Protocol of the Session on July 4, 2006

Wer aber, meine Damen und Herren, statt auf Kooperation vorrangig auf Wettbewerb setzt, der übersieht völlig, dass es im Wettbewerb, wenn er so geführt wird, neben Siegern auch Verlierer gibt. Die Verlierer einer solchen Politik sind doch schon heute nicht zu übersehen: Schüler, Eltern und Lehrer klagen und leiden an dieser sozusagen Flickenteppichsituation bei der Bildungspolitik in unserem Land, die nun auch noch verschärft werden soll. Es ist klar, es verhindern unterschiedliche Lehrpläne und Schulzeiten doch für viele das, was gerade immer wieder eingefordert wird, nämlich die Mobilität der Eltern. Vater versetzt, Kind sitzengeblieben - leider ist das oft eine traurige Realität in unserem Land.

Es ist auch Fakt, dass ein Lehrer hierzulande besser an eine Schule ins Ausland wechseln kann als an eine Schule in eines unserer Nachbarländer, meine Damen und Herren. Dieser Zustand wäre schon

Grund genug für Veränderungen, aber nicht mit der Reform, die hier debattiert wird. 84 Prozent der Deutschen sprechen sich nach Forsa-Umfragen für eine einheitliche und zentrale Gestaltung des Schulwesens - 84 Prozent der Bevölkerung; weit mehr als PDS- und Linkspartei-Anhänger, wollte ich an der Stelle noch mal sagen - aus. Aber 84 Prozent sprechen sich dafür aus, dass es eine einheitliche und zentrale Gestaltung beim Schulwesen gibt, und die Alleinkompetenz der Länder lehnen sie ab. 80 Prozent der Bürger wünschen sich eine Bundesverantwortung bei der Gestaltung der Bildungsinhalte. Über 90 Prozent sind der Meinung, dass die Dauer der Schulzeit durchaus im Rahmen der gesamten Bundesrepublik geregelt werden sollte. Immerhin über 60 Prozent der Befragten sprechen sich dafür aus, auch Schulstrukturen bundeseinheitlich zu regeln.

Diese Zahlen bringen ganz einfach den Wunsch, aber auch die Nöte der Bevölkerung zum Ausdruck. So ist angesichts der anstehenden Reformen leider nur Kopfschütteln zu registrieren, wie weit sich Politik, meine Damen und Herren, von den Problemen der Menschen in unserem gesamten Land, aber auch in den einzelnen Ländern entfernt hat in diesen Fragen.

Nun wird die Frage der Zugeständnisse im Bereich von Hochschulen und der Wissenschaft als Erfolg ausgegeben. Ich kann das schon insofern nachvollziehen, dass man ja ein Stück Aufeinanderzugehen deutlich machen will, aber ich muss auch deutlich sagen, mich stört daran die Krämermentalität, mit der hier im Grunde genommen vorgegangen wird. Ausgehandelt wurde meiner Meinung nach, und das muss ich kritisch sagen, auf Kosten der Schulbildung der Wegfall des Kooperationsverbotes bei den Hochschulen. Aus meiner Sicht, meine Damen und Herren, ist es eigentlich ein fauler Kompromiss, der hier angeboten wird. Dazu kommt noch, dass auch im Hochschulbereich eine Situation herbeigeführt wird, dass es dort zum Beispiel Zusatzprogramme für Institute und Förderungen zukünftig nur geben kann, wenn dieser Förderung alle Bundesländer zustimmen. Die Trägheit des Einstimmigkeitsprinzips ist ja nun hinlänglich bekannt. Man hat sie, meine Damen und Herren, in der Kultusministerkonferenz immer wieder beklagt, aber nun wird sie verfassungsändernder Grundsatz durch Ihre Reform und das ist kein Zustand, wie wir finden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Der angebliche Gewinn an Handlungs- und Innovationsfreiheit der Länder im Hochschulbereich, der sich auf die Erhöhung der Autonomie der Hochschulen, notwendige landesplanerische Interessen bezieht, kann unter den finanziellen Vorzeichen der Länder zumindest im Osten eigentlich nur zum Scheitern

verurteilt sein und die finanzschwachen Länder werden durch ihre alleinige Zuständigkeit, und auch das schreiben wir jetzt fest, im allgemeinen Hochschulbau starke Wettbewerbsnachteile hinnehmen müssen. Zur Erinnerung: Thüringen hat nicht einmal Mittel aus der Exzellenzinitiative zu erwarten. Was für Lösungen also, meine Damen und Herren? Keine Lösungen, die in die Zukunft weisen an dieser Stelle.

Ich könnte noch eine ganze Reihe weiterer Punkte an dieser Stelle deutlich machen. Nicht umsonst heißt es, dass die exzellente Forschung und Lehre letzten Endes vor allen Dingen Geld braucht, um zu wachsen. Beides hat und haben die Hochschulen in den neuen Bundesländern nicht, die Intention des angestrebten Hochschulpakts bis 2020 hört sich doch jetzt schon an wie eine Korrektur der Föderalismusreform. Es ist nichts anderes als das Eingeständnis der Länder, mit der Kompetenz im Wissenschafts- und Forschungsbereich aus diesem Zusammenhang heraus ganz einfach überfordert zu sein. Völlig unklar ist, ob sich die Länder nun eigene Regelungen zu Abschlüssen und Hochschulzugängen geben oder nicht. Genau das lässt diese Föderalismusreform zu: Beliebigkeit. Was für eine absurde Idee aus unserer Sicht, dass bundesweit geltende Gesetze und Regelungen im Grunde genommen nach Lust und Laune oder der mehr oder weniger Geduldshaltungen von Landesregierungen - volkstümlicher gesprochen -, von Landesfürsten abweichen können. Auch das ist keine zukunftsweisende Entwicklung.

Zum Bereich Umwelt: Hier stehen wir, das möchte ich deutlich sagen, nicht allein mit der Kritik an den vorgesehenen Regelungen, auch hier werden in Zukunft Landesinteressen, wie immer sie auch motiviert sein mögen, durch die Politik und durch Landespolitik bestimmt werden. Im letzten Jahr wurden während zweier Beratungen der Umweltministerkonferenz im Übrigen sehr weitreichende umweltpolitische Beschlüsse gefasst. Das sollten wir uns noch einmal zurate ziehen, einheitliche Positionen zur Verbesserung des Klimaschutzes etwa, zum verstärkten Ausbau der Bioenergieerzeugung, zum Umgang und zur Sicherung der bundeseigenen Naturschutzflächen, zur Reinhaltung der Luft, zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, auch zum Hochwasserschutz. Dort ist eigentlich ein Weg bereitet, der gegangen werden muss in bundesstaatlicher Gemeinsamkeit. Aber was wir jetzt vollziehen, ist genau der umgekehrte Weg. Ich bringe den Verweis auf diese Beschlüsse, weil sich die Umweltminister der Länder mit verschiedener Parteizugehörigkeit, das möchte ich ja hier eindeutig sagen, einig waren, dass die Umweltbelange nicht an irgendwelchen Ländergrenzen Halt machen können. Was wir jetzt vorfinden, das ist eine andere Entwicklungsrichtung. Das Ergebnis kann durchaus sein - und schon allein diese

Frage ist eben kritisch zu bewerten -, dass in vielen Dingen jedes Bundesland eine eigene Umweltgesetzgebung in Zukunft auf den Weg bringen muss. Das Umweltrecht insgesamt, meine Damen und Herren, wird durch diese Reform, wie sie die Koalition in Berlin plant, zersplittert und eine klare Kompetenzzuordnung - das sind ja immer wieder Fragen, die dieser Reform in den Mund gelegt werden - zwischen Bund und Ländern ist hier überhaupt nicht erkennbar.

Es wurde schon debattiert zur Frage des Strafvollzugsrechts. Der Herr Minister hat darauf verwiesen, dass Thüringen nicht vorhat, von entsprechenden Standards abzugehen. Trotzdem will ich hier noch einmal betonen: Die Verschiebung dieser Gesetzgebungskompetenz für das Strafvollzugsrecht in die allgemeine Zuständigkeit der Länder stieß bei vielen Fachleuten aus der Wissenschaft auf deutliche Ablehnung. Zahlreiche Fachleute aus der Praxis warnen eindringlich davor, dass sich die Vollzugsbedingungen in den Ländern auf dem untersten Niveau angleichen. Ich muss sagen: Bei der gesamtwirtschaftlichen, bei der finanziellen Situation, in die wir gestellt sind, ist diese Gefahr sehr groß. Wir teilen diese Kritik ausdrücklich. Die Sparschraube von unten wird gerade in den ärmeren Ländern in eine Richtung gehen, die wir nun aus unserer Sicht überhaupt nicht gutheißen können, nämlich, meine Damen und Herren, in Richtung von Privatisierung. Das ist ein durchaus realistisches Szenarium, denn ein recht wohlhabendes Land wie Hessen - heute - betreibt ja schon die Privatisierung, wie das in der Zeitung oft heißt, „der Knäste“, also des Strafvollzugs. Die Sachverständigen waren aber fast einhellig der Meinung und warnen davor, hoheitliches Handeln in einem so grundrechtsrelevanten Bereich in die Hände privater Sicherheitsfirmen zu geben. Ich denke, das sieht zum Beispiel auch der deutsche Richterbund so. Aber die jetzt in Gang gekommene Föderalismusreform, meine Damen und Herren, öffnet solchen Überlegungen leider Tür und Tor und ich kann an dieser Stelle nur vor solchen Entwicklungen warnen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Fraktion Linkspartei.PDS steht also mit der Befürchtung - wie ich gesagt habe - einer Ökonomisierung des Strafvollzugs nicht allein. Ich denke, dass darüber eine viel größere gesellschaftliche Debatte noch notwendig ist, als dass man jetzt mit einer schnellen Beschlussfassung diese Problematik beiseite tut und das Kind mit dem Bade ausschüttet. Eine größere Anzahl von Anzuhörenden verwies in der Diskussion auch darauf, dass die Übertragung der Gesetzgebungskompetenz des Strafvollzugs auf die Länder die liberalen Errungenschaften dieses Strafvollzugs in unserem Land durchaus in Gefahr

bringen kann. Kompetenzübertragungen auf die Landesebene eröffnen die unterschiedlichen und die konservativen Sichten - zum Beispiel der CDU-regierten Länder, die sind ja bekannt - als Spielwiesen zum Ausprobieren, ich denke, eher altvorderer Politikkonzepte. Es drohen nach Aussagen der Fachleute Zustände, wie sie weit vor dem Jahr 1977 im bundesrepublikanischen Strafvollzug üblich waren und die mit gutem Grund überwunden wurden. Diese Diskussion im Rahmen der Anhörung zeigte doch ganz deutlich, dass hier auch konservative politische Sichten, vor allem das Ziel einer Reform, ja eigentlich einer Reform im Rückschritt zum Ziel haben. In den künftigen Strafvollzugsgesetzen, vor allem der CDUregierten Länder, sollen die Grundsätze der Abwehr, der Sicherung der Bevölkerung vor menschlichen Gefahren - man verdeutliche sich den Begriff - wieder deutlicher in den Vordergrund gerückt werden. Ja, meine Damen und Herren, Strafe als Mittel der Gefahrenabwehr; in fataler Weise zeichnet sich die geistig-moralische Wende weg von der Resozialisierung auch im Jugendstrafvollzug ab, wie Gesetzentwürfe aus Bayern und Baden-Württemberg deutlich machen. Ich denke, gerade diese Frage der Resozialisierung ist eine der Grundwerte bundesrepublikanischer Justizpolitik und Rechtsauffassung und sie sind deutlich der Verteidigung wert, meine Damen und Herren, auch der Verteidigung gegen diese Reformansätze, die uns hier vorliegen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Massiv ist bekanntermaßen auch die Kritik an der Übertragung des Beamtenrechts, also die Rechtsetzungskompetenz - und darum geht es - für die Laufbahn, die Besoldung und Versorgung der Landesbeamten praktisch in alleiniger Zuständigkeit der Länder. Die Landesregierung hat sich dagegen bekanntermaßen - wie heute noch einmal gesagt wurde - ausgesprochen, aber die Ergebnisse sprechen eine andere Sprache. Eine Vielzahl der Anzuhörenden im Bundestag verwies darauf, dass mit der Abschaffung der Rahmengesetzgebung Zustände zu erwarten sind - meine Kollegin Berninger hat das schon gesagt -, die tatsächlich mindestens in das Jahr 1971, aber von da an ausgehend bis ins vorvergangene Jahrhundert zurückreichen. Ich will auch mal an der Stelle sagen: Obwohl deutsche Beamte ja eher als konservativ verschrien sind, wollten in der Anhörung nicht einmal ihre Standesvertreter die Wiederkehr solcher Zustände etwa begrüßen oder bejubeln, sondern sogar noch im Gegenteil. Das sollte uns doch wohl zu denken geben, wenn mehr oder weniger Betroffene, die durchaus immer einen ganz gezielten Blick auf Rechtsstaatlichkeit und auch ein gewisses, durchaus konservatives Verständnis haben, vor Veränderungen in dieser Richtung warnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich will in diesem Zusammenhang auch noch mal eine andere Frage hier deutlich aufwerfen. Das ist nämlich die, dass bei uns im Land immer der Grundsatz gilt, zumindest als Anspruch gilt: gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit. Das Bundesverfassungsgericht hat in den 70er-Jahren diesen Grundsatz der Besoldungsgleichheit genannt, ein weitreichendes Urteil gefällt. Das Beamtenrechtsrahmengesetz und die bundeseinheitliche Besoldungsstruktur sind eine Konkretisierung dieses, meine Damen und Herren, Verfassungsgrundsatzes. Auch an der Stelle wird noch einmal deutlich, es handelt sich nicht einfach um eine Reform schlechthin, sondern es handelt sich wirklich um eine doch in diesen Fragen stark verfassungsrechtlich verändernde Reform mit relativ großer Tragweite. Deshalb muss aus unserer Sicht hier ein Stopp und ein Neuüberlegen geboten sein. Herr Althaus hat sozusagen die Spezialitäten Thüringens mit der 42-Stunden-Woche und anderen Dingen für Beamte deutlich gemacht. Aber selbst wenn ich an der Stelle noch mal auf den Wettbewerbsgedanken zurückkommen will - wer, meine Damen und Herren, will bei dieser jetzt vorgesehenen Regelung denn nun insbesondere für die ostdeutschen Länder zukünftig bei entsprechender Arbeit im Bereich der Beamtentätigkeit, im Bereich der Verwaltungen, dort, wo das vorgesehen ist, wer will denn bitte unter diesen Gesichtspunkten noch Qualität und damit im Übrigen auch verbunden Bürgernähe als Maßstäbe setzten können, wenn er es praktisch auch der Maßgabe der jeweils örtlichen Haushaltslage anheim stellt, meine Damen und Herren? Deshalb denken wir, auch hier müssen Veränderungen erreicht werden bei dem vorliegenden Reformpaket.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Föderalismusreform, wie sie vorliegt, ist auch eine auf Kosten von Behinderten und Pflegebedürftigen und auch das ist aus unserem Gesichtspunkt nicht hinnehmbar. Die Gesetzesreform gefährdet die einheitliche Umsetzung der Barrierefreiheit in allen Bundesländern und führt zu massiven Verschlechterungen im Bereich des SGB XI, das u.a. die berufliche Eingliederung behinderter Menschen regelt. Ich möchte noch mal daran erinnern, dass mit In-Kraft-Treten des SGB IX sowie des Behindertengleichstellungsgesetzes im Jahr 2002 ein seit Jahrzehnten geforderter Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik Einzug hielt, der durch die Föderalismusreform im Grunde genommen wieder rückgängig gemacht, aber zumindest ausgehöhlt wird, meine Damen und Herren. Welches Bild geben wir ab, welche Wirkungen lösen wir damit aus? Vor diesem Hintergrund sagen wir, die Reform ist auch an der Stelle unbedingt reparaturbedürftig.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich möchte noch einige Ausführungen machen zum Bereich des Heimrechts. Von etwa 2,1 Mio. pflegebedürftigen Menschen leben ca. 600.000 in Alten- und Pflegeheimen und damit ist natürlich klar, pflegebedürftige Menschen stehen in einer besonderen Abhängigkeit, in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu Heimträgern und Heimleitungen. Gerade um den Interessen dieser Betroffenen zu entsprechen, bedarf es eines einheitlichen Schutzes, der bundesweit gelten muss aus unserer Sicht. 1974 wurde deshalb ein bundeseinheitliches Heimgesetz verabschiedet und seitdem fortwährend ergänzt. Es regelt die Voraussetzungen zum Betreiben und die Standards von stationären Pflegeeinrichtungen recht deutlich. Die jetzige Gefahr besteht nun darin, dass mit der Länderhoheit über das Heimrecht finanzschwache Länder die noch geltenden Pflegestandards absenken. In dieser Situation stehen wir, meine Damen und Herren. Es gibt doch bereits heute Überlegungen einzelner Bundesländer, die Fachkraftquote weiter zu reduzieren. So bleibt das Ziel, gleiche Lebensverhältnisse auch für diejenigen Menschen zu garantieren, die sich am wenigsten wehren können, also Pflegebedürftige und Behinderte. Diesem Anspruch wird die vorliegende Reform nicht gerecht. Sie baut ihn ab, meine Damen und Herren, in unverantwortlicher Weise.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir sind schon sehr deutlich der Meinung, dass ein Pflegemarkt immer interessierter Kapitalanleger sich nicht ausweiten darf in diesem Land und dass deshalb der Staat seine Verantwortung in dieser Frage ganz konsequent wahrnehmen muss und sich nicht aus ihr zurückziehen darf. Durch eine Kommerzialisierung der Pflege wird es dazu kommen, dass Renditen und Profite die Ausstattungen der Einrichtungen und die Versorgung der Menschen zunehmend bestimmen. Auch hier sage ich wieder, das ist nicht explizit so aus der Reform unbedingt herauszulesen, aber mit ihren Regelungen öffnet sie die Möglichkeit, in diese Richtung vorzugehen. Dem gilt es sich jetzt in den Weg zu stellen, meine Damen und Herren. Das Heimrecht ist wie kaum eine andere Rechtsmaterie eng mit den Vorschriften der Pflege verbunden und deshalb hängen diese Dinge zusammen. Sämtliche Regelungen, insbesondere diejenigen, die eine qualitätsgerechte Pflege sicherstellen, bleiben Bundesrecht. Auch die eng mit der Pflege verbundene Sozialhilfe, insbesondere im stationären Bereich, bleibt in bundesrechtlicher Hand, also ist es doch nur konsequent, meine Damen und Herren, auch die Frage des Heimrechts dort zu belassen. Was ist denn das für ein Weg nach Schilda, der hier vorgeschlagen wird, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich glaube, dieses Land hat eine umfassende, auch verfassungsrechtlich diskutierte Reform des Föderalismus notwendig. Wir haben vor uns die Aufgabe, einen kooperativen und im breitesten Konsens mit Bürgerinnen und Bürgern sich entwickelnden Föderalismus in diesem Land voranzubringen. Dazu stehen wir ganz ausdrücklich, aber dabei steht für uns die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Bundesländern im Mittelpunkt. Ich kenne natürlich die Einwände, meine Damen und Herren, das hat es so nie gegeben, das war so nie erreicht. Unterschiede zwischen den nördlichen und den südlichen Ländern der alten Bundesrepublik hat es immer gegeben und wird es immer geben. Sicher, meine Damen und Herren, aber worüber am Freitag auch mit der Stimme Thüringens im Bundesrat zu entscheiden ist, ist die Frage, ob die Politik und die Verfasstheit dieses Landes gleichwertige Lebensverhältnisse in ihrem Tun und Handeln und in ihrer Verfasstheit auch weiter gemeinsam anstrebt. Das tun Sie nicht, wenn Sie dieser Reform zustimmen. Deshalb sagen wir ganz deutlich: Stimmen Sie nicht dafür im Bundesrat, Herr Althaus!

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herr Abgeordneter Hausold, Sie hatten eine Nachfrage gestattet. Bitte, Abgeordneter Schwäblein.

Herr Abgeordneter Hausold, auch wenn es jetzt schon eine Stunde her ist, als Sie von Länderfusion gesprochen haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie sich daran erinnern, dass es bei Länderfusionen Volksentscheide geben muss, und ob Sie noch wissen, wie der letzte Volksentscheid in dieser Sache ausgegangen ist, und ob Sie noch wissen, wer als Partei dagegen war, dass die beiden Länder fusionieren?

Das ist ja okay, Herr Schwäblein, da danke ich Ihnen für die Frage. Wissen Sie, ich habe es versucht, das mag bei Ihnen nicht rübergekommen sein, aus welchen Gründen auch immer, zu sagen, wir stehen nicht gegen eine Föderalismusreform, wir sagen aber ein deutliches politisches Nein zu der Föderalismusreform, die Sie hier anstreben. Wir haben nie als Partei grundsätzlich Nein zu einer Länderfusion zwischen Berlin und Brandenburg gesagt, aber zu der Art und Weise und zu den Inhalten, wie sie auf den Weg gebracht werden sollten, haben wir Nein gesagt und haben uns deshalb so entschieden, meine Damen und Herren. Im Übrigen, Herr Schwäblein, wissen Sie, wir wollen ja was nach vorn debat

tieren gemeinsam, das sagt Ihre Regierung, das behauptet die CDU-Fraktion. Wenn ich den zweiten Teil Ihrer Frage beantworte, muss ich sagen, ja wenn manches nicht wäre, hätten wir ja noch einen Kaiser in Deutschland. Die Zeiten sind vorbei.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Matschie, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, Sie merken, meiner Stimme geht es heute nicht ganz so gut, aber keine Sorge, es ist nicht das Thema, was mir etwas die Sprache verschlägt, es ist auch nicht das Fest der Thüringer Landesvertretung gestern Abend schuld, was übrigens sehr schön war, aber zum Thema.

Herr Hausold, ich sehe ja auch eine ganze Reihe von Dingen kritisch im Zusammenhang mit der Föderalismusreform, aber bei Ihrer Rede konnte man ja wirklich den Eindruck bekommen, hier geht es um den Untergang des Abendlandes.

(Beifall bei der SPD)

Da bitte ich Sie, einfach noch einmal ein bisschen nachzudenken. Denn verantwortliche Politik muss, wenn sie entscheidet, abwägen, sie muss Vorteile und Nachteile abwägen. Sie kann sich nicht darauf begrenzen, sich nur mit Nachteilen auseinanderzusetzen, dann kann nie eine verantwortliche Entscheidung herauskommen, sondern sie muss beide Seiten wägen. Das habe ich in Ihrer Rede sehr deutlich vermisst.

Ich will deshalb noch einmal zum Ausgangspunkt dieser Reformdebatte zurückkommen. Warum hat man eigentlich eine solche Föderalismusdebatte begonnen? Sie ist begonnen worden, weil wir nicht länger hinnehmen wollten, wie sich Bundestag und Bundesrat in wichtigen Fragen gegenseitig blockiert haben, weil wir nicht länger hinnehmen wollten, dass viele Entscheidungen in nächtelangen Vermittlungsausschuss-Sitzungen fallen, bei denen dann im Morgengrauen niemand mehr ganz genau weiß, was eigentlich in der Nacht entschieden worden ist. Wir wollten, dass es wieder klarere Zuständigkeiten gibt auf der einen Seite für den Bund, auf der anderen Seite für die Länder. Ich denke, das ist ein richtiges Anliegen;

(Beifall bei der SPD)

einmal, weil es dazu beiträgt, dass Blockaden vermieden werden können und Politik damit handlungsfähiger wird, zum anderen aber auch aus Demokratieüberlegungen heraus. Denn es muss den Bürgern doch möglich sein, jedenfalls soweit das irgend geht, Entscheidungen einem bestimmten Gremium auch eindeutig zuordnen zu können - dem Europäischen Parlament, dem Bundestag, dem Landtag oder einer kommunalen Ebene. Daran ist doch zunächst mal nichts Schlechtes, wenn man versucht, Entscheidungen eindeutig zuzuordnen.

Es gab einen weiteren Punkt, der wichtig war am Anfang dieser Debatte. Die Situation, dass 16 Ministerpräsidenten oder Ländervertreter versuchen, in Brüssel Politik zu machen, die ist nicht sehr befriedigend gewesen, was die Durchsetzung deutscher Interessen in der Europäischen Union angeht. Wenn man sieht, dass der Freistaat Bayern eine größere Vertretung in Brüssel sich gebaut hat als der Bund sie besitzt, dann kommen einem schon Fragen, warum das so sein muss. Auch deshalb war es notwendig, darüber nachzudenken, wie wir denn Interessenvertretung gegenüber der Europäischen Union eindeutiger, klarer und damit auch effizienter machen. Auch das war ein Anliegen dieser Föderalismusreform.

Das Ergebnis all dieser Überlegungen ist die umfassendste Grundgesetzreform, die es bisher gegeben hat, und sie sorgt dafür, dass die Zahl der zustimmungsbedürftigen Gesetze mehr als halbiert wird, und sie sorgt dafür, dass auch die Erforderlichkeitsklausel des Artikel 72 Absatz 2 in ihrer Anwendung deutlich eingeschränkt wird. Auch das war in den letzten Jahren ein Problem. Wie oft sind Entscheidungen vor dem Bundesverfassungsgericht gelandet, weil die Länder gesagt haben, es besteht überhaupt keine Erforderlichkeit für eine Regelung des Bundes. Das hätte man natürlich noch weiter so fortsetzen und sagen können, wir streiten uns weiter vor dem Verfassungsgericht. Man kann eben auch hingehen und sagen, wir wollen das klarer ordnen, wir wollen, dass eindeutige Entscheidungen möglich sind und wir weniger vor den Verfassungsgerichten uns streiten, weil sozusagen in der Sache inhaltlich entweder der Bundestag oder die Landtage dazu Entscheidungen treffen können. Ich finde, dass dieses Anliegen ein gutes ist und dass der vorliegende Vorschlag eine Menge von diesen Überlegungen umgesetzt hat. Zweieinhalb Jahre ist insgesamt beraten worden. Das, was ich bedaure an dieser Beratung, ist, ich will das hier auch noch einmal sagen, dass das Land Thüringen, dass die Thüringer Landesregierung nicht besonders wahrnehmbar gewesen ist, was die Vertretung von Positionen zur Föderalismusreform angeht, obwohl das am Anfang anders angekündigt war. Aber es war eine ausführliche Beratung. Wir haben als SPD darauf ge

drängt, nachdem sich Bund und Länder geeinigt hatten, noch einmal zu sagen, wir wollen, dass dieser Einigungsprozess noch einmal von Fachexperten diskutiert wird. Denn es ist ganz klar, am Ende gibt es Kompromisse zwischen Bund und Ländern immer nur nach dem Prinzip: eines auf deinen Haufen, eines auf meinen Haufen und am Ende ist die Kompetenzverteilung klar. Das musste noch einmal fachlich durchdiskutiert werden und deshalb die umfangreiche Anhörung von Bundestag und Bundesrat. Sieben Tage haben sich die Gremien dazu Zeit genommen. Ich finde es gut, ausdrücklich gut, dass man sich die Zeit genommen hat und dass es Änderungsvorschläge gegeben hat.

Ich will noch einmal an die Debatte erinnern, die wir vor einigen Monaten hier hatten. Ich habe damals deutlich gemacht, wir wollen Veränderungen an dem Vorschlag, der auf dem Tisch lag. Wir haben uns für solche Veränderungen eingesetzt. Ich habe die Position der CDU und auch die des Ministerpräsidenten nicht verstanden, die da hieß, was verhandelt ist, darf nicht mehr verändert werden, obwohl der Bundestag mit einer Anhörung mitten im Diskussionsprozess stand. Aber ich denke, dass es gut war, dass solche Veränderungen diskutiert worden sind. Ich will ein paar Punkte hier erwähnen.

Das so genannte Kooperationsverbot im Bildungsbereich: Wer die Anhörung aufmerksam verfolgt hat, der konnte feststellen, dass fast alle der geladenen Experten erklärt haben, dass sie ein solches Kooperationsverbot für Unfug halten und dass stattdessen eine klare Kooperationsregelung, wie denn Bund und Länder mit dieser Frage gemeinsam umgehen können, in das Grundgesetz gehört. Es ist gelungen, wenigstens für den Hochschulbereich hier eine Änderung durchzusetzen und deutlich zu machen, dass wir die steigenden Anforderungen, die wir gerade im Hochschulbereich vor uns haben, mit wachsenden Studierendenzahlen, mit der Umstellung der Studienstrukturen, mit europäischen Herausforderungen nur bewältigen können, wenn Bund und Länder gemeinsam dafür sorgen, dass die Hochschulen leistungsfähig sind. Im Übrigen, das will ich an dieser Stelle auch einmal sagen, die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Schavan, war ganz begeistert davon, dass wir diese Veränderung durchgesetzt haben. Auf die eigenen CDUKollegen konnte sie sich leider in dieser Frage nicht verlassen. Aber wir haben ihr da gern geholfen und ich denke, wir haben jetzt am Ende auch ein gutes Ergebnis.

Was wir leider nicht hinbekommen haben, und das bedaure ich ganz ausdrücklich, mit dieser Verfassungsreform dafür zu sorgen, dass es die Möglichkeit gibt, mehr Einheitlichkeit auch im deutschen Schulsystem herzustellen.

(Beifall bei der SPD)

Ich hätte mir gewünscht, dass wir mehr Kompetenzen für den Bund auch in der Schulbildung eingeräumt hätten. Denn es ist doch wahr, dass viele Menschen überhaupt nicht verstehen, warum das deutsche Schulsystem so stark zersplittert ist und es so viele unterschiedliche Regelungen in 16 Bundesländern gibt. Herr Kollege Hausold hat es ja in aller Ausführlichkeit angesprochen. Wer mit Kindern im schulfähigen Alter in andere Bundesländer umziehen muss, der wird erleben, dass die Kinder oft ums Sitzenbleiben nicht drum herumkommen, weil die Strukturen nicht zueinander passen. Hier ein bisschen mehr Klarheit, ein bisschen mehr Einheitlichkeit zu schaffen, das kann doch auch kein Schaden für den Föderalismus sein, sondern das ist zum Nutzen für die Menschen, die davon betroffen sind. Ich bedaure, dass das nicht gelungen ist mit dieser Föderalismusreform.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage aber auch ganz deutlich: Es bleibt trotz dieser Entscheidung, dieser Kompetenzentscheidung, eine Aufgabe der Länder, jetzt gemeinsam nach Wegen zu suchen, wie ein einheitlicher Rahmen im Bildungswesen gestaltet werden kann. Da darf sich die Kultusministerkonferenz auch nicht aus der Verantwortung stehlen. Wir müssen auch nach dieser Entscheidung dazu kommen, hier mehr Gemeinsamkeit im deutschen Bildungssystem zu suchen.

Ich will auch ein paar Sätze zum Umweltrecht sagen, weil uns das auch sehr am Herzen liegt, insbesondere in der Frage: Kommen wir da in eine Situation, wo Investoren mit 16 unterschiedlichen Umweltrechten in den Ländern bei Genehmigungen zu tun haben? Auch hier hat es noch einmal Änderungen gegeben. Es ist jetzt klar, dass der Bund in der Lage ist und dafür dreieinhalb Jahre Zeit hat, ein einheitliches Umweltgesetzbuch zu schaffen. Das ist übrigens ein Vorhaben, was schon seit Anfang der 90er- Jahre verfolgt wird. Schon Angela Merkel hatte als Umweltministerin Vorschläge auf dem Tisch, ein solches einheitliches Umweltgesetzbuch zu schaffen, und auch Jürgen Trittin hat sich daran die Zähne ausgebissen. Es war einfach nicht möglich bisher, weil die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern so gestaltet war, dass ein einheitliches Umweltgesetzbuch nicht machbar war. Wir bekommen jetzt die Chance, durch eine andere Kompetenzverteilung ein solches einheitliches Umweltgesetzbuch zu schaffen mit einer integrierten Vorhabengenehmigung, und das ist eine deutliche Verbesserung gegenüber dem jetzigen Zustand. Ich glaube, auch deshalb kann man sagen, dass hier ein vernünftiger Kompromiss gefunden worden ist. Ich habe trotzdem