Protocol of the Session on May 5, 2006

Das Wort hat Abgeordneter Hahnemann, Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich habe mich sehr über den Vortrag des Berichts und über die Einigkeit, was den Bericht angeht, gefreut. Ich bedanke mich ausdrücklich, das nimmt mir aber nicht die Gelegenheit, dennoch zu diesem Bericht oder eben über ihn hinausgehend zwei kritische

Fragen zu stellen.

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Hahnemann, geh du voran!)

Das hat mit „Hahnemann, geh du voran!“ nichts zu tun.

Aber ich lasse mich da auch nicht von Ihrer Einschätzung, Herr Heym, abbringen, dass für dieses oder jenes nicht der richtige Zeitpunkt sei. Wenn der Bericht des Petitionsausschusses für das Jahr 2005 vorgelegt, hier vorgestellt wird, dann muss es in der Aussprache zu diesem Bericht auch möglich sein, über Dinge zu reden, die mit der Petitionstätigkeit zu tun haben, unabhängig davon, ob es nach Ihrer Einschätzung oder nach einer formalen Einschätzung eines betroffenen Zeitraums unmittelbarer Gegenstand des Berichts ist. Denn das würde ja bedeuten, wir dürfen hier nur über Dinge reden zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember des Jahres 2005.

Das können Sie nicht gemeint haben, denn daraus leitete sich automatisch die Frage ab: Wann wäre denn dann der richtige Zeitpunkt, über das zu reden, was Frau Sedlacik vorgestellt hat? Denn es steht im unmittelbaren Zusammenhang auch zu den Problemen des Jahres 2005. Wir können ja nicht erst Mitte 2007 über alle die Fragen reden, die jetzt den Petitionsausschuss schon betreffen.

Da will ich Ihnen meine erste kritische Bemerkung sagen. Ich hätte mir gewünscht, dass mehr Wertungen in diesem Bericht vorgekommen wären. Dass zum Beispiel mal gesagt worden wäre, worauf führen denn zum Beispiel die Petitionsausschussmitglieder den Anstieg der Petitionen zurück. Das kann man doch unterschiedlich vermuten. Das kann ein gesteigertes demokratisches Mitwirkungsinteresse sein, das kann sich verschlechternde Gesetzgebung bedeuten. Darüber hätte ich mir vom Ausschuss eine Antwort gewünscht.

Ich glaube, man hätte diesen Bericht nicht vorlegen oder zumindest hier im Landtag nicht darstellen dürfen, ohne einen bestimmten Punkt zu erwähnen, auch wenn er nicht im Zeitraum 01.01. bis 31.12.2005 liegen sollte, weil es - und da haben Sie Recht, Herr Heym - um das Vertrauen der Bürger in den Petitionsausschuss geht. Ich bin sehr dafür, dass man mit Petitionsrecht ausgesprochen vorsichtig umgeht. Ob Frau Sedlacik oder die Linkspartei.PDS-Fraktion Herrn Wehners Mahnung, zu überlegen, nötig hat, will ich hier gar nicht beurteilen, aber man muss damit sehr sorgsam umgehen, weil es sich um ein Verfassungsrecht handelt und weil es um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger ins Parlament und in die Demokratie geht. Wenn es aber darum geht, dann müsste man, wenn man den Be

richt hier vorstellt, auch darauf eingehen, dass wir momentan Probleme mit Petitionen haben, die im Moment noch geringfügig erscheinen, die sich aber gegebenenfalls ausweiten. Nun werden viele schon wissen, was ich meine. Ich meine zum Beispiel die Petition eines Polizisten aus dem Nordhäuser Raum, der sich beschwert hat und dessen Beschwerde zur Folge hatte, dass er von leitenden Polizeibeamten über Anzeige und anwaltliche Begleitung angegriffen worden ist. Der Fall ist öffentlich gewesen. Der Fall ist nach meinen Informationen auch im Petitionsausschuss diskutiert worden. Nicht deswegen erwähne ich ihn. Ich kenne das Ergebnis noch nicht. Meines Wissens liegt ein endgültiges Ergebnis nicht vor. Das Problem, weshalb ich es hier anspreche, ist: Der Fall macht Schule! Ich habe momentan ein Schreiben einer Studentin auf dem Schreibtisch liegen, die hat eine Petition an den Thüringer Landtag gesandt. Sie beschwert sich darüber, dass sie Schwierigkeiten hat, an ihr Bafög heranzukommen. Was ist die Folge der Petition, in der sie sich sehr kritisch, aber auch sehr sachlich über das BafögAmt und Mitarbeiterinnen des Bafög-Amtes äußert? Die Folge ist, dass der Leiter des Bafög-Amts der Petentin droht, juristisch gegen sie vorzugehen - ein analoger Fall zu dem Fall in Nordhausen. Ableiten will ich aus dieser kritischen Bemerkung - da das im Bericht keine Rolle gespielt hat - die inständige Bitte an uns alle, aber insbesondere an die Mitglieder des Petitionsausschusses, dieses Problem sehr schnell zu klären. Denn nichts ist geeigneter, das Verfassungsrecht der Petitionen zu unterlaufen und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu ramponieren, als wenn Bürgerinnen und Bürger damit rechnen müssen, dass sie, wenn sie von einem Verfassungsrecht Gebrauch machen, anschließend vor dem Kadi landen. Das bitte ich im Auge zu behalten und darüber bitte ich nachzudenken und zu reden zu jedem passenden und unpassenden Zeitpunkt und nicht nur dann, wenn irgendwie ein formaler Zeitpunkt gekommen ist. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ich diesen Tagesordnungspunkt ab und rufe auf den Tagesordnungspunkt 9

Kinderschutz ernst nehmen, Strukturen sichern Antrag der Fraktion der Links- partei.PDS - Drucksache 4/1894 -

Wünscht die Fraktion der Linkspartei.PDS das Wort zur Begründung? Bitte Frau Abgeordnete Jung.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, die allermeisten Familien kommen gut mit ihren Kindern zurecht, aber es gibt auch Kinder, die leider nicht auf der Sonnenseite des Lebens geboren werden, die seelisch oder körperlich verwahrlosen oder misshandelt werden. Das Leben auf dieser Schattenseite hat viele Gesichter: Armut, Langzeitarbeitslosigkeit, Gewalt, Alkohol. Manche Eltern sind mit der Erziehung überfordert, manche Kinder wachsen auf sich allein gestellt auf. Nicht jede Vernachlässigung fällt sofort auf, manchmal muss man genauer hinschauen, um die Warnsignale rechtzeitig zu erkennen. Erziehung ist zuallererst Sache der Eltern und es wäre falsch, wenn der Staat vorschreiben würde, wie sie ihre Kinder erziehen müssen. Schaut die Gesellschaft aber weg, wenn Kinder vernachlässigt oder misshandelt werden, dann ist dies sträfliche Gleichgültigkeit gegenüber denen, die sich noch nicht selbst helfen können - den Kindern. Staat und Gesellschaft müssen in diesen Fällen früher hinschauen, nicht erst, wenn die Schäden unübersehbar sind. Es gibt, und ich glaube das ist unstreitbar, Handlungsbedarf.

Die Ergänzung des SGB VIII durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe betont noch einmal den Schutzauftrag bei Kinderwohlgefährdung. Dazu gehört, dass Kinder und Jugendliche selbst in den Konfliktfällen gehört werden müssen und dass die Träger die Pflicht haben, sich verstärkt um die Kinder und Jugendlichen zu kümmern. Neben allen Kenntnissen und Fähigkeiten, die bei Trägern schon vorhanden sind, bedarf es aber auch ihrer Weiterbildung, die von qualifizierten Kinder- und Jugendschützern durchgeführt werden könnten - jawohl könnten -, wenn sie über genug Personal oder Geld verfügen würden. Es ist ein Trauerspiel, dass das Kinder- und Jugendsorgentelefon jedes Jahr wieder mit finanziellen Problemen zu kämpfen hat. Dabei sind zu seinem Betrieb nur 9.000 € nötig. 9.000 €, um für Kinder und Jugendliche in Not schnell, einfach und ohne große Hürden Rat und Hilfe anzubieten und damit auch die gesetzlichen Erfordernisse ihrer Beteiligung zu gewährleisten.

Die aktuellen Auseinandersetzungen zeigen, dass einfache Lösungen nicht zu erwarten sind. Das komplizierte Spiel von Elternrechten und -pflichten, Kinderrechten, Datenschutz, Erreichbarkeit der Kinder, gesellschaftliche Rahmenbedingungen, dem Angebot der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe hinsichtlich Quantität und Qualität macht es erforderlich, Lösungsansätze zu entwickeln, die dieser Komplexität gerecht werden. Es ist fahrlässig, diejenigen, die wesentlich an der Erarbeitung von Lösungsansätzen mitarbeiten können und einen wichtigen Teil des Hilfenetzes absichern, finanziell auszubluten. Kinder

und Jugendliche, die in schwierigen bis katastrophalen Familienverhältnissen leben, brauchen die Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz. Das sollte Regierungshandeln bestimmen und nicht die Frage, ob sich das Land eine solche LAG leisten kann. Dies zu thematisieren, dient dieser Antrag. Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich eröffne die Aussprache und übergebe das Wort an Frau Pelke, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, "Kinderschutz ernst nehmen, Strukturen sichern", ein ganz wichtiges Thema, über das wir hier im Landtag schon des Öfteren geredet haben. Ja, wir müssen uns über eine ganze Reihe von Rechten sorgen und uns um die Absicherung von Rechten kümmern, Kinderrechte, Rechte für Familien, Rechte für Petenten, demokratische Grundrechte insgesamt. Wir müssen ein Auge darauf haben und deswegen ist es auch so wichtig, über den Kinderschutz hier und heute zu reden.

Bereits zu Beginn der laufenden Legislaturperiode hat meine Fraktion ein Familienförderungsgesetz eingebracht. Bei diesem Gesetz ging es auch um die Sicherung der Strukturen des Kinderschutzes. Unser Vorschlag unterscheidet sich vom Artikel 7 des Thüringer Familienfördergesetzes an einer ganz entscheidenden Stelle. Im Familienfördergesetz der Landesregierung werden die in der Jugendhilfeplanung vorgesehenen Kinderschutzdienste nach Maßgabe des Landeshaushaltsplans gefördert. Wir hatten aus guten Gründen und aus Erfahrung anders formuliert und ich zitiere: „Das Land gewährt für Kinderschutzdienste auf der Grundlage der örtlichen und überörtlichen Jugendhilfeplanung Zuschüsse. Fachliche Empfehlungen des Landesjugendhilfeausschusses sind hierbei zu berücksichtigen.“

Grundlage für die Förderung waren nach unserem Vorschlag die Ergebnisse der örtlichen und überörtlichen Jugendhilfeplanung sowie eben die Empfehlung des Landesjugendhilfeausschusses. Leider ist damals die Landesregierung dem nicht gefolgt und hat stattdessen den Kinder- und Jugendschutz wieder in die Beliebigkeit des Haushaltsplans gestellt. Spätestens seit dieser Legislaturperiode ist zumindest die Sozialpolitik völlig beliebig und es geht immer weiter nach unten mit der Landesförderung. Die Linkspartei.PDS-Fraktion greift deshalb diese Problematik und Förderunsicherheit des Kinderschutzes sehr zu Recht erneut auf, nachdem die von uns

gewollte gesetzliche Struktursicherung aufgrund der Mehrheitsverhältnisse hier im Landtag leider nicht gelungen ist.

Man kann es auch anders formulieren: Kein einziger der Kolleginnen und Kollegen der CDU hatte vor, für eine längerfristige Planungssicherheit der Träger und damit für ein abgesichertes Angebot zum Schutz gefährdeter Kinder zu sorgen. Das muss an dieser Stelle auch mal so deutlich gesagt werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Minister auf die Kleine Anfrage des Kollegen Bärwolff nur auf das Vergleichsjahr 2005 eingeht, um die Entwicklung der Fördermittel zu beschreiben. Hätte er wenigstens das Haushaltsjahr 2004 genommen oder noch besser das Haushaltsjahr 2002. Damals in 2002 wurde nämlich ebenfalls eine Landesjugendhilfeplanung im Bereich des überörtlichen Kinder- und Jugendschutzes erstellt. Diese gilt laut Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses bis zum Ende des Jahres. Dort wird im Bereich des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes für die Förderung der LAG Kinder- und Jugendschutz Thüringen e.V., des Kinder- und Jugendsorgentelefons, der örtlichen Kinderschutzdienste und des Landesfilmdienstes im Bereich Medienschutz und Medienpädagogik eine Gesamtsumme für den Haushaltsplan und für das Haushaltsjahr 2004 von ca. 680.000 € als Bedarf genannt.

Bezogen auf die örtlichen Kinderschutzdienste wird ausdrücklich erwähnt, dass künftig weitere Bedarfe gesehen werden. Dementsprechend wird von 2002 ausgehend eine Aufstockung der Mittel von zunächst ca. 605.000 im Jahr 2002 auf ca. 680.000 € im Jahr 2004 für erforderlich gehalten. Bis heute, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat nie jemand signalisiert, dass der Bedarf für den Kinderschutz geringer geworden wäre, ganz im Gegenteil. Die damalige Förderung also hätte mindestens erhalten werden müssen.

Schauen wir uns deshalb mal die Entwicklung im Haushalt in der Gesamtheit für den Bereich des Kinder- und Jugendschutzes seit 2002 an. Der Haushaltstitel umfasst ausdrücklich mehr als den eben von mir dargestellten erzieherischen Kinder- und Jugendschutz. Im Haushaltsjahr 2002 standen insgesamt noch 692.000 € zur Verfügung. Im Jahr 2003 waren es dann noch 667.000 €, die im Jahr 2004 in dieser Höhe fortgeschrieben wurden. Dann aber kam der große Einbruch. 2005 beträgt die Förderung nur noch 530.000 € und 2006 schließlich nur noch 471.000 €. Auch für 2007 ist eine weitere Kürzung im Landeshaushalt vorgesehen. Zum Zeitpunkt der Erstellung der Jugendhilfeplanung für den Bereich

Kinder- und Jugendschutz wurde also mit Mitteln in Höhe von knapp 700.000 € gestartet. Angekommen sind wir im laufenden Haushaltsjahr bei einer Förderung von rund 470.000 €. Das ist eine Kürzung von rund 230.000 € während des Planungszeitraums und ziemlich genau ein Drittel der Ausgangssumme.

Meine Damen und Herren, weil es sich insbesondere bei den Kinderschutzdiensten um ein örtliches Angebot handelt, wurde in der Jugendhilfeplanung für den Kinder- und Jugendschutz auch auf die Möglichkeiten der Jugendpauschale zur Unterstützung des Kinder- und Jugendschutzes hingewiesen. Die Jugendpauschale betrug zum Zeitpunkt der Planerstellung 2002 über 11 Mio. €, im Haushaltsansatz 2005 nur noch 7,5 Mio. €. Jetzt nach der Zusammenlegung der Jugendpauschale mit der Schuljugendarbeit und der Verschleierung der dadurch erfolgten neuen Kürzungen in Höhe von mehr als 1,5 Mio. € letztendlich nur noch 9 Mio. €, von denen 20 Prozent für die Schuljugendarbeit vorgesehen sind. Bleibt also nur noch eine Summe von rund 7 Mio. € für Jugendarbeit und Kinder- und Jugendschutz. Noch ist die Aufteilung nicht genau nachvollziehbar und wir wissen im Moment nicht genau, welcher Teil der Mittel tatsächlich im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes ankommt. Tatsächlich stehen hier den Kommunen mindestens ebenfalls 30 Prozent weniger Förderung als zum Beginn des Planungszeitraums des geltenden Jugendhilfeplans für den überörtlichen Kinder- und Jugendschutz zur Verfügung.

Das ist die Situation, liebe Kolleginnen und Kollegen, und deshalb ist der von der Landesregierung erweckte Eindruck einer weitgehend erhaltenen Förderung im Rahmen der Kleinen Anfrage von Kollegen Bärwolff falsch. Ich sagte, der erweckte Eindruck ist falsch und ich weiß sehr genau, dass die von Ihnen gewählten Formulierungen den notwendigen Interpretationsspielraum verschaffen. Die Entwicklung des Kinder- und Jugendschutzes und die entsprechende Landesförderung wird sich allerdings daran messen lassen müssen, ob ein auf Landesebene erstellter überörtlicher Landesjugendhilfeplan überhaupt noch irgendeine Bedeutung für die politischen Ziele der Landesregierung hat oder ob solche Pläne mittlerweile Makulatur sind und für niemanden mehr Planungssicherheit bieten.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Kinder- und Jugendschutz nehmen wir eigentlich immer dann wahr, wenn es zu dramatischen Ereignissen kommt. Ich will das hier an dem Punkt mal so deutlich sagen, ohne dass sich hier irgendeiner auf den Fuß getreten fühlt: Wir reden immer dann darüber, wenn es zu ganz schlimmen Erlebnissen kommt, wenn Kinder misshandelt werden, wenn es irgendwo dazu kommt, dass Kinder zu Tode kommen. Dann ist die Empörung ganz groß

und dann wird nach Schuldigen gesucht und dann muss man schauen, dass irgendwas auf die Schnelle geregelt wird. Ich will auch nicht behaupten, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass man mit einer gesetzlichen Verankerung des Kinder- und Jugendschutzes und einer besseren Landesförderung alle Risiken diesbezüglich ausschließen könnte, aber wir können ein solches Risiko der Kinder und Jugendlichen minimieren. Wir wissen, dass trotz der bekannten demografischen Entwicklungen, die immer wieder hier angesprochen werden, im Bereich der Kinder- und Jugendschutzdienste keine Anzeichen dafür vorhanden sind, dass ein sinkender Bedarf zur Unterstützung von gefährdeten Kindern und Jugendlichen zu verzeichnen wäre.

(Beifall bei der SPD)

Leider Gottes ist es teilweise sogar so, dass die Wartelisten in Kinderschutzeinrichtungen immer länger und größer werden. Deswegen ist meine Fraktion der Meinung, dass der Kinder- und Jugendschutz eben nicht von der Maßgabe des Haushalts abhängig sein darf. Es bedarf deshalb einer gründlichen Auseinandersetzung und auch einer Absicherung der Art und des Umfangs der notwendigen Beratungsangebote.

Deswegen möchte ich an dieser Stelle eine Anregung für ein aus unserer Sicht zu entwickelndes Konzept einbringen. Wir, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten uns Gedanken darüber machen, inwieweit auf Landesebene ein Hilfsfonds für akut gefährdete Kinder gebildet werden kann, ein Hilfsfonds, der unbürokratisch von den Jugendämtern immer dann genutzt werden kann, wenn im Fall einer akuten Bedrohung von Kindern und Jugendlichen sehr schnell und fachgerecht reagiert werden muss. Immer wieder wird im Rahmen der Auseinandersetzungen anlässlich von dramatischen Ereignissen festgestellt, dass Mitarbeiter innerhalb der Jugendämter aufgrund des Kostendrucks manchmal nicht zeitnah, nicht rechtzeitig reagieren, vielleicht auch nicht rechtzeitig reagieren können. Wer Verwaltungsabläufe kennt, der weiß, dass es so was geben kann. Ich weiß auch, dass die ganz enormen Kosten für eine Heimunterbringung bspw. für jeden Sozialarbeiter ein großes verwaltungsinternes Problem darstellen. Als ich mir kürzlich noch mal die Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Kollegin Zitzmann zur Heimunterbringung von Kindern und die krassen Unterschiede in den Jugendämtern angesehen habe, da konnte man so richtig herauslesen, wie spürbar mittlerweile dieser Kostendruck ist. Ich will auch nicht einer schnellen Heimunterbringung das Wort reden, wirklich nicht, aber all diese Daten, um die es hier geht, sind ein Hinweis für Konflikte, unter denen Mitarbeiter der Jugendämter stehen, wenn es gilt, eine möglicher

weise kostenintensive und eine schnelle Entscheidung treffen zu müssen. Jeder, der sich damit beschäftigt, weiß das auch: Ein akut gefährdetes Kind aus einer Familie herausnehmen zu müssen, ist immer eine schwierige und eine kostenintensive Entscheidung. Sie kann manchmal für den Haushalt ein Problem sein. Aber in bestimmten Fällen, wenn es darum geht und wir auch immer darauf verweisen, dass es uns allen um das Kindeswohl gehen sollte, dann muss es auch möglich sein, eine solche Entscheidung treffen zu können.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Ein landesweiter Hilfsfonds für akute Fälle könnte also qualifizierte Hilfe für gefährdete Kinder beschleunigen und den Jugendämtern Zeit für die langfristigen, danach notwendigen Entscheidungen verschaffen.

Ich wollte dieses Beispiel ergänzend mit in die Diskussion einbringen, weil es aus meiner Sicht Bestandteil eines notwendigen Qualitätssicherungskonzepts sein könnte - ich formuliere das ausdrücklich vorsichtig. Ich habe jetzt auch versucht, mich hier nur an Daten und Fakten zu orientieren, die vorliegen, weil ich nicht glaube, dass der Kinder- und Jugendschutz sich als politisch-ideologisches Thema eignet. Nein, wir alle müssten ein Interesse daran haben, dass das Kindeswohl im Mittelpunkt steht und dass wir dafür Sorge tragen müssen, dass es nicht mehr dazu kommt oder dass wir es in den meisten Fällen vermeiden können, dass Kinder misshandelt werden oder eher noch Schlimmeres. Deswegen möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass wir als SPD auch immer parlamentarisch versucht haben, den Kinderschutz und die notwendigen Strukturen gesetzlich abzusichern. Ich hoffe, dass wir in diesem Haus irgendwann dazu kommen, den Kinderschutz nicht abhängig vom Geld, sondern von Notwendigkeiten zu machen. In dem Zusammenhang unterstützen wir natürlich auch den Antrag der Linkspartei.PDS. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Bärwolff, Die Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit dem Antrag „Kinderschutz ernst nehmen, Strukturen sichern“ setzt die Linkspartei ein Thema auf die Tagesordnung, welches leider viel zu selten thematisiert wird.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Aber gerade vor dem Hintergrund des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes (KICK) sollten wir dieses Thema ernsthaft und ehrlich miteinander diskutieren. In den Medien tauchen immer wieder Berichte über vernachlässigte Kinder auf. In einigen Fällen werden Kinder so sehr vernachlässigt, dass ihr Leben akut in Gefahr ist. Der Fall des kleinen Jonny-Lee ist Beispiel genug. Aber auch über Misshandlungsfälle wird medial immer häufiger berichtet. Das zeigt, dass für dieses Thema eine größere Sensibilität in den Medien da ist. Ein Beispiel aber auch für eine privatwirtschaftliche Initiative ist das Projekt „Notinsel“. Hier öffnen sich Läden und Ämter als Anlaufstelle für Kinder, die sich bedroht fühlen. Hier finden sie temporär Schutz und ihnen kann Hilfe geboten werden. Mit medialer Aufmerksamkeit allein ist aber Kinderschutz nicht zu machen.

Laut der Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz werden Kinder immer häufiger in Familien vernachlässigt. Mit der zunehmenden Verarmung von Familien, gerade in sozialen Brennpunkten, werden die Anforderungen an die Gesellschaft, aber auch an die Schutzdienste immer schwieriger. 1.024 Fälle haben die Kinderschutzdienste in Thüringen im Jahr 2004 bearbeitet, 1.056 im Jahr 2005. Weit mehr als die Hälfte der Opfer wurden Opfer von Gewalt. Diesen Kindern bestmöglich zu helfen, ihnen eine Hilfelandschaft zu bieten, die eine schnelle, unkomplizierte Hilfe ermöglicht, ist Ziel unseres Antrags.

Auf politischer Ebene wurde in den letzten Jahren einiges für den Kinderschutz getan. Erst im Oktober 2005 trat mit dem KICK ein neuer § 8 a in Kraft. Der § 8 a verpflichtet alle in der Jugendhilfe Tätigen, sofort wirksam zu werden, wenn gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen. Mit den einzelnen Trägern der Jugendhilfe sollen dann Vereinbarungen abgeschlossen werden, in denen die Träger ihren Schutzauftrag anerkennen. Weiter verpflichten sie sich, bei Kindeswohlgefährdung mit Fachkräften zusammenzuwirken und Risiken abzuschätzen. Für diese Vereinbarungen hat der Landesjugendhilfeausschuss in seiner letzten Sitzung im März auch Leitlinien zur Kindeswohlgefährdung verabschiedet. Fachlich wurde der Kinderschutz mit dem KICK und mit den Leitlinien in Thüringen durchaus verbessert. Fraglich ist nur, inwieweit der Kinderschutz oder die Kinderschutzdienste ihrer Aufgabe in der Praxis gerecht werden können.

In der Drucksache 4/1847 antwortet die Landesregierung auf eine Kleine Anfrage in der Frage 4, ob denn der Landesregierung personelle, qualitative oder quantitative Einbußen bezüglich des Kinderschutzes bekannt sind, mit Nein, obwohl sie nur we

nige Zeilen weiter oben schreibt, dass mit der Neufassung der Richtlinie für die Förderung von Kinderschutzdiensten nur noch 1,5 VbE gefördert werden und diese nicht einmal mehr mindestens einen Vollzeitbeschäftigen beinhalten muss. Diese Richtlinie sah einmal vor, dass 2 VbE je Kinderschutzdienst gefördert werden. Von den Fachkräften sollte eine männlich sein und es sollte mindestens einen Vollzeitbeschäftigten geben. Mit der Änderung hat man den Kinderschutz von hinten durch die Brust ins Auge getroffen. Man hat zwar nicht die Haushaltsmittel gekürzt, aber dafür fördert man nur noch 75 Prozent des Personals. Im Übrigen erfuhren die Betroffenen, nämlich die Mitarbeiter der Dienste, aus dem Thüringer Staatsanzeiger, Ausgabe 21 aus dem Jahr 2005 von der Neuregelung, ohne dass es dazu je eine Anhörung oder irgendeine Mitsprache gegeben hätte. Das zeigt ziemlich deutlich, welches Demokratieverständnis die Landesregierung hat.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)