Protocol of the Session on May 5, 2006

mache. Wir müssen auf einer angemessenen Analyse der Situation bestehen, damit wir erfolgreich Gegenkonzepte entwickeln können. Zu sagen, was ist, muss der erste Schritt sein. Wir brauchen eine wirklichkeitsnahe Beschreibung der Situation und kein Wünsch-dir-Was. Erst mit dieser genauen analytischen Beschreibung kann Politik aus der Rolle der Feuerwehr heraustreten und vorausschauende präventive Konzepte entwickeln, spezifisch auf die Problemstellung Rechtsextremismus eingehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, der zweite Teil unserer Großen Anfrage und auch eine ganze Reihe von Nachfragen in Kleinen Anfragen befasste sich mit den Aktivitäten der Landesregierung. Nach ausführlicher Durchsicht sind wir in unserer Kritik bestärkt. Die verschiedenen vorgestellten Maßnahmen der Landespolitik kranken an bestimmten Symptomen. Sie sind oft unspezifisch und streifen das Thema „Rechtsextremismus“ nur am Rand. Damit sind für uns diese Projekte und Maßnahmen nicht per se falsch oder schädlich, aber wir hatten auf unsere Frage zu Aktivitäten gegen Rechtsextremismus eine dezidierte Vorstellung der inhaltlichen und praktischen Angebote im Umgang mit diesem Thema erwartet und nicht einen bunten Blumenstrauß aus diesem und jenem; ein buntes Allerlei, bei dem ich mich erst einmal durchwühlen musste, um das zu finden, was ich suche, nämlich genau die Maßnahmen, die wenigstens überwiegend auf die Herausforderung Rechtsextremismus eingehen.

Meine Damen und Herren, der Landesstelle „Gewaltprävention“ könnte tatsächlich in der Auseinandersetzung eine wichtige Rolle bei der Verantwortungswahrnahme durch die Landesregierung zukommen. Die Landesregierung hat aber mit der Verankerung, mit der Ausstattung und den Personalentscheidungen rund um diese Landesstelle selbst erst Fallstricke ausgelegt, über die die Landesstelle auch bei bestem Wollen stolpert. Etwas freier agiert zum Glück die Landeszentrale für politische Bildung, deren Engagement und auch Herangehen an das Thema ich an dieser Stelle namens meiner Fraktion ausdrücklich würdigen möchte.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich hoffe, dass wir mit diesem Lob nicht zum Schaden der Institution beitragen. Neben diesen beiden Institutionen vermeldet die Landesregierung in ihrer Antwort in so ziemlich jedem Bereich, Projekte und Maßnahmen gegen Rechtsextremismus durchzuführen. Die Antworten sind ja nachzulesen. Ich will einige Beispiele sagen, die wir kritisch betrachten.

Seminare zum Thema „Opferschutz und Waffenrecht“ werden in dieser Antwort angeführt. Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass zum Thema „Opfer

rechtsextremer Gewalt“ oder „politisch motivierter Umgang mit Waffen“ kein Wort verloren wird. Das Kultusministerium wartet mit 779 Projekten seit 2001 auf. Die Liste dieser 779, die der Antwort auf eine Kleine Anfrage angefügt war, hat mich fast erschlagen. Bei der Durchsicht fand ich neben vielen Projekten zu anderen Themen wie zum Beispiel zur Suchtproblematik oder zu Interaktion in Gruppen auch einige Angebote, die sich dezidiert mit Rechtsextremismus, Rassismus oder dem deutschen Faschismus auseinander setzten. Im Jahr 2005 betrug deren Anteil aber lediglich 10 Prozent. Ich denke, das ist zu wenig, meine Damen und Herren.

Auch im Bereich der Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern sehen wir die Notwendigkeit, diesen Themen mehr Raum und vor allem auch Verbindlichkeit zu geben. Oftmals ist es bisher den einzelnen Pädagoginnen und Pädagogen überlassen, sich aus eigenem Interesse oder bestimmten Problemlagen an ihrer Schule für diese Programme zu interessieren. Wir plädieren dafür, dieses Thema generell und auch ohne bestimmten Anlass zum Pflichtbestandteil von Fortbildungen zu machen. Mit der Mobilen Beratung für Demokratie gegen Rechtsextremismus haben wir in Thüringen einen Anbieter derartiger Fortbildungen. MOBIT hat allein im I. Quartal dieses Jahres 25 solcher Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer und für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Jugendeinrichtungen durchgeführt.

Eine weitere Kritik an den dargestellten Maßnahmen, an Projekten und Angeboten ist das generelle Fehlen einer Evaluation hinsichtlich Umsetzung und Wirksamkeit. Minister Zeh sprach im März von der Nachhaltigkeit der von der Landesregierung initiierten Maßnahmen. Aber wie will der Herr Minister das wissen? Wie will er die Nachhaltigkeit feststellen, wenn, wie aus den Antworten auf meine diesbezüglichen Kleinen Anfragen hervorgeht, die Wirkungsweise der Maßnahmen nicht überprüft wird? In den besagten Antworten wird einfach von Herrn Minister Zeh lakonisch festgestellt, dass die Projekte nicht evaluiert werden. Punkt. Überrascht hat mich dann aber eine Antwort von Herrn Minister Zeh auf meine Kleine Anfrage zum konzeptionellen Ansatz des CIVITAS-Programms und zum konzeptionellen Ansatz der Landesregierung. Hier kritisiert Minister Zeh mangelnde Evaluation an CIVITAS und er kritisiert, dass die bereits in den Ländern gewonnenen Erfahrungen in die konzeptionelle Weiterentwicklung nicht einbezogen wurden.

(Zwischenruf Abg. Buse, Die Linkspar- tei.PDS: Bei den einen sagt man so, bei den anderen so.)

Bei den einen sagt man so und bei den anderen so, genau.

Meine Damen und Herren, so gut gemeint auch bestimmte Maßnahmen, wie etwa Trainings- und Bildungsangebote für rechtsextreme Straftäter im Gefängnis sind, wenn ich nicht überprüfe, ob diese eine Einstellungs- und Handlungsänderung bei den Teilnehmern bewirken oder lediglich von diesen zur Erreichung formaler Schulabschlüsse oder vorzeitiger Haftentlassung benutzt werden, dann kann ich Methodik und Inhalt keiner kritischen Prüfung unterziehen. Darum muss es doch am Ende gehen, nicht nur abzuhaken unter dem Motto „Wir machen schon was“ oder wie es im Begründungsteil des gemeinsamen Beschlusses formuliert ist „die Landesregierung tut bereits etliches“, sondern zu überprüfen, ob Wirkung entfaltet wird, ob sich Veränderungen abzeichnen, ob sich demokratische und tolerante Haltungen verstetigen und ob bzw. wie man darauf reagieren und die Maßnahmen gegebenenfalls weiterentwickeln muss. Hierfür ist eine Öffnung der Landespolitik erforderlich. Die Landesregierung muss ihre Maßnahmen mit denen in Beziehung setzen, die durch Nichtregierungsorganisationen oftmals sogar, wie dargestellt zum Beispiel im Bereich der Lehrerfortbildung, im erheblichen Umfang geleistet werden. Austausch und Synergien, die bisher kaum genutzt werden, könnten beiden Bereichen, Zivilgesellschaft und Staat, hilfreich sein und letztlich auch zur Entlastung zum Beispiel der Thüringer Polizei führen, die derzeit am äußersten Rand ihrer strukturellen und auch personellen Möglichkeiten dem Rechtsextremismus qua Repression versucht die Spitze zu brechen.

Die Grenzen polizeilichen Handelns haben wir in Pößneck gesehen. Die Grenzen kennen auch die Beamten, die jeden Samstag ein Katz-und-MausSpiel absolvieren müssen, um ein Skinhead-Konzert aufzuspüren. Die Grenzen spüren auch die Beamten auf der Suche nach Informationen und Hintergrundwissen, etwa beim Verfassungsschutz. Den stetig wechselnden Rechtsprechungen, dem Aufkommen neuer Organisationen, Bands, Codes kommen die behördlichen Informationen kaum nach. So mancher Beamte schaut dann mal lieber auf der Internetseite der örtlichen Antifa nach. Dort kann er sich sicher sein, dass das Rechercheinteresse nicht mit Dienstschluss beendet werden musste. Ganz zu schweigen von den Grenzen staatlicher Aufklärung in solch diffusen Bereichen von rechtsextremen Organisationen und Kultur zu anderen Bereichen, wie etwa Neuheitentum, Esoterik, Hooligans, Rocker und vielen anderen mehr.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Bestandsaufnahme wie auch unsere Einschätzung zur Ausrichtung und Wirksamkeit der Anstrengungen auf Landesebene im Umgang mit dem Rechtsextremismus bestärken uns in einer alten, aber immer noch aktuellen Forderung: Thüringen darf nicht das Schluss

licht bleiben. Thüringen muss die rote Laterne nicht nur bei der Förderung solcher Projekte wie denen aus dem CIVITAS-Programm abgeben, nein, Thüringen muss auch dringend aufpassen, dass es nicht das letzte Bundesland ohne Landesprogramm zur Stärkung von Demokratie und Toleranz, gegen Rechtsextremismus und Rassismus ist. Um deutlich zu machen, dass es uns bei dieser Forderung nicht um Parteipolitik geht, möchte ich nur beispielhaft auf die Programmziele in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern hinweisen, die sich gleichen. Dort geht es um die Wahrnehmung von Extremismus, Rassismus und Antisemitismus als andauernde Themen mitten in der Gesellschaft. Es geht um die Stärkung demokratischer Werte und einer aktiven Bürgergesellschaft. Es geht um die Mobilisierung der Bürger gegen totalitäres Denken und für Toleranz und Demokratie. Es geht um Qualifizierung und Beratung von Fachkräften, um den Opferschutz und um die Vernetzung von staatlichen Institutionen mit Nichtregierungsorganisationen.

Der eingangs erwähnte gemeinsame Antrag aller drei Fraktionen hier im Thüringer Landtag hat ausdrücklich die Bedeutung zivilgesellschaftlichen Engagements gewürdigt. Die betroffenen Projekte freuen sich ja sicherlich darüber, aber sie brauchen mehr als eine solche Erklärung, sie müssen finanziell abgesichert werden. Auch dazu brauchen wir Landesprogramme. An diesem Punkt werden wir nicht lockerlassen und in den nächsten Monaten ganz konkret nachfragen, inwieweit dieser gemeinsame Beschluss mit Leben erfüllt wird, inwieweit welche konkreten Schritte vereinbart werden, welche Ziele gesetzt werden und wie diese erreicht werden sollen. Wir alle müssen gemeinsam dafür sorgen, dass niemand in den nächsten Monaten oder Jahren behaupten kann, der Landtag hätte sich nur akklamatorisch mit dem Thema befasst. Um diesen Vorwurf schon von vornherein zu entkräften, dazu braucht es das Engagement aller gesellschaftlichen Kräfte in Thüringen, aber auch des Einsatzes aller in diesem Thüringer Landtag. Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Danke. Das Wort hat jetzt Abgeordneter Kölbel, CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete, die Linkspartei.PDS hat in 2005 eine Große Anfrage in Drucksache 4/1171 gestellt unter der Überschrift „Rechtsextremismus und demokratische Gegenwehr“. Diese wurde ausführlich in Drucksache 4/1405 vom Thüringer Innenminister, von der

Thüringer Landesregierung, beantwortet. Wie alle derart gestalteten Nachfragen handelt es sich auch hier, wie ich feststellen kann, um eine Momentaufnahme des Standes in unserem Land, eine Momentaufnahme darüber: Welche Ergebnisse gibt es bisher oder welche rechtsextremen Umtriebe und Ähnliches gibt es inzwischen in Thüringen, in welcher Stärke und in welcher Mobilität? Ich glaube, Frau Berninger, Sie haben hier auch eine Übersicht Ihrerseits dargestellt. Erkennbar aus der Beantwortung ist auch, dass es auch auf diesem Gebiet Schwankungen der Aktivitäten gibt. Das konnten wir immer wieder feststellen. Es geht um die handelnden Personen, die in Thüringen ihre Dinge betreiben, aber auch um die Aufenthaltsorte und auch die Aufgaben, womit sie sich beschäftigen. Aus der Antwort schlussfolgernd fällt mir u.a. auf und es erscheint mir wichtig, dass in Thüringen von der NPD die umfangreichsten Aktivitäten ausgehen. Deren Organisiertheit ist auch am Größten. Darüber hinaus gibt es aber eine Reihe von Gruppen und Organisationen, die zumindest ansatzweise auch rechtsextremes und nationalsozialistisches Gedankengut verbreiten. Dies sind eben nicht nur die bekannten Parteien und deren Jugendorganisationen, nein, auch von so mancher Musikband bzw. von manchen Vereinigungen, die sich mit Konzerten beschäftigen, gehen Dinge aus, die an die Menschen unseres Freistaats Gedankengut und Musik herantragen, die ihren Zwecken dienen. Über Jahre feststellbar ist, dass von den Rechtsextremisten mit immer besseren und immer ausgeklügelteren Methoden gearbeitet wird, und doch ist ein entsprechender Unterschied gegenüber zurückliegenden Jahren zu sehen. Dies hat oft zur Folge, dass auf Anhieb ein rechtsextremer oder nationalsozialistischer Hintergrund immer schwieriger feststellbar ist, weil er eingekleidet ist. Wenn hier davon gesprochen wird, dass Rechtsextremisten bei Demonstrationen in Bürgerbewegungsgruppen mitmachen und in diesen Bereichen aktiv werden, ist auf Anhieb nicht festzustellen, wo sie eigentlich herkommen und welchen eigentlichen Zweck sie verfolgen.

Das gilt auch für Sportvereine und Motorradclubs, von denen hier die Rede ist, die wohl auch weiter zu beobachten sind und auch untersucht werden müssen. Das Wirken selbst von einigen Frauen, die mit nationalsozialistischer Prägung auch in Thüringen inzwischen aktiv sind, ist feststellbar; jedoch sind deren Einflussmöglichkeiten gerade in der Szene begrenzt, wie wir lesen konnten.

Zur Verbindung von Rechtsextremismus und Gewalt können wir in Thüringen inzwischen sehr wohl auch Beispiele feststellen. Versuche, selbst in die Gefängnisse hineinzuwirken und dort Gruppen aufzumachen, ob bei deren sportlicher Betätigung oder beim Studium von Zeitungen oder Ähnlichem, wird es immer wieder geben. Ich bin sehr dafür, dass dort

ein waches Auge walten sollte und dass nichts verniedlicht wird, wenn solche Dinge in Erscheinung treten. Auch was die Frage des Besitzes von Immobilien bzw. Wohnhäusern in der Hand von bekannten Rechtsextremisten betrifft, stellen wir hier in diesem hohen Hause fest, dass es ständig mehr werden in der Landschaft Thüringens. Wenn sie es einmal in Besitz haben, gehen von dort regelrecht Multiplikatorenaktivitäten oder Treffs aus, wie auch Einladungen entsprechender Gruppen, Durchführung entsprechender Feste, auch als Geburtstagsfeier oder Sonnenwendfeier oder Ähnliches deklariert, die sie dort auf ihren Grundstücken durchführen. Wir wissen aber, dass die Möglichkeiten, dies zu unterbinden, den demokratischen Staat sehr schnell und sehr oft an seine Grenzen stoßen lässt.

Als wichtiges Kapitel erscheint mir der Abschnitt 6 der Antwort, der mit „Zivilgesellschaft“ überschrieben wurde. Gemeint ist, wie wir aktiv gesamtgesellschaftliche Prävention gegen Gewalt und Extremismus betreiben können. Dazu wurden eine Reihe von gestellten Fragen von der Landesregierung beantwortet. Bei weiteren Forderungen - so habe ich Ihr VierPunkte-Programm gerade vernommen -, müsste man personell oder mit entsprechenden Planstellen nicht nur die Fortschreibung der schon laufenden Programme verstärken, die im Ansatz ja gar nicht schlecht sind. So werden wir sehr schnell, und das wissen wir, in Haushaltsberatungen an unsere personelle aber auch fiskalische Grenze stoßen. Ich bin der Meinung, allein diese Gruppen, diese Büros, diese entsprechenden Einrichtungen der Bildung werden nicht ausreichen, sondern diese Initiative, die wir oft in Vorbereitung von Großaktivitäten mit der so genannten bunten Vielfalt in den Städten immer wieder feststellen, geben uns die Gewähr, auch den Bürgern, die oft auch sehr unbedarft an solche Dinge herangehen, hier die Augen zu öffnen und das hineinzutragen. Nur mit der Stärkung des Ehrenamts auf diesem Gebiet lässt sich eine Eindämmung beim Auftauchen entsprechender Bestrebungen auch für Thüringen begegnen. Nachlassen dürfen wir dabei alle nicht. Ich erinnere an den in der letzten Plenarsitzung gefassten Beschluss aller Fraktionen dieses hohen Hauses gegen Extremismus in Thüringen. Dies könnte doch, so meine ich, künftig eine gute Grundlage für unsere Anstrengungen bieten.

In Abschnitt 6 der Großen Anfrage wird die Landesregierung durch die Fraktion der Linkspartei.PDS einmal mehr wieder zu den Fragen von CIVITAS und MOBIT befragt. Sie haben es ja, Frau Kollegin Berninger, jetzt wieder gebracht, welche weiteren Programme, welche Fortschreibungen, so habe ich es aufgefasst, hier Ihrerseits folgen müssten. Ich möchte aber an dieser Stelle gerade den dort arbeitenden Personen danken, da es keine einfache Arbeit war und sie oft sehr viel Eigenes in ihre Arbeit

einbringen und ihre Tätigkeit auch entsprechend von uns allen gewürdigt werden soll. Sie sind darauf eingegangen, dass es eine ganze Reihe von Großen Anfragen Ihrerseits schon gegeben hat zu den Dingen. Wenn Sie hier ausführen, dass die Rechtsextremisten nach den Analysen, die bisher durchgeführt wurden - Monitor -, bestärkt worden sind, nach Thüringen zu kommen und sich hier zu treffen, da wäre ich vorsichtig mit dieser Feststellung. Ich würde auch nicht eine pauschale Kritik an der Thüringer Bevölkerung üben, das wäre falsch am Platze, sondern an der zentralen Lage in Deutschland und Thüringen kommen wir nicht umhin, das ist ja das grüne Herz Deutschlands. Das ist nun so und je besser wir erschlossen werden, sind wir für viele, viele Fälle einfach der Schnittpunkt NordSüd/Ost-West. Einladungen dieser rechtsextremen Kreise nach Thüringen müssen wir mit wachem Auge begegnen, was ich hier schon anführte. Wir müssen dafür sorgen, dass der normale Bürger, der Probleme hat - und das sagen auch viele sächsische Kollegen - und mit seinen Problemen nicht fertig wird, einfach eine Basis für diejenigen darstellt, die alles versprechen und sagen, wir lösen das schon, gebt uns nur die entsprechenden Möglichkeiten und die am Ende sogar noch zu Bürgermeistern in der Sächsischen Schweiz oder Ähnliches geworden sind. Diesen Begegnungen müssen wir von vornherein einen Riegel vorschieben und das können wir nur, indem wir auch unsere Bevölkerung sehr wohl aufklären, was wer mit welchen Aktivitäten und mit welchen äußeren Zeichen, die auch nicht immer erkannt werden, jetzt schon nach außen deklariert, welche Richtung, welche Gesinnung er denn im Sinne führt.

Das Zweite, was mir bedenklich erscheint: Sie haben in den letzten Wochen und Monaten eine ganze Reihe von Nachfragen gestellt, jetzt wieder die Große Anfrage, die hier zu besprechen ist. Stellenweise haben Sie sich in Ihrem Vortrag selbst die Beantwortung gegeben. Das hat für mich zur Folge: Eigentlich haben wir die Antworten alle schon parat und wissen es eigentlich ganz genau, wollten es nur noch mal von der Landesregierung bestätigt wissen, oder, wie Sie sagen, viele Wertungen, die Sie vermissen oder als unzureichend hier kritisiert haben, fallen selten deutlicher aus oder ähnliche Dingen.

Mit einer Besprechung der Großen Anfrage wird man das Problem nicht lösen, das ist mir schon klar. Hier müssen ganz andere Schritte gegangen werden als mit einer reinen Besprechung. Ich möchte noch mal darauf hinweisen, dass viele Aktivitäten, die durch eine Vielzahl von Anfragen Ihrerseits und Nachfragen - jedes Quartal wird so eine Sache abgefragt - eine schon bemerkenswerte Einrichtung ist, die aber am Ende zu hinterfragen ist, worauf das alles hinausläuft. Soll das Ministerium beschäftigt werden? Viel wichtiger wäre doch, jetzt fortschreibend - und damit

möchte ich eigentlich zum Schluss meiner Bemerkungen kommen - von dem Ansatz der Bekämpfung der überfraktionellen Programme ausgehend, eine Basis zu schaffen, einen Wettstreit zu schaffen, welches sind die besten Überlegungen, die besten Initiativen, die wir zeigen und aufzeigen können, um dem Rechtsextremismus, der auch in unserem Land feststellbar ist, einen Riegel vorzuschieben und die Bestrebungen, die auch zurzeit doch gar nicht so ohne Weiteres erkennbar sind, zu analysieren in dem Sinne, dass sie in der Bevölkerung mit wachem Auge dargelegt werden können, aufklärend könnte man da sagen. In diesem Sinne sollten wir die Besprechung hier sehen und nicht nur an Kritik der unzureichenden Ermittlung seitens des Innenministeriums. Ich danke Ihnen.

Danke. Als nächster Redner folgt Abgeordneter Gentzel, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst, ich kann an der Großen Anfrage der Linkspartei.PDS-Fraktion und auch an der Antwort - bei den Antworten muss ich noch ein bisschen differenzieren, da werde ich auf einen Punkt besonders eingehen - nichts, aber auch nichts Schlechtes finden. Im Gegenteil, die Debatten, die wir hier im Landtag und in den entsprechenden Ausschüssen geführt haben, der Verfassungsschutzbericht, der Thüringen-Monitor und eben auch diese Große Anfrage und ihre Antworten geben uns, glaube ich, ein immer schärferes Bild über Zustand, Ziele und Strukturen der rechtsextremistischen Szene hier in Thüringen. Frau Berninger, ich kann - Sie haben es Thesen genannt - Ihre Analyse schlicht und einfach nur unterschreiben, die Sie aufgrund dieser Unterlagen hier dem Landtag zur Kenntnis gegeben haben. Es ist eine sehr ausführliche Analyse, und, ich glaube - und das sage ich auch ausdrücklich in Richtung der Kollegen von der CDU -, sie kann die Grundlage sein für das weitere Miteinander nach dem gemeinsamen Antrag. Ich will durchaus anregen, machen Sie das jedes Jahr einmal. Sie wissen ja, ich mache diesen Wettlauf nicht gern mit: Wer hat hier mehrere Kleine Anfragen und wer macht die Große Anfrage zu welchem Thema? Sie haben das gemacht. Muss man sicherlich jedes Jahr noch mal ein Stückchen spezifizieren, auch aufgrund des Verfassungsschutzberichts. Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass der Landtag und alle die, die sich besonders mit diesem Thema beschäftigen, sehr gut damit leben können.

Ich will mich einem ganz besonderen Thema widmen, das sich auch durch diese ganzen Unterlagen, die

ich genannt habe, immer wieder wie ein roter Faden zieht, und das ist die Problematik rechtsextremistische Musik. Das hängt damit zusammen, dass wir mittlerweile wissen, dass ein Großteil der Jugendlichen das erste Mal Kontakt mit der rechtsextremistischen Szene über die Musik bekommt. Das ist, wenn man es so nennen will, die Einstiegsdroge für viele Jugendliche und es ist wichtig - das ist der zweite Punkt -, dass wir dieses Netzwerk verstehen, dieses Netzwerk, was da aufgebaut worden ist in Thüringen, weil es so ganz anders ist als das, was wir eventuell aus unserer Jugend kennen. Es gibt das Netzwerk; es scheint eigentlich größer als es wirklich ist, weil es da auch Protagonisten gibt, die in mehreren Bands spielen, die gleichzeitig Label unterhalten, die gleichzeitig Internetversand betreiben. Als Drittes ist mir ganz wichtig, mir persönlich ist es so gegangen, ich glaube, ich bin nicht der Einzige, Musik in der Jugend prägt eigentlich auf Lebenszeit. Wenn der eine oder andere einmal darüber nachdenkt, welche positiven Dinge er mit der Jugend verbindet und was ihn auch geprägt hat, der eine oder andere kommt zur Musik. Ich will jetzt nicht sagen, dass hier in Reden vieles schon zitiert ist, von den Rolling Stones angefangnen über Rio Reiser, aber dieses prägt. Ich möchte einfach nicht, dass in Thüringen eine Generation aufwächst oder ein Teil der Generation jetzt aufwächst, die mit dieser Musik aufwächst und auch im späteren Alter Positives mit dieser Musik verbindet. Wir haben - auch deshalb habe ich diesen Punkt mir dort rausgesucht, ich will es nicht „Streit“ nennen - mit dem Innenministerium und mit dem Landesamt für Verfassungsschutz, ich will es Auslegungsschwierigkeiten nennen. Das wird ja jedem schon klar, wenn er einmal verfolgt, welche Flut von Kleinen Anfragen die Antwort auf die Große Anfrage auch besonders zu diesem Thema nach sich gezogen hat. Es geht im Wesentlichen um die Frage: Welche Bands werden denn jetzt nun als rechtsextremistisch eingeschätzt oder - automatisch - welche Bands nicht? Ich will Ihnen auch ausdrücklich nicht unterstellen, dass das ein bisschen was mit Churchill zu tun hat, also, glaube nur der Statistik, die du selber gefälscht hast. Aber ich habe von diesem Netzwerk gesprochen. Meiner Meinung nach ist dieses gesamte Netzwerk rechtsextremistisch. Ich kann einfach intellektuell nicht nachvollziehen, dass an bestimmten Punkten Leute in diesem Netzwerk als rechtsextremistisch eingeschätzt werden oder nicht. Ich will das einmal an einer Person klarmachen, das ist der Jens Fröhlich, der sich selber „Hassimid“ nennt. Da kann sich jeder in seiner Phantasie vorstellen, was das bedeuten soll. Er spielt in der Band „Eugenik“, die als rechtsextremistisch eingestuft ist; er spielt auch in der Band „Totenburg“, auch sie ist als rechtsextremistisch eingestuft; er spielt aber auch bei „Antiphrasis“, die ist eben nicht als rechtsextremistisch eingestuft. Er verlegt die Musik über sein eigenes Label, nämlich über „Ewiges Eis Records“

und er hat noch ein anderes Label „Eighty Eight Records“ wie „88“. Das gilt auch wieder nicht als rechtsextremistisch. Das wollte ich so am Anfang ein Stückchen mit dem Netzwerk beschreiben und warum ich nicht verstehe, dass landesweit bekannte Neonazis in einer ganz bestimmten Musikszene arbeiten, dort übrigens auch Geld erarbeiten für die Szene, und warum es dann eine solche Differenzierung gibt.

Ich habe mich aufgrund der Antwort auf die Große Anfrage und der Kleinen Anfrage einmal mit der Geschichte von einigen Bands beschäftigt, die als nicht rechtsextremistisch eingestuft worden sind. Da komme ich einfach, ich will das ganz ehrlich sagen, nicht dazu, wie das Landesamt für Verfassungsschutz solche Bands als nicht rechtsextremistisch einstufen kann.

(Beifall bei der SPD)

Zum Beispiel die Band Tüksland. Sie hat an einen Tributsadler, also einem Sadler mehrerer Bands, für „Absurd“ mitgearbeitet. „Absurd“ - unumstritten eine rechtsextremistische Band. Sie geben gemeinsame Konzerte mit „Totenburg“, sie veröffentlichen auf unbestritten rechtsextremistischen Labels, nämlich „Donnerschlag Records“ und werden nicht als rechtsextremistisch eingestuft. „Antiphrasis“ ist für mich eine rechtsextremistische Black-Metal-Band. Der Gitarrist nennt sich selber „Tormentor“, spielt auch bei „Absurd“, spielt auch bei „Evitalium“, die einen sind wieder rechtsextremistisch, die anderen sind nicht rechtsextremistisch eingestimmt und ist so wieder über „Totenburg“ wieder ganz eng mit dem Jens Fröhlich verbunden. Er verlegt auch bei Donnerschlag Records. Er hat 2005, das muss man sich mal gut vorstellen, die haben 2005 an einem Sampler „Burzum the Tribute“ mitgearbeitet, und zwar ging es um eine Tribute-CD für die Nazi-Black-Metal-Band „Burzum“. Der Bandleader dort ist ein verurteilter Kirchenbrandstifter und Mörder. All dieses, dieses gesamte Beziehungsnetz, und da sind wir schon bei diesem internationalen Beziehungsnetzt, führt nicht dazu, diese Band „Antiphrasis“ als rechtsextrem einzustufen. „Heldentum“, 1996 gegründet als ParaMetal-Band, der Name ist uns hier schon öfter begegnet, gegründet von Roland Möbius, sie haben 1997 eine Split-Single mit „Absurd“ veröffentlicht, die sind dann wieder rechtsextremistisch, traten 2000 auf einem Feststurmkonzert auf - ich hoffe ja, dass der eine oder andere vom Landesamt für Verfassungsschutz eventuell diese Rede auch mal liest -, ich will dann auch sagen, turned down.de ist eine hervorragende Recherche-Internetadresse. Also, da ab und zu mal draufgeguckt, könnte ich mir das eine oder andere in der Rede vielleicht sparen. Der Bassist dort, Brandolf, versteht das Heidentum als unausweichlich. Und jetzt zitiere ich ihn - das kann man nachlesen: „Für jeden, dessen Blut noch rein und

ungetrübt den Ahnen folgt...“ und da braucht man nicht lange zu raten, welche reinrassigen Ahnen hier angerufen werden. Die Mitglieder der Bands geben rechtsextremistischen Zeitungen regelmäßig Interviews. Ich habe dann auch die Zeitungen und die Erscheinungsdaten hier, aber auch diese Schwadroneure wirklich reinsten neofaschistischen Bluts werden nicht dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet.

Ich könnte das unendlich, nein, unendlich nicht, das wäre eine Übertreibung, aber abschließend will ich noch was zur Band „Baradür“ sagen. Auch die gelten nicht als Rechtsextremisten. Gegründet als NS Black-Metal-Band in Erfurt, ihre Debüt-CD war „Dunkelheit“, 1996, auf dem Label der MöbiusBrüder, „Durkas and better“. Ja, der Gitarrist war Anwärter der neonazistisch deutsch-heidnischen Front. Sie treten natürlich auch wieder zusammen mit „Absurd“ auf, zum Beispiel beim Durkas and better-Festival hier in Behringen. Das war übrigens das Festival, wo der Herr Möbius, Gott sei Dank, muss man sagen, so blöd war und offen den Hitlergruß gezeigt hat, das hat ihn dann acht Monate gekostet. Das ist eines der positiven Dinge. Ja, und diese guten Leute geben Interviews, lassen sich in Fan-Zeitungen, zumindest der Gitarrist, mit der Hakenkreuzfahne fotografieren, und, um auch mal so einen Auszug zu geben, was sie denn in den Interviews so sagen - ich zitiere das mal: „Es würde keine anderen Rassen geben als die weiße. Teile anderer Rassen werden in Zoos als Schauobjekte gehalten und bei Verlust nachgezüchtet, zur Erinnerung, was für eklige Sachen sich mal frei bewegen durften. Keine Kirche, Moschee oder Ähnliches würde mehr Europa verunreinigen.“ Wie bereits gesagt, Gitarrist mit Hakenkreuzfahne, auch das gehört zum Erscheinungsbild von „Baradür“ und „Baradür“ ist ebenfalls nicht als rechtsextremistische Band eingeordnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will einfach dafür werben, ohne etwas anzuklagen, dass man vielleicht im Innenministerium oder im Landesamt für Verfassungsschutz mal über diese Problematik redet. Ich weiß, dass das hoch kompliziert ist. Ich weiß, dass die Texte teilweise kaum zu verstehen sind. Ich weiß, dass man ein großes Hintergrundwissen braucht, um die teilweise mystischen Texte auch wirklich analysieren zu können. Aber, ich glaube, mit der Art und Weise, wie wir im Augenblick mit dieser speziellen Musikszene umgehen, das ist mir einfach ein Stückchen zu oberflächlich.

(Beifall bei der SPD)

Zum zweiten Punkt, den ich noch ganz kurz ansprechen wollte: Es gibt etwas Positives zu vermelden, die große Koalition in Berlin hat sich geeinigt, das Programm gegen Rechtsextremismus im vollen

finanziellen Umfang weiterzuführen.

(Beifall bei der SPD)

Es kommt auch nicht zu einer Verwässerung oder zur Erweiterung des Themenfeldes. Also diese, 19 Mio. € sind es sogar, stehen uns weiterhin zur Verfügung.

Liebe Kollegen von der CDU, ich setze mal voraus, Ihre Probleme mit diesem Programm und Ihre Probleme mit der Kofinanzierung sind objektive Probleme, die Sie gehabt haben. Eigentlich ist das jetzt der Zeitpunkt, diese Vorurteile gegen diese Programme zunächst fallen zu lassen. Was dann schon einigermaßen kurios wäre, Sie würden Ihren eigenen Regierungsmitgliedern in Berlin vorwerfen, mit diesem Thema oberflächlich, unvollständig und ähnlich umzugehen. Ich glaube, Sie wissen, dass das Ihre Kollegen in Berlin nicht tun. Ich glaube, das ist der Zeitpunkt, wo wir gemeinsam darüber reden sollten, ob wir nicht endlich diese Programme auch kofinanzieren, wie das in den anderen Ländern passiert.

(Beifall Linkspartei.PDS, SPD)

Frau Berninger hat in ihrer Rede nach der Analyse über vieles gesprochen, was wir tun müssen. Da ist viel Gutes dabei gewesen. Wir werden die Debatte noch ein Stückchen vertiefen müssen; denn für alles ist das Geld nicht da. Aber ich wünsche mir, dass wir in Thüringen wie in den anderen neuen Bundesländern endlich zu der Einsicht kommen.

1. Das ist ein gutes Programm, was da auf Bundesebene angeschoben worden ist. 2. Das war ja auch immer ein Problem, was Sie hatten, es ist ein verlässliches Programm. Die Ängste, dass es über 2006 nicht weitergeführt wird, sind ausgeräumt. Wir loben uns gegenseitig in der großen Koalition. Also sollten wir auch das Vertrauen dazu haben, dass es die Ängste nicht wieder gibt. Lassen Sie uns versuchen, eine Kofinanzierung zu finden, wie - ich sage das noch einmal, weil das für mich wichtig ist - das in den anderen Bundesländern funktioniert. Ich will ausdrücklich dazu sagen, mit den 18 Mio. € auf Bundesebene sind auch die Projekte in Thüringen noch nicht gerettet, das muss man auch noch einmal deutlich sagen und auch dafür müssen wir uns noch einsetzen. Denn es ist noch nicht klar, ob die 18 Mio. € in der Ausgabe neu beschrieben werden. Was dieses Programm gegen Rechtsextremismus betrifft, das spricht ja ausdrücklich auch von Modellprojekten und Ähnlichem. Wenn man jetzt die 18 Mio. € behält und die Projekte aber neu beschreibt, kann es uns durchaus passieren, dass das, was in Thüringen schon aufgebaut ist - ich will da von der Opferhilfe reden und Ähnlichem - uns im

mer noch kaputtgehen kann und wir etwas Neues aufbauen müssen, weil die Programme untereinander nicht kompatibel sind. Da bitte ich ganz einfach - wir werden das von unserer Fraktion aus am Montag in Berlin tun -, noch mal ausdrücklich für die Thüringer Interessen zu werben an dieser Stelle. Da möchte ich auch die Kollegen von der CDU-Fraktion bitten, dieses zu tun.

Wir haben richtigerweise mal wieder über die Problematik Rechtsextremismus gesprochen. Ich kann Ihnen versprechen, wir werden das in diesem Jahr noch des Öfteren tun. Ich hoffe ganz einfach, dass wir das schaffen, den Weg, den wir mit dem gemeinsamen Antrag gegangen sind, und, ich glaube, auch die Stimmungslage in der heutigen Debatte spricht ein bisschen dafür, dass wir den Weg gemeinsam weitergehen. Ich danke Ihnen.