Protocol of the Session on October 7, 2004

Meine Damen und Herren, die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung ist ein hochaktuelles Thema. Der Reformprozess, will er seine Ziele erreichen, stellt gewaltige Herausforderungen an alle Beteiligten dar. Die tief greifenden Änderungen, mit denen die Betroffenen im Modernisierungsprozess konfrontiert sind, lassen die Personalräte zu immer wichtigeren Ansprechpartnern werden. Wichtig sind daher die Personalräte, die die Modernisierung der Verwaltung begleiten und hierfür eine fundierte Rechtsgrundlage im Sinne eines modernen Personalver

tretungsrechts brauchen. Es müssen daher insbesondere die Beteiligungstatbestände ausgebaut, die Informationsrechte der Personalräte verbessert und die Möglichkeit zur Mitgestaltung von Reformprozessen damit geschaffen werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass zu einem frühen Zeitpunkt noch Einfluss auf die Entscheidung genommen werden kann. Ich denke, dies gilt es in Zukunft für uns sicherzustellen. Auch hier sei angemerkt, meine Damen und Herren, dass ich ankündige, dass unsere Fraktion an der Erarbeitung eines modernen Personalvertretungsgesetzes im ersten Halbjahr 2005 dran ist. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Es liegt eine weitere Wortmeldung vom Abgeordneten Gentzel vor. Bitte, Herr Gentzel.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst und grundsätzlich: Das Thüringer Personalvertretungsgesetz ist ein schlechtes Gesetz. Dies, meine Damen und Herren, beruht im Wesentlichen in der Hauptursache an der schlechten Novelle, die dieses Gesetz in der 3. Legislaturperiode erfahren hat. Ich glaube, sinnbildlich für diese Novelle ist das Herausstreichen des Begriffs der "gleichberechtigten Zusammenarbeit zwischen Dienststelle und Personalvertretung". Das Streichen dieser Begrifflichkeit allein zeigt, in welchem Geist von Seiten der CDU dieses Personalvertretungsgesetz novelliert worden ist. Mitbestimmungstatbestände sind herabgestuft worden, Personalratsmitglieder sind reduziert worden, Freistellungen sind eingeschränkt worden. Alles in allem der Satz: Das Thüringer Personalvertretungsgesetz ist ein schlechtes Gesetz. Dem ist nicht viel hinzuzufügen.

Kommen wir zu der Novelle, die für heute hier für dieses Haus beantragt ist. Es besteht aus zwei wesentlichen Teilen, zunächst aus der Streichung von § 4 Abs. 5 und § 14 Abs. 2 Nr. 2. Es erfolgt richtigerweise, sage ich hier, diese Novelle auf Grundlage von Rechtsprechung einmal im Thüringer, einmal im europäischen Raum. Die Grundhaltung der Thüringer SPD, Herr Fiedler, hat sich an dieser Stelle, so muss man sagen, leider bestätigt. Wir können dieses Personalvertretungsgesetz inhaltlich nicht auf dem juristischen Weg verbessern, sondern der politische Wille muss dazu da sein, dann ist auch der juristische Spielraum da.

Meine Damen und Herren, Kern der Novelle ist die Veränderung in § 32. Kurz und unjuristisch gesagt, wird es uns ermöglichen, dass in dem neuen Mi

nisterium für Bildung, Forschung und Wissenschaft es zukünftig zwei Hauptpersonalräte zu wählen gilt. Das begrüßen wir. Wir finden auch gut, dass das ohne Übergangslösung und Trara gemacht wird, sondern gleich richtig ins Gesetz reingeschrieben wird. Deshalb unterstützen wir auch die zügige Beratung dieses Tagesordnungspunkts. Ansonsten, meine Damen und Herren, ich will es noch einmal wiederholen, es besteht Bedarf nach einer Gesamtnovelle des Thüringer Personalvertretungsgesetzes. Ich kann hier schon ankündigen, dass die SPDLandtagsfraktion in dieser Legislaturperiode dazu die entsprechenden Vorschläge machen wird. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Eine weitere Wortmeldung liegt von Herrn Abgeordneten Fiedler vor. Ich bitte den Abgeordneten Fiedler nach vorn, um das Wort zu ergreifen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Gentzel, ich wollte gerade sagen, wenn man in der letzten Reihe sitzt, klopfen die eigenen Kollegen nicht einmal mehr. Geben Sie sich ein bisschen Mühe, damit dies wieder verbessert wird.

Es geht heute um das Zweite Gesetz zur Änderung des Thüringer Personalvertretungsgesetzes, Gesetzentwurf der Landesregierung, in Drucksache 4/185. Ich nenne bewusst noch einmal den Titel und es ist ja ausgeführt worden durch den Staatssekretär und die Landesregierung, um was es denn eigentlich geht. Es geht also um die Zusammenlegung der zwei Ministerien, das alles will ich nicht noch einmal wiederholen, weil es ja drei Mann schon gesagt hatten. Es geht natürlich auch um Anpassung, die auch der Verfassungsgerichtshof oder entsprechend EuG uns vorgegeben haben. Ich denke, und da möchte ich deswegen noch einmal in Richtung PDS schauen, natürlich ist die PDS zum damaligen Zeitpunkt gemeinsam mit den Gewerkschaften Sturm gelaufen gegen dieses Personalvertretungsgesetz. Es gab auch in eigenen Reihen, die nicht ganz glücklich waren mit allem, was dort auf den Tisch gebracht wurde. Aber ein Ende der Diskussion, das muss man deutlich machen, wir haben dazu auch ausgiebig diskutiert und gesprochen und Anhörungen gemacht. Insbesondere - deshalb möchte ich noch einmal die PDS darauf hinweisen - haben wir damals noch die Landtagsverwaltung - ob das verfassungsrechtlich stand hält, war mir selbst unklar -, den Wissenschaftlichen Dienst der Landtagsverwaltung, beauftragt das zu prüfen. Damals ist schon gesagt worden aus Sicht der Landtagsverwaltung plus Landesregierung, dass das Bestand hat. Nun meinte

natürlich die PDS, denen kann man allen nicht trauen, also geht man vor das Verfassungsgericht, ist ja ihr gutes Recht. Sie sind vor das Gericht gezogen und Sie haben dort abstrakte Normenkontrolle vorgelegt. Ich muss Ihnen sagen, meine Damen und Herren der PDS, wir müssen Ihnen dankbar sein, denn das Gericht hat klipp und klar bestätigt, dass das, was sie hineingeschrieben haben, außer den zwei Punkten, die noch zu behandeln sind, ich will sie nicht extra noch einmal nennen, mit den § 4 Abs. 5 etc., ist das bestätigt worden vom Verfassungsgericht. Das hat uns am Ende Recht gegeben. Wir haben ein modernes, ein praktikables Personalvertretungsgesetz

(Zwischenruf Abg. Ramelow, PDS: Das steht nicht drin). und der Verfassungsgerichtshof im Freistaat Thüringen hat uns Recht gegeben, dass wir in den entsprechenden Gesetzen das alles formuliert haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren der PDS, Sie sollten nicht zu oft zum Verfassungsgerichtshof gehen, um dann zu scheitern, das sollte man sich wirklich überlegen. Es ist natürlich unbenommen und auch die SPD, die natürlich dort neue Ansätze wählte, wem sage ich das, dass Sie einen neuen Entwurf bringen und dass dieser neu diskutiert wird. Das ist ja Ihr gutes Recht. Aber ich will darauf verweisen, dass es jetzt um dieses hier geht, was uns vorliegt. (Unruhe bei der PDS)

Ich bitte um Überweisung an den Innenausschuss und dass es schnell abschließend beraten werden kann. Vielen Dank.

(Βeifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Ramelow, bitte.

Werter Kollege Fiedler, also Ihrem Redebeitrag wollte ich jetzt nicht unwidersprochen lauschen: Erstens, der Antrag, der Gesetzesantrag, so wie er eingebracht ist, ist mit allen Beteiligten abgesprochen und sollte heute und morgen schnellstens über die Bühne gebracht werden. Die Personalräte und Hauptpersonalräte haben einen Anspruch darauf, dass in einer vernünftigen Art und Weise zügig gearbeitet werden kann. Ich glaube, darüber sind wir uns alle hier einig und das sollten wir heute und morgen auch in diesem Geiste gemeinsam so über die Bühne bringen.

Zweite Bemerkung: Dass Sie akzeptieren, dass wir zum Verfassungsgericht gegangen sind, das finde ich auch sehr lobenswert, weil mir der frühe Vormittag nicht so sehr das Vertrauen gegeben hat, dass in der mittleren Sitzreihe das Prinzip der demokratischen rechtsstaatlichen Teilung und der Stärkung der rechtlichen Instanzen wirklich begriffen wird. Da draußen standen ja jetzt gerade Richter und Staatsanwälte, mit denen man über die Frage Rechtsschutzgewährung und Rechtsstaatlichkeit intensiv diskutieren konnte. Sie hätten Gelegenheit gehabt, ein Stück weit Fortbildung mit den betroffenen Richtern und Staatsanwälten gemeinsam zu erleben.

(Beifall bei der CDU)

Die Frage des Verfassungsgerichtsurteils zum ThürPersVG, werter Herr Kollege Fiedler, also da interpretieren Sie etwas rein, was nicht einmal die Richter reingeschrieben haben. Dass das von Ihnen verantwortete Gesetz, die Novellierung des jetzt gültigen Thüringer Personalvertretungsgesetzes, eine moderne Mitbestimmung sei, das wagen nicht einmal die Verfassungsrichter zu behaupten.

(Beifall bei der PDS)

Sie haben lediglich festgestellt - und das war der Antrag, den wir gestellt haben und den wir haben prüfen lassen -, ob in den einzelnen Punkten das von Ihnen aufgestellte und hier im Parlament beschlossene Gesetz verfassungskonform oder verfassungswidrig sein könnte. In einem Punkt hat das Verfassungsgericht gesagt: Völlig klar, verfassungswidrig, dieses Gesetz ist verfassungswidrig; da, wo teilzeitbeschäftigte Frauen unter einer bestimmten Stundenzahl beschäftigt sind und ausgeschlossen werden von Wahl und Wählbarkeit. Insoweit haben wir alle einen Lernprozess; den haben wir jetzt gerade mit der Vorlage repariert. Das ist gut so. In den anderen Punkten hat das Gericht entschieden, dass es auszuformen ist durch das Parlament und durch seine jeweilige Parlamentsmehrheit, ob man ein Mehr an Mitbestimmung oder ein Weniger an Mitbestimmung bekommt. Die Bandbreite hat das Gericht nicht mehr geprüft, sondern hat gesagt, das ist eure Angelegenheit als Politiker. Wir als Gericht entziehen uns der Diskussion, ob es modern ist oder nicht. Das haben sie sogar ausdrücklich gesagt. Sie sagen auch, ein rückwärts gewandtes konservatives Gesetz, das sind meine Worte, ist dann zulässig, wenn es selbst nach einem obrigkeitsstaatlichen Prinzip vollzogen wird, so wie Sie es gemacht haben. Sie haben nämlich die Personalräte zu Bittstellern degradiert. Dieses Wort von Mitbestimmung ist so ähnlich wie Edelstahl und Diebstahl. Es hat miteinander nichts zu tun.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ent- schuldigung, das ziehe ich zurück, keine Ausschussüberweisung. Wir wollen ja morgen die zweite Beratung machen). Sie haben die Personalräte aus der gleichen Augenhöhe, aus der Position der gleichen Augenhöhe hinauskatapultiert und Sie haben sie zu Bittstellern in der Verwaltung gestellt, gerade wenn Verwaltungsumbau in Größenordnungen ansteht. Und wenn ich jetzt auf mich wirken lasse, was der Ministerpräsident des Freistaats hier angekündigt hat an radikalem Verwaltungsumbau und an einer Breite an Chaos in der Verwaltung, was wir ja gerade heute Morgen hier erlebt haben und was wir in den nächsten Wochen noch erleben werden, wäre es notwendig, dass man mit den Beschäftigten auf gleicher Augenhöhe auch den Mut hat zu verhandeln. Und das hieße, den Personalräten Rechte einzuräumen, die Sie ihnen vorher gerade beschnitten haben. Deswegen werden wir ganz klar an der Seite der Gewerkschaften mit den Gewerkschaften, mit den Personalräten über die Novellierung eines modernen Mitbestimmungsrechts streiten und entsprechende Anträge einbringen. Und, Herr Fiedler, da werden wir die Diskussion noch einmal führen. Wie viel Mitbestimmung möchten Sie Menschen in der Verwaltung eigentlich zugestehen oder möchten Sie nur, dass die Bediensteten des öffentlichen Dienstes untergeordnet nach einem obrigkeitsstaatlichen Staatsverständnis einfach nur Untergeordnete sind? Ich glaube, dagegen hätten wir alle etwas, zumindest von den Oppositionsparteien. Insofern habe ich die beiden Redebeiträge verstanden. Das Verfassungsgericht, Herr Fiedler, hat Ihnen nicht Recht gegeben, dass die Novelle, wie Sie die durchgesetzt haben, dauerhaft Bestand hat. Das Verfassungsgericht hat ausdrücklich im Urteil entschieden, wir hier im Parlament können es ausformen und die Frage, wie viel Mitbestimmung wollen wir Beschäftigten überhaupt geben, ist erneut zu diskutieren. Ich glaube, so verstehe ich auch den Auftrag, den wir haben. Und an dieser Stelle werden wir das eine heute tun und das andere werden wir nicht lassen, nämlich mit den Beschäftigen und den Betroffenen für mehr Mitbestimmung in Thüringen zu kämpfen. Vielen Dank. (Beifall bei der PDS)

Gibt es weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt? Das ist nicht der Fall. Damit schließe ich die erste Beratung zu diesem Gesetzentwurf. Die zweite Beratung wird in der morgigen Plenarsitzung als Tagesordnungspunkt 2 aufgerufen werden.

Wir kommen damit zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 5

a) Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes und des Thüringer Wassergesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 4/187 ERSTE BERATUNG

b) Konzept der Landesregierung zur Schaffung großer und kostengünstiger Strukturen in der Wasserund Abwasserwirtschaft Thüringen Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/183

Zum Tagesordnungspunkt 5 a wird die Begründung Herr Innenminister Gasser geben.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, am Ende der vergangenen Legislaturperiode hat sich die Landesregierung angesichts der immer drängender gewordenen Probleme im Bereich Wasser/Abwasser zu einer grundlegenden Änderung des Kommunalabgabengesetzes entschlossen. Herr Ministerpräsident Althaus hat dementsprechend im Mai dieses Jahres angekündigt, dem Landtag bis Anfang Oktober einen Vorschlag für eine Gesetzesnovelle zu unterbreiten, die eine bürgerfreundliche Finanzierung der Anlagen sicherstellt. Dieser Gesetzentwurf liegt Ihnen nunmehr vor. Damit sind seitens der Landesregierung alle Voraussetzungen geschaffen, dass die Neuregelungen zum 1. Januar in Kraft treten können.

Meine Damen und Herren, die Gründe für die Probleme im Wasser-/Abwasserbereich sind Ihnen allen bekannt. Die Kommunen und Zweckverbände haben von den Vorgängereinrichtungen Anlagen übernommen, die zu einem erheblichen Teil nicht funktionsfähig waren, den technischen Anforderungen nicht entsprachen oder sonst saniert werden mussten. Daher waren innerhalb weniger Jahre umfangreiche Investitionen zu tätigen; im Bereich Wasser 897 Mio.      ! "##$$ Ich denke, das zeigt die Situation auf. Diese wurden zu einem nicht unerheblichen Teil über Beiträge auf die Grundstückseigentümer umgelegt. In Verbindung mit weiteren Beiträgen führte das zu erheblichen Belastungen für die Bürger. Obwohl das Land die Aufgabenträger mit hohem finanziellen Aufwand, und zwar von etwa 1,8 Mrd.      umfangreiche rechtliche und betriebswirtschaftliche Hilfestellungen unterstützt hat, führten die Abgaben teilweise zu wirtschaftlich nicht mehr tragbaren Belastungen. Dadurch ist in der Bevölkerung eine gro

ße Verunsicherung eingetreten. Diese Verunsicherung äußerte sich nicht nur in der Gründung von Bürgerinitiativen sowie darin, dass in einigen Zweckverbänden gegen fast alle Beitragsbescheide Widerspruch eingelegt wurde, besonders sichtbar wurde dies durch zahlreiche Demonstrationen, auch hier vor dem Landtag. Wir alle haben die teils harschen Aussagen und die aus ihnen sprechende Wut und Verzweiflung noch deutlich vor Augen. Wir müssen diese Sorgen der Menschen ernst nehmen; sie erwarten von uns eine Lösung.

Meine Damen und Herren, die Problematik lässt sich auf Grundlage des bisherigen Rechts nicht befriedigend lösen. Es hat sich herausgestellt, dass die bestehenden Instrumentarien nicht überall sachgerecht angewandt wurden. Wir kommen nicht umhin, eine vorteilsgerechte und verträgliche Belastung der Abgabenpflichtigen ist ohne eine Gesetzesänderung nicht zu erreichen. Vor diesem Hintergrund hat das Kabinett noch im Mai einen ersten Gesetzentwurf beschlossen. Dieser wurde in einem umfangreichen Anhörungsverfahren zur öffentlichen Diskussion gestellt. Die kommunalen Spitzenverbände, verschiedene Interessenvertretungen, Aufgabenträger, aber auch Bürgerinitiativen und einzelne Bürger haben ihre Stellungnahmen abgegeben. Alle Stellungnahmen wurden vom Innenministerium ausgewertet. Die Anregungen wurden aufgenommen, soweit sie zur Lösung der aufgezeigten Probleme notwendig erschienen. Darüber hinausgehende Regelungswünsche konnten zum Teil nicht berücksichtigt werden. Ich denke hier z.B. an die Pflicht zum Zusammenschluss von Aufgabenträgern, Pflicht zur Einführung von Verbraucherbeiräten oder landeseinheitliche Gebühr. Letzteres ist auf jeden Fall nicht möglich.

Meine Damen und Herren, der Landesregierung kommt es aber nicht nur auf eine möglichst breite Diskussion des Gesetzgebungsvorhabens an, sondern auch auf seine verfassungsrechtliche Absicherung. Zur Abschätzung der rechtlichen Risiken konnte mit Herrn Prof. Kirchhof von der Universität Tübingen ein auch auf dem Gebiet des Abgabenrechts renommierter Verfassungsrechtler gewonnen werden. Das Ergebnis seiner Prüfung liegt Ihnen vor und hat Eingang in den Gesetzentwurf gefunden. Nach Ansicht von Prof. Kirchhof sind die Regelungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese Auffassung teilen wir. Natürlich gibt es keine absolute Sicherheit; wir beschreiten mit der Novelle neue Wege. Dies bedeutet, dass es hierzu keine Rechtsprechung gibt, auf die aufgebaut werden könnte. Dennoch muss das verbleibende Restrisiko eingegangen werden, wenn wir den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern helfen wollen.

Welche Eckpunkte sieht der Gesetzentwurf der Landesregierung nun vor?

1. Die Wasserbeiträge werden abgeschafft. Die Abschaffung ist gesetzlich verpflichtend, um eine einheitliche Handhabung gegenüber den Bürgern zu gewährleisten. Künftig können die Aufgabenträger ihre Investitionen nur noch über Gebühren oder private Entgelte refinanzieren. Damit ist sichergestellt, dass die Bürger nicht mehr auf einmal erhebliche Beitragszahlungen leisten müssen. In der Vergangenheit gezahlte Wasserbeiträge werden vollständig zurückgezahlt. Das sind ca. 146 Mio. %  erhebliche Summe. Die Rückzahlung erfolgt an die jeweiligen Grundstückseigentümer.

2. Im Bereich der Abwasserversorgung mussten Beiträge bisher entsprechend der fiktiven Nutzungsmöglichkeit gezahlt werden. Jeder Grundstückseigentümer wurde nach der höchst zulässigen Bebauung herangezogen, und zwar auch dann, wenn er sein Grundstück gar nicht bebaut oder die zulässige Bebauung nicht ausgenutzt hatte. Künftig wird er nur noch in dem Maße herangezogen, in dem er auch tatsächlich einen Nutzen hat. Für ein unbebautes Grundstück werden keine Abwasserbeiträge erhoben. Ein bebautes Grundstück wird nur nach der tatsächlichen Bebauung herangezogen. Lässt ein Bebauungsplan beispielsweise eine dreistöckige Bebauung zu, wurde tatsächlich aber nur einstöckig gebaut, muss der Eigentümer auch nur für diese einstöckige Bebauung zahlen. Für überdurchschnittlich große Grundstücke gilt künftig eine Kappungsgrenze. Sie liegt unter Berücksichtigung der Verhältnisse in Thüringen bei 130 Prozent. Wir haben uns dabei an die obergerichtlich bestätigte Rechtslage in Sachsen-Anhalt angelehnt. Jeder Aufgabenträger muss für sein Gebiet die durchschnittliche Grundstücksgröße ermitteln. Wenn diese Fläche um mehr als 30 Prozent überschritten wird, kommt eine Heranziehung zum Abwasserbeitrag für die darüber hinausgehende Fläche nicht in Betracht. In Thüringen sind ausweislich des automatischen Liegenschaftsbuches ca. 10 Prozent der Grundstücke in diesem Sinne übergroß. Ist allerdings auch der übergroße Teil des Grundstücks bebaut, muss der Eigentümer hierfür ebenfalls zahlen. Das dürfte klar sein. Schließlich hat er insoweit auch einen Vorteil. Um die Verhältnisse vor Ort spezifisch berücksichtigen zu können, haben die Aufgabenträger die Möglichkeit, nach der Nutzungsart der Grundstücke zu differenzieren. In Betracht kommt insbesondere eine Unterscheidung zwischen Wohngrundstücken und sonstigen Grundstücken, aber auch zwischen Wohnund Gewerbegrundstücken oder gar zwischen verschiedenen Wohngrundstücken. Soweit in der Vergangenheit Beiträge gezahlt wurden, die nach Maßgabe der Neuregelungen nicht entstanden wären, müssen diese auf Antrag zurückgezahlt werden. Wir gehen davon aus, dass das etwa ein Viertel aller eingenommenen Abwasserbeiträge betrifft. Dies sind insgesamt ca. 126 Mio. & ' (   )

auch hier an den jeweiligen Grundstückseigentümer. Dieser kann aber aus den unterschiedlichsten Gründen, beispielsweise aus bilanziellen Gründen bei gewerblichen Unternehmen oder einer absehbar weiteren Bebauung, auch auf die Rückzahlung verzichten wollen. Deshalb sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Rückzahlung von Beiträgen beim Abwasser von einem Antrag abhängig ist. Das ist bei den Wasserbeiträgen nicht der Fall.

3. Die bisherige Regelung zur Gebührendegression wird konkretisiert. Sofern durch die verstärkte Abnahme von Wasser oder die verstärkte Einleitung von Abwasser tatsächlich eine Kostendegression eintritt, können die Gebühren entsprechend degressiv gestaltet werden. So ist sichergestellt, dass die Gebührendregression nicht zu einer unberechtigten Belastung der übrigen Gebührenzahler führt.

4. Das Land wird den Aufgabenträgern sämtliche Aufwendungen erstatten, die ihnen unmittelbar dadurch entstehen, dass sie entstandene Beiträge nicht erheben dürfen oder zurückzahlen müssen. Dies ist aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.

5. Durch die Umstellung der Finanzierung im Wasserbereich wird es nicht zu unverträglichen Gebühren für die Abgabepflichtigen kommen. Zwar müssen die Aufgabenträger wegen des Beitragsverzichts ihre Gebühren neu festsetzen - dies wird zu einem Anstieg der Gebühren führen, weil die ausfallenden Beiträge nicht mehr Gebühren senkend eingesetzt werden können; ich denke, das ist für die Menschen nachvollziehbar, denn niemand kann davon ausgehen, dass die Vorteile einer reinen Gebührenfinanzierung zum Nulltarif zu haben sind -, aber zur Sicherung verträglicher Gebühren wird das Land einen Betrag von bis zu 18 Mio.  ! *  + % renstützung zur Verfügung stellen. Damit wird der durch den Wegfall der Beiträge erhöhte kalkulatorische Zinsaufwand der Aufgabenträger in Höhe von 4 Prozent übernommen. Dieser Zinssatz orientiert sich an den derzeitigen Konditionen für Kommunalkredite. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass es nicht darum geht, im ganzen Land einen einheitlichen Gebührensatz festzulegen. Ziel der Gebührenstützung ist es, mit der Umstellung der Finanzierung gegebenenfalls einhergehende Gebührensprünge zu vermeiden bzw. auf ein verträgliches Maß zu reduzieren.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in der gebotenen Kürze die Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs beleuchten. Ohne Zweifel berührt insbesondere die Abschaffung der Wasserbeiträge die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, Artikel 28 Abs.2 des Grundgesetzes. Deren Kernbereich, den das Bundesverfassungsgericht als Organisation der Gemeinde überhaupt umschreibt, bleibt allerdings un

angetastet. Der Gesetzentwurf schränkt nur die Finanzierungsmöglichkeiten der Aufgabenträger ein, ohne sie ihnen gänzlich zu nehmen. Außerhalb dieses Kernbereichs der Selbstverwaltungshoheit sind im Abgabenrecht weiter gehende Beschränkungen zulässig als in anderen kommunalen Bereichen. Die Kommunen können Abgaben nämlich nur aufgrund besonderer gesetzlicher Anordnung erheben. Die Ausübung der Finanzhoheit bedarf insofern der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber. Bei dieser Ausgestaltung hat der Gesetzgeber natürlich Spielräume. Das Kommunalabgabengesetz kann sich damit auf bestimmte Finanzierungsinstrumente beschränken, ohne dadurch in den Selbstverwaltungsbereich der Kommunen einzugreifen. Im Übrigen wäre der Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Es bestehen nämlich wegen der wirtschaftlich unzumutbaren Beitragsbelastung gewichtige Gründe des Gemeinwohls für eine Beschränkung dieser Finanzhoheit. Allerdings wird durch die Verpflichtung zur Rückzahlung von Beiträgen an die Abgabepflichtigen in laufende oder gar abgeschlossene Finanzierungen eingegriffen. Der darin liegende Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungshoheit ist verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn die hierdurch entstehenden Finanzierungslücken geschlossen werden. Soweit das nicht durch eine Abgabenerhebung erfolgen kann, ist das Land den Kommunen zu umfassendem Ausgleich verpflichtet. Prof. Kirchhof hat darauf hingewiesen, dass die Erstattung den gesamten Ausfall abdecken müsse und rechtlich dauerhaft gesichert sein müsse. Dem wird durch die vorgesehene Erstattungsregelung entsprochen. Die Abschaffung der Wasserbeiträge verstößt auch nicht gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot. Der Grundsatz der Belastungsgleichheit fordert eine Gleichbehandlung derjenigen Abgabepflichtigen, die sich in identischen Verhältnissen befinden. Dem Gesetzgeber wird dabei eine weit gehende Gestaltungsfreiheit eingeräumt. Es ist sachgerecht, zwischen angeschlossenen und nicht angeschlossenen Grundstücken zu differenzieren, weil nur die angeschlossenen Grundstücke einen Nutzungsvorteil aus der Anlage ziehen. Eine solche Differenzierung ist aus den eben genannten Gründen des Gemeinwohls auch angezeigt. Auch die Privilegierungen im Abwasserbereich verstoßen nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot. Eine erhöhte Belastung der übrigen Grundstückseigentümer tritt nicht ein. Die Beiträge, die jetzt aufgrund einer Privilegierung zum Beispiel für ein unbebautes Grundstück zurückgezahlt werden müssen, werden bei Wegfall der Privilegierung - in unserem Beispiel also zum Zeitpunkt der Bebauung - wieder fällig. Der Aufgabenträger kann folglich auch weiter damit kalkulieren. Schließlich wird durch den Verzicht auf die Wasserbeiträge auch nicht gegen das so genannte Rückwirkungsverbot verstoßen, da die

Bürger ihre Beiträge zurückerhalten und die Regelung damit ausschließlich begünstigend wirkt. Gleiches gilt für die Privilegierungen im Abwasserbereich. Hier wird die Rückzahlung zudem von einem Antrag des Grundstückseigentümers abhängig gemacht.

Meine Damen und Herren, im Anhörungsverfahren hat es über die Fragen der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit und die Gebührensteigerung hinaus weitere Anmerkungen und Hinweise gegeben. Auf einige möchte ich hier kurz eingehen. Vor allem die Bürgerinitiativen, die Industrie- und Handelskammer, der Landesverband der Thüringer Haus-, Wohnund Grundeigentümer e.V. sowie der Verband der Thüringer Wohnungswirtschaft haben die Reformansätze ausdrücklich begrüßt und teilweise noch Erweiterungen gewünscht. Verschiedene Aufgabenträger, der Gemeinde- und Städtebund sowie der Landkreistag haben Zweifel an der praktischen Durchführbarkeit und Bedenken wegen des Verwaltungsaufwands geäußert. Diese Einwände konnten ausgeräumt werden. Zunächst können die Aufgabenträger die Grundstücksdaten aus den Katasterunterlagen entnehmen. Zur Ermittlung der Verhältnisse vor Ort genügt ferner eine typisierende Betrachtungsweise. Im Übrigen kommt der Gesetzentwurf den Aufgabenträgern insoweit entgegen, als die Fristen für die Umstellung der Satzungen verlängert worden sind. Schließlich werden die Aufgabenträger auch dadurch entlastet, dass die Baubehörden sie über Veränderungen der Grundstückssituation informieren. Der Thüringer Bauernverband hat wiederholt darum gebeten, zusätzliche Privilegierungsmöglichkeiten für landwirtschaftlich genutzte Nebengebäude bzw. Hofgrundstücke aufzunehmen. Dem sind wir bislang nicht gefolgt. Zunächst ist schon das dringende Regelungsbedürfnis zahlenmäßig nicht belegt; außerdem soll der Gesetzentwurf in erster Linie die in anderen Bereichen aufgetretenen Probleme lösen. Um einzelne Härtefälle, zum Beispiel auch bei landwirtschaftlichen Grundstücken, aufzufangen, finden weiterhin die Stundungs- und Erlassregelungen des Kommunalabgabengesetzes Anwendung. Dennoch handelt es sich auch für die parlamentarischen Beratungen durchaus um einen diskussionswürdigen Ansatz.

Meine Damen und Herren, niemand kann ernsthaft davon ausgehen, dass die Probleme im Wasserund Abwasserbereich ohne erhebliche zusätzliche Haushaltsmittel gelöst werden können. Wie ich bereits erwähnt habe, sind wir verfassungsrechtlich gehalten, den Aufgabenträgern alle unmittelbar mit der Umstellung der Finanzierungssysteme entstehenden wirtschaftlichen Nachteile zu ersetzen. Insgesamt rechnet das Land zur Lösung des Problems mit einem Betrag von jährlich bis zu 33 Mio. & % ser Betrag sinkt allerdings mit zunehmender Be

bauung der Grundstücke. Er setzt sich wie folgt zusammen: Die Beiträge im Wasserbereich haben bislang die Gebühren gemindert, so genannte Auflösungsbeträge. Durch die Rückzahlung der Beiträge hat sich diese Gebührenminderung nachträglich gleichsam als unberechtigt erwiesen. Diese Mindereinnahme kann nicht in die künftige Gebührenkalkulation einfließen und muss den Aufgabenträgern daher erstattet werden. Dafür ist ein jährlicher Betrag von etwa 2,5 Mio. ,-   . sen) vorgesehen. Im Abwasserbereich beträgt der jährliche Aufwand zum Ausgleich der Auflösungsbeträge etwa 1,5 Mio. / )serbereich Beiträge bereits entstanden sind, die nach der Gesetzesnovelle einem Privilegierungstatbestand unterfallen, werden sie aus rechtstechnischen Gründen gestundet. Die Aufgabenträger müssen sich also insoweit durch Kredite finanzieren. Der dafür erforderliche Zinsaufwand beläuft sich anfangs auf etwa 11 Mio.  im Jahr. Hinzu kommen die bereits erwähnten 18 Mio.  jährlich zur Stützung der Wassergebühren.

Meine Damen und Herren, 33 Mio.   )  viel Geld. Es ist aber auch gut angelegt, da wir damit die Abgabenerhebung im Wasser-/Abwasserbereich so umstellen, wie es die Verhältnisse in Thüringen erfordern.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch auf einige Fragen eingehen, die nach Vorstellung des eingebrachten Gesetzentwurfs an uns herangetragen wurden:

1. In welchem Umfang werden Beiträge zurückgezahlt?

Es werden nur solche Beiträge zurückgezahlt, die auf der Grundlage des KAG, des Kommunalabgabengesetzes, von 1991 erhoben wurden. Es werden auch solche Beiträge zurückgezahlt, die auf der Grundlage einer nichtigen Satzung geleistet wurden.

2. Warum erfolgt die Rückzahlung der Beiträge unverzinst?