ich habe noch einen Punkt: Wie es mit den Frauenhäusern und Frauenzentren im nächsten Jahr weitergehen soll, wussten Sie, Herr Minister, bislang nicht zu sagen. Dafür hat die Landesregierung schon mal die Finanzierung umgestellt, ohne zu wissen, wer anschließend was bezahlt. Die zunächst Ende 2005 abgelaufene Richtlinie für die Frauenhäuser, die für dieses Jahr im Sommer 2006 verlängert wurde, kann immer noch nicht ersetzt werden. Auch hier glaube ich nicht, dass Sie wissen, was das vor Ort für die Träger von Frauenhäusern und Frauenverbänden bedeutet. Ich weiß nicht, was einige von Ihnen sagen würden, wenn man die Feuerwehrleute nach den Bränden bezahlen wollte; solche Planungen gibt es bei Frauenhäusern in den Kommunen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ist es Unfähigkeit oder ist es mutwillig, die gesamten Strukturen des Opferschutzes zu gefährden? Mir bleibt nur noch zu sagen: Stimmen Sie dem Entschließungsantrag zu, rücken Sie einfach weg von Ihren Positionen des Familienfördergesetzes! Herr Panse, bevor Sie sagen, ich hätte nichts zu Zahlen gesagt - da könnte ich Sie jetzt wieder zitieren; die können Sie alle nachlesen, haben Sie selber gesagt, um wie viel Geld es sich handelt, deswegen habe ich es heute sein lassen. Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wenn ich vielleicht einmal anmerken darf, da es vorhin einen kurzen Schlagabtausch verbaler Art zum Krankheitsbild der Schizophrenie gab, der ist diesem Hause von beiden Seiten nicht angemessen. Ich wollte nur darauf hinweisen.

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU: Ich habe nicht gesagt „schizophren“.)

Ich habe Sie jetzt darauf hingewiesen, dass das nicht dem Hause angemessen ist.

Bevor ich als nächste Rednerin für die SPD-Fraktion Frau Abgeordnete Pelke aufrufe, mache ich darauf aufmerksam, wir haben Gäste auf der Zuschauertribüne zu dieser späten Tageszeit. Sie kommen aus State of Qatar. I will say welcome in Thuringia; welcome in Erfurt. We wish you many impressions and a good time here.

(Beifall im Hause)

Ich rufe Frau Abgeordnete Pelke für die SPD-Fraktion auf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Emde, ich weiß nicht, ob Sie Ihren Redebeitrag im Vorfeld einmal mit Herrn Panse abgesprochen haben, wenn ich an Ihre Ausführungen zum Thema Gebührenfreiheit denke, weil Sie das ja ein Stück in Frage gestellt haben, ob das überhaupt sinnvoll ist, ob es leistbar ist für die Kommunen. Ich weiß nicht, ob Sie im Moment wissen, was Herr Panse an Anträgen, sicherlich unterstützt durch Herrn Schwäblein, in Erfurt gerade zum Besten gibt, nämlich die Gebührenfreiheit in Gänze. Aber vielleicht sollte man dann auch einmal darüber reden bei all dem, was in den letzten Tagesordnungspunkten festgestellt worden ist in diesem Haus, was es an Schwierigkeiten in dieser Landesregierung gibt, also, ich sage einmal so, Abbau bei der inneren Sicherheit, im Schulbereich. Es war ja für mich faszinierend zu hören, dass man unberechtigterweise Eltern Geld wegnimmt für Schulbücher und dass Sie dann darüber philosophieren, ob es denn überhaupt berechtigt ist, ihnen das Geld wieder zurückzugeben. Also das war der absolute Höhepunkt.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Aber was mir ganz besonders auffällt, ist, dass es eine Riesenkommunikationsschwäche gibt in dieser Landesregierung und wahrscheinlich auch innerhalb Ihrer Fraktion, die Kommunikationsschwäche innerhalb der Landesregierung, miteinander zu reden, aber insbesondere mit Betroffenen zu reden.

Wir haben die Auswirkungen des Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetzes auf Familien, auf Kommunen, auf Träger und auf Personal bereits im Mai dieses Jahres hier im Landtag diskutiert. Mehrheitsfraktion und Landesregierung haben uns damals Populismus und Kommunalwahlkampf unterstellt und Minister Goebel hat immer wieder gesagt, wir haben die Daten ja nicht, die Daten fehlen noch. Insofern, wie auch gesagt worden ist, gibt es einen Bericht erst im April oder Mai nächsten Jahres. Kollegin Jung hat schon darauf hingewiesen, dass uns ein Bericht zu diesem Zeitpunkt viel zu spät erscheint,

weil wir die Daten nicht erst dann erfahren wollen, wenn das Kind sozusagen oder im wahrsten Sinne des Wortes in den Brunnen gefallen ist oder - anders gesagt - wenn viele Thüringer Kinder und deren Eltern eine sehr viel schlechtere Betreuungssituation in Kitas vorfinden, als dies noch im vergangenen Jahr der Fall war. Die Anzeichen dafür, meine Damen und Herren, mehren sich ständig und ich behaupte, dass der Landesregierung schon differenzierte Daten vorliegen - aber auch an diesem Punkt Schwierigkeiten mit der Kommunikation. Es wird eine konsequente Informationsverweigerungspolitik betrieben, die ich mir nur so erklären kann, dass die Landesregierung sehr wohl über die negativen Fakten informiert ist, und sie wird mittlerweile zunehmend nervös. Wenn im Landesjugendhilfeausschuss, liebe Kolleginnen und Kollegen, am 18. September seitens des Kultusministeriums sogar zur Begründung für fehlende Daten herhalten muss in der Argumentation, dass ein Praktikant leider nicht sachgerecht eine Abfrage von Daten vorgenommen hätte, dann ist dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, einfach nur noch peinlich. Und immer wieder wird darauf verwiesen, dass die Datenlage unglaublich kompliziert wäre und dass man nicht informieren kann. Als nach der Landtagswahl unmittelbar im stillen Kämmerlein - Sie werden sich alle noch entsinnen - der Staatskanzlei diese Familienoffensive, insbesondere von Herren wahrscheinlich, zusammengestrickt wurde, da hatten Sie doch alle Daten zur Hand, aufgrund derer man eine Familienoffensive machen musste. Wir können uns doch alle noch daran erinnern, dass angeblich keine Einsparungen beabsichtigt waren, sondern nur die Förderung umgestellt werden sollte. Grundlage für das staunende Publikum war damals unter anderem ein bewusst zu niedrig angesetzter Haushaltsansatz zur Förderung der Kindergärten, der dann später - Sie alle wissen das - heimlich um 30,8 Mio. € erhöht werden musste. Monate später war es dann - da muss ich mich immer wieder bedanken - Ihre Fraktionsvorsitzende, Frau Lieberknecht, die dann doch zugeben musste, dass es sich in erster Linie um Einsparungen handelt. Wir erinnern uns auch noch daran, dass Phantomzahlen damals im Raum standen von nicht besetzten, aber finanzierten Kindergartenplätzen, die auch zur Argumentation herhalten mussten und sich mittlerweile alle als nicht belastbar erwiesen haben.

Wir erinnern uns auch daran, dass Kinder aus anderen Bundesländern und angeblich unwirtschaftliches Verhalten der freien Träger - daran kann ich mich noch gut entsinnen - als Verursacher für den Kostenanstieg herhalten mussten, und auch hier sind immer wieder Argumentationen auf den Tisch gelegt worden, die sich mittlerweile auch alle als unhaltbar erweisen. Wir erinnern uns noch, dass der angeblich völlig unbegreifliche Kostenanstieg durch ganz normale Lohnentwicklungen und durch eine verstärkte

Inanspruchnahme der Kindergärten verursacht wurde. Von 2004 auf 2005 erfolgte die angeblich unverständliche Kostensteigerung von 148,4 Mio. € auf 150,8 Mio. €, gerade mal 1,6 Prozent, und das war dann Ihr Argument, aber letztendlich musste ja Frau Lieberknecht das richtigstellen, indem sie sagte: Wir wollen eigentlich nur sparen.

Es hat sich insgesamt erwiesen, dass zum Start der Familienoffensive alle herangezogenen Daten einschließlich der damaligen Haushaltsansätze - und ich will es mal ganz vorsichtig formulieren - nicht belastbar waren. Jedenfalls habe ich damals nie die Argumente der differenzierten und schwierigen Datenerhebung gehört, die man jetzt im Landesjugendhilfeausschuss für mangelnde Information zum Besten gibt. Man sollte doch - und das haben wir immer wieder hier auch angesprochen, liebe Kolleginnen und Kollegen - annehmen, dass sich eine Landesregierung bei einem derartigen Einschnitt in die Kindertagesstättenförderung vorher und auch während des Umsetzungsprozesses umfassend informiert und sie umfassend informiert ist. Aber das ist nicht so und das ist genauso skandalös wie die seit dem 20. April 2005 anhaltenden Fehlinformationen und Verschleierungen. Die schon damals begonnene Strategie des Tricksens und Täuschens in der Familienpolitik setzt sich bis zum heutigen Zeitpunkt fort.

Lassen Sie mich noch einmal ein Beispiel nennen, zumal die Kollegen der Linkspartei.PDS diesen Sachverhalt in ihrem Antrag beantwortet wissen wollen: Meine Kollegin Ehrlich-Strathausen hat in der letzten Sitzung des Landesjugendhilfeausschusses am 18. September 2006 den Vertreter des Sozialministeriums wiederholt nach der Besetzung der Stiftungsgremien der Stiftung FamilienSinn gefragt. Außer allgemeinen Hinweisen auf rechtliche Regelungen hat es keine Namensnennung gegeben, ist alles noch nicht bekannt. Am Tag darauf interessanterweise - also ziemlich zeitnah verbunden zu dieser Anfrage - war der Presse der vorgesehene Stiftungsratsvorsitzende zu entnehmen und es war eine Pressekonferenz angekündigt, in der es um die Besetzung der Gremien gehen sollte. Dieser Tagesordnungspunkt wurde dann aber in der Pressekonferenz abgesetzt wegen neuem Abstimmungsbedarf im Kabinett - kurzfristig, ja das kann ja mal passieren. Am ersten Tag wissen sie nichts, dann wissen sie was und dann wissen sie wieder nichts, das ist ja alles mittlerweile irgendwo Usus. Am Vortag - das muss man sich wirklich überlegen - sah sich der Vertreter des Sozialministeriums im Ausschuss nicht in der Lage, irgendwelche Informationen von sich zu geben. Das ist, meine Damen und Herren, werte Kollegen der Landesregierung, das, was auch einen gehörigen Unmut in der Bevölkerung mit sich bringt, weil dieser Stil während der gesamten Diskussion zur Familienoffensive den Umgang der Landesre

gierung nicht nur mit diesem Parlament, nicht nur in einem Landesjugendhilfeausschuss, sondern auch die Kommunikation mit freien Trägern und mit den kommunalen Spitzenverbänden kennzeichnet.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Liga der Wohlfahrtsverbände ist es zwischenzeitlich nach unserem Kenntnisstand ebenfalls - und auch das will ich mal ganz vorsichtig formulieren - zu Unstimmigkeiten mit der Landesregierung bei einer eigentlich beabsichtigten gemeinsamen Auswertung der Auswirkungen des Familienfördergesetzes gekommen. Meines Wissens sind diese Gemeinsamkeiten, die wenigen, die es da gab, gerade beendet. Auch dieser Konflikt mit den Experten der Wohlfahrtsverbände ist für uns ein Hinweis darauf, dass die Landesregierung die Fakten einfach nicht auf den Tisch legen will. In solchen Situationen, da kommt man dann eben auf so eine Idee, Praktikanten mit Erhebungen zu befassen. Wenn ich nicht wüsste, dass hinter dieser gesamten Familienoffensive ein altes Weltbild weniger Männer rund um den Ministerpräsidenten bestimmend wäre, wenn ich das nicht wüsste, könnte man vielleicht den Eindruck gewinnen, dass möglicherweise ein Praktikant die gesamte Familienoffensive erfunden hätte. Aber das kann man so nicht sagen, weil, dann tut man den Praktikanten Unrecht, die hätten es vielleicht besser gemacht.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Aber zurück zu all den Fragen, die die Landesregierung nicht oder möglicherweise nur halbherzig beantworten will. Wenn sich die Auswirkungen dieser Kürzungspolitik überhaupt noch nicht feststellen lassen, wäre es doch sicher angebracht gewesen, den Auftraggebern für die im Moment im Land kursierende Allensbach-Umfrage zu signalisieren, dass der Zeitpunkt für eine solche Umfrage viel zu früh ist. Aber nein, das haben Sie nicht gemacht, weil Sie ja eigentlich davon gar nichts wissen, von dieser Atom..., Entschuldigung, Phantom-Umfrage -

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS)

Entschuldigung, das kann ja mal passieren. Sie müssen, meine Damen und Herren, schon ganz schön unsicher sein, wenn immer mehr zu solchen dubiosen Mitteln gegriffen wird.

Das Interessante ist ja, dass auch im Landesjugendhilfeausschuss mit Blick auf die Stiftung FamilienSinn davon die Rede war, dass eventuell private Mitstifter vorhanden sind - so ist es jedenfalls gesagt worden -, die dann innerhalb der Gremienbesetzung berücksichtigt werden sollten. Andere private Sponsoren bezahlen eine Umfrage, um mit Suggestivfragen den Erfolg einer angeblich in ihren Auswirkungen