Protocol of the Session on July 14, 2006

Gut, der Abgeordnete Matschie möchte Ihnen eine Frage stellen. Bitte, Abgeordneter Matschie.

Herr Innenminister, ich war sehr überrascht über eine Bemerkung, die Sie eben gemacht haben. Ist das Ihre Auffassung, dass die rotgrüne Bundesregierung damals versucht hat, über das Ausländerrecht bzw. über das Staatsangehörigkeitsrecht das Staatsvolk auszuwechseln? War das Ihre Auffassung, die Sie da eben geäußert haben?

Herr Matschie, ich meine, klar und deutlich gesagt zu haben, es gab Leute, die das damals behauptet

haben; meine Auffassung ist das nicht. Ich habe in langen Nächten im Vermittlungsausschuss damals mitverhandelt an dem Zuwanderungsgesetz etc., aber das war damals von einigen Leuten so gesagt worden.

Darf ich noch eine zweite Frage an Sie richten?

Bitte, Herr Abgeordneter Matschie.

Wer sind die Leute, die so etwas gesagt haben?

Also, das war von vielen Leuten, Herr Matschie, so gesagt worden, das war die damalige Stimmung, die politische Stimmung aus bestimmten Kreisen. Das hörte man eigentlich von vielen Leuten.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Wel- che? Welche?)

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, Die Linkspartei.PDS: Das nennt man: Ge- rüchte verbreiten.)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hahnemann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir haben das Problem der togoischen Flüchtlinge seit Mitte der 90er-Jahre spätestens. Wir werden immer wieder damit konfrontiert, zumindest diejenigen, die sich für das Schicksal dieser Menschen etwas intensiver interessieren. Ich gebe ganz ehrlich zu, Frau Kollegin Pelke, Sie haben gesagt, die Rede von Frau Stauche hat Sie nachdenklich gemacht; Sie kennen mich alle, mich hat diese Rede wütend gemacht.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Sie haben die Rechtsgrundlagen, Frau Stauche, ganz klar genannt und schon bei den Rechtsgrundlagen müsste uns eines auffallen: Zwei wesentliche Gründe, Flüchtlingen hier Heimat zu geben, sind a) wenn sie verfolgt werden und b) wenn ihr Bleiben hier den Interessen der Bundesrepublik Deutschland entspricht. Da beginnt das Ganze schon. Da werden Flüchtlinge in ihrer Not und aus ihrer Not heraus zum Spielball

von Staatsinteressen gemacht. Spätestens dort verlässt die Politik die Betrachtung ihrer tatsächlichen Lage, der Lage, die Frau Berninger und Frau Pelke beschrieben haben. Wir haben für Togo die Reisewarnung und wir haben die Aussagen von kompetenten Experten, die Materialien und Informationen zusammengetragen haben, und dagegen, Herr Minister, ist ein „Hm, Hm“ oder ein deutliches Nein bei den Bitten von Frau Berninger, dagegen ist kein Kraut gewachsen.

Das liegt vor, das kann man nachlesen, darüber kann man sich informieren. Dort sind die Schilderungen von Folterungen deutlich nachzulesen. Frau Stauche, können Sie mir ernsthaft und glaubhaft sagen, was es einem gefolterten Togoer nützt, wenn man ihm sagt, da gibt es irgendwo eine Wahrheitskommission? Können Sie mir das erklären? Das hat doch mit dem Schicksal der Togoer, die nicht von staatlicher Seite, sondern von irgendwelchen politischen Milizen terrorisiert werden, nichts zu tun.

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, Die Links- partei.PDS: Dann schieben Sie doch nicht ab, Frau Stauche.)

Und, Herr Minister Gasser, das ist kein Problem der Beweislast, das ist keine Frage der Beweislast, das ist völlig irrelevant, wer hier beweisen soll, dass irgendjemand gefoltert wird, wenn die Beweise schon auf dem Tisch liegen. Wenn wir Zweifel daran haben und man muss Zweifel haben, wenn es Reisewarnungen und diese Beschreibungen der Verhältnisse in diesem Land gibt,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

dann dürfen wir einfach nicht abschieben, sondern dann muss man sich politisch dazu entschließen zu sagen, solange wir keine anderen maßgeblichen Signale haben, muss ein Abschiebestopp verhängt werden. Die ganze Philosophie über den Erlass, der die Unterschrift einer Mitarbeiterin trägt, hat mit diesem Problem auch nichts zu tun. Das ist eine amtsinterne Angelegenheit in Deutschland. Das entschuldigt nichts und das nützt auch nichts.

Frau Kollegin Stauche, wenn Sie sich hier vorn hinstellen und sagen, wir wissen nichts oder zu wenig über die Bedingungen in Togo, dann ist Ihnen das nur partiell anzulasten. Was ich Ihnen aber vollständig anlaste, das ist, dass Sie sich dann hier vorn hinstellen und nicht etwa sagen, darüber müssen wir im Ausschuss mit der fachlichen Kompetenz des Ministeriums und anderer reden, sondern dass Sie sich hier hinstellen und sagen, wir lehnen Ihre Punkte 2 und 3 ab. Das, meine Damen und Herren, diese Art und Weise des Umgangs mit Menschen und mit Menschenleben anderenorts, das ist dem Auftrag unserer

Verfassung zum Schutz der eigenen Würde und der Würde anderer nicht angemessen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Bitte, Herr Minister Gasser.

Herr Dr. Hahnemann, bevor die Verwirrung der Geister eintritt, möchte ich aber doch noch zu einem Punkt etwas sagen. Sie wissen vielleicht, dass der Bundestag sich in der 16. Wahlperiode bereits mit dem Thema „Togo“ befasst hat und eine Antwort der Bundesregierung in der Drucksache 16/745 zu der Situation in Togo vorliegt. Da ging es auch um einen Asylbewerber, wo dann die Bundesregierung ausgeführt hat: „Die Angabe stützt sich auf folgende Tatsachen: Gegenüber dem Auswärtigen Amt ist in der Vergangenheit in mehreren Fällen vorgetragen worden, aus Deutschland rückgeführte togoische Staatsangehörige seien nach ihrer Rückkehr Opfer staatlicher Repressionen geworden. Allen konkret vorgetragenen Behauptungen dieser Art ist das Auswärtige Amt nachgegangen. In keinem Fall haben sich solche Behauptungen bei der Nachprüfung bestätigt.“ Ich glaube, das spricht doch eigentlich für sich und, ich glaube, man muss auch dies zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister Gasser, gestatten Sie eine Nachfrage? Bitte, Herr Abgeordneter Hahnemann.

Herr Minister, ich habe zwei Fragen, wenn Sie erlauben.

Das ist zu viel, aber na gut.

Die erste Frage ist: Ist Ihnen entgangen, dass sowohl Frau Berninger als auch ich darauf hingewiesen haben, dass es in Togo Terror gibt, der nicht von staatlicher Seite, sondern von Milizen ausgeht?

Und zweitens, Herr Minister, können Sie mit hundertprozentiger Sicherheit ausschließen, dass sowohl der Bundestag als auch die Bundesregierung, sprich das Auswärtige Amt, sich hin und wieder einmal irren?

Bei Letzterem, würde ich sagen, könnte das gelegentlich der Fall sein. Aber Sie wissen ja, es arbeitet eine Vielzahl von Menschen an diesen Lageberichten. Das Auswärtige Amt erstellt diese in gewissen Abständen für jedes Land. Dies ist Grundlage von den Entscheidungen der Verwaltungsgerichte. Bisher waren diese Analysen außerordentlich sorgfältig, zuverlässig und ich habe nicht gehört, dass jemand daran Kritik geübt hätte.

(Zwischenruf Abg. Berninger, Die Links- partei.PDS: Dann hören Sie nicht genau hin!)

Ja, Sie müssen die Welt mal so zur Kenntnis nehmen, wie sie ist, und nicht, wie Sie sich das ideologisch so vorstellen.

(Beifall bei der SPD)

Das Zweite ist, dass es - und dazu habe ich ja vorhin etwas gesagt, Herr Hahnemann - im Jahre 2005 nach dem Tod des Staatspräsidenten dort zu Unruhen gekommen ist. Aber wir haben nicht mehr 2005,

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS)

wir haben jetzt Juli 2006 und da sieht die Situation nach allen Analysen anders aus.

Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist, oder erhebt sich Widerspruch? Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit kommen wir zur Abstimmung über … Bitte.

Frau Präsidentin, namens der Fraktion beantrage ich namentliche Abstimmung.

Wir kommen zur Abstimmung über die Nummern 2 und 3. Namentliche Abstimmung ist beantragt und ich bitte, diese vorzunehmen. Ich eröffne die Wahlhandlung.

Hatte jeder Gelegenheit, seine Stimme abzugeben? Das ist offensichtlich der Fall. Dann beende ich die Wahlhandlung.

Ich gebe Ihnen das Wahlergebnis bekannt. Es wurden 82 Stimmen abgegeben: 37 Jastimmen, 45 Neinstimmen (namentliche Abstimmung siehe Anlage). Damit sind die Punkte 2 und 3 des Antrags abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 13 in seinen Teilen

a) Demographiebericht Thüringen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/2080 -

b) Demographiebericht Thüringen Beratung des Berichts der Landes- regierung - Drucksache 4/2072 - auf Verlangen der Fraktion der SPD dazu: Unterrichtung durch die Präsi- dentin des Landtags - Drucksache 4/2090 -

Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung ihres Antrags? Das ist nicht der Fall. Wünscht die SPD das Wort zur Begründung ihres Antrags? Das ist auch nicht der Fall. Die Landesregierung hat angekündigt, von der Möglichkeit eines Sofortberichts keinen Gebrauch zu machen. Damit eröffne ich die Aussprache zu dem Antrag der Fraktion der CDU und zur Beratung des Demographieberichts, die auf Verlangen der Fraktion der SPD erfolgt. Ich erteile Minister Trautvetter das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, kaum ein Tag vergeht, an dem die Auswirkungen der demographischen Entwicklung nicht Hintergrund oder selbst Gegenstand der öffentlichen Diskussion zur Zukunftsgestaltung in unserem Land sind. Die ökonomischen Herausforderungen im Rahmen des sich verschärfenden globalen Wettbewerbs um Standortvorteile sind nur zu bewältigen, wenn man auch die demographische Entwicklung im Blick hat. Dies gilt auch für die Gesamtperspektiven Deutschlands in der sich erweiternden Europäischen Union oder auch bei den gegenwärtig geführten Diskussionen zur Umgestaltung unserer sozialen Sicherungssysteme. Der sich in aller Deutlichkeit vollziehende demographische Wandel, das heißt sowohl der insgesamt quantitative Rückgang als auch die Veränderung der Bevölkerungsstruktur, ist, vereinfacht dargestellt, zunächst das Ergebnis des anhaltenden Geburtendefizits, der stetig steigenden Lebenserwartung und der Wanderungsprozesse. Die Folgen für die Gesellschaft sind allerdings vielgestaltig und von komplexer Natur. Sie tre

ten räumlich und zeitlich differenziert in unterschiedlichem Maße in Erscheinung und bedürfen somit auch unterschiedlicher Handlungskonzepte auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene.

Die Thüringer Landesregierung stellte und stellt sich diesen Herausforderungen. Der vorliegende Demographiebericht wurde gemeinsam mit allen Ressorts in den vergangenen Monaten unter Federführung des Ministeriums für Bau und Verkehr erarbeitet und am 28. Juni dem Landtag übergeben. Dem Bericht liegt eine regional und zeitlich differenzierte Analyse der Bevölkerungsentwicklung von 1989 bis 2004 zugrunde. Parallel dazu wurden die Daten des Thüringer Landesamts für Statistik zur zehnten koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung für die Entwicklung bis 2020/2050 altersgruppenspezifisch aufbereitet und den Ressorts als Arbeitsgrundlage bereitgestellt. Bis zum Jahresende 2004 zeichneten sich nur geringe Differenzen zwischen der Prognose der zehnten koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung und der Ist-Entwicklung der Gesamtbevölkerung ab. Allerdings gibt es Abweichungen zwischen der angenommenen und eingetretenen Entwicklung einzelner Altersgruppen. Das Thüringer Landesamt für Statistik hat am 12. Juli dieses Jahres in einer Pressemitteilung dargestellt, dass sich der Wanderungsverlust 2005 stärker als angenommen fortgesetzt hat. Thüringen hat 2005 im Wanderungssaldo fast 12.000 Einwohner verloren.